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Bibliomane Plaudereien (3) [<<] / [>>]
Jeremiaden eines bücherlesenden Krankenpflegers
Das klassische Lesegehirn
Super Text über lineares (Buch) und nichtlineares Lesen (Internet). Die erwähnte Forscherin Maryanne Wolf gab der FAZ vor Jahren ein Interview mit sehr ähnlichen Aussagen. Ich erkenne dabei MEINE Problematik, zunehmend unfähig zu sein, mich längere Zeit aufs Lesen zu konzentrieren. Kurzum, das Internet versaut das klassische Lesegehirn.
Die Befürchtungen, das herkömmliche Lesen wäre ein Auslaufmodell,
wurden bereits vor 23 Jahren, also in Vor-Internet-Zeiten,
geäußert.
Maryanne Wolf zwingt sich zum langsamen Lesen. Sie habe
mehrere Wochen gebraucht, bis sie wieder zum "normalen"
Lesen zurückgefunden hat. Das mäandernde bzw.
informationelle Lesen, wie wir es durch den Umgang mit dem
Internet praktizieren, ist zwar nicht wegzudenken, weil
wir es im modernen Leben benötigen. Aber das
reflektierende Lesen (deep reading) leide bzw. werde verunmöglicht,
so daß es persönlicher Anstrengung bedarf, es sich zurückzuerobern.
Sich zum langsamen Lesen zwingen! Sobald man gemerkt hat, daß sich die
Aufmerksamkeit verflüchtigt, den Passus nochmals lesen. Und nochmals.
Und überhaupt mehr und immer wieder wiederlesen. Im Sharping-Modus:
laaaangsaaam. Sich den Reizen nicht aussetzen, die die Konzentration
beeinträchtigen. Den PC während des Lesens auszulassen wäre optimal;
doch wer bringt so viel Mut auf? -
Die Vorstellung, stundenlang im Sessel zu sitzen, vollkommen
in ein Buch versunken, ist eine liebliche und wünschenswerte
bibliomane Attitüde, allerdings eine utopische, zumal mit
zunehmendem Alter auch biologische Bremsklötzer hinzukommen.
Wahrscheinlich ist meine Scheu angesichts einiger literarischer
Ziegelsteine a la Proust oder Jean Paul die intuitiv erfaßte
Wahrheit, daß der Zug für mich abgefahren ist und ich hier
unsäglich versagen müßte.
Reclam
Elizabeth Gaskell
war noch nie auf meinem Schirm. Bis sie im Klassikerforum
zur Sprache kam.
Nur doof, daß so wenig von ihr in deutschen Verlagen
erschien. Bei der Suche bemerkte ich, daß 1983 beim
Leipziger Reclam-Verlag der Roman
Cranford
erschienen war. Bei Reclambüchern ist es am ratsamsten, örtliche
Antiquariate aufzusuchen, in denen sie zu Hauf vorrätig sein
dürften und ich mir Portokosten sparen kann. Seit Jahren besuche
ich nur sehr, sehr sporadisch Antiquariate vor Ort, eben weil
mich Booklooker & Co online so glücklich machen. Als ich
heute in der Leipziger Ritterstraße vorbeischaute, wo gleich vier
Antiquariate ihre Zelte aufgeschlagen haben, suchte ich zuerst im
Leipziger Antiquariat
nach jenem Reclambuch und - fand nix. Kein einziges Buch
der legendären Reclam-Leipzig-Reihe mehr, über deren
meterlange Reihen man früher in jedem Antiquariat gestolpert
war. Die Verkäuferin wußte auf meine Nachfrage hin
sofort, welches Buch ich suche. "Gaskell? Bestimmt Cranford." Nur
seien alle "Reclams" im Lager. Versteckt, verbunkert, weg. Ich
mußte also bestellen, und darf das Buch morgen Nachmittag - nicht
vor 16 Uhr! - im Ladengeschäft abholen. (11. März 2014)
Leseblockade
Bei meinem minimalistischen Leben bildete die Lektüre von Belletristik
bislang das Zentrum meiner intellektuellen Grundversorgung.
Seit Oktober lese ich nicht mehr. Der Auslöser war der Tod meiner
Mutter, der mich in ein Tief katapultierte, von dem ich dachte, es
könne gar nicht existieren, weil mir der vorherige Zustand bereits
als lebenstechnischer Kältepol erschien. Seitdem beschäftige ich mich
in der knappen Freizeit, die nicht von dem übergroßen Schlafbedürfnis
und der verzehrenden Tätigkeit eines Krankenpfleger im Dauernachtdienst
aufgefressen wird, alleinig mit demn Ansehen von TV-Serien, gegen die
ich eigentlich nichts sagen will, weil ich sie wertschätze. Nur eben
zerschreddern sie mir die sehr bescheidene Ressource Zeit.
Einzig das Radio, speziell der Deutschlandfunk, blieb als Medium
zur Auseinandersetzung mit Dingen außerhalb meiner Ich-Blase.
Seit 2 Wochen nun kaufe ich die Wochenzeitung 'Die Zeit' und kann
nicht verstehen, warum ich nicht viel eher diesen Schritt vollzog,
um mir geistige Nahrung zuzuführen. Ich habe sie komplett durchgelesen
und verlange schon nach der nächste Ausgabe. Mir geht es sehr gut
dabei. Peu a Peu entwickle ich wieder Lust und Verlangen nach anderen
Dingen, nach Beschäftigung abseits meiner Arbeitswelt, nach Einmischung
in die Belange der Gesellschaft und Welt, in der ich lebe.
Und vielleicht und hoffentlich erwacht meine alte, bislang als
unverwüstlich angesehene Liebe zur Literatur zu neuem Leben.
Die Leseblockade von nunmehr bereits vier Monaten hat mich in eine
Situation befördert, in der ich mich außen vor fühle, in der ich
glaube, den Anschluß verloren zu haben. Keine Ahnung, was
literarisch derzeit en vogue ist, wo ich anknüpfen könnte. Ich
komme mir seltsam abgeschnitten vor und spüre den Verlust der
Intuition, derer ich mir immer sicher sein konnte. Fast als
Lese-Analphabet komme ich mir vor. Wie könnte, sollte, müßte ich
den Wiederanschluß an ein gelungenes Leseleben reorganisieren?
Ein Weg wäre die Wiederlektüre besonders gemochter Bücher, ein weiterer das
blinde Zugreifen in der Buchhandlung oder Bibliothek mit dem
Vertrauen auf das wiedererwachte Funktionieren bzw. das Anspringen
der Intuition bei der Auswahl des Lesestoffes.
Langfristig freilich sollte ich mir um die Gestaltung der
Rahmenbedingungen meines Lebens Gedanken machen. Denn meine
Arbeit frißt meine Kräfte schneller auf, als ich sie
wiederherstellen kann. Und im Alltag bleiben mir pro Tag nur
je zwei frei verfügbare Stunden für die Lektüre. Wenn denn die
Willenskraft dafür reicht und ich nicht wieder vor dem Bildschirm
lande. (24. Februar 2014)
Der Buchhandelsstreit (2)
Der "Buchhandelsstreit" geht
in die nächste Runde
und ich habe wieder kommentiert.
"Möglicherweise liegen die ausufernden, voller Selbstmitleid
triefenden Wunschforderungen irregeleiteten Nostalgiker
an der Tatsache, das der inhabergeführte Buchhandel der
einzige noch in der breite existierende Einzelhandel
bis in kleinste Städte ist?" -- Ich begreife
überhaupt nicht, wieso es den stationären Buchhandel
noch gibt. Wenn ich an die alten Zeiten zurückdenke,
bedeutet das nicht, daß ich sie mir zurück wünsche.
Die Nostalgie ist wie das Erinnern an die Kindheit
mit dem Wissen verbunden, daß die Zeiten sich geändert
haben. Ich lese inzwischen zu 80% E-Books mit meinem
Kindle. Ich brauche keinen Buchhandel. Ich habe eine
Vorstellung davon, was ich brauche, filigrane
Buchwunschlisten, die so gigantisch sind, daß ein
Gang in eine Buchhandlung mich nur schneller dem
Wahnsinn verfallen lassen würde. Durch Literaturforen,
Literatursendungen, vor allem aber seit 1999 durch
Perlentaucher und seit vielen Jahren durch Hinweise
innerhalb des Web 2.0 bin ich bestens versorgt. Ich
habe seit 13 Jahren kein neues Buch mehr gekauft.
Ich beziehe meine Bücher zu 100% durch Booklooker.
Wenn Sie, die Buchhändler, immer schon durch die
Masse verdient haben, ist doch alles in bester Ordnung.
Ich sehe eigentlich keinen Diskussionsbedraf mehr,
weil ich nicht verstehe, wer sich nun eigentlich was
wünscht. (22. August 2013)
Der Buchhandelsstreit (1)
Mein Kommentar auf das Posting
Warum ich nicht mehr in Buchhandlungen gehe des
Schriftstellers Norbert W.
Schlinkert: Geradezu unheimlich, wie paßgenau der Artikel
meine Erfahrungen und Vorgehensweisen abdeckt bzw. wiedergibt!
Als Jugendlicher in der DDR war ich mehrmals wöchentlich auf
Perlensuche in den Buchhandlungen und freute mich, wenn zwischen
den Myriaden an omnipresenter sowjetischer Literatur auch einmal
etwas anderes gab. Und das kam durchaus vor. Gerade die
Taschenbuchreihen "Taschenbuch der Weltliteratur", "spektrum"
(Volk Welt), "bb" (Aufbau) und vor allem die Reclam-Leipzig-
Taschenbücher förderten Neues zutage, von dem mir nicht selten
erst heute klar wird, was damals schon zu haben war. Gleich nach
der Wende verpulverte ich zweimal meine 100.- DM Begrüßungengeld
in dem umwerfenden Buchladen von Kiepert am Berliner Ernst-
Reuter-Platz. Dann kam ich nach Leipzig zurück und stieß nie auf
eine so erhebende Präsenz von (Taschen)Büchern, wobei anfangs
noch einige durchaus lobenswerte Buchhandlungen existierten.
Spätestens als eine 200 Jahre alte Buchhandlungen der
Mädlerpassage schließen mußte (Hinrichs?), ging die Ladenkultur
den Bach herunter. Ich wandte mich den Antiquariaten zu und lebte
damit einige gute Jahre. Als langjähriger Leser (kürzlich
bezeichnete mich jemand als Lesemaschine) stößt man irgendwann an
Grenzen, wenn es nämlich gilt, der Titel seiner Autoren habhaft
zu werden, die nicht als die übglichen Verdächtigen gelten, die
also schwerer zu bekommen sind und beim örtlichen Antiquar oft in
vielen Jahren nicht. Das Internet zeigte dann, was es kann. Und
somit bin ich seit 15 Jahren für den örtlichen Handel mit Büchern
einfach verloren. (21. August 2013)
Ein unlösbares Dilemma
Wieder im Literaturschockforum: (1)
"Ein Dilemma. Ich erkenne, daß ich nur gut lesen kann, wenn der
PC ausgeschaltet ist. Aber wenn er das ist, kann ich nichts mehr
ins Netz stellen (Notizen, Blogs, Twitter). Ich muß mich also
entscheiden. Außerdem laufen bei ausgeschaltetem PC keine
Downloads usw. Aber JEDER Versuch, den PC angeschaltet zu lassen
und dann aber nichts darüber hinaus an ihm zu tun als eben die
Verwaltung von Downloads und wenige andere Dinge, SCHEITERN
IMMER. Es gibt keine Alternative. Um gut lesen zu können, muß er
aus sein. Punkt." -- (2) "Ja, aber mir fällt es superschwer, das
auf die Reihe zu kriegen. Ich bin der Typ, der gerne alle teilen
und mitteilen muß. Darauf zu verzichten, ist ein Widerstand, den
ich sehr schwer brechen kann. Seit 1995 macht es mir Spaß, im
Internet meine Funde, Ideen und Informationen zu präsentieren und
unter die Leute zu bringen. Das geht, wenn ich offline bin, aber
nicht. Und so hadere ich mit mir über einen Kompromiß, den es
aber nicht gibt. Um lesen zu können, muss der PC aus sein. Fertig
und aus. Darunter leide ich jeden Tag!" -- (3) "Mein absolutes
Herzensanliegen sind diese Zitate, die ich FAB nenne (Fundstücke
aus Büchern). Rezensionen und Bucheinschätzungen liegen mir
nicht, ich kann das nicht. Neben dem Literarischen widme ich aber
viel mehr anderen Dingen, die ich immer sofort mitteilen MUSS.
Anderfalls gehen sie verloren. Ich habe das alles durchgetestet.
Ich bin von Ideen, Einfällen und Gedankensprüngen durchdrungen.
Die Erfindung des Web 2.0. ist eigentlich das Beste, was mir
passieren konnte, weil es mit meinen genialen Fähigkeiten
korrespondiert. Nur eben nicht mit dem Lesen. Dazu muss der PC
aus sein. Dieses Dilemma werde ich nicht lösen können. Und muss
entweder aufhören mit Lesen oder mich erschießen." -- (4) "Das
Gefühl, daß es sonst verloren gehen würde, basiert auf der
Tatsache, daß es sonst verloren ginge. Es gibt diese
Informations- und Verbreitungstypen, von denen ich einer bin.
Leider hat mir der Schöpfer die unsägliche Lust zu lesen
mitgegeben, was mich veranlaßt, zu glauben, daß er sadistisch
sein muß. Wenn mir jemand das bezahlen würde, könnte ich nur
leben, um Dinge zu sammeln. Bibliomanie. 24 Stunden lang. Und
anderes. Da es mir aber niemand bezahlt, bin ich gezwungen, den
Zwang des Sammelns mit dem Zwang zu lesen zu vereinbaren, was
sehr, sehr schlecht möglich ist. Deswegen leide ich seit 20
Jahren." (30. Mai 2013)
Unerwartete Blockade
Im LSF eben geschrieben: Ich hatte gestern
einen Schockmoment, als ich Agajews "Roman mit Kokain" zu lesen
versuchte und nach 20 Prozent und mehrere Anläufen aufgeben
mußte. Das Buch gilt als Wiederentdeckung und Perle der
russischen Literatur, so daß es mich wurmt, so kläglich versagt
zu haben. Aber mich brachte die exaltierte Sprache in Rage; ich
spürte innerlich einen enormen Widerstand gegen das Buch und
konnte ihn nicht überwinden. Danach begann ich Roald Dahls
"Küßchen Küßchen" und
landete den nächsten Fauxpas.
Nach diesen zwei Erlebnissen, die meinen Lesefluß, der mich in
den letzten Wochen doch stolz werden ließ, abrupt unterbrachen,
haderte ich mit mir und der Welt. Überhaupt verlor ich , wie mir
scheint, durch die Konzentration auf E-Books, die quasi auf einem
unsichtbaren eSUB liegen, was einmal separat diskutiert werden
sollte, ziemlich die Orientierung über meinen Lese/Buchwünsche,
über Prioritäten Dringlichkeiten, las seit langem keine meiner
so genannten Jahresautoren mehr, weil sie als E-Book nicht
auftreibbar gewesen sind... Und so wird ein durchtrieber
Bibliomane eben auch in die Pfanne gehauen und blockiert sich
selbst. (29. Mai 2013)
Konzentration & Aufmerksamkeit
Aufgrund meiner Inkonsequenz, bei der Stange zu bleiben,
geriet und gerät mir Lektüre immer wieder und immer öfter
durch die ständigen Unterbrechungen zu einem Stückwerk.
Das zerstört die Konzentration, den Lesefluß und letztlich
gar die Lust am jeweiligen Buch. Man dringt nicht mehr in
es hinein, sondern die Aufmerksamkeit schwappt an der
Oberfläche entlang und empfindet selbst Bücher, die es
verdient hätten, als weniger oder nicht mehr lesenwert,
die bei einer anderen Herangehensweise weit besser
eingestuft worden wären. Die Ablenkungen durch Internet
und andere Verrichtungen, denen man bei eingeschaltetem
PC auf den Leim geht, beeinträchtigen das Lesen folglich
in zweifacher Weise: sowohl quantitativ als auch qualitativ.
Regelmäßig nahm ich mir vor, nurmehr bei ausgeschaltetem
Computer zu lesen; jedoch unterschätze ich die Macht der
Gewohnheit und schalte morgens die Kiste ein. Der Drang,
andauernd etwas nachzusehen, den Timelines bei Twitter
und Facebook zu folgen, mit Freunden Messages auszutauschen,
Beiträge aus den Mediatheken auf- und alle paar Minuten
Mails abzurufen, Funseiten zur Auflockerungen zu besuchen,
Downloads zu verwalten - undsoweiter, undsofort -
dieser Drang wuchs mit den Jahren und schuf eine
Situation, in der ungestörte Lektüre nahezu unmöglich
geworden ist, weswegen der Impuls, dies zu verändern,
lebendig blieb und, je länger man ihm nicht nachgibt, desto
bedrohlicher wirkt; die Zufriedenheit
ist lange schon im Eimer. Überlegungen hin und her, ich
MUSS es eben tun und schaffen, in Ruhe zu lesen und den
PC währenddessen in den Ruhezustand zu verabschieden.
Zwei Runden von je 1 Stunden an diesem Vormittag zeigten
eindrücklich, wie befriedigend die Lektüre und Konzentration
dann anspringt und wie anders geartet der Text empfunden
wird, wenn man sich auf ihn und nur auf ihn beschränkt.
(27. Mai 2013)
Lektüreschwierigkeiten
Ich hatte vorgestern Fattaneh Haj Seyed Javadis
"Der Morgen der Trunkenheit" angefangen, dann beiseite
gelegt, weil ich eine merkwürdige Unlust verspürte,
mich durch 400 Seiten dieser orientalischen Geschichte
durchzuhangeln. Daraufhin begann ich gestern
Darcy Ribeiros
Mulo
und ertrug nach 100 Seiten das Gejammere nicht mehr.
Ein aus armen Verhältnissen kommender brasilianischer
Großgrundbesitzer beschuldigt sich vieler Untaten
und beichtet einem potenziellen Geistlichen nach seinem
antizipierten Tod. Ich kam einfach nicht in das Buch
hinein. Die redundanten Reflektionen gehen einem bald
auf den Keks. Es passiert wenig. Abends legte ich das
Buch beiseite. Jetzt hatte ich zwei angefangene
Bücher und guter Rat war teuer. Durch den Infekt
bin ich eh neben der Spur. Um Mitternacht, nachdem
ich gestern von 18.30 Uhr an mehr als 5 Stunden
geschlafen hatte, griff ich für einen weiteren Versuch
zu "Der Morgen der Trunkenheit", las zwei Stunden lang
bis Seite 100, so daß ich heute Morgen nun beide Bücher
angelesen beim Stand von 100 Seiten hatte. Bei gleicher
Ausgangsposition - 100 Seiten geschafft und noch 300 vor
mir - entschied ich mich für die im Iran spielende
Liebesgeschichte "Der Morgen der Trunkenheit".
Von den äußeren Bedingungen her fühlt man sich an
Nagib Machfus' Kairo-Trilogie erinnert. -- Ich werde
über den Ausgang dieses Zwists zwischen zwei dicken
Büchern berichten.
Bücher nicht abbrechen
Erfahrene Leser spüren, woran es liegt, wenn man mit
einem Buch nicht richtig warm wird. Bei schlechten
Büchern, keine Frage, weg damit! Aber bei guten Büchern
kann der Zeitpunkt falsch sein oder man selbst gerade
indisponiert. Oder, oder. Nach den ersten 100 Seiten
von Laszlo Nemeths "Abscheu" wollte ich das Handtuch
werfen. Ich erkannte zwar, daß es ein literarisch
ansprechendes Buch sein muß, wie die Beschreibungen es
ausweisen; jedoch langweilte ich mich furchtbar. Weil
mein SUB, wie ich an anderer Stelle klagte, mir wie ein
Stein im Magen liegt, war der Impuls, es wegzutun,
beinahe übermächtig. Ich mahnte mir Geduld an, biß die
Zähne zusammen und las weitere 60 langweilige Seiten
bis gestern Nachmittag. Eine weitere Zäsur. Und das
Buch schon beinahe wieder in der Mülltonne. Nach einer
Pause abends erneut weitergelesen. Und, zack, bin ich
drin. Bei Seite 160 von 540. Und merke jetzt nach
weiteren 140 Seiten, welch Verlust es gewesen wäre,
hätte ich aufgegeben. Ich vertraute meiner Intuition,
die, entgegen anfänglichen Widerstandes, einen
Lesegewinn witterte und werde nicht betrogen. Also,
Leute, Geduld lohnt sich manchmal! (1. Dezember 2012)
Bei Lehmanns
Seit Jahren war ich kaum noch in Buchhandlungen.
Dank Internet fühlte ich mich ausreichend angeregt und mit
Informationen versorgt, was nächste Bücher anbelangt.
Das Gefühl, ein nagelneues Buch in der Hand zu halten,
ist somit verblaßt. Ich dachte, das hätte ich hinter mir,
das hätte ich nicht mehr nötig. Selbst Antiquariate
frequentierte ich kaum noch, höchstens 3 bis 4 Mal im
Jahr. Durch Onlineverkaufsplattformen wie Booklooker
und Amazon Marketplace bin ich seit einer Dekade
gut versorgt. Aus reinem Übermut ging ich in den letzten
Tagen zu Hugendubel und heute zu Lehmanns.
Nahm Neuerscheinungen zur Hand, las Klappentexte,
die erste Seite an, ließ Bücher auf mich wirken.
Und es fühlt sich klasse an! Warum ich mich von
Buchhandlungen fern gehalten habe? Aus zwei Gründen.
Zum einen scheue ich den Input. Noch mehr Bücher
bedeutet: noch mehr Bücherwünsche, eine wachsende
Liste. Zum anderen bestand meiner Meinung nach kein
Bedarf; denn wenn ich mit den erprobten Mitteln
eine ordentliche Wunsch- und Kaufliste zuwege bringe -
wozu dann noch einen weiteren Kanal? Außerdem kaufe
ich Bücher bekanntlich antiquarisch, so daß eine
Buchhandlung, so meinte ich, der denkbar falsche Ort
sei. Was hat sich jetzt geändert? Nicht die Tatsache,
nun spontan neue Bücher zu kaufen. Aber der Buchladen
als Inspirationsquelle erschließt sich mir neu.
Ich nehme unbekannte Namen wahr, neu auf den Markt
gekommene Bücher bereits arrivierter Autoren, die
ich schätze, ich lasse mich treiben und entdecke
Bücher, die ich eben rein durch mein virtuelles
Vorgehen nicht gefunden hätte. Heute schaute ich bei
Lehmanns
vorbei, wo ich ganz selten bin. Im dritten Stock, wo
ich ursprünglich nach Sachbüchern zur Kultur- und
Zeitgeschichte suchen wollte, entdeckte ich einen
Grabbeltisch. Und wühlte. Und fand schließlich ein
Buch, welches zu kaufen mir nicht unliebt vorkam.
Dann sah ich das Schild "1 Buch = 2,99 € - 2 Bücher = 4,99 €".
Was heißt, daß, wenn ich ein weiteres Buch fände,
der Preis für das einzelne Buch um 50 ct sänke.
Welchem Geizhals sagt man so etwas vergeblich?
Wühlte ich als weitere 15 Minuten, während ich ohne
Wahrnehmung des Schildes vermutlich bereits zuhause
am heimischen Kamin gesessen hätte. Als Ausbeute
zwei Bücher. Nachdem ich
Hüftkreisen mit Nancy
von Stefan Schwarz beiseite getan hatte, weil ich
ihn tags zuvor beim Anlesen von
Das wird ein bisschen wehtun
als humoristischen "Zwischendurchautor" erfaßt hatte,
dauerte es eben länger, bis ich
Rabbit, eine Rückkehr
sah, bei dem mir nicht klar war, welcher Teil der
Rabbit-Pentalogie das jetzt war. Ein beistehender PC
versprach kostenloses Sufen, was mich anheischig machte,
mal rasch zu goooglen, wodurch ich das Ergebnis
in Kürze gefunden hätte. Dieser Kunden-PC gab keinen
Ton von sich. Ein Verkäufer war wesentlich analoger
und diesmal schlauer, indem er nämlich einfach in
den Klappentext guckte und las: "Mit diesem fünften
Roman ist Rabbit der Unsterblichkeit nochmal ein
Stück näher gerückt." Nicht immer ist Internet die
schnellere Lösung. Und ich hatte mein zweites Buch,
bezahlte € 5.- an der Kassen und entschwand in
Richtung heimatlichen Kamin, den niemand nachzuprüfen
gewillt sein wird, wenn draußen 25 Grad Celsius
zu verzeichnen waren. (11. Mai 2012)
Zeiten zum Lesen
Spätdienste sind die lektürefeindlichsten Dienste. Oft
nur maximal 2 Stunden Zeit zum Lesen, während es an
Früh- und Nachtdiensttagen zwischen 3 und 4 Stunden
sein können. Das liegt zum einen daran, daß ich NACH
dem Dienst (ab 23.30 Uhr) nicht mehr lesen kann,
sondern mich Serien oder Filmen zuwende, dann spät ins
Bett gehe, spät aufstehe und häufig erst 10.30 Uhr zu
lesen anfangen kann, um 12 Uhr mittags das Haus
verlassen muß und 12 Stunden aushäusig bin. Die Lektüre
unterwegs ist nicht so bemessen, daß sie dem Pensum
entscheidende Vorteile verschaffen kann. Wenn alles
optimal verläuft: 40 Seiten - 20 auf der Hin-, 20 auf
der Rückfahrt. Insofern die Anschlüsse klappen, der
Einkauf, den ich täglich absolviere, ohne Hindernisse
verläuft, habe ich vor dem Dienst noch einen Zeitpuffer
von 30 Minuten, den ich im Krankenhaus im "Raum der
Stille" mit Lektüre verbringe. Aber diese 'ganz guten'
Tage gibt es nicht sehr oft. An Frühdiensttagen sieht
es wie folgt aus: Nach dem Heimkommen zirka 16 Uhr
ein Schlaf bis 18 Uhr, dann relativ homogene Lektüre
bis 21 oder 22 Uhr. An den Nachtdiensttagen schlafe
ich bis 13 oder 14 Uhr. Danach etwas disparate
Lektüre bis 18 Uhr. Zwischen 18 und 20 Uhr meistens
nochmals eine Schlafphase. Nur lasse ich mich in
der eigentlichen Lesezeit durch den angeschalteten
PC zu sehr ablenken, so daß die "reine Lesezeit"
deutlich weniger als 4 Stunden beträgt. Freie Tage
sind schwer einzuschätzen. Nach dem Aufstehen in
einem sehr variierenden Zeitraum (zwischen 6 und
10 Uhr) sitze ich am Computer und lese Facebook,
Twitter, News, E-Mails, mache Instant Messaging,
besuche Fun-Seiten; kurzum: verplempere gemeinhin
meine Zeit - hier können schon 3 bis 4 Stunden ins
Land gehen. Dann werde ich müde und schlafe 2
Stunden, danach Einkauf. Und dann, erst dann
beginnt an freien Tage die eigentliche Lesezeit.
Nachmittags bis in den Abend hinein, bis ich mich
dann ab 20 Uhr den Serien zuwende oder erneuten
Internetmauscheleien. Während des Schreibens wird
eines klar: Ich darf Spätdienst- und freien Tagen
den PC, nachdem ich aufgestanden bin, nicht einschalten,
sondern müßte und sollte mir eine Sperrfrist für die
Lektüre setzen, sagen wir, 2 Stunden.
Barrieren und Erinnerungen
Indem ich während der vergangenen Tage
vermehrt in Literaturforen schrieb, die ich
lange links liegen ließ, kamen einige Notate
zustande, die ich innerhalb der Plaudereien
aufgehoben wissen will. Ich reihe sie lose
aneinander und markiere sie mit Anführungszeichen
& Bindestrichen.
"Im Prinzip habe ich immer LUST zu lesen,
zweifle aber zunehmend an meinen Fähigkeiten
dazu. Ich werde immer unkonzentrierter, immer
doofer. Ich habe seit 5 Jahren keinen Jean
Paul mehr gelesen, einfach aus Respekt, nein,
aus Angst, den "Titan" nicht zu bewältigen.
Uwe Johnsons "Jahrestage" liegen aus
ebensolchem Mangel an "Schaffenskraft"
ungelesen da. Und und und. Es ist ein Jammer."
-- "Ich weiß, daß es nur helfen würde, wenn
ich den PC ausließe, nur kann ich mich nicht
konsequent genug dazu durchringen, weil ich
immer versucht bin, nebenbei hier mal etwas
nachzusehen, dort etwas zu schreiben." --
"Mich durch eine Lektüre regelrecht
durchzubeißen scheue ich, indem ich dank
Bibliothek leichteren Stoff ranschaffe. Und
so bleiben einige Leselücken wohl noch
bestehen. Ebenso wie dich wundert mich, wie
unbedarft ich durch manche Autoren gegangen
bin, wie ich beispielsweise damals den
"Zauberberg" oder "Doktor Faustus" lesen
konnte und nicht das Gefühl hatte, überfordert
zu sein." --
Solange man durch fremde äußere Umstände
der Zeit beraubt wird, mag es zwar bitter
sein, aber man fügt sich ins Gegebene. Wenn
man erkennt, daß man selbst der Klotz ist,
der am Bein hängt, kommt noch ein Quäntchen
Bitternis hinzu, das einem das Stück Lebens/
Lesensfreude vergällt, das man zu retten
bemüht war." -- "Ich merke immer erst,
wenn es mir mal gelingt, 1 Stunde am Stück
zu lesen, wie qualitativ unterschiedlich
dieses Lesegefühl von dem ist, welches man
bei diesem Häppchenlesen erfährt." --
"Wenn man jedoch die Zügel gänzlich locker
läßt, schleicht sich ein laissez-faire-Stil
ein, bei dem man in absehbarer Zeit nur
noch Seichtes liest. Ab und zu etwas
Lesearbeit und -mühe kann nicht schaden." --
Wobei "Bleak House" als Pageturner
durchgehen könnte. Ich habe vor einiger
Zeit mal Wolfgang Hilbigs "Ich" lesen wollen, ´
kam aber keine 10 Seiten weit. Wenn man
MÜSSTE, wenn man beispielsweise keine
Alternativbücher in Griffnähe hätte, dann
hätte ich wohl weitergekämpft. Aber die
Verlockung einer einfacheren Lektüre ließ
mich die Mühe gar nicht erst weiter in
Betracht ziehen. Verhängnisvoll, wenn man
es dermaßen an Courage fehlen läßt." --
"Karl May ist zu 100% an mir vorbeigegangen,
obwohl er in meiner Jugend (in den 80
Jahren), soweit ich weiß, schon wieder
einigermaßen rehabilitiert gewesen sein
muß, oder? An typischen Kinder- und
Jugendbüchern las ich sehr wenig, auch
nicht, was in der DDR so "in" war, z.B.
Die Söhne der Großen Bärin.
Auch die
Digedags
u.v.m. "Typische" erreichte mich nicht, einfach weil
ich mit anderem blockiert war, siehe unten.
Mein Hinwendung zur Literatur erfolgte erst ab dem
17./18. Lebensjahr. Vorher las ich ausschließlich
Religiöses: Hagiografien, Traktätchen, Mystiker (Teresa
von Avila, Johannes vom Kreuz, Seuse usw.) und
vorrangig die Bücher meiner Sekte, in der ich lebte.
Literatur initiiert wurde ich durch die Russen. Mit 20
Jahren, als ich als Theologieaspirant ins Seminar
einzog, fing ich an, mehr und systematischer zu lesen,
dank auch einer hervorragenden Bibliothek, die, weil
wir sozusagen in einer westdeutschen Enklave innerhalb
der DDR leben durften, komplett mit allem bestückt war,
was uns in der DDR größtenteils verwehrt war: Frisch,
Dürrenmatt, Böll, Walser, Grass, Bachmann usw. usf. Es
war der Himmel auf Erden." (13. Januar 2012)
Die Web-2.0-Ferne der Büchermenschen
Seit langer Zeit schaue ich den Literaturclub wieder.
Und sofort virulent, abgesehen von der Leidenschaft
für Literatur, ist wieder das Befremden darüber,
daß Menschen, mit denen ich diese Leidenschaft teile,
so enorm abseits der Wirklichkeit leben, die mein
Leben befruchtet: dem Internet, dem Web 2.0, den
Netzwerken. Mich verblüfft deren gänzliche Unbeholfenheit,
deren völliges Unverständnis, ja deren Hilflosigkeit.
Peter Hamm, Iris Radisch, Stefan Zweifel - alles sehr
belesene Menschen, aber weitab von der Daseinswirklichkeit
im Netz. Dabei schrumpft und verpufft dann leider auch
meine Verbindung, mein Interesse für ihre literarische
Ansichten, weil die erwähnte Inkongruenz mich mißtrauisch
macht und mich beklommen macht und wir nicht mehr
auf gemeinsamer Wellenlänge schwimmmen. Von diesen
Literaturmenschen sind die wenigsten internetaffin.
Wie konnte es nur geschehen, daß ich beiden Sphären
zugetan bin, was ging bei mir da nur schief? --
In diesem Literaturclub Peter Hamm als Verweigerer des digitalen Lebens. Gibt es nicht die Möglichkeit zu sagen: "Ich will das nicht wissen?" Ich will da nicht mitmachen. Was mich an dieser Verweigerungsperspektive fasziniert, ist die Tatsache, daß ich selbst ständig zwischen Faszination und Abscheu schwanke. Ich mag das, ich mache gerne mit, ich genieße die Aktionen und Reaktionen im Netz, mit den anderen usw. Aber andererseits sehe ich diese Offline-Version, sehe ich die Ruhe und Konzentration dessen, der sich, sich dem verweigernd, um essentielle Gedanken kreist, der tiefe spirituelle Erfahrungen macht, die inmitten des virtuellen Daseins kaum denkbar erscheinen. Dann taucht die Frage auf, ob man sich für eine Seite zu entscheiden hat oder ob nicht beide Welten miteinander zu vereinbaren sind. Lesen als kontemplativer Akt - ist es vereinbar mit dem Anwesenheitszwang im Netz, mit dem Sich-Offenbaren-Willen, mit der Informationsschraube, dem Drang, sich mitzuteilen und etwas mitgeteilt zu bekommen?
(10.1.2012)
Das zermantschte Hirn
Mein Hirn ist vom Alkohol offenbar schon dermaßen
zermanscht, daß sich jetzt erste beunruhigende mentale
Ausfälle bemerkbar machen. Gestern beabsichtigte ich
einen Gang in die Bibliothek, stand dann vergebens am
Tresen, weil ich den Bibliotheksausweis in einem neuen
Portemonnaie deponiert hatte, welches ich dann nicht in
Betrieb nahm. Hoher Trotteligkeitsfaktor, die Sinne
nicht beisammen bzw. nicht bei dem, was solche
Situationen vermeiden ließe. Ergo verschob ich den
Bibliotheksbesuch auf heute, einen freien Tag, stand
dann 10.30 Uhr vor verschlossener Tür, weil ich nicht
bedacht hatte, daß mittwochs die Leipziger
Stadtbibliothek eine beschränkte Öffnungszeit hat, d.h.
erst 13 Uhr zugänglich ist. Mir blieb nichts anderes
übrig, als mit eingezogenem Schwanz und Bitternis im
verhärmten Herzen nach Hause zu pilgern und meinen
Schwermutsrausch auszuschlafen. Als ich erwachte,
sprangen schon die ersten Skispringer in Innsbruck.
Nach diesem 3. Springen der Vierschanzentournee dann
nochmals aufgemacht. Vorher kritisch und neurotische 4-
bis 5 Mal die Tasche überprüft, ob auch wirklich alles
vorhanden ist: Bibliotheksausweis, abzugebende Bücher,
Zettel mit den Büchern, die ich mir ausgeguckt hatte.
Kräftigestes Zugpferd dieses nochmaligen und dritten
Weges innerhalb von 24 Stunden war die Tatsache, daß
mich gestern Abend die Benachritigungsmail erreichte,
daß "Der Hals der Giraffe" von Judith Schalansky
abholbereit sei. Und es wurde alles gut, es klappte
endlich. Endlich! So habe ich nun zwar eine Menge neuer
Bücher, aber durch den verplemperten Tag keine Zeit
mehr, mich wenigstens einem von ihnen mit gebührender
Konzentration zu widmen. (4.1.2012)
Bibliothekarische Nebenstraße
Wenn ich in die Bibliothek gehe, dann gut vorbereitet,
bewaffnet mit einem Zettel, auf dem die
vorrecherchierten Wunschtitel stehen. Der Aufenthalt in
den Gemäuern der Bücherhallen dauert normalerweise
dementsprechend kurz: reingestürzt, Zettel aufgefaltet,
ruckzuck die Bücher aus den Regalen gerissen, zum
Buchungsstand, und weg. Allerdings werfe ich meist noch
einen Blick ins benachbarte Regal mit den gerade
zurückgegebenen Titeln, die noch nicht wieder regulär
einsortiert wurden und in das Regal mit den
Neuzugängen. Und da sah ich heute eine neue
Literaturzeitschrift:
"Das Lindenblatt.
Jahresschrift für Schöne Literatur. Titelthema: Satire" -
Heuer erschienen im
Arnshaugk-Verlag,
der in
Neustadt an der Orla
sein Zuhause hat. Eigentlich hasse ich Anthologien und
mache nur bei für mich berückenden Themen
Ausnahmen. So gewiß bei Satire! Zum Inhalt findet man hier etwas.
Dieses grundsätzliche Festhalten an Prinzien bei der
eigenen Buchfindung sind nur erträglich, wenn sie
sporadisch aufgeweicht werden, wenn einen inkonseqente
Nebengänge von der Hauptstraße weglocken. Bei allzu
rigidem Handeln nach Prinzipien, auch in der
Bibliomanie, leidet auch beim dressiertesten Buchleser
der dem Menschen stets inhärenten Forscherdrang. Das
Fremdgehen in dieser Beziehung Buch - Mensch fügt hier
glücklicherweise niemandem Schaden zu. Bibliomanie ist
genuin polygam. Eine fantastische Sache! (9. Dezember 2011)
Leseschwingungen
Habe zwischen 10 und 13.30 Uhr nochmals Schlaf nachholen
können, der dringend fehlte. Deswegen kam die Lektüre
heute nur zögerlich in Fahrt. Grundsätzlich muß man sich
nach jeder Pause wieder "einlesen", schätzungsweise
mindestens 30 Minuten hintereinander, um in befriedigende
Leseschwingungen zu geraten und in das Buch einzudringen,
es zu "fassen" zu bekommen. Alles darunter greift zu kurz
und führt mögicherweise zu der Erkenntnis, mit dem Text
nicht zurecht zu kommen, was falsch ist bzw. sich
vermeiden ließe, wenn man nur lange genug dran bliebe,
bis der Knoten platzt. Diese Prozedur wiederholt sich
bei jedem Neuansatz, also jeden Tag und nach mehrstündigen
Pausen am betreffenden Lesetag. Lediglich Unterbrechungen
bis zu 1 Stunde, so meine Beobachtung, erhalten die
Schwingung, den Zugang zum Buch; dann ist die Tür wieder
zu. (7. August 2011)
Der Stapel ungelesener Bücher (SUB) ist ein Topos, der
Bücherleser reizt. Insofern kein Wunder, daß er immer
wieder aufgegriffen wird. In vielen Stöckchen innerhalb der
Blogosphäre kommen die ungelesenen Bücher seit mehr als
10 Jahren immer wieder vor. Nur konsequent, wenn sie
nun auch auf Facebook "gewürdigt" werden. Ich verfolge
seit 16 Jahren im Internet die Bibliomanie. Während
sich das Geschehen anfangs im Usenet abspielte,
verlagerte sich ein Teil dann in Mailinglisten und in
der Folge in Onlineforen, die immer interessanter
wurden, je einfacher und preiswerter man ins Internet
kam. Die damals aufkommenden Flatrates, verbunden mit
DSL, gaben dieser Entwicklung Vorschub. Als 2000/2001
die Weblogs entstanden, übernahmen sie einen Großteil
des bibliomanen Traffics. Auch die liebevoll
gestalteten persönlichen Webseiten mancher
Enthusiastens ragten heraus, nicht zuletzt mein eigenes
Projekt. Das social web übernimmt seit einigen Jahren
die Führungsposition, indem es die Funktionen bietet,
die wir früher entweder entbehrten oder mühsamst
zusammenbasteln mußten, z.B. Kommentarfunktion.
Beispielsweise die virtuellen Bücherregale wie Lovelybooks, die
underdessen zu stattlichen Communities ausgeformt sind,
wo man seinen Buchbestand pflegen kann, Rezensionen,
Links und Erfahrungen mit anderen austauscht. -
Facebook und
Google+ sind nun die neuesten Emanationen, die
Büchermenschen offen steht, die ihnen ungeahnte
Möglichkeiten verschaffen. Trotzdem findet sich immer
noch eine Schar Unentwegter, die den guten alten
Literaturforen treu bleibt. Ich selbst habe lange im Hermann-Hesse-
Forum und im
Literaturschockforum (auf
Facebook) mitgemacht, mich dann aber auf den
kleiner Bruder, das Klassikerforum (auf
Facebook) beschränkt. Meine Affirmation zu sozialen
Netzwerken bewirkte indes zweierlei: Ich zog mich nach
und nach aus den Foren zurück, gucke nur noch
sporadisch hinein: Zudem lasse ich keine Gelegenheit
unversucht, altgediente Bücherfreunde aus den Foren für
Facebook, Twitter und Google+ zu gewinnen. Als Blogger
der ersten Stunde (April 2001) und Bewunderer des Web
2.0 konnte es gar nicht anders kommen, als daß ältere
Aktivitäten in den Hintergrund traten. Anlaß für diesen
kleinen Rückblick gab mir eine Frage von
Anett Gläsel-Maslov, der Mitbegründerin der gestern
gestarteten Facebookseite Stapel ungelesener
Bücher, die infolge meines Statements ausgelöst
worden war, daß der "SUB bisher noch allen
Literaturforen für Resonanz gesorgt" habe. Prinzipiell
haben Bücherleser diesen Schnickschnack, den das
soziale Web bietet und forciert, kaum nötig, weswegen
die einen ihm ablehend oder reserviert gegenüberstehen
und entweder zuhause still im Kämmerlein weiterlesen
oder auf herkömmlichen Wegen den Austausch mit anderen
Bookaholics suchen, wobei selbst das gute alte Weblog
mittlerweile als arriviertes Medium gelten dürfte.
Jedes Blog hat einen Einzugsbereich von Freunden, in
dem es lebt und gedeiht. Auch die Foren leben
weiterhin. Überhaupt stirbt so schnell keines dieser
Optionen ab, Kommunkation zu kanalisieren und zu
transportien. Sogar die alte Newsgroup
de.rec.buecher existiert noch. Ich gehöre zu den
Bibliomanen, die den "neuen Verlockungen" nie
widerstehen können und bei allem möglichst früh
mitmischen müssen, was das Web 2.0 gebiert und
zelebriert. Und so twittere ich,
facebooke und
googleplusse ich und weiß aber genau, daß jede
Minute, die ich in den Netzwerken verbringe, eine
Minute ist, in der ich nicht gelesen habe. Und das ist
es, was die old schooled bibliomaniacs insgeheim
womöglich hämisch grinsen läßt.
Ein Bücherfänger also doch
Ich hatte heute ein schönes Bibliothekserlebnis.
Zuvor die Bücher ausgesucht, die ich entleihen
wollte. 3 Bücher auch mühelos gefunden; Buch
Nr. 4 nicht. Laut Datenbank hätte es vorrätig
sein sollen, stand jedoch nicht an seinem Platz.
Bibliothekarin und ich schlichen umher, forsteten in
Fensterbänken, auf separaten
Ausstellenplätzen nach - wo immer man ein
präsentes Buch aus außerhalb der
üblichen Ordnung präsentieren mag - kein Buch
zu finden. Enttäuscht schnappte ich meine 3
Bücher und bewerkstelligte den Entleihvorgang am
Computer im Erdgeschoss. Meiner Achtsamkeit ist es zu
verdanken, daß ich jede Sekunde nutze, so
daß meine schweifenden Blicke während des
Wartens auf ein Regal im Eingangsbereich der
Bibliothekszweigstelle fielen. Und das vermißte
Buch entdeckte! “Ich habs”, entfuhr es mir, woraufhin
ich die die bewundernden Blicke der Bibliotekarin, die
ich zuvor im 1. Stock nach dem Buch fragte und die sich
zufälligerweise gerade im EG aufhielt, erntete und
mit mir in diesem Moment äußerst zufrieden
war. Ein Bücherfänger also doch.
Vorsichtiger Optimismus
7,5 Stunden in einer Computerschulung zu sitzen
ist für einen Pflegenden, der Herumrennen
gewohnt ist, ungewohnt und hat mich ziemlich
fertig gemacht. Mir dröhnte der Kopf, der
Blutdruck spielte hinterher bis jetzt verrückt.
Unsere Klinik stellt demnächst die Software
auf SAP um. Ich als so genannter key-user
soll mit anderen die Mitarbeiter des Pflegedienstes
unseres Hauses schulen. Nach dem üblichen
zweistündigen Nachmittagsschlaf, heute von 17 bis
19 Uhr etwas verschoben, las ich bis 22 Uhr,
was den Tag rettete. Schon der dritte Tag,
an dem ich konsequent mindestens 150 Minuten
dem PC fern blieb, um zu lesen. Ich habe ja
vor, die Prioritäten neu einzustudieren,
d.h. mich wieder etwas vom Internet, speziell
dem Web 2.0, zu lösen, um mein Bücherleben
zu sanieren. Drei gute Tage, sprich Abende
hintereinander stimmen hoffnungsvoll.
Nachdem ich vorgestern Heimito von
Doderers "Die Dämonen" zuende lesen konnte,
an denen ich mehr als 14 Tage kaute, las
ich gestern in einem Ruck den schmalen,
frühen Roman "Der andere Schlaf" von Julien
Green, um heute in ein weiteres dickes Buch
einzutauchen, nämlich Oskar Maria Grafs
"Wir sind Gefangene". Um dicke Bücher einen
Bogen zu machen, war bedauerliche Realität
in den letzten Monaten und Jahren. Dies
abzuändern bemühe ich mich seit Oktober,
als ich zu Christa Wolfs Tagebuchband "Ein Tag
im Jahr" griff, um dann hintereinander
mehrere dickere Bücher zu lesen wie
Günter Grass' "Grimms Wörter"; Uwe
Tellkamps "Der Turm" Reinhard Jirgls "Die
Stille", Christa Wolfs "Stadt der Engel",
Hermann Burgers "Schilten" und eben zuletzt
Doderer Dämonen. Freilich warten noch
viele, viele Aufgaben in diesem Jahr.
Speziell sollte meine mehr als 4-jährige
Jean-Paul-Durststrecke beendet werden.
Und Johnsons "Jahrestage" sind ein Projekt,
welches ich lange schon aufgeschoben hatte.
Wie mein Tag gerettet wurde
Der Weg zum Spätdienst unterliegt wie ein
Arbeitsweg an sich, den man jahrelang gewohnt ist,
einer sicheren Routine, die einen aber nicht vor
Saumseligkeiten oder Fehler bewahrt. Ich fahre oft mit
der S-Bahn von meinem Wohnort (Sellerhausen) 12.32 Uhr
zum Hautpbahnhof, um dort bei ALDI einzukaufen und
hernach mit einer anderen S-Bahn 13.01 Uhr zur
Arbeitsstelle weiterzufahren. In den vergangenen Wochen
wählte ich dieser Variante witterungsbedingt
seltener, weil einem mit der Straßenbahn mehr
Möglichkeiten weiterzukommen zur Verfügung
stehen. Wie auch immer. Ich kaufte bei ALDI ein, setzte
mich danach in die S-Bahn und wartete. Und wartete.
Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich
einen Beutel mit dem Buch, welches ich zurzeit lese, am
Einkaufswagen hängengelassen hatte.
Urplötzlich sah ich das Drama vor mir: Nichts zu
lesen auf dem Hin- und Rückweg. Langweile pur. Und
der Ärger, daß man so dämlich war und
einen Beutel an einen Einkaufswagen hängt. Dadurch
daß die S-Bahn nicht losfuhr, ergab sich
überhaupt erst die Alternative, auszusteigen und
nochmals bei ALDI nachzuhaken. 13.09 Uhr - eine
schnelle Entscheidung schien vonnöten. Also los.
Und, man faßt es nicht, der Beutel samt Buch
wurde an der Kasse abgegeben. Wie zur Belohnung fuhr
sofort eine Anschlußbahn. Der Vorsatz, den ich
vorher für den Fall eines guten Ausgehens
faßte, nämlich mehr zu lesen, gilt es jetzt
einzulösen. Verwundert war ich, mich selbst
betreffend, daß mich weniger der Verlust eines
Buches schockierte, als das Horrorszenario eines Tages
ohne Lesemöglichkeit.
Warum ich am liebsten bei Booklooker kaufe
Seit wie vielen Jahren bestelle ich meine Bücher nun
hauptsächlich via Booklooker? Und kam erst dieser Tage
auf die Idee, die Funktion der 'Suchaufträge'
auszuprobieren! Ich selten dämlicher Idiot! Wie es die
Sache doch vereinfacht! Mir kommen die Angebote nun ins
Haus, und Bestellungen gebe ich nicht mehr in
Hauruckaktionen auf, sondern bequem einzeln, sobald ein
Angebot in den Mailkasten flattert. - Dieses auf
Facebook gepostete Notat beschwor die Reaktion eines
Lesers herauf: "Nichts gegen irgendeine Plattform, aber
da natürlich Provisionen für abgeschlossene Verkäufe
fällig werden, könnte es sein, daß die Bücher direkt
vom Antiquar etwas günstiger werden." Darauf antwortete
ich: "Mitnichten! Davon abgesehen, daß die Bücher, die
ich kaufe, eher selten beim örtlichen Händler in dieser
Konsequenz erstanden werden können, geht doch nichts
über Booklooker. Meine
Liste Neuer Bücher
beweist, daß professionelle Antiquare
vor Ort SO nicht überleben würden. Der Antiquar, der
mir da schrieb, "meinte nicht den örtlichen Händler,
sondern die Möglichkeit, dem Händler direkt eine E-Mail
zu senden, anzurufen oder von der Angebotseite des
Antiquars zu bestellen." Dem entgegnete ich: "Ich kaufe
ja Massenware, die größtenteils, da oft verlegt, sehr
preiswert zu haben ist. Im Falle bibliophiler Recherche
würde das Sinn ergeben, manchmal muß selbst ich
www.sfb.at anwerfen, um eine Ausgabe irgendwo zu
finden. Dann forsche ich nach, gehe auf
Anbieterwebseiten usw. Aber bei mir, der ich im Jahr
150 Bücher lese und auch kaufe, würde so eine zertreute
Vorgehensweise für jedes einzelne Buch zu stressig
sein. Booklooker und Amazon Marketplace sind für mich
daher die Erfindung, die mein Bücherleben in gnädig-
milden Verläufen dahinplätschern lassen." Weiter in den
Kommentaren schrieb ich: "Als alternder Bücherleser und
somit auch -kenner besuche ich natürlich dann das
örtliche Antiquariat, wenn ich weiß, daß ein besimmtes
Buch dort eher und sicher zu haben ist, z.B. weil ich
die DDR-Ausgabe erinnere oder weiß, daß der Titel so
häufig vorhanden ist. Mein Händler ist und bleibt dann
Herr Jens Förster (Bücherinsel) in der Leipziger
Ritterstraße, den ich allen Leipziger und Umländern
unbedingt anempfehle!" Abschließend noch der Scherz,
den ich Herrn Förster gegenüber spontan erfand: "Ich
trage ungemein zur Gesundheit meiner Postbotin bei, die
sich bei fast jedem Bücherpäckchen 4 Stockwerke
hochbemühen muß und so rank und schlank bleibt mit
einem bewunderswerten Atemvolumen." Was Quatsch ist,
denn nicht ich empfange meisten die Post, sondern der
unter mir wohnenden Vater. Übrigens merke ich erst
dann, daß mein Vater nicht zuhause ist, wenn ICH wegen
meiner Büchersendungen belästigt werde. Er, ein
vormittags meist zuhause weilender Rentner, fängt sie
normalerweise für mich ab. Leider stapelt er sie dann
oft und händigt sie mir alle paar Tage aus, während ich
manchmal bereits Schmäh- Mails an die vermeintlich
säumigen Lieferanten schreibe. (1. September 2010)
Ärger beim Buchkauf
Ich bin sprachlos und verärgert. Kürzlich kaufte ich
via Booklooker John Barlows Roman Berauscht,
2007 bei Kein Aber erschienen, und bezahlte EUR 3,10
inklusive Versandkosten. Zuerst wunderte ich mich, daß
das Buch so dünn ist, dachte mir nix dabei. Und als ich
eben bei Seite 64 angekommen war, sah ich vorne im
Titelblatt "Unlektorierte und unkorrigierte LESEPROBE".
Auch das Cover enthält einen Aufkleber "Kein Aber
Appetizer", der auf dem Bild, welches die Verkäuferin
zum Buch präsentierte, NICHT zu sehen war. Nirgendwo
stand der Hinweis, daß es sich lediglich um die 64-
seitige LESEPROBE eines 544-seitigen Romans handelt.
Eine skandalöse Mogelpackung und eine bittere
Erfahrung. Überhaupt. Ein anderes Buch, welche ich vor
3 Wochen bezahlte, ist bislang nicht eingetroffen.
Letztens auch ein Buch bestellt, bei welchem sich der
Anbieter überhaupt nicht meldete; ein anderes, dessen
Fund ich schon heftig abfeierte, wurde seitens des
Verkäufers leider umgehend storniert. Anscheinend sind
die Tage vorbei, in denen man bedenkenlos übers Internet
private Geschäfte machen konnte. In vielen Jahren des
Buchkaufens, in denen ich fast gänzlich zufrieden sein
durfte, häufen sich nun die Fehlkäufe.
::kawai:: oder Bookwalking
Heute war ich wieder dankbar für die Editionsleistungen
der DDR-Verlage. Ich besuchte einen Buch-Wein- und
Kaffeeladen in der Leipziger Innenstadt (::kawai::), an
dem ich bisher immer vorbeigefahren war. Anlaß war der
Fund eines Buch mittels Boolooker, der diesen Laden
angab. Und weil ich so prima die Versandkosten sparen
konnte, stieg ich kurzerhand aus und beschnarchte mir
diesen Laden, in dem Bücher sowohl zu
Dekorationszwecken als auch, nebenher, zu
Verkaufszwecken existieren. Es ist eine Art
Mischmaschladen, ein Cafe, in dem man Wein, Kaffee,
Getränke, Musik und eben auch Bücher kaufen kann. Aber
auch nur lesen. Mann nimmt sich ein Buch, bestellt
Kaffee etc. und läßt sich in einen herumstehenden
Sessel oder auf das Sofa fallen. Die Bücher sind in
verwinkelten Regalreihen - auf den ersten Blick -
chaotisch drapiert. Auf den zweiten Blick erkennt man
eine Sortierung nach Verlagen. Hardcover separat in
recht düsteren Ecken, die eine Lampe nur dürftig
ausleuchtet. Interessant nun dies: Ich sagte, ich
hätte einen Werfel auf Booklooker gefunden. Wo ich
ihn denn finde könne. Das wisse sie nicht. Tue ihr leid.
Ich daraufhin, wie es nun gemacht würde, wenn
tatsächlich jemand auf Booklooker eines ihrer Bücher
anfordere. Ja dann, so die Aussage, würde man das Buch
schon suchen gehen. Half mir in dem Moment nicht, was
aber nicht schlimm war, weil ich eine Ausgabe mit
Dürrenmatt-Erzählungen aus dem Verlag Volk & Welt für 3
Euro in Super-Qualität fand, die mir gleich 3
ramponierte Diogenes-Taschenbücher ersetzt. In selber
Ausstattung gibt es auch Dürrenmatt-Komödien, die ich
seit langem besitze. (11.8.2010)
1 Jahr ohne Bücherkauf [2]
Weiteres Posting innerhalb des im Vorposting erwähnten Threads: "Natürlich gibt es sowohl unter konformen als auch nonkonformen Verhaltensweisen üble und abzulehnende. Es ist kein Wert an sich, anders als andere zu denken und zu handeln. Gesellschaftliche Regeln, die Höflichkeit generieren und das Zusammenleben erträglich machen, sind, klar, auf Konformität gegründet. Ich habe mehrere Bücher über Exzentriker und Sonderlinge gelesen, die meistens ziemlich harmlos sind, wenn gelegentlich allerdings nervtötend sein können. Was - im Bücherwesen - könnten positive Sonderwege sein? Eine Buchhandlung, die nicht den üblichen Kram im Sortiment hat, eine Wohltat. Ein Verlag, der trotz des absehbaren finanziellen Mißerfolges, ein Buch oder eine Reihe verlegt, weil er es für wichtig hält. Ein Leser, der seine Leserlebnisse Intuition und Wagemut verdankt, der gelernt hat, abseits eingefahrener Wege Perlen zu finden. Exzentrische Projekte gibt es immer wieder; erinnert sei an A.J. Jacobs, der die EB durchlas und darüber ein Buch schrieb (Britannica & ich) und der in der Folge versuchte, alle Thora-Gebote zu erfüllen (Die Bibel und ich). Auch wenn ich mich an Listen orientiere, würde ich nicht sagen, ein erlebnis- und ergebnisärmeres Leseleben zu führen. Die Orientierung brauche ich eben, wenn ich z.B. bei einem Dutzend Erzählbänden von Maugham den Überblick behalten will. Je mehr man von einem Autor liest, desto zwingender bedarf man der Vorbereitung und Notation. Ansonsten würde ich als Simenon-Leser bei einem Oeuvre von 200 Werken schon längst verzweifelt sein."
1 Jahr ohne Bücherkauf [1]
Im Klassikerforum gibt es einen Thread über das Bücherkaufen, dessen Anlaß Susan Hills Erfahrungsbericht Howards End is on the Landing. A year of reading from home bildete, die ein Jahr lang darauf verzichtete, Bücher zu kaufen, und sich stattdessen des heimischen Bücherfundes bediente. Ich schrieb: "Ich bin ja einer der vielerorts so vehement gescholtenen zwanghaften Leser. Ausgeklügelte Leselisten steuern mein Leseverhalten. Beispielsweise habe ich so genannte Jahreautoren (zirka 45), das sind Autoren, von denen ich innerhalb eines Jahres mindestens 1 Buch lesen will. Diesem Ziel, welches ich seit vielen, vielen Jahren locker bewältigte, hänge ich jetzt ziemlich hinterher, was mit dem Topic dieses Threads zusammenhängt. Von Juni 2009 bis April 2010 habe ich nämlich so gut wie keine Bücher gekauft - und kaufe sie erst wieder seit Juni regelmäßig. Anlaß war ein Bibliotheksjahr. Weil ich ein Geizhals bin, habe ich mir gedacht, WENN ich schon eine Jahresgebühr von 16.- Euro für die Bibliothek berappen muß, dann nutze ich das gefälligst konsequent aus. So las ich also von Juli 2009 bis Juni 2010 fast nur Bibliotheksbücher. Dadurch brauchte ich eben keine neuen Bücher kaufen. Daß die Aktion des Bücherkauffastens so negativ aufgenommen worden ist, verstehe ich kaum, was kein Wunder ist, begreife ich Bibliomanentum doch wesentlich als ein Bücherleben MIT Macken allerlei Art. Das empfinde ich nicht als ungesund, sondern reizvoll. Überhaupt finde ich Exzentrizitäten als wesentlich ansprechender als konformes Leben. Ich liebe dieses Projekt und ich freue mich, daß aus ihm ein Buch entstanden ist. BücherBücher kann es nie genug geben."
Zerfledderte Willenskraft
"Ich weiß, warum Albin eigentlich nichts arbeitet: es
fällt ihm zuviel ein". Dieser Satz aus Arthur
Schnitzlers Erzählung "Er wartet auf den vazierenden
Gott" spiegelt, abgewandelt, mein Dilemma wider. Vor
lauter Ideen am Computer komme ich nicht zum Lesen und
werde ständig abgelenkt und unterbrochen. Ein Stakkato
von Einfällen und Vorhaben, dem ein Mensch mit mehr
Widerstandskraft sich womöglich entziehen könnte. Ich
aber nicht. Die Zerfaserung der Aufmerksamkeit erweist
sich mehr und mehr als Problem, das man so nicht stehen
lassen kann und sollte, ist doch langfristig die
komplette Lesefähigkeit in Gefahr. Einmal verhunzt,
wäre sie wohl nur mühsam wiederherzustellen. Die einzig
richtige und notwendige Konsequenz, die ich aus der
erkannten Gefährdung zu ziehen hätte, bestünde darin,
den Netzstecker zu ziehen - das stringente Ausschalten
schädlicher Noxen während des Lesens! Den Websüchtigen
erkennt man an der Scheu, diesen Schritt zu wagen. Es
fehlt der Zugriff auf Informationen, die bei der
Lektüre eventuell gebraucht werden könnten. Die
Vorstellung, abgeschnitten zu sein vom Netz, schafft
ein Unbehagen, welches irrational erscheint, wenn ich
bedenke, daß ich ehedem wunderbar ohne virtuelle
Krücken zurande kam und weiterhin käme, wenn ich dies
mir eingestände. Die Droge Internet und Web 2.0., derer
ich bedarf, wirkt stark und steht dem Willen, mehr,
konzentrierter und nachhaltiger zu lesen, bislang noch
entgegen. Der Entzug scheitert an meiner zerfledderten
Willenskraft. (29.7.2010)
Lektürestatus
Lektürestatus momentan eher disparat. Die während der
Spätdienste sowieso beeinträchtigte Lesemöglichkeit
wurde durch die Hitzeperiode quasi auf 0 reduziert,
sprich, ich las während der letzten Woche so gut wie
nicht. Den ersten Teil der "Serapionsbrüder" von E.T.A.
Hoffmann schloß ich gestern ab. Wenn ich
Schauerliteratur lesen möchte, greife ich zu Hoffmann
oder Poe. Das hat sich so eingespielt, das bleibt so.
Mittlerweile ist vieles schon Zweit- oder Drittlektüre,
was den Genuß ob des Wiederkennens, ja Wiederschmeckens
verstärkt. Heute begann ich "Durchsichtige Dinge" von
Vladimir Nabokov. Zwei Jahre las ich ihn nicht. Nach
den ersten Seiten klappt mir der Unterkiefer herunter.
Habe ich eine Nabokov-Perle erwischt oder habe ich mich
seinem Stil schon so weit entwöhnt, daß es mir nun wie
ein erstes Aufeinandertreffen vorkommt? Bin gespannt,
ob sich die Stärke der ersten Seiten erhält.
Wochenzeitung lesen
Gestern Nacht fand ich auf dem Heimweg von einem
Umtrunk im Biergarten die neue Ausgabe der
Wochenzeitung DIE ZEIT. Seit bestimmt mehr als 10
Jahren habe ich keine Zeitung mehr gelesen, von
sporadischen Versuchen mit der LVZ während der Pausen
auf Station einmal abgesehen. Mich erstaunte, wie
anders es war, die Artikel zu lesen. Ich habe
vergessen, welches Feeling, welch haptisches Erlebnis
es ist, einen solchen Koloß von Wochenzeitung zu
bändigen. Allein schon das Umschlagen der Seiten, die
Kontrolle, welche Artikel einem fehlen, welche man
auslassen wird, welche man später lesen möchte... Was
mich bei dieser Sache am meisten überraschte, ist, wie
unterschiedlich die Lektüre wirkt. Im Lauf der Jahre
habe ich mich an die alleinige Rezeption von Online-
Texten gewöhnt und die Überzeugung gewonne, daß sie
deckungsgleich mit der Offline-variante wäre und es
keine Rolle spiele, zu welcher man greife. Das stimmt
so nicht. Wenn ich einen längeren Artikel in der
Zeitung lesen, die ich aufgeschlagen halte, fällt das
Mäandern weg, das sich unwillkürlich einstelllt, wenn
man etwas am Bildschirm verfolgt. Papierzeitungen lesen
ich linear. Am Bildschirm ist die Ungeduld weit größer,
springe ich hin und her, folge ich Links, kehre zurück,
überspringe viel schneller eine Passage usw. Die
gebündeltere Aufmerksamkeit beim Lesen bescherte mir
gestern Nacht ein bedenkenswerte Erlebnis, welches
insofern von Bedeutung sein könnte, als sich die
Erkenntnis, herkömmliches lineares Lesen sei auch bei
der Lektüre der Zeitung ein qualitativer Zugewinn,
unter Umständen viel regelmäßiger im Kauf eines Blattes
auswirken sollte. Ich sollte infach nicht warten, bis
der Zufall mir wieder liegen gebliebes Material
beschert.
Der Ärger mit dem Technikkram
Eine meiner Antworten innerhalb meiner Facebook-Gruppe
Vielbücherei im Thread
über E-Books: Was mich vorerst von dem Gedanken abhält,
ein elektronische Lesegerät welcher Couleur auch immer
zu kaufen, ist die Unlust, mich mit Sachen wie Akku-
Aufladen usw. zu beschäftigen. Ich hasse Akkus, und die
ständige Pflicht, vielmehr Angst, sie könnten schon
wieder nicht ausreichen, stellt sich in noch
unvorteihafterem Licht dar, wenn ich mir vor Augen
halte, wie einfach man mit einem Buch umgeht.
Aufschlagen und loslesen. Sehr wahrscheinlich spielt
auch die Erfahrung mit, daß ich mit elektrischen und
elektronischen Kleingeräten in meinem Leben andauernd
vom Pech verfolgt war. Erst gingen mir damals die
Walkmen en masse kaputt, jetzt die mp3-Player, so daß
ich mich einfach nicht der Gefahr ausgesetzt sehen
will, Nerven und Zeit mit technischen Querelen der
Wartung und Bedienung zu strapazieren, die dadurch ganz
simple zu vermeiden sind, daß ich bei dem bleibe, was
ich kenne und liebe: dem stinknormalen und doch so
bewunderungswürdig genialem Papierbuch.
Leipziger Antiquariatsmeile
Über Leipzigs Antiquariatsmeile berichtete
Egbert Pietsch. Artikel gefunden, nachdem ich gestern,
als ich über die Riebeckbrücke gefahren war, plötzlich
leere Schaufenster erblickte, wo ich doch seit vielen
Jahren Jens Försters "Bücherinsel" wußte.
Schockgedanke: Er wird doch nicht aufgegeben habe?
Beruhigend nun zu wissen, daß er in der Leipziger
Ritterstraße nun neben 3 anderen Antiquariaten
residiert. Ich muß gestehen, nicht mehr der
Antiquariatsgänger zu sein, der ich vor 10 oder 20
Jahren war. Bei der gezielten Suche bei einem so
reichhaltigen Angebot, das mir Booklooker & Co von
meinem Schreibtisch aus verschafft, ist mir das
Herumstöbern im örtlichen Altbuchhandel ziemlich lästig
geworden, weil die Ausbeute kaum den Zeitaufwand
rechtfertigt. So verschlägt es mich nur alle
Jubelmonate einmal in die Stadt oder wenn ich weiß, daß
ein gewünschtes Buch viel einfacher vor Ort erworben
werden kann, z.B. bei Buchreihen wie "TdW" von Aufbau
oder "spektrum" von Volk und Welt. Dennoch freue ich
mich von Herzen, daß es einem so leidenschaftlichen
Antiquar wie Jens Förster gut geht und er nun quasi im
Schatten der Nikolaikirche sein Buchwesen betreiben und
durch die zentrale Lage vielleicht doch wieder öfter
mit mir rechnen kann.
Literaturclub 2010
Das 'zweite Kind', im gestern gesehenen Literaturclub (LC) von Februar als "Anschlußtreffer" tituliert - als Beispiel für mißlungenen, ausgeleierten Humor, kannte ich trotzdem noch nicht. Der LC, übrigens an neuem Ort mit neuen Kritikern, wirkt aufgepeppt. Sie reden schneller. So bleibt Zeit für Einspieler. Jan-Josef Liefers mag ich. Seine "Ähms" zeugen von Überlegung, mit der er seine Gedanken formuliert - das ist verkraftbarer als eine flüssig vorgetragene Politikerrede. Bin gespannt, wie sich die Altkritiker in der nächsten Sendung mit der Verjüngungskur arrangieren. Mir fiel nur bislang immer auf, daß sie auf einem entfernten Literaturplaneten leben, auf dem Internet noch nicht erfunden scheint und andere Medien als die papierenen immer noch als suspekt gelten. Die Behäbigkeit, die der Lokalität (Schweiz) Tribut zu zollen scheint, die Nachdenklichkeit und rhetorische Verzögerung, mit der die Kritiker im Literaturclub der letzten Zeit (leider kenne ich ihn unter Roger Willemsen oder dem roten Dani nicht - wars da anders?) agierten, war manchmal schon ein wenig einschläfernd monoton. Mal sehen, wie es wird. Ich mag das gekünstelte Lachen von Iris Radisch ja nicht, ihren hechelnden Duktus. Dennoch gibt es zu dieser Sendung kein Pendant, keine Alternative.
10 Kuriositäten im Bücherregal
Es werden wieder Stöckchen geworfen. Zu 'Kuriositäten im eigenen Bücherregal" äußerten sich unter anderem: life less ordinary, Seelenkino, Bookaholics, Krötenwanderungen,Radeldudel, Trivial Delight, Buchhändleralltag und Kundenwahnsinn, Anke Gröner, ma vie et la folie, angemerkt. Kommt man kaum umhin, aufzustehen und sich mal in den eigenen Regalen umzuschauen.
- Novum Testamentum Graece (altgriechisches Neues Testament), von Philipp Buttmann aus dem Jahr 1890
- English for Nurses mit einem wunderbaren Cover.
- Tetrapla 1964 - das Neue Testement in einer vierspaltigen Ausgabe in den Übersetzungen: Martin Luther, Züricher Bibel, Fritz Tillmann und The New English Bible
- Weltall Erde Mensch - dieses Buch wurde in der DDR bis zum Jahr 1975 während der Zeremonie der Jugendweihe überreicht (siehe auch hier). Da ich als Katholik nicht Firmung UND Jugendweihe über mich ergehen lasse wollte, erstand ich das Buch später antiquarisch.
- Adolf Hitlers 'Mein Kampf' in der Münchener Ausgabe.
- Chiara Lubich: Jesus der Verlassene und die Einheit, und zwar in einer Art Sonderdruck, der ermöglichte, daß man in der DDR an Texte kam, die einem sonst verwehrt waren. Es handelt sich um ein Buch der Gründerin der Fokolarbwegung, der ich in meiner Jugend nahestand. Diese Drucke wurde alle mit "Nur für den innerkirchlichen Gebrauch" markiert.
- "Unser Kochbuch", im Verlag für die Frau in der DDR erschienen. Leider keine Jahreszahl. Aber es waren die Zeiten, in denen die Soße noch Tunke hieß; schätzungsweise irgendwann in den 60ern. Daneben besitze ich noch weitere "Schätze" aus meiner Zeit als Koch: Lehrbuch für Köche, Bde. 1 bis 4 aus dem VEB Fachbuchverlag 1981. Auf Seite zwei steht: "Als berufsbildende Literatur für verbindlich erklärt. Ministerium für Handel und Versorgung, Berlin, den 2. Mai 1980"
- "Küchenlexikon", ein 730-Seiten-Wälzer, ebenfalls aus dem VEB Fachbuchverlag Leipzig (1984). Soweit ich das recht sehe, gab es damals den Begriff Pizza noch nicht. Man verwendete Gemüsekuchen oder -pastete.
- Microsoft MS-DOS 5.0 Benutzerhandbuch. Relikt von 1992, als ich meinen ersten PC bei Vobis kaufte (386er DX40)
- Lexikon A-Z in zwei Bänden. Enzyklopädie. Volkseigener Verlag Leipzig, 1956. Enthält 70.000 Stichwörter. Leitung übrigens der Lexikograph Gerhard Wahrig. Interessant. Ist der Mann später in den Westen gegangen? Immerhin ist der "Wahrig" eines der bekanntesten Wörterbücher.
Das Gute nicht aufschieben
27 Bibliotheksbücher liegen bereit.
Die Ausleihe erfolgte während der letzten
Tage. Der Überblick droht verlorenzugehen.
Doch wenn die Haupteinrichtung der
Stadtbibliothek für mehr als 2 Monate
zumacht, gilt es, der Panik vorzubeugen,
ohne Bücher dazustehen. Hamsterleihe
statt -käufe. 10 Bücher sind allerdings
schon gelesen, harren aber noch des
Abtippens der für
bemerkenswert befundenen Stellen.
Und 17 ungelesene Bücher klingen nicht
üppig, wenn man weiß und bedenkt, daß
ich in den kommenden vier Wochen noch
nicht arbeiten darf. Heute erhielt ich
die Bestätigung meiner Anschlußheilbehandlung
(ambulante Rehabilitation nach wegen
Bandscheibenvorfall mit Nervenquetschung
notwendig gewordener Wirbelsäulenoperation),
die nächsten Mittwoch starten und drei
Wochen umfassen wird. Durch diese für das
Lesen günstigen Umstände sollte es mir
gelingen, die Dürrephasen der letzten Monate
wettzumachen und mich an meinen alten Durchschnitt
von 10 bis 12 Büchern pro Monat heranzurobben.
Heute klapperte ich Bibliotheksfilialen
ab, die ich selten besuche bzw. noch gar
nicht kannte. In einer fand man mein
gewünschtes Buch nicht, welches laut
OPAC
hätte vorrätig sein müssen. Betretene
Gesichter und die Beteuerung, ich würde
informiert, sobald das Buch auftauchen
würde. Ich stelle fest, daß mein Leben
mit Büchern auch vom Zeitfaktor her dergestalt
verläuft, daß sich ein Broterwerb eher
als hinderlich und störend erweist.
Mit anderen Worten: selbst im Augenblick,
während ich ganztägig zuhause bin, schaffe
ich das Programm nicht, welches mir
vorschwebt und dessen Minimum ich heute
im Eintrag um 9:43 Uhr skizzierte.
Diese Erfahrung der Knappheit der
Ressource 'Zeit' selbst in arbeitsfreien
Perioden legt es nahe, Überlegungen
anzustrengen über den grundsätzlichen
Umgang, d.h. möglichen Verzicht auf Zeitkiller,
die einem Bücherleben zuwiderlaufen.
Meine Internetaktivitäten schränkte ich
in den vergangenen Wochen drastisch ein.
Allem Anschein nach tut mir das gut.
Mein größter Fehler besteht darin, die
mir wichtigen Dinge aufzuschieben.
Um die Vorfreude auszukosten? Die
Prokrastination nicht der unangenehmen
und üblen, sondern der angenehmen und
ersehnten Dinge, ist pervers und muß
bekämpft werden. Auch im Bücherbereich!
Nicht zuletzt aus diesem Grund nutze ich
nach vielen Jahren der Abstinenz
Bibliotheken, um nämlich schneller an
solche Bücher zu gelangen, die ich
mir sonst lange nicht gegönnt hätte.
Die Maxime nun: Zuerst möglichst das am
heftigsten Begehrte und DANN erst die
zweite Wahl, wenn der Nachschub an
weiteren Highlights stocken sollte!
Sie möge für alle Bereiche meines Leben
Geltung erlangen.
Bibliophibians, Biblioholics, Bibliomaniacs
Eine (mir) neue, bibliomane Wortschöpfung entdeckt: Bibliophibian. David Malki erklärt in seinem Comic die Bedeutung dieses Ausdruckes, den auch andere Bücherverrückte mögen: "I love Bibliophibian its another great word to add to my vocabulary along with Bibliomaniac and Bibliophile". Ein berühmter Bibliophibian ist Alberto Manguel. Ihn und seine 30.000 Bände umfassende Bibliothek besuchte Journalist und Literaturkritiker Ulrich Greiner. Der "König der Leser" kann Deutsch, weil seine Mutter, die die deutsche Kultur verehrte, eine Kinderfrau engagiert, die dem Kind die Sprache beibringen sollte. Manguel ist sowohl ein von Büchern Umgebener, ein Bibliophibian, als auch ein Legomane, ein Lesemensch: "'Meine Erfahrung des Lesens ist meine Erfahrung der Welt.' Zuerst komme für ihn das Lesen, dann erst das, was wir Leben oder Wirklichkeit zu nennen gewohnt seien. "Das ist auch ganz normal, denn wir alle konstruieren immerzu Modelle der Wahrnehmung. Um wirklich eine Erfahrung machen zu können, müssen wir sie uns selber erzählen können, und die Muster dieser Erzählung finden wir in der Literatur, sie bietet uns die Formen der Aneignung. Aber jeder Leser liest auf seine eigene Weise." Einen weiteren Begriff prägte Tom Raabe mit seinem leider immer noch nicht ins Deutsch übersetzten Buch Biblioholism: The Literary Addiction. Seitdem bezeichnen sich manche als Biblioholics, die wohl für diejenigen stehen, die ihre Bücherleidenschaft gerne artikulieren und zelebrieren, ihre Besessenheit als unaufgebbares Laster sehen.
Gekaufte und geliehene Bücher
Der Vorteil, wenn ein Bibliotheksbuch vor einem
liegt und einem nach dem ersten Kapitel die
Intuition sagt, laß lieber die Finger davon,
ist, man läßt die Finger leicht davon, ohne
finanziell etwas eingebüßt zu haben, ohne
Ärger, sich durch ein Buch quälen zu müssen.
Weg damit! Zurückbringen, und alles ist auf
einfachste Art und Weise ungeschehen. So
geschehen mit
Last Lecture - Die Lehren meines Lebens
von Randy Pausch, dessen Banalität mir auf
den ersten Seiten das Gefühl der Leselust
killte. Den Einwand eines Freundes, daß die
paar Euro für ein Buch keine Rolle spielen,
läßt mich feststellen, daß ein gekauftes
Buch irgendwie "schwerwiegender" ist, weil
in ihm Mühe der Anschaffung steckt: oft monate-,
wenn nicht jahrelange Recherche, dann Bestellung, der
E-Mail-Verkehr mit dem Verkäufer, Bezahlung via Online-Banking
und schließlich das Warten aufs Buch. Wenn es dann
vor einem liegt, habe ich, noch bevor ichs aufgeschlagen
habe, das Gefühl, bereits ein gutes Stück Arbeit mit dem
Buch hinter mir zu haben. Dadurch entsteht eine emotionale
Form der Verplfichtung dem Buch gegenüber, die ein
einfaches Beiseitelegen bei gefühltem Fehlkauf viel
abseitiger erscheinen läßt.
Hesse-Apologie
Mein Vorschreiber im neuen und bekannt zu gebenden
Literaturforum Litteratur.ch
kann die Faszination für Hermann Hesse "nach Abschluss
der Adoleszenzphase
kaum bzw. gar nicht verstehen. Das ist spezifische Jugendliteratur, das hat (etwa der Steppenwolf) etwas Renitentes, Anarchisches oder aber man findet sich in Narziss und Goldmund (oder dem Glasperlenspiel) wieder, weil man von dieser vergeistigten Welt fasziniert ist, Bücher liebt. Paradigmatisch etwa der 'Traktat' im Steppenwolf: Einsamkeitsattitüde, in der sich viele Heranwachsende wiedererkennen - aber wenn man das später liest, hat man doch nur den Eindruck einer Peinlichkeit." Worauf ich schrieb: "Möglicherweise ist das bei mir anders, weil ich Hesse als über 20-Jähriger entdeckt habe. Ich mag die, wenns um Hesse geht, meist zuerst genannten Prosawerke wie Demian und Steppenwolf weniger. Die Zweitklektüre des letzten ließe mich so schulterzuckend zurück, wie du es als Normalfall für den annimmt, der Jugendlektüren noch mal vorzerrt. Ich lernte Hesse zurerst durch sein Leben kennen - und er war ja einer der größten Briefeschreiber des 20. Jahrhunderts -, durch die mehr oder weniger autobiografischen Schriften, die bibliomanen. Hier entwickelt er auch den Humor, der in seinen Prosawerken vermißt wird. Dadurch daß er in seinen Erzählungen die Kindheit so herausstellt und thematisiert, könnte er u.U. für älter Werdende wieder interessant werden, die sich den Blick zurück wieder gönnen. Und wie Nachgeborenen & Friedenskinder dürfens zumeist tun und eine vergangene Welt entdecken, wie auch Hesse sie entdeckte. Nämlich einfach durch die Zeit, die verging, die Dinge, die sich veränderten, ein Kontrastprogramm zu heute. Komischerweise werde ich bei Hesse nie satt, auch wenn in seinen Töpfen Themen köcheln, die man sich bis zum Überdruß zu Gemüte geführt hat. Bei mir nicht. Bei mir ist die Frage 'Warum lebe ich heute eigentlich noch, während doch rings um mich alles zu beschissen ist?' Tag für Tag von neuem der Renner."
Abgeschnitten vom Netz
Als ich in den vergangenen Tagen nicht
ins Internet kam, weil mein neuer PC
nicht überredet werden konnte, eine
LAN-Verbindung anzuzeigen, saß ich
schmollend in der Ecke und mußte,
da ich überdies fernsehlos lebe, auf
die einzige Zerstreuung zurückgreifen,
die mir zur Verfügung steht und deren
Limitierung durch exzessive Am-Computer-
Hockerei ich sonst heftig beklage: das
Lesen, die Bücher. An Arbeitstagen
kein Problem; denn die knappen Stunden,
in denen man wirklich Zeit, FREIzeit,
hat, sind mit Lektüre füllbar und
ERfüllen einen zur Gänze. Freie Tage
allerdings werden einem, wenn man es
gewohnt ist, morgens schon E-Mails
zu checken, seine Foren abzugrasen,
regelmäßig zu twittern, mit Freunden
per ICQ oder Skype zu tratschen und
all die Dinge zu tun, die ein
Informationsjunkie am PC eben tut, -
freie Tage werden einem plötzlich
ohne jeden Zugriff auf diese Kanäle
ziemlich lang. Die erzwungene Einkehr
wirbelte die Gedanken durcheinander.
Ich überlegte, ob und wie ich ohne
Internet auskommen und leben könnte
und stellte fest, daß der gravierendste
Einschnitt bei den Büchern läge.
Mein Wissen um Literatur, das Kennenlernen
neuer Bücher, das Handling meines Bücherlebens
(Bücherauswahl und -käufe, Online-Banking)
läuft ausschließlich dank und mittels Netz.
Ohnedem wäre ich aufgeschmissen.
Müßte ich wieder auf örtliche Ressourcen
wie Buchladen und Bibliothek zurückgreifen,
fühlte ich mich deutlich zurückgesetzt
und eingeschränkt. Der durch die Möglichkeiten
des Internets geweitete Blick, die
Handhabung der Bestellungen via Amazon
oder Booklooker sind mir so in Fleisch
und Blut übergegangen, daß ich ohne
diesen Draht in den letzten Tagen
regelrecht deprimiert vor mich hin
brütete und mich sogar wieder in der
Stadtbibliothek anmeldete. Zwar dürfte
ich, unter welchen Bedingungen auch
immer, meiner Intuition vertrauen.
Sie führte mich gewiß zu guten Büchern.
Doch die Fülle und Bandbreite wäre nur
durch das Netz zugängig. Als Ergebnis
dieser "bitteren" Tage der Unsicherheit
und des Abgekoppeltseins nehme ich die
Dankbarkeit mit, mit der Onlinewelt ein
fantastisches Werkzeug zu besitzen,
welches ich bewußter einsetzen sollte,
d.h. die Tändeleien, die mich
normalerweise von der Lektüre abhalten,
abzustellen bzw. strikt zu begrenzen.
Und - ich werde, wenn ich nun schon mal
die 16 Euro Jahresgebühr für die
Benutzung der Stadtbibliothek aufbrachte,
diese nutzen. Die erste Ausleihe
bescherte mir u.a. 2 neuere Bücher, auf
die länger hätte warten müssen, bis sie
mir in einigen Jahren als gebrauchtes
Taschenbuch in die Hände gefallen wären:
"Mobbing" von Annette Pehnt sowie "Teil
der Lösung" von Ulrich Peltzer. Für
neuere Bücher ist die Bibliothek durchaus
ein probates Werkezeug, ebenso für
"Zufallsbekanntschaften" und solche
Bücher, die man kein zweites Mal lesen
wird. Den einen oder anderen Krimi
u.ä. werde ich also auf diese Weise
acquirieren. Meine Lektürestatistik
der letzten Wochen
zeigt an, wie positiv es sich auswirkt,
wenn die Konzentration auf die Bücher
weniger störenden Einflüssen ausgesetzt
ist.
Die Angst zu versagen
Kurt Drawerts erster Roman Ich hielt meinen Schatten für einen
anderen und grüßte (PT)
könnte bei mir ein ähnliches Bedenken hervorrufen
wie Die Stille (PT)
von Reinhard Jirgl. Einerseits der Wunsch, sich durch
die komplexe Literatur hindurchzuarbeiten,
andererseits die Angst, es nicht zu können und
buchstäblich steckenzubleiben. Das Gespür,
großartiger Literatur gegenüberzustehen, welches mit
Pawlowschem Reflex verbunden sofort Lesewünsche
generiert; aber eben auch das Eingeständnis der
Ungeduld gegenüber schwierigerer Literatur bei
zunehmendem Zeitmangel und Alter.
Sanatoriumsromane
Aus dem
Klassikerforum: Vorschreiber: "Ein SUB-
Dauerkunde bei mir ist Nie wieder
Höhenluft von Octave
Mirbeau, ein satirischer Roman aus dem Jahr
1901, der in einem Luftkurort in den Pyrenäen spielt."
Ein Sanatoriumsroman also, wie sie
Thomas Mann mit dem
Zauberberg, Knut Hamsun mit Das letzte Kapitel und Dieter
Forte mit Auf der anderen Seite der Welt
ebenso vorgelegt haben. Ich schrieb: "Autor und
Buch sind bislang an mir vollständig
vorbeigegangen. Erst gestern, als ich die Leipziger
Jokers-Filiale durchstreifte und mir das Buch (derzeit
für € 3,95 in der dtv-Ausgabe von 2002 zu haben) in die Hände
fiel, sagte mir mein Bauchgefühl: Volltreffer. Mein
Portemonnaie und meine Ungeduld und mein
zuhause wartender SUB sprachen allerdings eine
andere Sprache; und weil ich den Autor nicht kannte,
wollte ich erst nachschauen, worums es geht. Mit
dem Ergebnis, daß ich heute eben nochmals in die
Stadt muß, um das Buch zu sichern."
Listenfronarbeit
Leselisten
sind wie ein zu pflegender Garten, dessen Bäume
man zuzeiten stutzen muß, in dem Unkraut zu
wuchern beginnt. Ich baue sie immer wieder mal
um, setze neue Prioritäten, es gibt Zu- und
Abgänge zu verzeichnen, die Struktur muß den
Gegebenheiten angeglichen werden usw. usf. Solche
Gartenarbeit macht einen krummen Rücken, aber man
fällt abends müde und glücklich ins Bett. Mit
Leselisten meine ich in diesem Fall die Wunsch- und
Kauflisten. Für das, was während und nach der
Lektüre festzuhalten ist, gibt es
Routinen,
die relativ unverbrüchlich sind. Ach was, ich
kopiere das mal hierher: Ergänzend zur
Liste gelesener Bücher
und zum
SUB
fange ich nochmal neu mit einer
Lesestatistik
an. Der SUB gibt Auskunft über die ungelesenen
Bücher, die zuletzt gelesenen und gerade
erst gekauften (mit "neu" attributiert).
Mit der
Lesestatistik
will ich den Überblick über das Pensum gewinnen,
wie es auf die Tage verteilt ist. Man sieht, welche
Bücher flott gingen, an welchen ich länger zu kauen
hatte. Ich ermittle die Anzahl gelesener Seiten
vom Tag, Monat und die Jahresbilanz.
Hol- statt Bringepflicht
Selbst als langjähriger Buchbesteller bei Amazon,
Booklooker Co begegne ich noch Ungewohntem und
Neuem. Buch bestellt, worauf dann üblicherweise die
Bestätigungsmail und die Mail des Verkäufers mit den
Überweisungsdaten folgen. Diese enthielt allerdings -
unter Angabe einer Nummer- die Aufforderung, IHN
anzurufen, um die Zahlungsmodalitäten abzuklären.
Skurril. Üblich ist, daß sie der Verkäufer angibt, daß
der Anbieter einer Ware bekannt gibt, wie man zu ihr
kommt. Eine Bringepflicht. Stattdessen erlegt man
mir als Buchkäufer nun quasi eine Holepflicht auf. Wo
sind meine Herztropfen?
Welterkenntnis im Informationszeitalter
Wie man im Internetzeitalter die Welt
erkennen kann, möchte Claudia Klinger
klären und wünscht eine
rege Diskussion,
in der ich schrieb:
"Durch das Internet Daten, Fakten, Sachlagen
eingetrichtert zu bekommen, verunmöglicht zunächst
die Analyse. Die Zahlen und Tatsachen bombardieren
die Sinne, saugen die Aufmerksamkeit so lange ab,
bis man benommen aufspringt, sich schüttelt, ans
Fenster tritt, tief durchatmet und einmal mehr ratlos
ist. Die Dinge setzen sich nicht. Sie verknüpfen sich
nicht mit den Erkenntnissen, die man gewonnen und
verinnerlicht hat, zu denen man eine Sicht, eine
Meinung entwickelt hat. Des öfteren denke ich an die
Voraussage, daß wir in der Wissensgesellschaft nicht
mehr das Problem haben, an Informationen zu
kommen, sondern uns der Aufgabe stellen müssen, zu
selektieren, zu filtern, auszusparen. Wir sind die
modernen Goldsucher, die 1 Tonne audiovisuelles
Rauschen sieben müssen, ehe wir 1 Gran wirklich
bedeutende Information finden, dieses winzige Teil,
das uns befähigt, so weise zu werden, daß wir dem
geheimen Bild entsprechen, welches wir vom
abgeklärten Greis besitzen, der pfeiferauchend mit
schlohweißen Haaren im Schaukelstuhl am Kamin
sitzt. Leider funktioniert der souveräne Umgang mit
all den verfügbaren Kanälen auch bei mir nicht richtig.
Jeder muß den Weg finden, der ihm ermöglicht, daß
sich die Dinge "setzen", daß sie reifen, zueinander
finden, daß das bloß angehäufte Wissen jene
Weisheit und damit die Zufriedenheit erzeugen, die
uns vom Informationsjunkie zum "vernünftigen"
Menschen werden lassen. Ich bemerke eben, daß
MEIN Weg der des Aufschreibens sein könnte. Indem
ich Dinge formuliere, gruppieren sie sich im Hirn an,
treten - wie früher beim Fahnenappell - vor, wieder
zurück, stellen sich um, gehorchen meinem Verstand
und nicht mehr nur den Sinnen. Was ich auch
regelmäßig mache: laut sprechen, ausformulieren.
Was wäre besser dafür geeignet als ein Spaziergang.
Je schneller ich Auto fahre, desto weniger Details
aus der Umgebung nehme ich wahr. Auf der
Datenautobahn dürfte es nicht anders zu"gehen".
Gehen! Eher schleichen. Entschleunigung auch im
Wissenserwerb ist möglicherweise notwendig.
Begrenzung der Kanäle. Wie man 100 Leuten auf
Twitter folgen will, wie man sich in soundsoviel
sozialen Netzwerken tummeln will, wie man nebenbei
mehrere Blogs befüllen will, in weiteren 30 lesen und
am besten noch kommentieren will, wie man in Webforen
aktiv sein kann, die gute, alte E-Mail nicht austerben
lassen will... Wie man das alles tagtäglich schaffen
will, ohne zu verzweifeln, soll mir bittschön jemand
erklären. Klar, Mut zur Lücke. Nur sollte man sich klar
sein, daß die alte Einsicht, daß man Quantität
zuungunsten von Qualität in Kauf nimmt, gültig
bleibt." In den Plaudereien ist die Rubrik
Internet versus Lektüre
thematisch nahe dran an der Problematik, mit
all den Möglichkeiten zu leben, die uns online
zur Verfügung stehen.
Vorsätze für 2009?
Vorsätze für 2009? Was kann sich ein
Bibliomane wünschen, der in permanenter
Unzufriedenheit mit seiner Lektüre lebt?
Mehr lesen, klar. Das Richtige lesen,
klar. Nichts Neues unter der Sonne. Geht
es konkreter? Das Minimum an täglicher
Lektüre soll bei 100 Seiten liegen.
Mehr zur aktuellen Lektüre schreiben.
Sie begleitend schreiben. Den Stand
festhalten. Statistik, um mir selbst
Rechenschaft zu geben und Klarheit
darüber, ob das subjektive Gefühl des
Versagens grundlos oder gerechtfertigt
ist. Psychologen raten einem ohnehin,
Probleme schriftlich zu fixeren, zu
formulieren. Ein weiterer Vorsatz und
Wunsch besteht darin, nicht weiter um
gewisse Bücher herumzuschleichen, nicht
mehr zu taktieren, sondern gnadenlos
zuzuschlagen und eben einfach lesen,
ohne der Furcht, es nicht zu schaffen,
damit nicht zu Rande zu kommen, Raum
zu geben. Eine ordentliche Prise
Unbedenklichkeit in Sachen Lektüre also.
Größtes und seit vielen Jahren aufgeschobenes
Projekt: Uwe Johnsons
Jahrestage.
Beschränkung auf Bekanntes?
Außerdem im KF der Thread
Was soll man lesen?,
in dem ich kürzlich, biermotiviert,
sinnierte:
"Und wenn man nun entschiede, seine
Autoren gefunden zu haben und sich
auf die Wiederholungslektüre beschränkte?
Würde man etwas verpassen? Ginge das?
Der Literatur- und Buchmarkt drängt
einen unentwegt zu Neuentdeckungen.
Und wenn man das außer Acht ließe?
Sich wieder und wieder auf die 30, 40
oder 50 Autoren einließe, die man bereits
schätzt?" Später dann: "Mit der
Beschränkung wollte ich auch keinen
Keil zwischen Klassiker und
Gegenwartsliteratur treiben, sondern
meinte tatsächlich, ob es legitim,
klug oder ratsam wäre, einen Schlußstrich,
eine Grenze zu setzen und zu sagen:
So, ab hier und heute beschränke
ich mich auf die Autoren, die ich
schon kenne und liebe und lasse alle
anderen außen vor. In anderen Bereichen
wäre eine solche Haltung ja reaktionär.
Hier nicht?" Meine Jammerei führte
ich heute fort mit: "Die Zeit, der
Aufwand, die Energie, die für Selektion
der wichtigen Bücher draufgeht. Ich
hasse gewissermaßen die Fülle, weil
ständig Entscheidungen vonnöten sind.
Bei ALDI bin ich ruckzuck durch. Ich
weiß, was ich brauche, wo es steht
und verschwende keine weiteren Gedanken.
Bei Kaufland stehe ich vor Regalen, in
denen es Dutzende von Auswahlmöglichkeiten
gibt. Das treibt mich in den Wahnsinn.
Und bei jedem neuen Buch, bei jeder
Vorstellung und Anpreisung erneut die
Qual der Fragen: Ist das für mich
wichtig? Wenn ja, warum? Aber nicht
doch eher das andere Buch? Oder
vielleicht doch eines derjenigen,
die man immer zurückgestellt hat? (...)
"Vor lauter Irregeleitetsein schiebe
ich die Lektüre von Büchern, die ich
immer schon lesen wollte, hinaus
und lese stattdessen ein scheinbar
'näher' liegendes Buch."
Highlights 2008
2008 viele großartige Lektüren, die Erwähnung finden
müßten. Nicht wirklich überraschend, jedoch
möglicherweise wegweisend, die Erkenntnis, daß
sättigend zumeist die Dickleiber sind, die Bücher mit
epischem Atem. Am erstaunlichsten erwies sich dabei
Irmtraud Morgners "Leben und Abenteuer der
Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau
Laura", eine skurrile Mischung aus DDR-Alltag und
Fantasyelementen, die sich sehr erfrischend und
erhellend auch noch nach 30 Jahren liest. Ein weiteres
Buch kannte ich vor 2008 überhaupt nicht: "Die
Thibaults" von Roger
Martin DuGard. Hierin die fulminanteste
Sterbeszene ever read. Andere Wälzer, die gelesen zu
haben mich mit Befriedigung erfüllt: Wer einmal aus
dem Blechnapf frisst (Hans Fallada), Die Brautleute
(Alessandro Manzoni), Die Islandglocke (Halldor
Laxness), Das Fest des Ziegenbocks (Mario Vargas
Llosa), Katzenauge (Margaret Atwood). Nach mehrere
Jahren las ich erneut Hermann Burger (Diabelli.
Erzählungen, S. Fischer) und staunte, wie geschliffen
seine Prosa ist, wie exakt und treffsicher. Bedenken
hatte ich vor Benoite Groults "Salz auf unserer Haut".
Wie man so hört, ein Longseller, dem aber der
Nimbus verpönter Unterhaltungsliteratur anhaftet. Ein
Buch hartnäckiger Leidenschaften mit genau der
richtigen Prise Ironie und Selbstironie. Eine
"geplante" Neuentdeckung war Friesenblut (Olaf
Schmidt), ein 'Krimi' um ein Bild, der uns weit in die
Vergangenheit führt und uns Sprache und Heimat der
Westfriesen plausibel näherbringt. Geplant deshalb,
weil das Buch, seitdem es erschienen ist und voll des
Lobes besprochen worden ist, auf der Ersatzbank saß
und auf Einwechslung wartete und dann auch
überzeugend einen Treffer zum Sieg verwandelte.
Beeindruckt
ließen mich Sandor Marais "Tagebücher 1984-
1989" zurück. Gut zwei Dutzend andere Lektüren
pendeln ebenso in der Spitzenklasse. Als Indiz dafür
wird das Prädikat "Zur Wieholek
(Wiederholungslektüre) geeigent" vergeben. Nagib
Machfus "Zwischen den Palästen" entführt zielsicher
in die arabische Welt. Als Zweitlektüren begeisterten
mich "Sämtliche Erzählungen, Bd 1: Der Schneesturm"
(Lew Tolstoj) und Abschied von Gülsary (Tschingis
Aitmatow). "Das Wetter vor 15 Jahren" von Wolf Haas
ist konzeptionell ein Novum und brachte mich zum
Nicken: Ja, auch so gehts - und nicht schlecht! "Der
schwarze Obelisk", ein weiterer [Erich Maria]
Remarque. Empfand ich als sehr humorvoll. Immer
wenn ich mit dem Zitieren nicht mehr
hinterherkomme, darf ich ein Buch nicht als medioker
einstufen.
Knallhart ist "Nairobi, River Road" von Meja
Mwangi. Als neues Genre für mich entdeckte ich, tja,
wie nennt man das: Erinnerungs- Reminizensbücher?
Eine Mixtur aus Tagebuch, biografischem Erzählen und
eingestreuten "special effects", möglichst mit Humor
erzählt. Jakob Hein setzt dergestalt seiner Familie,
speziell seiner Muuter in "Vielleicht ist es sogar
schön" ein Denkmal. Toll. Ein weiteres Buch dieser
Kategorie ist "Altern" des Schweizer Arztes und
Schriftstellers Walter Vogt. Um mich zu berichtigen.
Oben schrieb ich, die 'Tagebücher 1984-1989' von
Sandor Marai [i]beeindruckten[/i] mich. Das ist zu
schwach! Sie pusten dordentlich das mentale Rohr
frei! Anwärter auf den Status eines Lebensbuches.
Wenn einem der Optimismus zu sehr das Hirn
zusäuselt, dann zwei Seiten Marai und man sinkt
ordnungsgemäß auf Level 0 zurück. (26.12.2008)
Mehr Balance gewünscht
Da man nicht zwei Dinge gleichzeitig tun
kann - jedenfalls können Männer dies
bekanntlich nicht, dürfte klar sein,
daß ich, wenn ich in diesen Tagen diese
Notizen intensiv befülle, nur eingeschränkt
lese. Ich KÖNNTE lesen, HÄTTE Zeit. Nur
eben kaum Lust. Das ist tragisch.
Liegt es an der Tatsache, daß ich mein
Jahrespensum geschafft habe? 144 Titel
gelesen. Oder warum diese pendelartigen
Affinitäten mal zum Internet, mal zum
Buch? Mit den Unvermeidlichkeiten auszukommen,
mich über sie nicht mehr unendlich aufzuregen,
lerne ich zwar immer besser; aber schöner
wäre es schon, wenn ich mehr Balance
in diese beiden Tätigkeiten, die ich gerne
ausführe, brächte. Eine Internetphase
kommt dem Bücherlei selbstverständlich
zugute - ein Plus für den Besucher &
Leser, ja. Bibliomanika aufzufinden, zu
erfassen und sie möglichst ausführlicher
vorzustellen, ist ein Anliegen, welches
mich öfter beschäftigen sollte, als es
das meist tut. Mir fiel auf, daß der
non bibliomanic area
viel öfter Inhalte zugeführt werden als
den eigentlich essentiellen Bestandteilen
des LB. Auch hier kein Gleichgewicht.
Merkwürdig, weil diese Materialien
wesentlich beständiger sind und weniger
der Veraltung ausgesetzt als beispielsweise
Beiträgen über aktuelle, zeitgebundene
Phänomene. Die betreffenden Einträge im
Projekt muß ich manchmal mehrmals im
Jahr durchsehen, aktualisieren und ummodeln,
wofür ein beachtlicher Zeit- und Kraftaufwand
oft die Lust schmälert, überhaupt weiterzumachen.
Darob verstehe ich mich selbst nicht,
daß ich bibliomane Inhalte so
vernachlässige, die auch forthin das
Zentrum meines Bemühens bilden sollten.
(19. Dezember 2008)
Schwergewichte
Es gibt so einige literarische Schwergewichte,
die sich angesammelt haben, denen man seine
Aufmerksamkeit zuwenden soll und will.
Die Bedeutung erlangen und Beschäftigung
einfordern. Die man unbedingt lesen möchte,
weil einem klar wird, daß das sonstige
literarische Herumkrebsen nicht alles ist,
daß Unterhaltung zwar legitim und notwendig,
aber nicht alles ist, daß die Lektüre und
das Leseleben unvollständig und zu
oberflächennah bliebe, wenn man diese
gewichtigen Stimmen nicht vernähme.
Vielleicht unterliege ich aber auch
einer Täuschung. Vielleicht sind es einfach
nur dicke Bücher, Wälzer, deren Umfang
mir Gewichtigkeit vorgaukeln. In einer
Sendung des Literaturclubs in diesem Jahr
wurden
Warlam Schalamows
Gulag-Erzählungen
Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma
mit einer Eindrücklichkeit besprochen und
so einhellig empfohlen, daß ich sie
unbesehen in meine Wunschliste aufnahm.
Schalamows Werke erscheinen beim Berliner
Verlag
Matthes & Seitz,
der eine
Webseite zur Werkausgabe
unterhält, auf der man alle wichtigen
Informationen bekommt. Ein weiterer Russe
geriet 2008 in mein Blickfeld:
Wassili Grossman.
Dessen Kriegsroman
Leben und Schicksal
(siehe Perlentaucher)
ist als Taschenbuch erschienen und
wird immer wieder als "Krieg und Frieden"
des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Mit den
Wälzern kann man fortfahren. Uwe Johnsons
"Jahrestage" sind immer noch ungelesen.
Mit Uwe Tellkamps "Der Turm" steht in der
neuesten Literatur ein weiterer monumentaler
Roman bereit. Inzwischen scheint mir, daß
ich die Scheu vor Großwerken verliere.
Immerhin gälte es, wie vorgenommen, sich
auch Victor Klemperers Tagebuchwerk zu
widmen - mehrere dickleibige Doppelbände
(6 Bücher bzw. 3x2), die die Zeit zwischen
1918 und 1959 abdecken. Als sie damals
erschienen, sorgten sie für Furore; seitdem
hörte ich jedoch kaum mehr von ihnen.
Die jeweils neuen Aufregungen des Buchmarktes
verhindert offensichtlich, daß das einmal
als groß und wichtig Erkannte ebenso
rasch wieder in der Versenkung verschwindet,
wie es aufgetaucht war. (19. Dezember 2008)
Unkonventionelle Bücheracquise
Einen Verkäufer unserer
Connewitzer Verlagsbuchhandlung
gelang es mir heute zu verblüffen. Auf dem
Grabbeltisch entdecke ich zwei weitere
Bücher von John Fante
(Warten auf Wunder
und
Sein Weg nach Los Angeles),
den ich kürzlich erst mit
Unter Brüdern
kennen- und schätzenlernte und die, weil sie
in Deutschland so selten publiziert worden
sind, selbst als Taschenbücher bei Booklooker
nicht ganz so billig sind, so daß ich
mit den verlangten € 3.- richtig glücklich
war. Beim Erzählband
Warum tanzt ihr nicht
von Raymond Carver wußte ich partout
nicht, ob ich diese Auswahl schon
gelesen habe oder eine andere.
Deshalb bat ich den Buchhändler,
mich mal kurz an seinen Rechner zu
lassen, um in meiner
Liste gelesener Bücher
nach den Titeln der Bücher zuschauen, die
ich von Carver bereits las. Bingo; DEN
hatte ich noch nicht! Die Erzähl-
und Auswahlbände, welche
ich schon kenne und ab 1998 las, sind:
"Würdest du endlich still sein, bitte",
"Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden"
sowie mein Carver-Einstand -
"Kathedrale". Buchkauf erfolgreich.
Ende. Den Blick des Buchhändlers
hättet ihr sehen sollen...
[^^]
[Index]
[Startseite]
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