Das Ding an und für sich (1)

Nützliches, Dinghaftes & Konkretes [^^] [^]


Themenstreusel: Dinglichkeiten
Salzstreuer & Doppelklick
Seifenspender
Das Taschentuch
Stilleben des menschlichen Daseins
Regen
Holz
Dorfkultur
Musikbetrieb
Moderne Musik
Wesen höherer Art
Präservative
Bürokratie
Behördenpost
Photografieren
Primzahlen
Norddeutscher Schnee
Große Häuser
Richtige Teezubereitung
Wider den Teebeutel


Salzstreuer & Doppelklick

Als wir neulich beim Thailänder saßen, fiel mir auf, was für ein rührendes Bild die Salz-und-Pfeffer-Menage abgab, die auf allen Tischen stand, eine gastronomische Zweifaltigkeit, die nur ein herzloser Souvenirjäger trennen würde, indem er Salz- oder Pfefferstreuer einsteckte und nicht aus Mitgefühl beide. Das Salz hat mehr Löcher, um aus dem Streuer zu rieseln, der Pfeffer nur eines, so behält man den Überblick, manchmal bilden die Löcher aber auch die Buchstaben S und P, damit man sich nicht verwürzt. Normalerweise salze ich nicht nach, um den Koch nicht zu beleidigen, aber Pfeffer benutze ich gerne, weil ich mir dann vorstellen kann, wie Mikroben und Keime im heißen Alkaloidbad meines Bluts verdampfen. Die eigentliche Botschaft dieses Geschmackskorrekturutensils, das in so unendlich vielen Variationen hergestellt wird, daß man sich gar nicht vorstellen möchte, welche Probleme die Menschheit mit dieser verschwendeten Energie lösen könnte, wurde mir nun plötzlich beim Thailänder bewußt, nämlich, daß man so leben müßte: einer nicht denkbar ohne den anderen, unzertrennlich wie ein Doppelklick auf der linken Maustaste (...), harmonierend wie die Innenverteidiger einer Viererkette, menschlich wie ein Doppelfehler beim Aufschlag, einander ergänzend wie Dick und Doof. (Jochen Schmidt: Zuckersand) ^


Seifenspender

Ich erinnere mich, eine Zeitlang in Restaurants und auf öffentlichen Toiletten Seifenspender fotografiert zu haben, weil es mich fasziniert hatte, was für unterschiedliche Mechanismen für das Portionieren der Seife in Umlauf waren. Warum wurde den Menschen beim Händewaschen so viel Flexibilität abverlangt? Es würde ja niemand ein Restaurant oder ein Bahnhofsklo in Zukunft meiden, weil ihn der Seifenspender nicht zufriedengestellt hatte. Es gab sogar manchmal noch Seifenspender in Gestalt einer schweren Porzellankugel, die man wie einen Globus einmal um die Achse drehen mußte, damit die Seife heraustropfte, ich machte das nur, um zu prüfen, ob sie noch jemand nachfüllte, vielleicht ein älterer Mann, dessen Schützlinge immer seltener wurden und der für seine Aufgabe keinen geeigneten Nachfolger mehr fand. (Jochen Schmidt: Zuckersand)  ^


Das Taschentuch

Papa nahm den Hut ab und wischte sich mit einem rotweiß karierten Taschentuch über die Stirn, mit dem klassischen Bauernschnupftuch unseres Volks über die Jahrhunderte. Der Pate hatte immer ein blütenweißes Taschentuch, dessen Rand wie ein Pappkärtchen aus seiner Brusttasche ragte. Einmal benutzt und zerknüllt, wanderte das Taschentuch in den rechten Ärmel. Taschentücher benutzt man für Zeichen, Signale, Geheimbotschaften. Wenn ich groß bin, werde ich darüber aufgeklärt. Das Taschentuch, mit dem man zum Abschied winkt, muss natürlich weiß sein, damit man es besser sieht. Moses winkte vom Berg den Stämmen unten zu. Die rot-weißen Karos von Papas Taschentuch bedeuten: Einfachheit, Verbundenheit mit den Ärmsten, Abneigung gegen französische Spitzen und anderen Firlefanz. Das Taschentuch ist auch ein Hilfsmittel, um nicht zu sagen eine Waffe für einen Geschäftsmann wie Papa. Das hatte Louis schon zweimal erlebt, als Papa zu Besuch ins Internat kam. Vom Paten zweifellos geschult, ist Papa auf seine Weise ein Zauberkünstler. Erster Schritt: Schwitzend sagen: "Wie warm es hier ist!" und nach dem Taschentuch suchen. Zweitens: "Ach, da ist es ja!" und das Taschentuch aus der Hosentasche ziehen. Drittens: Mit dem Taschentuch auch den Rosenkranz unauffällig aus der Tasche bugsieren und zu Boden fallen lassen. "Tiens, o pardon." Viertens: Mit verlegenem Lächeln über die eigene Frömmigkeit den Rosenkranz aufheben, ihn wieder einstecken, mit versonnenem Blick, als habe die Berührung der Ebenholzperlen neue Kraft zum Weiterleben geschenkt. (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien) ^


Stilleben des menschlichen Daseins

Er holte den Schlüssel unter dem Blumentopf hervor, schon stand er in der Küche. Töpfe und Pfannen, Tisch, Stühle, Herd, auf der Matte lag eine Strickweste von Marina. Bis auf den tröpfelnden Wasserhahn war alles still. Ohne auch nur einmal zu blinzeln, starrte er eine Weile auf alle diese völlig unbewegten Dinge, als sei ihm klar, dass sie zu ihm sagten: Du bist daheim, hörst du, hier wird alles liebevoll instand gehalten; das Abtropfgestell, die Kaffeekanne und die Obstschale musst du als gerahmtes Gemälde betrachten, ein Stilleben, das wie alle Stilleben erzählt, dass sich das menschliche Dasein, so dramatisch es auch sein mag, vor allem aus kleinen Dingen zusammensetzt. Kaffeetrinken, Abwaschen, Einkaufen ... (Margriet de Moor: Mélodie d'amour) ^


Regen

Dr. Macphail schaute hinaus in den Regen, der anfing, ihm auf die Nerven zu gehen. Dieser Regen war nicht wie der englische, der sanft zur Erde fällt, sondern gnadenlos und irgendwie furchtbar; man spürte in ihm die Bosheit der primitiven Naturkräfte. Er rieselte nicht, er stürzte hernieder. Er kam wie die Sinflut und prasselte auf das Wellblechdach mit einer stetigen Hartnäckigkeit, die einen verrückt machen konnte. Voller Wut schien er daherzufegen. Und manchmal hatte man das Gefühl, schreien zu müssen, wenn das so weitergehen sollte, und gleich darauf fühlte man sich so kraftlos, als wären einem sämtliche Knochen weich geworden. Jämmerlich war einem zumute, und alle Hoffnung schwand. (William Somerset Maugham: Honolulu. Erzählungen) ^


Holz

Holz hält sorgenfrei. Es macht einem nichts vor, man sieht, wie lange man noch hat. Holz wärmt neun Mal: Wenn man den Baum fällt, wenn man das Holz ablängt, beim Spalten, Stapeln, wenn man es in ofengroße Stücke zersägt, erneut spaltet und stapelt, wenn man eine volle Kiste Holz ins Haus trägt und zuletzt, wenn es im Ofen verbrennt. Hat man einen Tag lang Holz gemacht, kann er nicht schlecht gewesen sein. (Anna Weidenholzer: Weshalb die Herren Seesterne tragen) ^


Dorfkultur

Es ist bemerkenswert, wie in diesen sterbenden Kulturräumen der unnützeste Unfug die mannigfaltigsten Blüten treibt, während alles Lebensnotwendige unter den Verheerungen weltumspannender Mobilität verendet. Zwar gibt es im Dorf keinen Arzt, keine Hebamme und keinen Totengräber mehr, auch keine Feuerwehr, keinen Kindergarten und keine Musikgesellschaft, dafür aber ein Institut für Power-Yoga und eines für Bantu-Akupressur, ebenso ein Ausbildungszentrum für Bungee-Jumping-Instruktoren und eines für transzendentale Wetterbeobachtung sowie eine Akademie für indianische Traumdeutung; und in der Alten Mühle, in deren Scheune ein mit Geldern des Heimatschutzes restauriertes Wasserrad aus dem 16. Jahrhundert steht, kann man tibetanischen Entspannungstee nach Originalrezepten buddhistischer Mönche aus Lhaddak kaufen. Alle diese Geschäfte blühen, auch wenn sie nicht rentieren und kaum Kundschaft haben, weil sie betrieben werden von tablettensüchtigen Hausfrauen, deren Gatten in der Stadt arbeiten und ihren Gemahlinnen das Steckenpferd finanzieren, weil sie abends zu Hause Ruhe und Frieden vorfinden wollen, wenn sie müde von der Arbeit kommen und ihren schwarzen Audi neben dem weißen Cinquecento der blondierten Gattin im Carport parken. (Alex Capus: Das Leben ist gut) ^


Musikbetrieb

Aber wer es mit zwanzig nicht ins Stipendienkarussell geschafft hat, schafft es mit fündunddreißig noch viel weniger, man ist mit einem Makel behaftet. Man hat zu wenig Lametta auf der Brust, man taugt offensichtlich nichts. (...) Als Newcomer im Musikbetrieb gibt es leicht begehbare Wege zum Erfolg, wenn man zum Beispiel einigermaßen gut aussieht (was auf mich nicht so ganz zutrifft) und die Gunst eines schwulen Intendanten erwirbt. Das ist die denkbar aussichtsreichste Abkürzung auf der Karriereleiter. Eine andere, wahrscheinlichere Möglichkeit besteht darin, Preise zu gewinnen auf Wettbewerben. Denen leider allermeistens eine Jury vorsteht, die tonale Musik als Hochverrat an Adorno begreift und beim ersten Dur-Akkord Dünnpfiff und Fracksausen bekommt. Für diese Menschen existiert keine Krise der Oper, sie wurschteln einfach weiter, als gäbe es kein Morgen, in dem immer neue Generationen eines möglichen Publikums wegbrechen. Eines Tages wird alles zu Ende sein, ein paar wenige Opernhäuser in den großen Städten werden als Museen überleben, die anderen werden schließen aus Mangel an Resonanz und Relevanz. Dann wird ein großes Geschrei und Wehklagen zu hören sein, und die Hardcore-Adorniten werden in ihren spezialisierten Foren noch immer darüber streiten, ob das finale Es-Dur in einer Penderecki-Sinfonie als ironische Volte hingenommen werden könne oder nicht. (Helmut Krausser: Alles ist gut) ^


Moderne Musik

Eine besondere Herausforderung war, daß ich ausdrücklich etwas Tonales abliefern sollte. Für den Fall, daß einem nichts einfällt, kann man ansonsten immer noch Krach generieren, solange man dem Unsinn ein wenig Struktur gibt. Solche Musik ist leicht herzustellen. Man nimmt zur Not fünfzig zeitgenössische Partituren und nimmt aus jeder vorn einen Takt und hinten einen Takt. Das sind hundert Takte, die, ein bißchen zurechtgeschüttelt und -gezupft, aneinandergereiht erstaunlicherweise immer etwas ergeben, was auf Donaueschinger Avantgardisten interessant und handwerklich gediegen wirkt. Da keiner der gestohlenen Takte irgendeinen melodischen Wiedererkennungswert aufweist, bemerkt keiner der Komponisten den Diebstahl, und wenn doch, so glaubt er, man habe ihn zitiert, und wer einem das vorhält, sagt man ihm, es sei selbstverständlich als Hommage gemeint gewesen. (Helmut Krausser: Alles ist gut)  ^


Wesen höherer Art

"Deiner Katze geht es gut", rief Irene hinter Cheng her. Sie meinte Batman, den Kater, der also noch immer am Leben war. Er war übrigens schon lange nicht mehr Chengs Katze, sondern Hedwigs Katze. Was der Katze freilich gleichgültig war. Katzen sind Wesen höherer Art. Wesen höherer Art, die nicht ganz begreifen, was sie auf diesem Planeten eigentlich verloren haben. Nun, das galt hin und wieder auch für nichthöhere Wesen. (Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell)


Präservative

In einer dreihändigen Umarmung glitten Cheng und Rubinstein auf das Bett. Die sorgenlose Zeit reiner Lippenküsse war jetzt allerdings vorbei. Das Leben und die Welt taten sich auf, der Himmel und die Hölle, wobei gerne das Naheliegende vernachlässigt wird. Nicht so bei Ginette, die aus dem Nirgendwo reinweißer Bettwäsche ein blasses Präservativ zog, das sie mit einem gütigen Lächeln über Chengs Erregung stülpte. Es war natürlich wie immer, daß nämlich der Anblick eines kostümierten Glieds etwas zutiefst Burleskes besaß. Vergleichbar jenen Schoßhunden, die von ihren Besitzerinnen in einem Pullover oder karierten Regenschutz gezwungen werden. Doch Ginettes sichere Handhabung nahm der Komik das Unwürdige. (Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell)


Bürokratie

Die Bürokratie, eine jede Bürokratie, rechnet mit der Verlogenheit ihrer Bürger. Folgerichtig stellen die meisten bürokratischen Akte eine Reaktion auf einen solchen als gegeben angenommenen Betrugsversuch dar. Der Mensch, der einen Antrag stellt, bekommt dies rasch zu spüren. Selbst wenn er entschlossen ist, korrekt vorzugehen, scheint ihm der Vorwurf der Lüge eine einzige Möglichkeit zu lassen: zu lügen. So entsteht ein Antagonismus zwischen Bürokratie und Bürger, der auf einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung basiert. Der Bürger wird ein schlechter Mensch, weil sich die Bürokratie einen anderen gar nicht vorstellen kann. Der Bürger lügt gewissermaßen aus Pflicht. (Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell)


Behördenpost

... während sie (...) zum Briefkasten ging. Ein einzelner Brief lag darin. Der Umschlag aus Umweltpapier, längliches Format mit Sichtfenster. Nur Behördenangestellte waren in der Lage, ein Blatt Papier so zu falten, dass es in diese Sorte Umschlag passte. Lindas Laune sank, ein innerer Temperatursturz. Behördenpost verhieß niemals etwas Gutes. Der Staat verschickte keine Briefe, in denen er sich bei seinen Bürgern für gesetzestreues Verhalten, braves Steuerzahlen oder die Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen bedankte. Der Staat war wie ein falscher Freund, der sich nur meldete, wenn er etwas wollte. Geld eintreiben, Maßregeln verhängen, Verbote erlassen. (Juli Zeh: Unterleuten)


Photografieren

Marcus und ich wurden zusammen photografiert; und obgleich an einer Ecke des Films Licht hineingekommen war und der Hintergrund und wir selbst gefährlich schief wirken, zeigt der verblichene, rotbraune Abzug die unbestechliche Genauigkeit, welche die Kamera an jenen Tagen, wo sie noch nicht so leicht lügen konnte, besaß. (...) Meine Hand liegt auf Marcus' Schulter (ich war ein oder zwei Zoll größer und ein Jahr älter als er), mit jener Attitüde der Zuneigung, die damals dem männlichen Geschlecht auf einer gemeinsamen Photografie gestattet war (Studenten, ja sogar Soldaten, legten einander die Arme um die Schultern). (L.P. Hartley: The Go-Between)


Primzahlen

Primzahlen trieben die Leute buchstäblich in den Wahnsinn, vor allem, weil hier so viele Rätsel ungelöst waren. Sie wussten, dass eine Primzahl eine ganze Zahl war, die nur durch eins und sich selbst teilbar war, doch danach fingen die Probleme an. So wussten sie zum Beispiel auch, dass die Menge aller Primzahlen genauso groß war wie die Menge aller Zahlen, nämlich unendlich. Diese Tatsache war für den Menschen höchst konsternierend, denn es schien ja viel mehr Zahlen als Primzahlen zu geben. So unverdaulich war der Widerspruch, dass es schon vorgekommen war, dass sich Menschen beim Nachdenken darüber eine Pistole in den Mund gesteckt, abgedrückt und sich das Hirn weggeschossen hatten. (Matt Haig: Ich und die Menschen)


Norddeutscher Schnee

Genauso selten wie es bei uns im Norden richtig heiß wird, wird es richtig kalt. Wenn es schneit, sind die Flocken meist groß und schwer. Sie schweben auch nicht zu Boden, sondern lassen sich nass aus den tief hängenden Wolken fallen, stürzen senkrecht nach unten. Norddeutsche Schneeflocken sind nicht sonderlich begabt im Winterzauber verbreitenden Hinabsinken, im Überzuckern der Landschaft, dem Wattieren von Vogelhausdächern. Sie plumpsen feucht aus dem Himmel, bereit, sich, sobald sie den Boden berühren, in Wasser zurückzuverwandeln. Die bei uns heimische Schneeflocke ist von deprimierender Kurzlebigkeit. Sie ist schon zufrieden, wenn sie den weiten Weg von ihrer Wolke bis hinab auf die feuchte Erdoberfläche überhaupt schafft. Dort gibt sie bereitwillig auf und schmilzt. Da sie aber so selten ist, wird sie trotzdem mit unverhältnismäßiger Begeisterung empfangen. (Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war)


Große Häuser

Große Häuser, alte zumal, sind selten einladend. Wohl locken sie den Besucher, aber kaum ist er eingetreten, weisen sie ihn in seine Schranken. Große Häuser sind anspruchsvoll, das ist die Regel. Sie werden gebaut, um Unterschiede fühlbar zu machen: von drinnen und draußen, von Gast und Besitzer, von Notwendigem und Erhabenem, von Zweck und Macht. Der Einlass ist ein Privileg. Im Innern herrscht eine unverrückbare Ordnung, die dem Recht des Besitzers, die Wege seiner Gäste zu bestimmen, Geltung verschafft. Und wie gebieterisch kann solche Herrschaft sein, wenn sie von einer Gemeinschaft entlehnt ist! Wenn die Gemäldesammlung in der Treppenhalle Ahnengalerie heißt. (Per Leo: Flut und Boden)


Richtige Teezubereitung

"Einen richtigen Tee bereitet man mit zwei Kannen, frischem Tee und frischem kochenden Wasser. Die Kannen müssen sauber gewaschen sein, es ist überhaupt nicht zuträglich, wenn die Innenwände von altem Tee verschmutzt sind. Nach genau drei Minuten gießt man den Tee von der ersten in die zweite Kanne, das war's. Es ist erstaunlich, wie viele Fehler manche Menschen in diese simple Kunst hineinbringen. Sie filtern das Wasser, sie benutzen dreckige Kannen, sie wärmen die Kannen vor, sie lassen den Tee zu kurz oder viel zu lang ziehen, und sie stellen die Teekanne zum Schluß noch mit Vorliebe auf ein Stövchen. Das Stövchen ist für Tee so etwas wie ein Folterinstrument, weil damit der gute Geschmack aus dem Getränk in die Luft gebracht wird." (Jakob Hein: Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht, S. 18)


Wider den Teebeutel

"Möchten Sie einen Kaffee trinken?" "Ehrlich gesagt, würde ich viel lieber einen Tee trinken, aber nur, wenn sie einen richtigen dahaben." "Ich glaube, ich habe irgendwo noch Teebeutel", sagte Boris. "Dann trinke ich lieber einen Kaffee. Obwohl sie Teebeutel heißen, habe ich es noch nie erlebt, daß es jemandem gelungen ist, aus diesen Beuteln einen Tee zu machen." Boris sah sie fragend an. "In diese Beutel wird das gefüllt, was nach der Teeernte zusammengefegt wurde, die wenigen Aromastoffe werden von dem sie umgebenden Toilettenpapier aufgesogen. Wenn schließlich die Beutel lauwarm gewässert werden, können sich die armseligen Teekrümel nicht ausbreiten. Tee braucht sehr viel Platz, den gibt es nicht in so einem Beutel. Viele Menschen ahnen das und bewegen deshalb ihre Teebeutel wie wild durch das umgebende Wasser. Aber diese Masche funktioniert nicht, das ist gerade si, als würden sie einen Vogelkäfig umherwerfen, um die Flugweise des darin befindlichen Vogels zu erforschen. Also stopfen die Hersteller meist mehr Tee in diese Beutel, als man für eine Tasse bräuchte, wodurch das Wasser dunkel und bitter wird." (Jakob Hein: Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht)


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