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Hermann-Hesse-Notate II
- Wo die Not am höchsten, ist Gott am nächsten.
- Wie ein Mensch, der Charakter hat, diesen am deutlichsten
und reinsten offenbart, wenn er seinem gewohnten Kreis
entrückt sich vor etwas ganz Neues gestellt findet... (Hermann
Hesse: Die Welt im Buch I. Rezensionen und Aufsätze aus
den Jahren 1900-1910, S. 101)
- Über die Psychoanalyse möchte ich mich auf keine
Diskussionen einlassen. Die Stütze, auf die ein Mensch
sich in besonders schwierigen Zeiten stützt, kann
für ihn nicht Gegenstand von Diskussionen sein, um
so mehr, wenn er, wie ich, sich zur Dogmatik und
zu Untersuchungen über Rechtgläubigkeit nicht berufen
fühlt. (Hermann Hesse: Stufen des Lebens. Briefe, S.
21)
-
Doch muß man den Menschen dann am wenigsten glauben,
wenn sie von ihren Mängeln reden. Mancher hält sich für
vollkommen, nur weil er geringe Ansprüche an sich stellt.
-
Es ist möglich, daß jene Praktiker und Psychologen
recht haben, die alles menschliche Tun aus egoistischen
Trieben ableiten. Ich kann zwar nicht ganz einsehen,
warum ein Mensch, der sein Leben lang einer Sache
dient, der sein Vergnügen und Wohlergehen
vernachlässigt und sich für irgend etwas opfert, damit
wirklich das gleiche tun soll wie ein Mensch, der mit
Sklaven oder mit Munition handelt und die Erträge mit
Wohlleben durchbringt; aber ohne Zweifel würde ich im
Wortgefecht mit einem solchen Psychologen sofort den
kürzeren ziehen und überführt werden, denn Psychologen
sind ja Menschen, welche stets den längeren ziehen.
(Die Morgenlandfahrt)
- ... habe jenes Glück genossen, das durch
körperliche Schmerzen nicht zu zerstören ist,
das beste und einzige Glück für unsereinen:
an der Arbeit zu sitzen, etwas zu schaffen,
produktiv zu sein. (Hermann Hesse: Betrachtungen
und Berichte II)
- Das Schöne zieht einen Teil seines Zaubers
aus der Vergänglichkeit. (Hermann Hesse:
Betrachtungen und Berichte II)
- Alle Bildung und Kultur
fordert ja auch zwar ein herzliches Mitleben mit dem
zeitgenössischen Schaffen, hat Boden und Wurzeln aber vor
allem in einem innigen, lebendigen Verhältnis zu den
Schätzen vergangener Zeit, deren Überleben und
Nochlebendigsein der beste, vielleicht einzige Beweis für den
Wert aller geistigen Arbeit ist.
- Von allem Ruhm ist das der süßeste,
der noch nicht auf große Erfolge blickt,
noch keinen Neid erregen kann, noch nicht absondert. (Gertrud)
-
Ich bin nicht der Meinung, meine oder irgend
jemandes Bilder müßten die Zeiten überdauern. Wo
soll die allzeit aufblühende junge Kunst denn Luft
und Raum hernehmen? Es wäre kein Schade, wenn
jede dritte Generation ihren Vorrat an antiquierten
Kunstwerken sanft zu Grabe trüge. (Sommeridyll, 1901)
- Schiller sollte aus dem Lehrplan der Gymnasien
gestrichen werden, dann wäre er bald wieder
unerhört populär.
-
Mozart, das bedeutet, die Welt hat einen Sinn.
-
Die Kritik hat das Recht, den Dichter zu
analysieren, soweit sie es vermag, sie hat
auch das Recht, das, was ihm wichtig und
heilig ist, für Dummheiten zu erklären und
ans Licht öffentlicher Diskussion zu ziehen.
Damit sind jedoch ihre Rechte erschöpft.
-
Was das Talent angeht, so ist es ja tatsächlich
in solchem Überfluß vorhanden, daß
unsere Künstler bald nur noch Kollegen und
gar kein Publikum mehr haben werden.
-
Schönheit beglückt nicht den, der sie
besitzt, sondern den, der sie lieben und
anbeten kann.
-
Der Anfang aller Kunst ist die Liebe. Wert und
Umfang jeder Kunst werden vor allem durch des
Künstlers Fähigkeit zur Liebe bestimmt.
- Unsere ganze Kunst ist bloß ein
Ersatz, ein mühsamer und zehnmal zu teuer
bezahlter Ersatz für versäumtes Leben,
versäumte Tierheit, versäumte Liebe. Aber es
ist doch nicht so. Man überschätzt das
Sinnliche, wenn man das Geistige nur als Notersatz
für fehlendes Sinnliches ansieht. Das Sinnliche
ist um kein Haar mehr wert als der Geist, so wenig wie
umgekehrt. Ob du ein Weib umarmst oder ein Gedicht
machst, ist dasselbe.
- Ob die Kunst und das Schöne den
Menschen wirklich zu bessern und zu stärken
vermögen, sei dahingestellt, zum mindesten
erinnern sie uns, gleich dem Sternhimmel, an das Licht,
an die Idee der Ordnung, der Harmonie, des "Sinnes" im
Chaos.
- Es gehört zum Verstehen und
Erlebenkönnen jeder Kunst eine natürliche
Anlage, die dem künstlerischen Talent oder Treib
selber verwandt sein muß, wer die hat, dem sind
künstlerische Genüsse möglich, dem
andern nie.
- Die Kraft des Genießens und die
des Erinnerns sind voneinander abhängig.
Genießen heißt einer Frucht ohne Rest ihre
Süßigkeit entpressen. Und Erinnerung
heißt die Kunst, einmal Genossenes nicht nur
festhalten, sondern immer reiner auszuformen.
-
Die Einsamkeit des Künstlers, überhaupt des
begabten Menschen, halte ich für unvermeidlich,
einerlei, ob einer Glück und Erfolg hat oder nicht.
Ebenso begreiflich und im Grund richtig scheint mir,
daß der Begabte, der Mensch mit Phantasie,
diese Einsamkeit möglichst dissimuliert. Denn
so unvermeidlich es ist, daß der Mann mit Talent
früher oder später die öde, traurige
Beschränktheit des Durchschnittsmenschen bemerkt,
so sehr muß er sich gegen diese Einsicht wehren,
weil sie am Ende zu einer Lieblosigkeit und
Menschenverachtung führen
würde, die er auch nicht ertrüge. Aber die
große, oft eisige Einsamkeit des Künstlers
oder Denkers inmitten der Dutzendmenschen ist, ob
verheimlicht oder nicht, immer da, sie ist der Preis,
den wir dafür zahlen, daß wir vor jenen
manches voraus haben.
- So gut einem ein Nobelpreis auf den
Kopf fallen kann, so gut kann einem auch ein Dachziegel
auf den Kopf fallen; letzteres kommt sogar öfter
vor. (1946)
-
Stets siegt am Ende das menschliche Urteil über
das ästhetische. Denn wir verzeihen dem Talent
nicht leicht, das sich miß braucht, wohl aber
verzeihen wir dem menschlich wertvollen Werk manchen
offenkundigen Formfehler.
- Wo man liebt, werden am Ende Verständnisse und
Mißverständnisse ununterscheidbar.
- Das Gebot der Liebe, einerlei ob es von Jesus oder von
Goethe gelehrt wurde, dies Gebot wurde von der Welt völlig
mißverstanden! Es war überhaupt kein Gebot. Es gibt
überhaupt keine Gebote. Gebote sind Wahrheiten, wie der
Erkennende sie dem Nichterkennenden mitteilt, wie der
Nichterkennende sie auffaßt und empfindet. Gebote sind
irrtümlich aufgefaßte Wahrheiten. (Hermann Hesse: Sämtliche
Werke, Bd. 13: Betrachtungen und Berichte. 1899-1926, S.
386)
-
Wer so liebt, wie man lieben sollte, der wird zum Dichter
und zum Helden um ein Lächeln, um einen Wink, um ein
Wort von der, die er lieb hat. Wenn seine Gedichte nicht gut
sind, sind sie doch heiß und voll Liebe. (Hermann Hesse:
Liebe)
-
Liebe muß nicht bitten, auch nicht fordern. Liebe muß die
Kraft haben, in sich selbst zur Gewißheit zu kommen.
(Demian)
-
Früher hatte ich geglaubt, es müsse ein besonderer
Genuß sein, geliebt zu werden, ohne selbst zu lieben.
Ich hatte jetzt erfahren, wie peinlich eine solche sich
darbietende Liebe ist, die man nicht erwidern kann. Und
doch war ich ein wenig stolz darauf, daß eine fremde
Frau mich liebte und mich zum Manne wünschte. Schon
diese kleine Einzelheit bedeutete ein Stück Genesung
für mich... Auch sah ich allmählich immer mehr ein, daß
das Glück mit der Erfüllung äußerer Wünsche wenig zu
tun habe und daß die Leiden verleibter Jünglinge, so
peinlich sie seien, aller Tragik entbehren. (Peter
Camenzind)
-
Die Liebe ist nicht da, um uns glücklich zu machen. Ich
glaube, sie ist da, um uns zu zeigen, wie stark wir im
Leiden und Tragen sein können.
-
Die Liebe erleidet man, aber je hingegebener man sie
leidet, desto stärker macht sie uns.
-
Der Weg der Liebe ist darum so schwer zu gehen, weil in
der Welt an Liebe wenig geglaubt wird, weil sie überall
auf Misstrauen stößt.
-
Der Grund aller Weisheit ist: Glück kommt nur
durch Liebe.
-
Liebe heißt jede Überlegenheit, jedes Verstehenkönnen,
jedes Lächelnkönnen im Schmerz. Liebe zu uns selbst und
unsrem Schicksal, herzliches Einverstandensein mit dem,
was das Unerforschliche mit uns will und plant, auch wo
wir es noch nicht übersehen und verstehen können, - das
ist unser Ziel.
-
Das Böse entsteht immer da, wo die Liebe nicht
ausreicht.
-
Jede Begegnung unserer Seele, in der sie sich
selber empfindet und ihr Leben spürt, ist Liebe.
Glücklich ist also der, der viel zu lieben vermag.
Lieben aber und Begehren ist nicht ganz dasselbe.
Liebe ist weise gewordene Begierde.
-
Daß jede Liebe ihre tiefe Tragik hat, ist doch
kein Grund, nicht mehr zu lieben.
-
Es heiratet keiner, damit er Kinder kriege, aber
wenn er Kinder kriegt, so ändern sie ihn, und
schließlich sieht er, daß alles doch nur für sie
geschehen ist. (Gertrud)
-
Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie zu
verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber
liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie
nicht zu verachten, sie und mich nicht zu hassen,
sie und mich und alle Wesen mit Liebe und
Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können.
(Siddhartha)
-
Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in
seinem Bild etwas, was in uns selber sitzt. Was
nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.
(Demian)
-
So ist es, wenn ein Mensch sein Liebesvermögen auf
einen einzigen Gegenstand gesammelt hat; mit
dessen Verlust stürzt alles zusammen, und er
steht arm zwischen Trümmern. (Das Glasperlenspiel)
-
Liebe kann man erbetteln, erkaufen, geschenkt
bekommen, auf der Gasse finden, aber rauben kann
man sie nicht. (Siddhartha)
-
Das Ausgelachtwerden riskiert ein jeder, der sich
einem Mädchen nähert; das ist der Einsatz. Also
riskiere, und im schlimmsten Fall laß dich eben
auslachen. (Der Steppenwolf)
-
Gewonnen hat immer der, der lieben, dulden und
verzeihen kann, nicht der, der besser weiss und
aburteilt. Wir können einander verstehen, aber
deuten kann jeder nur sich selbst.
- Ohne Persönlichkeit gibt es keine
Liebe, keine wirklich tiefe Liebe.
- Den Sinn erhält das Leben einzig
durch die Liebe.Das heißt : je mehr wir zu lieben
und uns hinzugeben fähig sind, desto sinnvoller
wird unser Leben.
- Glück ist Liebe, nichts anderes.
Wer lieben kann, ist glücklich.
- Ohne Liebe zu sich selbst ist auch die
Nächstenliebe unmöglich. Der Selbsthaß
ist genau dasselbe und erzeugt am Ende dieselbe
grausige Isoliertheit und Verzweiflung wie der grelle
Egoismus.
- Der Anfang aller Kunst ist die Liebe.
Wert und Umfang jeder Kunst werden vor allem durch des
Künstlers Fähigkeit zur Liebe bestimmt.
- Genie ist Liebeskraft, ist Sehnsucht
nach Hingabe.
- Je weniger ich an unsere Zeit glauben
kann, je mehr ich das Menschentum verkommen und
verdorren zu sehen meine, desto weniger stelle ich
diesem Verfall die Revolution entgegen, und desto mehr
glaube ich an die Magie der Liebe.
- Kein Mensch fühlt im andern eine
Schwingung mit, ohne daß er sie selbst in sich
hat.
- Die Welt und das Leben zu lieben,auch
unter Qualen zu lieben, jedem Sonnenstrahl dankbar
offenstehen und auch im Leid das Lächeln nicht
ganz zu verlernen - diese Lehre jeder echten Dichtung
veraltet nie und ist heute notwendiger und
dankenswerter als je.
- Fühle mit allem Leid der Welt,
aber richte deine Kräfte nicht dorthin, wo du
machtlos bist, sondern zum Nächsten, dem du
helfen, den du lieben und erfreuen kannst.
- Weich ist stärker als hart,
Wasser stärker als Fels, Liebe stärker als
Gewalt.
- Was mir zutiefst zuwider ist, existiert
für mich nicht minder als das, was ich liebe.
- Es bleibt zwischen Menschen, sie seinen noch
so eng verbunden, immer ein Abgrund offen, den nur
die Liebe, und auch nur mit einem Notsteg,
überbrücken kann.
- Übrigens gibt es nichts Erfolgloseres als
das Nachdenken über jemanden, den man liebt.
- Man überschätzt das
Sinnliche, wenn man das Geistige nur als einen
Notersatz für fehlendes Sinnliches ansieht. Das
Sinnliche ist um keine Haar mehr wert als der Geist, so
wenig wie umgekehrt. Es ist alles eins, es ist alles
gleich gut. Ob du ein Weib umarmst oder ein Gedicht
machst, ist daselbe. Wenn nur die Hauptsache da ist,
die Liebe, das Brennen, das Ergriffensein, dann ist es
einerlei, ob du Mönche auf dem Berge Athos bist
oder ein Lebenmann in Paris.
- Es ist wunderlich mit der Liebe, auch
in der Kunst. Sie vermag, was alle Bildung, aller
Intellekt, alle Kritik nicht vermag, sie verbindet das
Fernste, stellt das Älteste und Neueste
nebeneinander. Sie überwindet die Zeit, indem sie
alles aufs eigene Zentrum bezieht. Sie allein gibt
Sicherheit, sie allein hat recht, weil sie nicht
rechthaben will.
- Mit der Liebe ist es geradeso wie mit
der Kunst: wer das Größte ein klein wenig zu
lieben vermag, der ist ärmer und geringer, als wer
am Kleinsten aufglühen kann.
- Was wäre Vernunft und Nü
chternheit ohne das Wissen vom Rausch, was wäre
Sinneslust, wenn nicht der Tod hinter ihr stünde,
und was wäre Liebe ohne die ewige Todfeindschaft
der Geschlechter?
-
Ich bin ein Verehrer der Untreue, des Wechsels,
der Phantasie. Ich halte nichts davon, meine Liebe
an irgendeinen Fleck der Erde festzunageln. Ich
halte das, was wir lieben, immer nur für ein
Gleichnis. Wo unsere Liebe hängenbleibt und
zur Treue und Tugend wird, da wird sie mir
verdächtig.
- Es ist kein Glück, geliebt zu
werden. Jeder Mensch liebt sich selber, aber lieben,
das ist Glück.
- Man tut das meiste im Leben,
auch wenn man andere Gründe vorschützt,
der Frauen wegen.
- Alles, woran wir Liebe hängen, ist
von uns überschätzt und fordert daher
zuzeiten auch Widerspruch und Kritik heraus, denn
lebendig und wertvoll ist nur die Liebe, nicht der
Gegenstand, an den wir sie hängen.
-
Heute liegt die politische Vernunft nicht mehr dort, wo
die politische Macht liegt. Es muß ein Zustrom von
Intelligenz und Intuition aus nicht offiziellen Kreisen
stattfinden, wenn Katastrophen verhütet oder gemildert
werden sollen.
-
Die Welt ist krank an Ungerechtigkeit, ja. Sie ist noch
viel mehr krank aus Mangel an Liebe, an Menschentum, an
Brudergefühl. Das Brudergefühl, das dadurch genährt
wird, das man zu Tausenden marschiert und Waffen trägt,
ist mir sowohl in der militärischen wie revolutionären
Form nicht annehmbar.
-
Ein Feigling, wer sich den Leistungen, Opfern und
Gefahren entzieht, die sein Volk zu bestehen hat.
Aber ein Feigling und Verräter nicht minder,
wer die Prinzipien des geistigen Lebens an
materielle Interessen verrät, wer also z.B.
die Entscheidung darüber, was zwei mal zwei
ist, den Machthabern zu überlassen bereit ist.
Der Sinn für die Wahrheit, die intellektuelle
Redlichkeit, die Treue gegen die Gesetze und
Methoden des Geistes irgend einem anderen Interesse
zu opfern, auch dem des Vaterlandes, ist Verrat.
-
Mein Dienst und Beruf ist der der Menschlichkeit.
Aber Menschlichkeit und Politik schließen sich
aus. Beide sind nötig, aber beiden zugleich dienen
ist kaum möglich. Politik fordert Partei,
Menschlichkeit verbietet Partei. (1918)
- Je mehr einzelne da sind, welche dem
Welttheater mit Ruhe und Kritik zuzuschauen vermö
gen, desto geringer ist die Gefahr der großen
Massendummheiten, obenan der Kriege.
- Der Patriotismus setzt an Stelle des
Einzelnen einen größeren Komplex. Aber so
richtig als Tugend geschätzt wird er doch erst,
wenn das Schießen losgeht.
- Ich bin gerne Patriot, aber vorher
Mensch, und wo beides nicht zusammengeht, gebe ich
immer dem Menschen Recht.
- Wie jeder totgeschossene Soldat die
ewige Wiederholung eines Irrtums ist, so wird auch die
Wahrheit in tausend Formen ewig und immer wiederholt
werden müssen.
-
Niemand ist schuldig. Man schießt und brennt
die Welt in Trümmer und ist dabei völlig
unschuldig. Man ist "Exponent" oder "Faktor" oder
irgendetwas Geistreiches, aber kein Mensch, kein
moralisches, unter Gott stehendes, ihm
verantwortliches Wesen. Ich gebe keinen roten
Pfennig dafür.
-
Besser ist es, Unrecht leiden als
Unrecht tun. Falsch ist es, mit verbotenen Mitteln das
Erwünschte verwirklichen zu wollen. Das sind
Torheiten für die Generäle, und die
Staatsmänner lachen darüber, doch sind es
alte und bewährte Wahrheiten.
-
Ein Krieg kommt nicht aus dem blauen Himmel herab,
er muß gleich jeder anderen menschlichen
Unternehmung vorbereitet werden, er bedarf der
Pflege und Mitwirkung vieler, um möglich und
wirklich zu werden, Gewünscht aber, vorbereitet
und suggeriert wird er durch die Menschen und Mä
chte, denen er Vorteil bringt. Er bringt ihnen
entweder direkten baren Geldgewinn wie der
Rüstungsindustrie (und sobald Krieg ist - wie
unzählige, vorher harmlose Gewerbe werden da
zu Rüstungsgeschäften, und wie automatisch
strömt das Kapital diesen Geschäften zu!),
oder er bringt ihnen Gewinn an Geltung, Achtung und
Macht wie etwas den stellenlosen Generälen und
Obersten.
-
Zwei Geisteskrankheiten sind es nach
meiner Meinung, denen wir den heutigen Zustand der
Menschheit verdanken: der Größenwahn der
Technik und der Größenwahn des
Nationalismus. Sie geben der heutigen Welt ihr Gesicht
und ihr Selbstbewußtsein, sie haben uns zwei
Weltkriege samt ihren Folgen beschert und werden, bis
sie sich ausgetobt haben, noch manche ähnliche
Folgen zeitigen. Der Wider stand gegen diese beiden
Welkrankheiten ist heute die wichtigste Aufgabe und
Rechtfertigung des Geistes auf Erden. Diesem Widerstand
hat auch mein Leben gedient, eine kleine Welle im
Strom.
- Die ganze Weltgeschichte scheint immer
um Ziele und Gesinnungen oder Weltveränderungen zu
gehen, die sich dann sehr bald nur halb so ernst-
gemeint herausstellen. Man war gestern noch voll edler
Gesinnung, heut kann man aber auch anders, das ist das
Ödeste.
- An einen Krieg dachte niemand, man
rüstete nur so für alle Fälle, weil
reiche Leute gern Eisenwände um ihr Geld
sehen.
- Warum ist man nur dort für die
Selbstbestimmung der Nationen, wo man Profit davon
erhofft?
- In der ganzen Welt ist jeder Politiker
sehr für Revolution, für Vernunft und
Niederlegen der Waffen - nur aber beim Feinde, ja nicht
bei sich selbst.
- Wir müssen nicht hinten beginnen,
bei den Regierungsformen und politischen Methoden,
sondern wir müssen vorn anfangen, beim Bau der
Persönlichkeit, wenn wir wieder Geist und Mä
nner haben wollen, die uns die Zukunft verbürgen.
- Jede Bemühung um Besitz und Macht
raubt uns Kräfte und läßt uns ä
rmer werden.
-
Der Heroismus, der in Tagesbefehlen und Siegesberichten
so gut aussieht, ist eine Sentimentalität.
Wenn ein Besiegter und Unglücklicher sich zu
Füßen seiner Fahne das Leben nimmt, oder
wenn einer, der Pech gehabt hat, nun nichts mehr von
Freundschaft, Liebe und Güte wissen will,
weil sie ihn seiner Meinung nach im Stich
gelassen haben, so ist das ein Benehmen, das nur
Theaterbesuchern imponiert. Mit den Zähnen
knirschen, ist kein Heldentum, und mit der Faust
in der Tasche sich auf ferne Revanche vertrösten,
ist jämmerlich.
-
Jeder Mensch ist etwas Persönliches und
Einmaliges, und an Stelle des persönlichen
Gewissens ein kollektives setzen zu wollen, das
heißt schon Vergewaltigung und ist der
erste Schritt zu allem Totalitären.
- Ich verstehe es und billige es, wenn
ein Mensch viel von sich selbst verlangt,
wenn er aber diese Forderung auf andere
ausdehnt und sein Leben zum "Kampf" für
das Gute macht, so muß ich mich des Urteils
darüber enthalten, denn ich halte von Kampf,
Aktion, Opposition nicht das mindeste; ich
glaube zu wissen, daß jeder Wille zur
Änderung der Welt zu Krieg und Gewalt
führt, und kann darum mich keiner
Opposition anschließen, dennn ich billige
die letzen Konsequenzen nicht, und
halte das Unrecht und die Bosheit auf Erden
nicht für heilbar. Was wir ändern können und
sollten, das sind wir selber: unsere Ungeduld,
unseren Egoismus (auch der geistige), unser
Beleidigtsein, unseren Mangel an Liebe und
Nachsicht. Jede andere Änderung der Welt,
auch wenn sie von den besten Absichten
ausgeht, halte ich für nutzlos.
-
Die meisten Menschen haben ja keine persönlichen
Gesinnungen, sondern die ihrer Kaste, sowohl die
Kapitalisten wie die Sozialisten sind zu 99
Prozent Anhänger von Meinungen, zu deren
Nachprüfung ihr Geist gar nicht ausreicht.
-
Das Gleichschalten, sei es noch so wohl gemeint,
geht wider die Natur. Es führt zu Fanatismus
und Krieg.
- Ich habe mich im Lauf meiner
Entwicklung den Problemen der Zeit nicht entzogen und
nie, wie meine politischen Kritiker meinen, im
elfenbeinernen Turme gelebt - aber das erste und
brennendste meiner Probleme war nie der Staat, die
Gesellschaft oder die Kirche, sondern der einzelne
Mensch, die Persönlichkeit, das einmalige, nicht
normierte Individuum.
-
Wenn im Kampf der Interessen und Schlagworte die
Wahrheit in Gefahr kommt, ebenso entwertet,
entstellt und vergewaltigt zu werden wie der
Einzelmensch, dann ist es unsere einzige Pflicht
zu widerstreben und die Wahrheit, das heißt
das Streben nach Wahrheit als unseren obersten
Glaubenssatz zu retten. Der Gelehrte, der als
Redner, als Autor, als Lehrer wissentlich das
Falsche sagt, wissentlich Lügen und Fälschungen
unterstützt, handelt nicht nur gegen organische
Grundgesetze, er tut außerdem, jedem aktuellen
Anschein zum Trotz, seinem Volke keinen Nutzen,
sondern schweren Schaden, er verdirbt ihm Luft und
Erde, Speise und Trank, er vergiftet das Denken
und das Recht und hilft allem Bösen und
Feindlichen, das dem Volke Vernichtung droht. (Das
Glasperlenspiel)
- Der einzige Trost in allem ist heute der, daß für kranke alte Leute das Verlassen der Welt, so wie sie
heute ist oder uns erscheint, mehr eine Freude ist als
das Gegenteil. (Hermann Hesse - Hans Sturzenegger:
Briefwechsel 1905-1943)
- Früh stirbt, wen die Götter lieben, und immer heften sich an
Namen und Gestalt Frühvollendeter besondre Zärtlichkeit und
Trauer. (Hermann Hesse: Die Welt im Buch I. Rezensionen
und Aufsätze aus den Jahren 1900-1910, S. 422)
- Wenn ein heutiger Franziskus das Bedürfnis
hätte, sich mit aller Menschennot der Welt möglichst
innig zu verbinden, so müßte er sich mit einer
Cernowitzer Jüdin verheiraten. (Hermann Hesse:
Stufendes Lebens. Briefe, S. 61)
-
Die Verzweiflung schickt uns Gott nicht, um uns zu
töten, er schickt sie uns, um ein neues Leben in
uns zu wecken.
-
War denn nicht alles Leiden Zeit, war nicht alles
Sichquälen und Sichfürchten Zeit, war nicht alles
Schwere, alles Feindliche in der Welt weg und
überwunden, sobald man die Zeit überwunden hatte,
sobald man die Zeit wegdenken konnte? (Siddhartha)
-
Es empörte und ermüdete mich zu sehen,
wie das gemeine Leben breitmaulig sein Recht
forderte und alles fraß, was ich von
Überfluß und Übermut mitgebracht
hatte.
-
Ich wußte plötzlich wieder, daß der Tod unser
kluger und guter Bruder ist, der die rechte Stunde
weiß und dessen wir mit Zuversicht gewärtig sein
dürfen. Und ich begann auch zu verstehen, daß das
Leid und die Enttäuschungen und die Schwermut
nicht da sind, um uns verdrossen und wertlos und
würdelos zu machen, sondern um uns zu reifen und
zu verklären. (Peter Camenzind)
- Leuthold steckt in der Weihnachtshetze - es ist ja
drollig, mit was für Orgien an Arbeit und Geldjagd die
Geschäftsleute den Geburtstag des Heilands feiern.
(Hermann Hesse - Hans Sturzenegger: Briefwechsel
1905-1943, S. 62)
- Dennoch blieb
ich dem indischen Weg treu, obwohl ich ihn nicht für besser als
den christlichen halte. Ich tat es, weil mir die christliche
Anmaßung, die Monopolisierung Gottes, das
Alleinrechthabenwollen, das mit Paulus beginnt und durch die
ganze christliche Theologie geht, zuwider war, und auch, weil
die Inder weit bessere, praktischere, klügere und tiefere
Formen des Wahrheitssuchens, mit Hilfe der Yogamethoden,
wissen. (Hermann Hesse: Stufen des Lebens. Briefe, S. 26)
- Das ist beim Christentum genau gleich: das übliche
praktische und kirchliche Christentum aller
Konfessionen ist ebenso eine oberflächliche
Notanpassung, mit der sich zur Not das Leben leben
läßt. Die tiefern, ernstlichern, wahrhaft geistigen
Disziplinen, Übungen und Erlösungen, deren
christlicher Geist fähig ist, sind nie in der "Welt"
gelebt worden, sondern auch hier nur von den
Heiligen und denen, die dazu unterwegs waren, den
Mönchen. Das alte Mönchtum, auf dem Sinai und in
der Thebais, ist fast ebenso hochkultiviert geistig wie
das indische und ist ihm im Grunde sehr nah
verwandt. (Hermann Hesse: Stufen des Lebens.
Briefe, S. 20)
-
Die Religionen und Mythologien sind, ebenso wie die
Dichtung, ein Versuch der Menschheit, eben jene
Unsagbarkeiten in Bildern auszudrücken, die Ihr
vergeblich ins flach Rationale zu übersetzen versucht.
-
Der Glaube geht nicht durch den Verstand, so wenig
wie die Liebe.
-
Was gut ist, wissen wir, es steht in den Geboten.
Aber Gott ist nicht nur in den Geboten, sie sind
nur der kleinste Teil von ihm. Du kannst bei den
Geboten stehen und kannst weit von Gott weg sein.
(Narziß und Goldmund)
-
Jede Geburt bedeutet Trennung vom All, bedeutet
Umgrenzung, Absonderung von Gott, leidvolle
Neuwerdung. Rückkehr ins All, Aufhebung der
leidvollen Individuation, Gottwerden bedeutet:
seine Seele so erweitert zu haben, daß sie das All
wieder zu umfassen vermag.
- Für mich, der ich zwar
christlich-protestantisch erzogen, dann aber an Indien
und China geschult bin, sind alle Zweiteilungen der
Welt und der Menschen in Gegensatzpaare nicht
vorhanden. Für mich ist erster Glaubenssatz die
Einheit hinter und über den Gegensätzen.
- Mir ist das humanistische Ideal nicht
erwürdiger als das Religiöse, und auch
innerhalb der Religionen würde ich nicht einer vor
der anderen den Vorzug geben. eben darum könnte
ich keiner Kirche angehören, weil dort die Hö
he und Freiheit des Geistes fehlt, weil jede sich
für die beste die einzige und jeden ihr nicht
Zugehörigen für verirrt hält. Der Weg in
die Kirchen ist leicht zu finden, die Tore stehen weit
offen, an Propaganda fehlt es auch nicht.
[Lektüre für Minuten, st, S.93]
- Mir ist oft gesagt worden, es gä
be heute keine frommen Menschen mehr. Man könnte
ebensogut sagen, es gäbe heute keine Musik und
keinen blauen Himmel mehr.
- Eine Religion ist ungefähr so gut
wie die andere. Es gibt keine, in der man nicht ein
Weiser werden könnte, und keine, die man nicht
auch als dümmsten Götzendienst betreiben
könnte. Aber es hat sich in den Religionen fast
alles wirkliche Wissen der Menschheit angesammelt,
zumal in den Mythologien. Jede Mythologie ist "falsch",
wenn wir sie anders als fromm ansehen; aber jede ist
ein Schlüssel zum Herzen der Welt. Jede weiß
von den Wegen, aus dem Götzendienst am Ich einen
Gottesdienst zu machen.
- Die Weisheit aller Völker ist
eine und dieselbe, es gibt nicht zwei oder mehr, es
gibt nur eine. Das einzige, was ich etwa gegen die
Religionen und Kirchen einzuwenden habe, ist ihre
Neigung zur Unduldsamkeit: Weder Christ noch
Mohammedaner wird gerne zugeben, daß sein Glaube
gut und heilig zwar, nicht aber privilegiert und
patentiert sei, sondern ein Bruder all der andern
Glaubensarten, in denen die Wahrheit sich sichtbar zu
machen sucht.
- Glaube und Zweifel sind einander
entsprechend, sie gehören komplementär
zueinander. Wo nie gezweifelt wird, da wird auch nicht
richtig geglaubt.
-
Glaube und Zweifel bedingen einander wie Ein- und Ausatmen; sie gehören zusammen.
- Vorgestern abend hatte ich zwar mehrere Stunden lang
anders gedacht, wie denn überhaupt ein konsequentes,
charaktervolles Denken und ein edles Beharren bei
einmal als richtig erkannten Gesinnungen mir leider
nicht gegeben ist. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd.
14: Betrachtungen und Berichte. 1927-1961, S. 12)
- Zweierlei Aufgabe hat jede Geistigkeit und Kultur: den Vielen
Sicherheit und Antrieb zu geben, sie zu trösten, ihrem Leben
einen Sinn zu unterlegen - und dann die zweite,
geheimnisvollere, nicht minder wichtige Aufgabe: den
Wenigen, den großen Geistern von morgen und übermorgen,
das Aufwachsen zu ermöglichen, ihren Anfängen Schutz und
Pflege zu leihen, ihnen Luft zum Atmen zu geben. (Hermann
Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 13: Betrachtungen und Berichte.
1899-1926, S. 483f.)
- Nur manchmal muß
ich wieder rasch verreisen, mich in ein paar fremden Städten
herumtreiben und ein paar närrische Nächte verzechen, und
dazwischen beherrscht mich ein ganz komisches Gefühl von
der Wunderlichkeit des Lebens - wenn ich das ausdrücken
könnte, dann hätte meine Dichterei einen Sinn. (Brief an Franz
Ginskey)
- Ich habe durch meine Schriften zuweilen jungen
Lesern dazu gedient bis dahin zu kommen, wo das
Chaos beginnt, das heißt wo sie allein und ohne
helfende Konventionen dem Rätsel des Lebens
gegenüberstehen. Für die Meisten ist schon das eine
Gefahr, und die Meisten kehren denn auch wieder um
und suchen neue Anschlüsse und Bindungen. Die sehr
Wenigen, die es treibt ins Chaos einzutreten und
die Hölle unserer Zeit zu erleben, die tun es
ohne "Führer". (Hermann Hesse: Stufen des Lebens.
Briefe, S. 28)
- Als menschliches Ideal erscheint mir nicht
irgendeine Tugend oder irgendein bestimmter Glaube,
sondern als Höchstes, wonach Menschen streben
können, erscheint mir die möglichste Harmonie in
der Seele des einzelnen. Wer diese Harmonie hat,
der hat das gleiche, was die Psychoanalyse etwa
freie Verfügbarkeit der Libido heißen würde,
und wovon das Neue Testament sagt "Alles ist
Euer." (Hermann Hesse: Stufen des Lebens.
Briefe, S. 18)
Zwischen Schmerzen und Verzweiflung und würgendem
Lebensekel immer wieder für einen heiligen Augenblick
auf die Frage nach dem Sinn dieses so schwer
erträglichen Lebens ein Ja zu hören, werde es auch
im nächsten Augenblick schon wieder von der trüben
Flut überspült, das genügt uns. (Hermann Hesse: Kurgast)
- Man brauchte dieser komischen Welt nicht die Ehre
anzutun, sie ernst zu nehmen. (Kurgast)
-
Nichts ist dem Menschen heute mehr zuwider, als den Weg
zu gehen, der ihn zu sich selber führt! (Demian)
-
"Ach Harry, wir müssen durch so viel Dreck und Unsinn
tappen, um nach Hause zu kommen! Und wir haben niemand,
der uns führt, unsere einzige Führer ist das Heimweh."
(Steppenwolf, S. 146)
-
Der Glaube den ich meine, ist nicht leicht in Worte zu
bringen. Man könnte ihn etwa so ausdrücken: Ich glaube,
das trotz des offensichtlichen Unsinns das Leben
dennoch einen Sinn hat, ich ergebe mich darein, diesen
letzten Sinn mit dem Verstand nicht erfassen zu können,
bin aber bereit, ihm zu dienen, auch wenn ich mich
dabei opfern muss.
-
Das Leben hat so viel Sinn, als Sie ihm zu geben
vermögen. Die Bibel und das Dogma und alle Philosophien
sind nur eine Hilfe, diese Sinngebung zu erleichtern.
Die Natur, die Pflanze und das Tier, bedarf der
Sinngebung nicht, weil sie den Gedanken und die Sünde
nicht kennt, sie lebt naiv und unschuldig. Wir Menschen
sind weniger als Tiere, wenn wir versuchen wollen, ohne
Sinn zu leben. Sinn gewinnt das Leben, wenn wir es,
soweit möglich, dem naiven Streben nach egoistischer
Lust entziehen und in einen Dienst stellen. Wenn wir
diesen Dienst ernst nehmen, kommt der "Sinn" von
selbst.
-
Bei jedem meiner Söhne würde nichts mich mehr freuen,
als wenn er irgendeiner "Gesinnung", irgendeinem von
ihm erfassten Ideal so treu und charaktervoll anhängen
würde, dass er dafür auch seinen Vorteil, seine
Bequemlichkeit und im Notfall sein Leben opfern würde.
Es wäre mir dann zwar nicht ganz und gar einerlei,
welcher Gesinnung oder Partei er sich anschlöße, aber
im Grunde würde ich das gar nicht so wichtig nehmen.
Einer, der sich für die naivsten Ideale der Welt
hinzugeben bereit ist, ist mir viel lieber als jemand,
der über alle Gesinnungen und Ideale klug zu reden
versteht, aber für keines auch nur zum kleinsten
Verzicht fähig wäre.
-
Auch der ungeistige, oberflächliche, dem Denken
abgeneigte Mensch hat noch jenes uralte Bedürfnis,
einen Sinn seines Lebens zu kennen, und wenn er keinen
mehr findet, steht das Privatleben unter dem Zeichen
wildgesteigerter Selbstsucht und gesteigerter
Todesangst.
-
Die Gottheit ist in dir, nicht in den Begriffen
und Büchern. Die Wahrheit wird gelebt, nicht
doziert. (Das Glasperlenspiel)
-
Wer "nicht in die Welt paßt", der ist immer nahe
daran, sich selber zu finden. (Demian)
-
Damit das Mögliche entsteht, muß immer wieder
das Unmögliche versucht werden.
-
Die Verzweiflung schickt uns Gott nicht, um uns zu
töten, er schickt sie uns, um neues Leben in uns
zu erwecken. (Das Glasperlenspiel)
-
Nichts ist gefährlicher und seelenmordender als
die beständige Beschäftigung mit dem eigenen Wesen
und Ergehen, der eigenen einsamen Unzufriedenheit
und Schwäche. (Der Weltverbesserer)
- Gegen die Infamien des Lebens sind die
besten Waffen: Tapferkeit, Eigensinn und Geduld. Die
Tapferkeit stärkt, der Eigensinn macht Spaß
und die Geduld gibt Ruhe.
- Man hat nur Angst, wenn man mit sich
selber nicht einig ist.
- Die Einheit, die ich hinter der
Vielheit verehre, ist keine langweilige, keine graue,
gedankliche, theoretische Einheit. Sie ist ja das Leben
selbst, voll Spiel, voll Schmerz, voll Gelä
chter.
- Für die Erkenntnis gibt es keine
endgültigen Ziele, sondern der Fortschritt der
Erkenntnis ist nichts als eine Differenzierung der
Fragestellung.
- Dies wäre der eigentliche Inhalt
meiner Lebensgeschichte: die plumpe Unsichtbarkeit
unter der Tarnkappe zu ersetzen durch die
Unsichtbarkeit des Wissenden, welcher erkennend stets
unerkannt bleibt.
- Der Ernst, mein Junge, ist eine
Angelegenheit der Zeit, er entsteht, soviel will ich
dir verraten, aus einer Überschätzung der
Zeit. Auch ich habe den Wert der Zeit einst ü
berschätzt, darum wollte ich hundert Jahre alt
werden. In der Ewigkeit aber, siehst du, gibt es keine
Zeit; die Ewigkeit ist ein Augenblick, gerade lang
genug für einen Spaß [aus dem Steppenwolf]
- Das Paradies pflegt sich erst dann als
Paradies zu erkennen zu geben, wenn wir daraus
vertrieben wurden.
- Wir verlangen, das Leben müsse
einen Sinn haben - aber es hat nur ganz genau so viel
Sinn, als wir selber ihm zu geben imstande sind. Weil
der Einzelne das nur unvollkommen vermag, hat man in
den Religionen und Philosophien versucht, die Frage
tröstend zu beantworten. Diese Antworten laufen
alle auf das Gleiche hinaus: den Sinn erhält das
Leben einzig durch die Liebe. Das heißt: je mehr
wir zu lieben und uns hinzugeben fähig sind, desto
sinnvoller wird unser Leben.
- Auffallend ist die große Zahl von Reisebüchern mit schönen verlockenden Titeln - lauter Bücher über fremde Länder, die von begabten und entschlossenen Autoren im Auftrag von Zeitungen bereist und eilig beschrieben wurden, oft von großer Schmissigkeit und Frecheit, aber alle ohne eigentlichen Wert, geichgültige Gelegenheitsarbeiten gerissener Literaten, Augenblicksfutter für ein Modepublikum. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 14: Betrachtungen und Berichte. 1927-1961, S. 40)
- Die Sonne schien ein wenig zwischen den Wolken durch -
hier im Norden nennt man das schon schönes Wetter.
(Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 14: Betrachtungen
und Berichte. 1927-1961, S. 14)
- Ich schrieb der besorgten Leserin, daß die
Eigenschaften und Wirkungen des Kognaks mir nicht
unbekannt seien, und daß ich dieses Getränk keineswegs
für die Gesundheit zu mir nehme, sondern lediglich zum
Vergnügen und um nicht etwa ein allzu hohes Alter
erreichen zu müssen. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke,
Bd. 14: Betrachtungen und Berichte. 1927-1961, S. 14)
- Vornehme, sehr gebildete Engländer kennen zu lernen, ist
immer ein Genuß - bei ihnen hat das eigensinnige Festhalten
an nationalen Gewohnheiten, das beim Durchschnitt so
borniert aussieht, einen Sinn und Hintergrund. (Hermann
Hesse: Die Welt im Buch I. Rezensionen und Aufsätze aus
den Jahren 1900-1910, S. 122)
- Das Leben arbeitender Menschen ist langweilig,
interessant sind die Lebensführungen und Schicksale
der Taugenichtse. (in: Gertrud)
-
Wir haben ein Ideal vom Leben, wie der Maler die
Vision seines Werkes, und malen und malen, aber
unser Bestes sieht neben dem Ideal wie eine Fratze
aus. (Hermann Hesse: Briefe an Elisabeth)
-
Der Kleinere sieht am Größeren das,
was er eben zu sehen vermag.
-
Aber auch die besten und edelsten Gesinnungen machen
einen Menschen nicht wirklich wertvoller als er eben
ist. Ich beurteile die Menschen nie nach ihrer
Gesinnung, sondern nur nach ihrem Charakter.
-
Kollegen laufen zwar gerne zueinander, vertragen
sich aber selten.
-
Ob man nicht in sehr später Zeit unsre Epoche als
das sagenhafte Zeitalter der Maschinentitanen
kennen, sie noch später mit der Legende vom
Turmbau zu Babel verwechseln wird - ob unsre Zeit
nicht für die Geschichts- und Menschenkunde dieser
späten Jahrhunderte nur von pathologischem
Interesse sein wird. (Brief an Ernst Kapff,
Februar 1896)
-
Der Blick in den Sternenhimmel und ein Ohr voller
Musik vor dem Zubettgehen, das ist besser als alle
deine Schlafmittel. (Das Glasperlenspiel)
-
Ein jeder Mensch hat seine Seele, die kann er mit
keiner anderen vermischen. Zwei Menschen können
zueinander gehen, sie können miteinander reden und
nah beieinander sein. Aber ihre Seelen sind wie
Blumen, jede an ihrem Ort angewurzelt und keine
kann zu der anderen kommen, sonst müßte sie ihre
Wurzel verlassen, und das kann sie eben nicht. Die
Blumen schicken ihren Duft und ihren Samen aus,
weil sie gern zueinander möchten; aber daß ein
Same an seine rechte Stelle kommt, dazu kann die
Blume nichts tun, das tut der Wind, und der kommt
her und geht hin, wie und wo er will. (Knulp)
-
Es ist der alte, ungleiche Kampf zwischen Kritik
und Schöpfung, Wissenschaft und Kunst, wobei jene
immer recht hat, ohne daß jemand damit gedient
wäre, diese aber immer wieder den Samen des
Glaubens, der Liebe, des Trostes und der Schönheit
und Ewigkeitsahnung hinauswirft und immer wieder
guten Boden findet. Denn das Leben ist stärker als
der Tod und der Glaube ist mächtiger als der
Zweifel. (Unterm Rad)
-
Nicht steht mir zu, über eines andern Leben zu
urteilen! Für mich allein muß ich urteilen,
muß ich wählen, muß ich ablehnen.
(Hermann Hesse, Siddhartha)
-
Wir können unser Herz dem Leben nicht entziehen,
aber wir können es so bilden und lehren, dass es
dem Zufall überlegen ist.
- Man braucht vor niemand Angst zu haben.
Wenn man jemanden fürchtet, dann kommt es daher,
daß man diesem Jemand Macht über sich
eingeräumt hat.
- Etwas geistig Lebendiges zu töten
ist schwerer, als etwas Totes wieder zum Leben zu
bringen
- Reden ist der sichere Weg dazu, alles
mißzuverstehen, alles seicht und öde zu
machen.
- Feststellen von "Fehlern", und klinge
es noch so fein und geistig, ist nicht Urteil, sondern
Klatsch.
- Ein Beruf ist immer ein Unglück,
eine Beschränkung und Resignation.
- Wahrheit ist fast immer kompliziert,
dunkel und vieldeutig. Jedes Wort, besonders das
"Klare" Wort tut ihr schon Gewalt an. Klarheit ist
immer Gewalt, ist gewaltsamer Versuch, das Vielfache zu
vereinfachen.
-
Die Worte tun dem geheimen Sinn nicht gut, es wird
immer alles gleich ein wenig anders, wenn man es
ausspricht, ein wenig verfälscht, ein wenig närrisch -
ja, und auch das ist sehr gut und gefällt mir sehr,
auch damit bin ich sehr einverstanden, das das, was
eines Menschen Schatz und Weisheit ist, dem andern
immer wie Narrheit klingt.
-
Einen Stein kann ich lieben, und auch einen Baum
oder ein Stück Rinde. Das sind Dinge, und Dinge
kann man lieben. Worte aber kann ich nicht lieben.
Darum sind Lehren nichts für mich, sie haben keine
Härte, keine Weiche, keine Farben, kein Kanten,
keinen Geruch, keinen Geschmack, sie haben nichts
als Worte. Vielleicht ist es dies, was dich
hindert, den Frieden zu finden, vielleicht sind es
die vielen Worte. Denn auch Erlösung und Tugend,
auch Sansara und Nirwana sind bloße Worte. Es gibt
kein Ding, das Nirwana wäre; es gibt nur das Wort
Nirwana. (Hermann Hesse, Siddhartha)
-
Gerade das ist es ja, das Leben, wenn es schön und
glücklich ist ein Spiel! Natürlich kann man auch
alles mögliche andere aus ihm machen, eine Pflicht
oder einen Krieg oder ein Gefängnis, aber es wird
dadurch nicht hübscher. (Die Morgenlandfahrt)
-
Was die Menschen jeweils unter dem Begriff "Mensch"
verstehen, ist stets nur eine vergängliche
bürgerliche Übereinkunft.
- Eine gute, eine richtige Wahrheit
muß es vertragen, daß man sie auch umkehrt.
Was wahr ist, davon muß das Gegenteil auch wahr
sein können. Denn jede Wahrheit ist eine kurze
Formel für den Blick in die Welt von einem
bestimmten Pol aus, und es gibt keinen Pol ohne
Gegenpol.
- Die Dinge, die wir sehen, sind
dieselben Dinge, die in uns sind. Es gibt keine
Wirklichkeit als die, die wir in uns haben. Darum leben
die meisten Menschen so unwirklich, weil sie die Bilder
außerhalb für das Wirkliche halten und ihre
eigene Welt in sich gar nicht zu Wort kommen lassen.
Man kann glücklich dabei sein. Aber wenn man
einmal das andere weiß, dann hat man die Wahl
nicht mehr, den Weg der meisten zu gehen.
- Die meisten Menschen erleben ihre
Träume viel heftiger als ihr Leben.
-
So wie die Verrücktheit, in einem
höheren Sinn, der Anfang aller Weisheit ist, so
ist Schizophrenie der Anfang aller Kunst, aller
Phantasie.
- Ich finde, die Wirklichkeit ist das,
worum man sich am allerwenigsten zu kümmern
braucht; denn sie ist lästig genug, ja immerzu
vorhanden, während schönere und nötigere
Dinge unsere Aufmerksamkeit und Sorge fordern. Die
Wirklichkeit ist das, womit man unter gar keinen
Umständen zufrieden sein, was man unter gar keinen
Umständen anbeten und verehren darf, denn sie ist
der Zufall, der Abfall des Lebens. Und sie ist diese
schäbige, stets enttäuschende und öde
Wirklichkeit, auf keine andre Weise zu ändern, als
indem wir sie leugnen, indem wir zeigen, daß wir
stärker sind als sie.
- Oft ist die Welt schlecht gescholten
worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen
oder zuviel gegessen hatte. Oft ist die Welt selig
gepriesen worden, weil der, der sie pries, eben ein
Mädchen geküßt hatte.
- Wahr ist an einer Geschichte immer nur
das, was der Zuhörer glaubt.
- Unrein und verzerrend ist der Blick des
Wollens. Erst wo wir nichts wollen, erst wo unser
Schauen reine Betrachtung wird, tut sich die Seele der
Dinge auf: die Schönheit. Wenn ich einen Wald
beschaue, den ich kaufen oder abholzen oder mit einer
Hypothek belasten will, dann sehe ich nicht den Wald,
sondern nur seine Beziehung zu meinem Wollen. Will ich
aber nichts von ihm, blicke ich nur "gedankenlos" in
seine grüne Tiefe, dann erst ist er Wald, ist
Natur und Gewächs, ist schön.
-
Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr!
Nämlich so: eine Wahrheit läßt sich immer nur
aussprechen und in Worte hüllen, wenn sie
einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit
Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden
kann, alles einseitig, alles halb, alles entbehrt
der Ganzheit, des Runden, der Einheit. [...] Die
Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in
uns innen, ist nie einseitig. (Siddhartha)
- Kein Ich, auch nicht das naivste ist
eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige
Welt, ein kleiner Sternhimmel, ein Chaos von Formen,
von Stufen und Zuständen, von Erbschaften und
Möglichkeiten. Daß jeder einzelne dies Chaos
für eine Einheit anzusehen bestrebt ist und von
seinem Ich redet, als sei dies eine einfache, fest
geformte, klar umrissene Erscheinung: diese jedem
Menschen (auch dem höchsten) geläufige
Täuschung scheint eine Notwedigkeit zu sein, eine
Forderung des Lebens.
- Die Magie des Traumes versagt am Tage
oft, weil auch noch der beste Träumer die
Außenwelt im Wachen wichtiger nimmt als er
sollte. Die Verrückten können das besser; sie
erklären sich für Kaiser und die Zelle
für ihr Schloß, und alles stimmt wunderbar.
Die Außenwelt umzaubern können, ohne doch
verrückt zu werden, das ist unser Ziel. Es ist
nicht leicht, dafür aber ist wenig Konkurrenz
da.
- Schwer ist es, die Tugenden, die wir
haben, nicht zu überschätzen. Schwerer ist
es, die Tugenden, die wir gern haben möchten,
nicht zu überschätzen. Leicht unterschä
tzen wir die Leiden der andern. Noch leichter ü
berschätzen wir das Glück der andern.
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