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Themenstreusel (10)

Weltanschauung

  • Ich hatte ja von keinem Erwachsenen jemals gehört, daß das, was ich tat, schlecht wäre. Und auch jetzt wird das keiner hören. Allerdings steht es im sechsten Gebot, aber die Gebote sind nur dazu da, daß man sie in der Prüfung dem Religionslehrer hersagt, und auch da sind sie nicht sehr wichtig, jedenfalls lange nicht so wichtig wie das Gebot vom Gebrauch des 'ut' in Konsekutivsätzen. (Lew Tolstoj: Sämtliche Erzählungen, Band 4)
  • "Aber Jesus war doch auch ein Jude", sagte Vlieghe. "Kein richtiger." Louis hoffte, dass Vlieghe sein Zögern nicht bemerkt hatte. "Er war nur deshalb einer, weil sein Vater wollte, dass er gedemütigt und misshandelt wurde, darum hat sich sein Vater die jüdische Rasse ausgesucht." (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien)
  • An diesem Abend schworen sie wie schon so oft, später als Missionare in den Kongo zu gehen, wo die Protestanten, mit mehr Geld ausgestattet und fintenreicher als die Katholiken, die Oberhand zu bekommen drohten. (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien)
  • Sind Sie ganz sicher, daß er bei klarem Verstand ist? Seit ich Geistlicher bin, habe ich immer wieder festgestellt, wenn Laien sich für Kirchenfragen interessieren,ist das oft der erste Schritt zum Wahnsinn. (Evelyn Waugh: Lust und Laster)
  • ...kenne ich schon seit Jahren ein Kruzifix, das theologisch ziemlich explizit ist. Blaue Lippen, die Zähne leicht entblößt, Tränen. Die Frage: Gott oder Mensch? scheint mir seitdem überflüssig. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Das ist sicher möglich, sein ganzes Leben Messgewändern, Altardecken und Prozessionen zu widmen und dabei das Gefühl zu haben, dass es schon seine Richtigkeit hat mit Gott, ob man nun an ihn glaubt oder nicht. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • "Gott ist genau der Raum in uns, den der Tod frei lässt." (Franz Werfel: Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd)
  • Bekanntlich bläht sich eine Sünde zur doppelten Größe auf, wenn sie gegenüber einem Kirchenmann geäußert wird. (J.L. Carr: Ein Monat auf dem Land)
  • "Dass ein getaufter Jude ebenso ein Jude bleibt wie ein gewässerter Hering ein Hering!" (Marcia Zuckermann: Mischpoke!)
  • Die meisten meiner neuen Freunde waren Katholiken. Am Aschermittwoch erschienen sie mit einem Kreuz über der Nasenwurzel im Unterricht, das sie nicht wegwischen, sondern augenscheinlich nur wegschwitzen durften. Das bestätigte nur meine Vermutung, die katholische Kirche sei der geheimnisvollste Ort unserer Siedlung. (Matthias Brandt: Raumpatrouille. Geschichten)
  • Die Bergpredigt ist eines der schönsten Plädoyers für eine menschliche Gesellschaft, so wie das Kommunistische Manifest. Verkehrt man jeden Satz der Bergpredigt in sein Gegenteil, erhält man ein ziemlich genaues Bild von der katholischen Kirche. (Michael Schulte: Ich freu mich schon auf die Hölle. Szenen aus meinem Leben)
  • Erbrechen war auch ein Akt der inneren Reinigung, den sich die Religionen leider nicht zur Tradition gemacht hatten. (Emma Braslavsky: Aus dem Sinn)
  • Wenn der Mensch Gottes Ebenbild ist, dann beneide ich Gott nicht. (Isaac B. Singer: Old Love. Geschichten von der Liebe)
  • Natürlich hatte ich damals beschlossen, Nonne zu werden, (...) vor allem aber wegen der schwarzen Habitate und der weißen Hauben, ein Kopfschmuck wie riesige, gestärkte weiße Schwertlilien. Ich wette, die katholische Kirche verlor eine Menge Nonnenanwärterinnen, als man begann, die Nonnen zu kleiden wie gewöhnliche Politessen. (Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe. Stories)
  • Die Juden hatten es schlecht beim Militär. Dennoch waren sie gescheit. Wenn die Juden auch noch dumm wären, dachte Mendel, so wären sie ganz verloren. Wenn die Juden aber dumm wären, dachte er weiter, dann hätte man sie vielleicht gern! Gott gab den Juden Verstand, damit man sie verfolgt. (Joseph Roth: Perlefter. Fragmente und Feuilletons aus dem Nachlaß)
  • "Protestanten entscheiden selber, was vordringlich ist." (Uwe Johnson: Jahrestage 2)
  • Fromm ist sie immer gewesen; aber wenn jetzt die Kinder aus ihrer Christenlehre zurückkommen, die bringen ein Gewissen mit, das kann Einer gar nicht brauchen am täglichen Tag. (Uwe Johnson: Jahrestage 2)
  • Übrigens werfen die Juden den so genannten Christen die weihnachtliche Betriebsamkeit vor, wofür die sich schadlos halten mit der Annahme, Chanukah sei womöglich noch empfindungsseliger. (Uwe Johnson: Jahrestage 2)
  • "Man kommt nicht weit, wenn man den Menschen Zeit läßt, sich Gedanken zu machen." (Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell)
  • In katholischen Kirchen fühlt er sich eher als in evangelischen berechtigt, seine mangelnde Demut durch Neugierde zu ersetzen. (Stephan Thome: Fliehkräfte)
  • "Ich wusste nicht, dass so viele Menschen den Jakobsweg laufen." "Auswüchse des Massentourismus". (...) Seit sie in solchen Massen auftreten, sind sie ihm suspekt. Eine Fraktion unter anderen in der globalen Spaßgesellschaft. (Stephan Thome: Fliehkräfte)
  • In jeder Kirche riecht es anders, aber nach nichts anderem als Kirche. (Stephan Thome: Fliehkräfte)
  • Erinnerung auch an Momente der eigenen Kindheit: "Als Kind hat er kleine Mutproben durchgeführt, nur für sich und in Gedanken. Hat den Kopf in den Nacken gelegt und gedacht: Es gibt keinen Gott. Danach wartete er jedes Mal mit angehaltenem Atem darauf, dass ein Gewitter ausbrach oder die Erde sich unter ihm auftat." (Stephan Thome: Fliehkräfte)
  • Mein Vater hat gesagt, es genüge, entweder religiös oder streng zu sein - beides zusammen sei der Gipfel an Ekelhaftigkeit. (Irmgard Keun: Kind aller Länder)
  • Niemand versteht sich so auf Blasphemie wie ein schlechter Katholik. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Im Frühjahr nahm mich der kleine Kaplan dann doch einmal in sein Spital mit. Allmählich hatte auch ich diesen jungen Geistlichen liebgewonnen. In ihm hatte die Soutane den Menschen nicht ausgelöscht. Das ist, glaube ich, gerade die Krankheit der Geistlichen - daß sich ihr Menschsein mit der Tradition ein Leben lang nicht verschmelzen kann. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Wie aufrichtig doch die Wölfe sind! Sie zerreißen einen wenigstens nicht im Namen Jesu Christi. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Aber Gott wurde in unserem Land abgeschafft, als ich klein war, und es ist mir nicht gelungen, ihn wieder anzuschaffen. In meinem Elternhaus gab es keine Ikonen, und es wurde nicht gebetet. Ich habe mich nicht, wie viele andere, in den Neunzigerjahren taufen lassen, weil ich es albern fand, als erwachsener Mensch in einen Bottich zu tauchen und gewürzten Rauch in die Nase zu bekommen. (Alina Bronsky: Baba Dunjas letzte Liebe)
  • "Hören Sie auf, von Gnade zu faseln! Der Gnade Geschenk! Nie wieder will ich diesen Christenkitsch hören! Ich habe ein für alle Mal genug von dieser … dieser Trostakrobatik, die irgendwelche Wüstenzyniker in die Welt gesetzt haben, damit noch der ärmste Schlucker ‹Halleluja!› ruft, wenn ihm das Genick gebrochen wird!" (Thea Dorn: Die Unglückseligen)
  • Wer hatte das alles angerichtet? fragte ich mich. Wer trug die Schuld? Diese Überlegung gefiel mir gar nicht. Sie brachte den Begriff der Sünde mit sich, und diesen Begriff wollte ich nicht mit hereinziehen. Sünde war ein starrer Begriff und viele schöne Handlungen, die man vielleicht sonst sogar den guten Werken ugezählt hätte, wurde damit in ein eintönig graues Licht getaucht. (L.P. Hartley: The Go-Between)
  • "Du bist versteinert", sagte Jazwauk, "und wahrscheinlich nennst du das Haltung." (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • "Bedaure", sagte der Fahrer, "aber ich habe keinen Sinn für karitative Betätigung, die einen miserablen Zustand verewigt. (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • ... beugte flink und elegant das Knie vorm Altar, mehr ein Hofknicks, aber mit inbrünstigem Gesicht - denn zu Weihnachten und Ostern, Ben, und am Fronleichnamstag war sie immer sehr katholisch... (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • Im Weltbild der Zeugen Jehovas spielte Satan eine umtriebige Rolle. (Ian McEwan: Kindeswohl)
  • Sie wirkte verlegen. "Natürlich. Todesangst. "Ich war mal katholisch. Tod und Schuld. Das ist mein Universum." (Katholizismus, fand ich heraus, war eine Sparte des Christentums für Menschen, die etwas für Blattgold, Latein und Schuldgefühle übrighatten.) (Matt Haig: Ich und die Menschen)
  • Plötzlich wurde sie sich der Freiheit ihres Herzens bewusst - des größten Gutes, das der Protestantismus zu bieten hat. (Per Leo: Flut und Boden)
  • Als Friedrich und Trina 1935 heirateten, gingen sie streng genommen eine gemischtkonfessionelle Ehe ein. Die Braut wurde als "evangelisch-lutherisch" im Standesregister geführt, der Bräutigam als "gottgläubig" - eine unter SS-Männern übliche Bezeichnung für die Ablehnung des Christentums einerseits, des Atheismus andererseits. (Per Leo: Flut und Boden)
  • Es ist Buß- und Bettag, der traurigste und dunkelste Tag des protestantischen Nordens. (Per Leo: Flut und Boden)
  • Ein Pfarrer konnte sich damals [um 1900] zu so ziemlich allem äußern: Glauben, Sitten, Kultur, Geschichte, Politik - entscheidend war nicht das Thema, sondern der typisch evangelische Sound, dem nichts zu hoch und nichts zu niedrig war, um seine Schäfchen darüber zu belehren, was unter Gottes Himmel Sache ist und was auf Erden der Fall zu sein hat. (Per Leo: Flut und Boden)
  • "Walter Kasper ... zitierte das Gleichnis Jesu vom guten Hirten, der 99 treue Schafe zurückläßt, um einem verlorenen nachzugehen und es zurückzutragen. Denn das Schaf ist nicht weniger wert als alle anderen, 'Doch eigentlich müßte Jsus das Gleichnis heute anders erzählen. Er müßte sagen, der Hirte läßt das eine Schaf zurück, um die 99 verlorenen wiederzufinden.'" (Die ZEIT: Der Vordenker)
  • Die Transformation des einst brutal wütenden europäischen Christentums in eine harmlose Pseudoreligion mit folkloristischem Charakter ist zweifellos eine erfreuliche Entwicklung. (Michael Schmidt-Salomon: Keine Macht den Doofen!)
  • "Glaubst du, es gibt einen Gott, Brian?" "Komm mir nicht mit Religion, Eva. Das endet immer mit Tränen." (Sue Townsend: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb)
  • ... obwohl er seinen Atheismus ansonsten vor sich hertrug wie eine Flagge, die heroisch knatternd im Wind des Aberglaubens weht. (Hannes Stein: Der Komet)
  • "Dieser Sankt Paul", sagte Rinaldi, "er war ein Herumtreiber und Schürzenjäger, und als er sich die Hörner abgelaufen hatte, sagte er, das tauge alles nichts. Als er abgewirtschaftet hatte, stellte er die Gesetze für uns auf, die wir uns noch nicht die Hörner abgelaufen haben." (Ernest Hemingway: In einem anderen Land)
  • "Glaubst du denn, ich bin ihnen bös deshalb? - Ich bin noch nie jemand bös gewesen. Nicht einmal dem lieben Gott. Und dem hat doch heutzutag wahrhaftig jeder Mensch Grund, böse zu sein." (Gustav Meyrink: Walpurgisnacht)
  • "Jede falsche Idee ist gefährlich. Wer da meint, Träumer könnten kein Unheil anrichten, irrt sich. Sie richten sehr viel an. Die scheinbar harmlosesten Utopien üben in Wahrheit eine schädliche Wirkung aus. Sie führen dazu, Widerwillen gegen die Wirklichkeit zu erregen." "Vielleicht", sagte Paul Vence, "liegt es daran, daß die Wirklichkeit nicht schön ist." (Anatol France: Die rote Lilie)
  • Keiner kennt den großen Wakawaka. Und niemand weiß, wie viele große Wakawakas es gibt, ob sie gut oder böse sind, männlich oder weiblich, Single oder in Beziehung lebend, langweilig, farbenblind oder autistisch. Letzteres halte ich übrigens für sehr wahrscheinlich, denn könnte man sich Gott nicht am ehesten als ein Genie mit Inselbegabung vorstellen, dem die Empathiefähigkeit fehlt? (Dieter Nuhr: Das Geheimnis des perfekten Tages)
  • Arbeitslos war ich auch, als ich heiratete. Übrigens nicht kirchlich, diesmal hat Astrid sich durchgesetzt. Sie ist religiös unempfänglich. Etwas deutlicher gesagt, sie ist heidnisch wie eine Katze. (Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische)
  • Damals war das Amen in der Kirche noch sicher, ziemlich zumindest, bevor es uncoll wurde, sonntags hinzugehen, und bevor die Psychoindustrie unser Bedürfnis nach Transzendenz auffing. (Eva-Maria Altemöller: Seelenruhe)
  • Vielleicht gibt es heutzutage für die Menschheit der zivilisierten, freien Länder kein gnadenloseres Ungemach als die Verpflichtung, bei Predigten zuzuhören. In diesem Teil der Erde hat einzig und allein ein predigender Geistlicher die Macht, sein Publikum dazu zu zwingen, schweigend dazusitzen und sich quälen zu lassen. (Anthony Trollope: Die Türme von Barchester, S. 84)
  • "Was ist die Religion eines Menschen wert", sagte er sich, "wenn sie ihm nicht über die natürliche Melancholie der letzten Lebensjahre hinweghilft?" (Anthony Trollope: Die Türme von Barchester, S. 174)
  • "Wir reden hier vom gütigen Gott, vom Allmächtigen, der unsere Geschicke so lenkt, daß wir nichts zu befürchten aben. Keine Naturkatastrophen, keine Übergriffe von Feinden, keine bösen Überraschungen. Seit Jahrtausenden lauben wir an einen solchen Gott, obwohl seine Performace ziemlich lausig ist." (Florian Felix Weyh: Toggle, S. 210)
  • Das muß ein schlechter Kerl sein, der erst durchs Christentum gut wird ! / Wer christliche Schriften liest, hat so viel Zeit verloren, wie er darauf verwendet. / Haben sie immer noch nicht ausreichend nachgewiesen, daß ein Nichtgläubiger auch ein Nichtswürdiger sein müsse?). (Arno Schmidt: Kosmas oder Vom Berge des Nordens)
  • Der Gott der Christen, das ist der übellaunige Haustyrann, der das Glas dicht an den Tischrand stellt. (A.F.Th.van der Heijden: Der Gerichtshof der Barmherzigkeit, S. 377)
  • Denn das Bedürfnis nach der universalen Vereinigung ist die dritte und letzte Qual der Menschen. In der Gesamtheit hat die Menschheit immer danach gestrebt, sich unbedingt welteinheitlich einzurichten. (Fedor M. Dostoevskij: Die Brüder Karamasow)
  • Der Sozialismus ist nicht nur eine Arbeiterfrage oder eine Frage des sogenannten vierten Standes, sondern hauptsächlich eine atheistische Frage, die Frage der gegenwärtigen Inkarnation des Atheismus, die Frage des babylonischen Turmes, der ausdrücklich ohne Gott gebaut wird, nicht zur Erreichung des Himmels von der Erde aus, sondern zur Niederführung des Himmels auf die Erde). (Fedor M. Dostoevskij: Die Brüder Karamasow, S. 44)
  • Beklommen sah ich die Heerscharen der Gläubigen, denen sich, wenn man den Namen des Papstes ausspricht, von ganz allein die Augen nach oben drehen. (Christa Wolf an Charlotte Wolff, 17.5.1984)
  • Geburt von einer Jungfrau, Wundertaten und Auferstehung. Man durfte sich vor der Kokurrenz (Isis, Mithras, Zeus, Zoroaster) nicht lumpen lassen. Also: Rabbi Gott. Gott-Rabbi. Jesus ist gleich Gott. (Herbert Rosendorfer: Kadon, ehemaliger Gott)
  • Ich las neulich, daß alle Massenvernichtungsmittel von Christen erfunden wurden: Atombomben und Giftgase. Stimmt. Alles im Namen des Guten, das gegen das Böse kämpft. Im Namen Gottes. Heißt es in der englischen Nationalhymne nicht: "Verdirb unsre Feinde"? Wir Christen, wir Verräter an unserm Religionsstifter. (Luise Rinser: Wachsender Mond. 1985-1988, S. 19)
  • Keine Religion erlaubte und führte so viele Glaubenskriege wie die christliche, und keine führte so viele innere Kämpfe wie die Christen, als sie die christlichen Albigenser ausrotteten. (Luise Rinser: Wachsender Mond. 1985-1988, S. 19)
  • Je erfolgreicher eine Religion ist, je stärker ihr Einfluß, desto weiter entfernt sie sich von ihrem mystischen Ursprung. Dogma und Magie treten an die Stelle geistiger Erfahrung. (Isaac Bashevis Singer: Verloren in Amerika, S. 8)
  • Der Glanz in seinen Augen war vermutlich eher auf Kokaingenuß als auf religiöse Inbrunst zurückzuführen, aber machte das einen Unterschied?, fragte sich Jed. (Michel Houellebecq: Karte und Gebiet, S. 71)
  • Die Einmischung der Kirche im Rahmen einer Beerdigung war im Grunde viel legitimer als bei Geburt oder Hochzeit. Hier war die Kirche völlig in ihrem Element, hatte über den Tod tatsächlich 'etwas zu sagen' - bei der Liebe war das schon viel problematischer. (Michel Houellebecq: Karte und Gebiet, S. 312)
  • "Die römische Kirche" - so pflegte er zu sagen - "ist in dieser morschen Welt noch die einzige Formgeberin, Formerhalterin. Ja, man kann sagen, Formspenderin. Indem sie das Traditionelle des sogenannten 'Althergebrachten" in der Dogmatik eingesperrt, wie in einem eisigen Palast, gewinnt und verleiht sie ihren Kindern die Freiheit, ringsum, außerhalb dieses Eispalastes, der einem weiten, geräumigen Vorhof hat, das Lässige zu treiben. (Joseph Roth: Die Kapuzinergruft, S. 36)
  • Dank der katholischen Kirche und ihrer verlogenen Erziehung in der Schule und im Jugendheim ist er aufs herrlichste versaut und für beinahe alles bereit. (Ralf Rothmann: Feuer brennt nicht, S. 38)
  • Aus der institutionalisierten Religion verdampft genau das, was die Religion ist. Wie aus der Literatur und der Kunst der Inhalt verdampft, sobald sie institutionell sind. (Sandor Marai: Tagebücher 1984-1989, S. 50)
  • Von all den Formen, mit denen der katholische Aberglauben ausgestattet ist, ist die Totenmesse zweifellos die gelungenste. (Julien Green)
  • Übrigens neigen alle Menschen mit Weltanschauungen zum Export. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)
  • con=vertiert, von Ho-Ho-Hotschi-Minn zu Ho-Ho-Hosi-Anna. (Reinhard Jirgl: Die Stille)
  • Ohne Gott & ohne Teufel : Oben & Unten ohne - das nackte Leben. (Reinhard Jirgl: Die Stille)
  • Wie das Teufel Gott od andere Zuhälter-des-Schicksal wollen... (Reinhard Jirgl: Die Stille)
  • ... hatte sie Etwas gesehen: in den Augen ihres Sohnes jenes Leuchten, den-gewissen-Glanz, sobald kleineleute vom Großen Gewinn, von Kaiser Macht Gott dem Ewigenleben schwadronieren, & nicht nur schwadronieren, sondern wenn überdies vom Kraken Religion die Tentakeln des Glaubens nach ihren ausgemergelten Seelen u dem dürren Verstand der Hoffnungserfüllten greifen & ihn in-Feuer-setzen. (Reinhard Jirgl: Die Stille, S. 312)
  • "Brimborium christlicher Feindesliebe". (Reinhard Jirgl: Die Stille, S. 12)
  • Zu den vielen Dingen, die man vermeiden sollte zählen Gespräche mit Säufern über die Flasche & Gespräche mit Gläubigen über ihren-Gott. (Reinhard Jirgl: Die Stille)
  • Nach den ersten hundertausend Toten im Namen einer Religion muß die Frage erlaubt sein, ob der Menschheit nicht ohne diese Religion viel Unheil erspart geblieben wäre, mögen die Henker sie nun richtig oder falsch gedeutet haben. (Wolf Schneider: Glück. Eine etwas andere Gebrauchsanweisung, S. 222)
  • "Der Rex sieht wirklich verdeubelt gut aus, ganz das, was wir früher einen Gardeassessor nannten. Und fromm, sagst du - wird also wohl Karriere machen; 'fromm is wie 'ne unterlegte Hand.'" (Theodor Fontane: Der Stechlin, S. 47)
  • ... das alles lag noch im Schatten der hohen Hecke, die ihren Garten von dem der Familie Lopik trennte. Protestanten: Die Hecke konnte gar nicht hoch genug sein. (A.F.Th. van der Heijden: Das Gefahrendreieck, S. 50)
  • "Das ist kaum zu glauben." "Daran erkennt man große Wahrheiten." (John Updike)
  • Vielleicht war die Welt nur deshalb so schön, weil sie so verwirrend vielfältig war. (Irmtraud Morgner: Trobadora Beatriz, S. 472)
  • Von allen Irrtümern, die Juden begangen haben, war unser größter der, daß wir uns - und später auch anderen Völkern - vorgemacht haben, daß Gott barmherzig sei, seine Geschöpfe liebe, Bösewichte hasse und so weiter und so weiter; all das, was uns unsere Heiligen und Propheten gepredigt haben, angefangen von Moses bis herunter zu Chafetz Chaim. Die alten Griechen haben sich nie dieser Illusion hingegeben, und das war ihre Größe.
  • Er liebte den frommen Juden auf seine Weise und bewunderte dessen Glauben und die Kraft, der Versuchung zu widerstehen. Einmal sagte er zu mir: "Ich liebe die Juden, obgleich ich sie nicht ausstehen kann. Sie können nicht auf dem Wege der Entwicklung entstanden sein. Für mich sind sie der einzige Beweis für die Existenz Gottes." (Isaac Bashevis Singer: Schoscha, S. 25)
  • Gelegentlich sagt einer, daß für ihn die Kirche zu Weihnachten am wichtigsten sei. Isidor weiß nicht, ob das als Kompliment gemeint ist. Er selbst freut sich auf Ostern. An dieses Fest knüpft sich sein persönlicher Glaube. Es ist spirituell dramatischer, liturgisch tiefer, äußerlich festlicher, vom Schwung sich verlängernder Tage und der Ahnung des Frühlings erhellt. (Petra Morsbach: Gottesdiener, S. 27)
  • ... daß der ganze katholische Sums eine Selbstentlarvung ist. Auf abenteuerliche Axiome gründet er eine derart hochstaplerische Scheinlogik, daß er eigentlich überall Gelächter auslösen müßte, wenn die Menschheit nicht ein solches Bedürfnis hätte, sich zu benebeln. Im Grunde ist ein von uns selbst aufgestellter Vernunfttest, an dem wir ununterbrochen scheitern. (Petra Morsbach: Gottesdiener, S. 319)
  • Sie haben gebetet, bis ihnen die Avemarias zu den Ohren rauskamen. (Petra Morsbach: Gottesdiener, S. 27)
  • Im Grunde sind wir programmiert, an das zu glauben, was nicht existiert, weil wir Lebewesen sind, die nicht leiden wollen. So wenden wir unsere ganze Kraft auf, uns zu überzeugen, daß es Dinge gibt, die es wert sind, und daß das Leben daher einen Sinn hat. (Muriel Barbery: Die Eleganz des Igels, S. 18)
  • Man denke an seinen extravaganten Plan, die ganze Menschheit von der Denkmöglichkeit zu erlösen, daß es keinen Gott gibt. (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 297)
  • Der Tod des Christentums wird seit langem prophezeit, doch es wird immer Kirchen geben, die ihren Dienst versehen als Lagerhäuser für die ewige Ernte menschlichen Unglücklichseins. (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 145)
  • Was gibt es Seltsameres im religiösen Drang als dessen Leidenschaft für die Verkomplizierung, als die Liebe zum Verwirrenden, die die meisten Kirchen zu Schreckenskammern und alle existierenden Bekenntnisse grotesk macht? (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 38)
  • Wenn Gott, so wie die Genesis und nun auch Sie es mir erzählen, die Welt als eine Bühne für den Menschen schaffen wollte, warum hat er sie dann so sinnlos gigantisch gemacht, so grausam turbulent und, ja, so zermalmend für das Bewußtsein, das sie verstehen will? Das Sonnenstystem vor einem angenehm gesprenkelten Hintergrund aus Sternen, das hätte doch genügt. (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 26)
  • Die Religion ist genau das, was nicht weggelassen werden kann - denn in ihr ist alles enthalten. Noch der zerstreuteste Mensch kann nicht seine Reisetasche packen und dabei die Tasche weglassen. (Gilbert Keith Chesterton: Ketzer. Ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit, S. 255)
  • Definieren ließe sich Bigotterie grosso modo als die Wut von Menschen, die keine Meinung haben. Sie ist der Widerstand, den die große Mehrheit mit ihren unendlich haltlosen Ideen gegen feste Ideen leistet. Definieren ließe sie sich als die schreckliche Manie der Gleichgültigen. (Gilbert Keith Chesterton: Ketzer. Ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit, S. 16)
  • Wahrheiten werden zu Dogmen, sobald über sie gestritten wird. Wer immer einen Zweifel ausspricht, umreißt eine Religion. (Gilbert Keith Chesterton: Ketzer. Ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit)
  • Ich war neulich mit Christa Wolf zusammen in Wien. Wir sprachen über unser Ausharren auf unserm Posten. Wir sind beide das, was ich von Christa sagte: trauernde Getreue. (Luise Rinser: Im Dunkeln singen. Tagebuch 1982-1985)
  • Von all der Theologie, mit der ich mich so intensiv fast zwanzig Jahre lang beschäftigt habe, blieb mir nichts, was ich brauchen kann, um Menschen von heute zur Religion zu führen. (Luise Rinser: Im Dunkeln singen. Tagebuch 1982-1985)
  • "Ich will Ihnen nur sagen, daß mir alle Dinge, die irgendwie mit Mystik zusammenhängen, im Grund der Seele zuwider sind. Über Dinge zu reden, von denen man nichts wissen kann, ja, deren Wesen es ist, daß man nie und nimmer was von ihnen wissen kann, das scheint mir von aller Art Geschwätz, die auf Erden für Wissenschaft ausgegeben wird, die unerträglichste." (Arthur Schnitzler: Der Weg ins Freie)
  • Sie war eine leidenschaftliche Gegnerin der Vivisektion und setzte sich für die Änderung oder Abschaffung des Weihnachtsfestes ein - eines Feiertags, der ihrer Ansicht nach schädlichen Leichtsinn, falsche Wertmaßstäbe und kommerzielle Unredlichkeit förderte und verewigte. (John Cheever: Die Geschichte der Wapshots, S. 26)
  • Ein Jude. Stimmt nicht. Nur der Vater. Dann gilt's nicht. Wenn's drauf ankäme, würde jeder Tropfen Blut, der sich vor vierzehn Generationen in einen Nebenzweig der Familie veirrt hat, zählen. Ein Blutstropfen geht um die Welt. (Terezia Mora: Alle Tage, S. 109)
  • Kommerzieller Wohlstand ist robust und wird niemals klein beigeben. Nicht der Rationalismus besiegt die religiösen Fanatiker, sondern der gewöhnliche Einkauf mit allem, was dazugehört - Jobs unter anderem, aber auch Frieden und erfüllbare Wünsche, Verheißungen, die in dieser Welt wahr werden und nicht erst in der nächsten. Lieber Einkaufen als Beten. (Ian McEwan: Saturday, S. 175)
  • Keucht unser krankes Christentum nicht auch unter dem Joche der unnatürlichen Einehe? (Friedrich Dürrenmatt: Die Wiedertäufer)
  • Er hatte seinen Freunden oft erzählt, daß er aufgehört hatte, an Gott zu glauben, nachdem Eileen gestorben war. Aber das stimmte eigentlich nicht ganz; er hatte es aus Wut gesagt. Er brauchte einfach mal eine Pause von Gott. Von den Mühen, seine unerforschlichen Wege verstehen zu wollen. (Ray French: Ab nach unten, S. 327)
  • "Glaubst du denn an Gott?" fragte Patrick. "Ich weiß nicht", sagte Belinda. "Aber wenn es ihn gibt, ist er im Gottsein nicht besonders gut." (Edward St. Aubyn: Nette Aussichten)
  • Er ist Katholik, und ich kann nicht begreifen, wie du dich mit einem Mann einlassen kannst, der nicht selbstständig denken kann. (Muriel Spark: Die Blütezeit der Miss Jean Brodie, S. 222)
  • Auf dem Lande ist der Pfarrer noch manchmal der spirituelle Leuchtturm, der zumindest dreimal im Leben, zu Taufe, Eheschließung und Aussegnung, das Licht des Evangeliums über die Existenz des Gemeindemitglieds wirft (Roger Willemsen: Deutschlandreise, S. 69)
  • Es gab Leute, die glaubten, wenn sie nur genug über das Universum nachdächten, würde das auch umgekehrt funktionieren. (Sibylle Berg: Der Mann schläft, S. 57)
  • Neben mir lag ein Theologiestudent, den ich in wenigen Wochen zwischen Leben und Tod zum Zweifler und also zu einem guten Katholiken gemacht hatte. (Thomas Bernhard: Meine Preise, S. 21)
  • Früher gab es für mich nichts Elenderes als den Angriff der Christen am Wochenende, der bemitleidenswerte Versuch der Bevormundung einer machtlos gewordenen Sekte, deren Mitglieder stundenlang verzweifelt an Glocken hingen und lärmten, bis alle Ungläubigen aus den Betten gefallen waren und Gott um Ruhe anflehten. (Sibylle Berg: Der Mann schläft, S. 221)
  • Die Schaubuden des Fortschritts waren nichts anderes als Potemkinsche Dörfer einer iniversalen Menschheitsbeglückung. (Wolfram Fleischhauer: Die Frau mit den Regenhänden, S. 160)
  • Die erste Wirkung der Beschäftigung mit der Wissenschaft auf eine neugierige und leidenschaftliche Intelligenz bedeutet immer eine Steigerung des Hochmuts und eine Schwächung des Glaubens. Ein wenig Wissen entfernt von Gott, viel Wissen führt zu ihm zurück. (Roger Martin DuGard: Die Thibaults, S. 147)
  • Seine Eltern waren fanatische Atheisten. Atheisten, denen man anmerkte, daß Gott ihnen im Nacken saß.
  • Habe Lust, Blasphemien zu schreiben, wie der Gott meiner Kindheit sie braucht. (Josef Winkler: Menschenkind, S. 108)
  • Wenn der Ungläubige einmal Gott erkannt hat, stürzt er sich in den absoluten Katholizismus, der, als System betrachtet, in sich vollendet ist. (Honore de Balzac: Beatrix)
  • Er hatte jede Menge eigentümliche Ideen. (...) eine andere Idee war, daß Gott auf irgendeine Weise von dieser Welt ausgesperrt ist und keinen richtigen Zugang findet, um uns zu helfen. (Lars Gustafsson: Windy erzählt, S. 108)
  • Alles, was diese Philosophen schreiben, ist nur eine Spielerei, vielleicht trösten sie sich selber damit. Der eine erfindet den Individualismus, weil er seine Zeitgenossen nicht leiden mag, und der andere den Sozialismus, weil er es allein nicht aushält. (Hermann Hesse: Gertrud, S. 186)
  • Wir waren so sicher, daß unter dem Zeugnis für unsere Lebensprüfungen einst "bestanden" stehen würde... (Christa Wolf: Nachdenken über Christa T., S. 194)
  • "Eigentlich leben wir alle unter Schonbezügen, finden du nicht? Kaum jemals öffnen wir uns wirklich für die Schönheit rings um uns. Aber sie ist da, jeden Tag, sie besteht fort und fort, ob wir sie wahrnehmen oder nicht. Eine grandiose Verschwendung, nicht wahr?" (John Updike: Ehepaare, S. 107)
  • ... dachte an Dr. Hernandez und eines unserer Gespräche in der "Süßen Mutter", in dem es um Zufälle gegangen war und seinen Glauben, daß es im Dasein eines wachen Menschen keine gibt, daß alles, was geschieht, ein Arrangement schöpferischer Notwendigkeit ist. (Ralf Rothmann: Stier, S. 348)
  • Wenn so ein nacktes Weib einem Säulensteher, der nach der letzten Heuschrecke eben eingenickt war, im Traum erschien, dann brauchen wir keinen religionshistorischen Zweifel daran aufkommen zu lassen, daß 99% der Heiligen im verdrängten Wollustrausch von der Säule gepurzelt sind. (Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts, S. 292)

Drittes Reich/WWII

  • Trotz der unübersichtlichen Entwicklungen und der damit verbundenen noch viel unübersichlicheren politischen Aussichten lief das Geschäft gut. "Die Leute sind ganz narrisch nach diesem Hitler und nach schlechten Nachrichten - was ja praktisch ein und dasselbe ist", sagte Otto Trsnjek. (Robert Seethaler: Der Trafikant)
  • In Deutschland, das nun [1944] ein Teppich voller Brandlöcher war... (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien)
  • ... behauptete, die Schwingungen in Hitlers Stimme würden auf 228 pro Sekunde geschätzt, während ein normaler Mensch selbst in größter Wut auf nicht mal 200 komme. (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien)
  • Er gedachte der Mühen, die es bedurft hatte, Kameraden wieder aufzurichten, die aufgeben wollten und auf dem Weg waren, zu »Muselmanen« zu werden, wie man im Lagerjargon die Lebensmüden nannte, weil sie sich ihrem Schicksal ergeben wollten. (Marcia Zuckermann: Mischpoke!)
  • "ACHTZEHN!!!", brüllte Walter ihn an. Wie angewurzelt blieb Nummer 88973 stehen. "Achtzehn" war in den Judenbaracken der ultimative Warnruf, abgeleitet vom achtzehnten jüdischen Bittgebet, das für die Bitte um Leben steht. (Marcia Zuckermann: Mischpoke!)
  • Sie war das, was man im sogenannten Dritten Reich ein Beefsteak nannte: außen braun, innen rot. (Michael Schulte: Ich freu mich schon auf die Hölle. Szenen aus meinem Leben)
  • "... hatte (...) die Herzen der Juroren des Kinderwettbewerb 'Eure Ideen für das Reich' im Sturm erobert." Trotz Googlens fand ich nicht heraus, ob Emma Braslavsky in ihrem Debütroman "Aus dem Sinn" diesen Wettbewerb aus dem Dritten Reich im Sinne des späteren "Jugend forscht" (BRD) oder "Messe der Meister von Morgen" (DDR) erfunden hat oder es ihn tatsächlich gegeben hat.
  • Die Leute in den Begräbniskommandos wurden des Zählens verdächtigt und oft ausgewechselt oder abgeschoben in andere Lager, so daß die Totenlisten nur aus ungefähren Stücken zusammenzusetzen waren. (Uwe Johnson: Jahrestage 3)
  • Im November 1938 wird meine Mutter längst den bekannten Grundsatz politischer Arithmetik begriffen haben, nach dem drei gutorganisierte und zu allem entschlossene Faschisten plus zehn Unpolitische und Indifferente, die geflissentlich zur Seite schauen, wenn Unrecht geschieht, in der Summe dreizehn Faschisten ergeben. (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)
  • Noch in den frühen sechziger Jahren waren altnationalsozialistische Einstellungen in der westdeutschen Provinz ein Fundament des allgemeinen Volksempfindens. (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)
  • Er war ein Kind der Dreißigerjahre, er war nie Soldat, dachte aber in der Grammatik des verlorenen Krieges. (Michael Kumpfmüller: Die Erziehung des Mannes)
  • Fast jeder war für Frieden, wie immer kurz vor der Katastrophe. (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)
  • Dieser Sommer 1939! Es war, als hätte Gott der Welt noch einmal zeigen wollen, was Friede ist und was sie verlieren würde. Die Tage waren randvoll mit der Gelassenheit dieses Sommers... (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)
  • "Glauben Sie, daß es Krieg gibt?" fragte ich. "Höhnen Sie nur weiter! Als ob Sie das nicht wüßten! Was sonst bleibt euch übrig mit eurem Tausendjährigen Reich und eurer infamen Aufrüstung? Ihr Berufsmörder und Verbrecher! Wenn ihr keinen Krieg macht, bricht euer Schwindelwohlstand zusammen und ihr mit ihm!" (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)
  • ...vor den Bildern der Impressionisten. Ich verbrachte damals viele Nachmittage dort, um mich zu beruhigen. Wenn man vor diesen sonnegetränkten, stillen Landschaften stand, glaubte man nicht, daß eine Tierrasse, die so etwas schaffen konnte, gleichzeitig einen mörderischen Krieg vorhaben könne - eine Illusion, die den Blutdruck für eine Stunde etwas senkte. (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)
  • Die Handschuhe waren aus kräftigem, grünlichbraunem Wildleder. Jarvie glättete sie in ihrem Schoß, fuhr dann mit flatternden Fingern über die Stulpen und legte sie um, so daß die Gebrauchswarenmarke sichtbar wurde - zwei Halbmonde, die in die gleiche Richtung wiesen. Es war das Kennzeichen für Kleidung, die der Preiskontrolle unterlag, und das jedermann bei Kleidern, wo es innen auf einem Stoffstreifen aufgedruckt war, entfernte. (Muriel Spark: Mädchen mit begrenzten Möglichkeiten)
  • In jenen Tagen, da das Benzin so knapp war, fuhr niemand zum Vergnügen - es sei denn im Wagen eines Amerikaners, wo man die vage, irrige Vorstellung hatte, daß deren Fahrzeuge ja mit ‹amerikanischem› Benzin liefen und daß man sich dabei nicht einer Gewissensbelastung angesichts der strengen britischen Restriktionen aussetzte, oder der vorwurfsvollen Frage nach der Notwendigkeit der Fahrt, die an allen Brennpunkten des öffentlichen Verkehrs plakatiert war. (Muriel Spark: Mädchen mit begrenzten Möglichkeiten)
  • Die Eierration war zu der Zeit [1945] auf eins in der Woche festgesetzt. Es war der Beginn der strengsten Rationierungsperiode, da ja nun auch die befreiten Länder versorgt werden mußten. (...) Auch den Tee nahm sie an. Die Teeration betrug abwechselnd 60 oder 90 Gramm in der Woche. Tee war zum Tauschen gut. (Muriel Spark: Mädchen mit begrenzten Möglichkeiten)
  • ... ertauschte Pfanne 'Der deutschen Hausfrau Opfersinn gab Kupfer für das Eisen hin' zaubert auch kein Fleisch herbei. (Friedrich Christian Delius: Die Liebesgeschichtenerzählerin)
  • Sie führte die lateinische Schrift statt der deutschen ein mit der Begründung, daß die Deutschen so schreiben sollten wie das Weltreich, das sie erobern würden. ("Damit die Völker die Befehle unseres Führers verstehen.") (...) Der nächste Lehrer war Ottje Stoffregen. (...) Wenn er sich aufraffte zu Gegenwehr, so war es das Üben der alten deutschen Schrift, "damit ihr die Briefe eurer Großeltern lesen könnt". (Uwe Johnson: Jahrestage 2)
  • Der 22. Sonntag nach Trinitatis war nach dem Willen der Regierung in Berlin ein Eintopfsonntag. (Uwe Johnson: Jahrestage 2)
  • Der Kriegsminister hat sich sagen lassen, daß die Sowjets demnächst eine Bombe um die Erde kreisen lassen können, (...) ein prächtiger Städteknacker. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • "der faschistische Schutt im Gedächtnis" (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • Die Emigranten haben auch Vereine, wo sie sich ungestört zanken können. (Irmgard Keun: Kind aller Länder)
  • Das National-Geschwür mit der wissenschaftlichen Bezeichnung "Drittes Reich". (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)
  • "Deutschland oder Die Ahnungslosigkeit. Sie waren schon immer weltfremde Romantiker, um so mehr muß man ihnen doch glauben, daß sie von den Schandtaten dieses Hitler - der ja übrigens ein Österreicher war, bitte! - wirklich nichts gewußt haben." (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)
  • ... hat der Röhm von dir, Wolf, gesagt, wer Vegetarier ist, sinkt auch noch zum Antialkoholiker herab. (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)
  • "Aber das Ausland... das kann sich Deutschland einfach nicht leisten..." "Glauben Sie, daß ein Franzose, ein Engländer einen Finger krumm macht wegen einem deutschen Juden?" "Ob Sie nicht doch... zu pessimistisch sind?" (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)
  • "Ich sehe nicht schwarz, das würde mich nicht stören. Ich sehe: braun." "Eine braune Zukunft." "Gott soll schützen." "Eine braune Zukunft für unser Vaterland, Herr Blumenthal? Das kann ich mir nicht vorstellen." "Wirkliche Katastrophen kann man sich nie vorstellen."
  • Ein Narr, ein Krüppel, ein Morphinist lehren Deutschland, was Rasse ist. (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)
  • "In den oberen Rängen? Da war nie ein Jude." "In den Banken ist es anders." "Da ja." "Aber das kommt von der Begabung für, wie Sie sagen: Handel und Wandel. Fürs Geld. Eine rassisch angeborene Begabung fürs Geld." "Mit einem gewissen Defizit vom Ethos gepaart." "Sehr fein ausgedrückt. Aber wo sollte das Ethos herkommen, wenn die Herrschaften es vorziehen, zwei Jahrtausende lang neben unserer sittlichen Weltordnung herzuleben?" (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)
  • ... ist ihm wie den meisten Russen von der Höhe ihrer zwanzig Millionen Kriegstoten herab die Shoah piepegal. (Emmanuel Carrere: Limonow)
  • Ich glaube, wer damals dachte, der Faschismus sei zwar etwas zu Verurteilendes, sei aber von solch überwältigender Kraft, daß er die Welt in den nächsten Jahrzehnten beherrschen werde, dem kann man nicht plump Dummheit vorwerfen. Wenig hätte gefehlt, und der Lauf der Geschichte hätte demjenigen Recht gegebene. Zu glauben, das Gute habe aus sich selbst heraus siegen müssen, ist Idiotie. (Helmut Krausser: Eros, S. 22)
  • ... ging mir auf, warum mir die Nachkriegszeit damals gefiel: Die Gesichter der Menschen waren voller eingestandenem Entsetzen. Es gab weit und breit niemanden, der von ihnen verlangte, daß sie fröhlich, erfolgreich, lustig, optimistisch oder sonstwie sein sollten. (Wilhelm Genazino: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman, S. 88)
  • Sorglosigkeit hatte er empfunden. Warnungen hat er in den Wind geschlagen. Bis die Gestapo ihn für eine Woche einsperrte. Da begriff er und brachte seine Gefühle auf den Stand der Dinge. (Christa Wolf: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, S. 76)
  • Mein Zeitalter hob an, als sich die Weimarer Republik gerade ein wenig von ihren chronischen Schwächeanfällen erholt hatte, dann aber um so schneller verfiel, worauf das Dritte Reich nur zwölf Jahre dauerte, doch Zeit genug ließ, jedweden und so auch mich mit einem Völkermord zu belasten, der, auf den Ortsnamen Auschwitz gebracht, für alle Zeit wie ein Kainsmal haftet. (Günter Grass: Grimms Wörter)
  • In Deutschland wuchs ich auf, von der festen Überzeugung gewiegt, ein kleiner strammer Deutscher zu sein. Dieser begreifliche Irrtum wurde leider viel zu spät aufgeklärt, und zwar durch Hitlers 'Braune Millionen'. (Franz Werfel: Jacobowsky und der Oberst, S. 19)
  • ... erst vor kurzem hatte er, über ein Jahr nach dem Einsatz in Rußland, den schlichtesten Orden, die Ostmedaille, für sein krankes Bein bekommen, ein Orden, der so unbedeutend war, daß er irgendwann nach dem Krieg ausgehändigt werden sollte, weil das Metall anderswo gebraucht wurde, jetzt hatte er nur einen Formbrief zur Verleihung und das Band gegeben. (Friedrich Christian Delius: Bildnis der Mutter als junge Frau, S. 82)
  • Auch die Mädchen änderten damals ihre Frisur. Flach strichen sie die Haare zurück und steckten die Zöpfe nach oben. Und selbst wenn sie Locken hatten, fetteten sie diese so lange ein, bis sie glatt auf dem Kopfe lagen. Eines sah aus wie das andere. Diese patriotische Uniformierung wirkte bei den Mädchen noch eindringlicher als bei uns. Man nannte jene Haartracht: Deutsche Frisur. (Ernst Glaeser: Jahrgang 1902)


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