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Themenstreusel (2)

Tod/Sterben

  • Ich verstand nach einiger Zeit, dass die "Hinterbliebenen" von Toten häufig mit Rückzug reagieren; natürlich nicht, weil ihnen nach Abkapselung ist, sondern weil sie ohne Gegenwehr und fassungslos miterleben müssen, dass die verquatschte Fernsehgesellschaft vergessen hatte, dass wir das Private nicht ohne weiteres vergesellschaften können. (Wilhelm Genazino: Außer uns spricht niemand über uns)
  • Der Tod ist ein mächtiger Rufer und ebnet Wege und macht Pfade glatt, die eben noch durch berghohe Trümmer der Vergangenheit und unüberwindlich heile Gemäuer der gegenwärtigen Stunde versperrt schienen. (Wilhelm Raabe: Alte Nester)
  • Der Tod, "die schwarze Mauer, an der sich alle Phantasien die Flügel knickten". (Eduard von Keyserling: Fräulein Rosa Herz)
  • Wer sich öfter auf einem Friedhof aufhält, dachte ich, wird von den Gräbern der Toten mehr und mehr zu den Toten gerechnet. (Wilhelm Genazino: Außer uns spricht niemand über uns)
  • Ich sah ihn in der Friedhofskapelle wieder. Vielleicht waren es meine Augen, aber ich war mir sicher, dass er dieses Lächeln auf dem Gesicht hatte, dieses unerschütterliche, freundliche, respektvolle Lächeln, das er mir immer zeigte, wenn wir auf dem Gipfel einer Diskussion anlangten, wenn sein Optimismus und mein Pessimismus oben standen, auf die Welt hinunterblickten und unterschiedliche Schlüsse zogen. (Frederic Zwicker: Hier können Sie im Kreis gehen)
  • Du näherst dich dem Sarg, den du kurz berühren wolltest, wie albern die Geste auch sein mochte. Doch eine andere Art, Abschied zu nehmen, fiel dir nicht ein. Eine Hand auf dem Sarg, so daß ein Fingerdruck von dir mit ihr ins Grab gehen würde. (Dimitri Verhulst: Die Unerwünschten)
  • Wenn du es richtig bedachtest, war das hier dein erstes Leichenbegängnis, seit dein Erzeuger zu den Engel psalmodiert worden war, deine Gedanken wanderten denn auch zu ihm hin und würden sich bei derartigen Zeremonien jedes Mal wieder zu ihm bewegen. (Bei jeder Beerdigung erinnern wir uns an vorhergehende Beerdigungen, es werden immer mehr.) (Dimitri Verhulst: Die Unerwünschten)
  • "Ich finde, der Sarg war so klein. Oder bilde ich mir das nur ein?" "Er war geschrumpft, ja, aber nicht mehr als andere." "Er war am ganzen Körper blau, wie eine Pflaume." "Als er noch gelebt hat?" "Natürlich, du Dummerchen. Danach war er weiß, wie alle." (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien)
  • "Im Krematorium haben sie sich übrigens geweigert, ihn mit meinem Schal einzuäschern. Für Sozialbestattungen nehmen sie offenbar nicht ihren Top-Hochleistungsofen, sondern ein älteres Modell, und das kann nur Sterbehemd." (Susann Pásztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster)
  • "Jeder von uns kommt im Leben einmal dahin, daß er nur einen einzigen Gefährten hat - sich selbst", dachte Bernard, "aber im allgemeinen geschieht das erst, wenn man sehr alt ist, oder im Augenblick des Todes." (Irène Némirovsky: Feuer im Herbst)
  • Doch so ging ich zu der kleinen Veranda zurück, deren steinerne Sitzbänke blank poliert waren von den Hinterteilen unzähliger Trauergäste, die dort in den letzten fünfhunderte Jahren Platz genommen hatte, schwindelig von Weihrauch oder Gewissenbissen. (J.L. Carr: Ein Monat auf dem Land)
  • Madame Pain wischte sich die Augen. Sie erinnerte sich an ihre eigene Tochter. Aber das war nur eine Anwandlung von Melancholie. Sie war zu alt, um lange an die Toten zu denken. Im Alter sind einem die Toten so nahe, daß man sie vergißt. Im Geist kann man nur das gut ehen, was fern ist. (Irène Némirovsky: Feuer im Herbst)
  • Es gibt Situationen – vor allem wenn jemand gestorben ist –, die einem auf niederschmetternde Weise einbleuen, dass die einzige Wirklichkeit von Belang die hier und jetzt ist. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Völlig gedankenverloren hatte er unverwandt auf eine Atie gestarrt, die er nicht kannte. Dass eine Verstorbene während der ersten vierundzwanzig Stunden ihres Todes alle Gesichter annehmen kann, die sie während ihres Lebens und direkt danach besessen hat, ist eine bekannte Tatsache, doch er weiß es nicht. Im Moment schaut sie lieb, heute nacht kann sie mit einem hässlichen Grinsen wütend daliegen. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • "diese Mehr-tot-als-lebendig-Lebensphase" (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Ich dachte an den Tag der Beerdigung zurück. (...) Étienne erzählte mir später, er hätte das wohlwollende katholische Lächeln nicht ausgehalten, mit der dieser [Diakon] die Nachricht verkündet habe, Juliette sei jetzt bei Gott dem Vater und man habe Anlass zur Freude... (Emmanuel Carrere: Alles ist wahr)
  • Er geht etwa einmal die Woche auf einen möglichst alten, vermoosten und vergessenen Friedhof und liest die Namen der Toten auf den Grabsteinen laut vor. Man darf ihn dabei nicht stören, es ist eine Aufgabe, die er übernommen hat, weil auch er sich wünscht, in dreißig oder fünfzig Jahren noch einmal beim Namen gerufen zu werden. (Annette Pehnt: Briefe an Charley)
  • Der Tote in dem nächsten Zimmer war ein Fall; er kannte noch viele ähnliche und gleich interessante Fälle. Sobald man einmal so weit gekommen ist, einen Toten für einen Fall anzusehen, dann ist nicht viel Furcht vor der gewöhnlichen menschlichen Schwachheit vorhanden, welche uns erzittern läßt in der erhabenen Gegenwart des Todes. (Wilkie Collins: Blinde Liebe)
  • Ich selbst hatte als Kind Angst auf Friedhöfen, ganz besonders vor den Schatten der Bäume. Deshalb glaube ich, daß es klug ist, Kinder daran zu erinnern, daß Friedhöfe wundervolle Orte sind: "Das Einzige, was ihr auf einem Friedhof fürchten solltet, steht auf zwei Beinen und atmet." (Neil Geiman)
  • Die Frau lag im Sarg wie alle Toten; mit einem unendlich abweisenden Gesicht. (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)
  • ...meiner Urgroßmutter aus 's-Hertogenbosch. Sieben-oder achtundneunzig mußte sie mittlerweile sein: Das vorige Jahrhundert hat sie zu einer jungen Frau erblühen sehen. Bei meinem letzten Besuch war sie jedenfalls schon so alt, daß sie brennende Neugierde auf den Tod zu entwickeln begann. (A.F.Th. van der Heijden: Die Schlacht um die Blaubrücke)
  • "Wie glücklich sie aussieht. Armes Ding, sie hat diesen Urlaub wirklich gebraucht." "Ja, es wirkt jetzt nicht mehr so anstößig, nicht? Dass sie Urlaub machen, nachdem ihre Mutter gestorben ist." "Weißt du, eigentlich ist es schade, dass es nicht so eine Tradition gibt. Ein Beerdigungsurlaub, so wie Flitterwochen oder Babypartys." (Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe. Stories)
  • Je "besser" der Mensch ist, je liebevoller, glücklicher und fürsorglicher, desto kleiner ist die Lücke, die sein Tod reißt. (Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe. Stories)
  • Eine Kultur, die den Tod verleugnet, steht einem guten Tod im Weg. Es wird sicher kein Klacks, unsere Ängste und falschen Vorstellungen zu überwinden, doch sollten wir nicht vergessen, wie schnell andere kulturelle Vorurteile - Rassismus, Sexismus, Homophobie - in jüngster Vergangenheit ins Wanken geraten sind. Es ist höchste Zeit, daß auch der Tod zu seinem Recht kommt. (Caitlin Doughty: Fragen Sie Ihren Bestatter. Lektionen aus dem Krematorium)
  • Im Labor-Grundkurs lernten wir, wo sich die Arterien und Venen befanden, häufig schlicht dadurch, daß wir aufs Geratewohl zur Sache gingen. "Oh!", platzte dann plötzlich jemand heraus, der einen Oberschenkel an der falschen Stelle aufgeschlitzt hatte. "Die Arteria femoralis ist hier ja gar nicht!" Da gab es nur eins: Einfach weitersäbeln. (Caitlin Doughty: Fragen Sie Ihren Bestatter. Lektionen aus dem Krematorium)
  • Eins der größten Bestattungsunternehmen in den USA hat seine Filialen mit kleinen Toasteröfen ausgerüstet, um trauernde Angehörige mit dem tröstlichen Duft frisch gebackener Plätzchen von ihren trüben Schoko-Cookies auch tatsächlich alle olfaktorischen Noten von Chemikalien und Verwesung übertünchen können. (Caitlin Doughty: Fragen Sie Ihren Bestatter. Lektionen aus dem Krematorium)
  • Wenn Familien zu Westwind kamen, um eine Erd- oder Feuerbestattung zu arrangieren, saßen sie vorn in unserem Beratungsraum und tranken nervös Wasser aus Pappbechern, betrübt über die Umstände, die sie hierher geführt hatten, und häufig noch betrübter darüber, daß es an ihre Geldbörse ging. (Caitlin Doughty: Fragen Sie Ihren Bestatter. Lektionen aus dem Krematorium)
  • Es war in diesem Jahr das dritte Mal, daß der Sensenmann in meiner erweiterten Bekanntschaft gewütet hatte... (Helmut Krausser: Alles ist gut)
  • [Beerdigung] Außer einer Frau, die sich erbot, ehrenamtlich zu jedem Gott für gutes Gelingen zu beten, an den sie glauben konnte, kam niemand. (Verena Lueken: Alles zählt)
  • Er hatte sich durchgesetzt, als er durch Beschluß des Kirchgemeinderats Frakturbuchstaben (statt Antiqua) auf Grabsteinen zur Bedingung machte, damit ein Deutscher deutsch sei, auch im Verrotten. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • "Er aber schleppte sich noch so bis in den März. Sie wissen ja, liebe Laacke: 'Märzensonne und Märzenluft graben manchem seine Gruft.'" (Theodor Fontane: Vor dem Sturm)
  • "Es sind halt Lebewesen. Wie wir alle, nicht wahr? Es sollte besser Sterbewesen heißen." (Juli Zeh: Unterleuten)
  • Ein solches tapferes Bekenntnis des Unglaubens, alles Ausharren bis ins Angesicht des Todes hinein, habe seinen Beifall und sei ihm viel, viel lieber als das Angstchristentum beispielsweise Baron Pehlemanns, der bei jedem Gichtanfall begierig nach der Bibel greife und sie wieder zuklappe, wenn der Anfall vorüber sei. (Theodor Fontane: Vor dem Sturm)
  • Das ist nicht die beschönigende Wirkung der Erinnerung, nicht die Selbsttäuschung, mit der Eheleute nach berüchtigt schlechter Ehe zu Allerseelen einer des anderen Grab bekränzen. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Von Tante Szerena erhielten wir nach der Geldsendung auch ein Paket; sie schickte uns ihre alten Trauersachen, in denen sie noch um Großvater getrauert hatte. Tante Szerena war nicht nur ein erklärter Feind aller Tränen, sondern auch der Schleier, Trauerkleider und schwarzumrandete Taschentücher. Sie pflegte zu sagen: "Ich liebe es nicht, wie ein Katafalk herumzuspazieren." (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Es ist ja im Allgemeinen nicht so, daß der Tod die Majestät der Eigenliebe schwächt; eher verstärkt er sie noch: "Und ich? Was, wenn mir das passiert?" (Philip Roth: Amerikanisches Idyll)
  • "Es ist eine Sauerei mit dem Sterben", sagte er. "Man wird einfach weniger mit der Zeit. Bei dem einen geht es schnell, beim Nächsten kann es dauern. Von der Geburt an verlierst du eines nach dem anderen: zuerst einen Zeh, dann einen Arm, zuerst einen Zahn, dann das Gebiss, zuerst eine Erinnerung, dann das ganze Gedächtnis und so weiter und so fort, bis irgendwann nichts mehr übrig bleibt. Dann hauen sie den letzten Rest von dir in ein Loch und schaufeln es zu und fertig." (Robert Seethaler: Ein ganzes Leben)
  • Tote sind Einzelgänger. (Margriet de Moor: Der Maler und das Mädchen)
  • "Eine spärlicher besuchte Beerdigung möchtest du nicht erleben. Drei schwarze Schirme im Schneeregen. War schwer, dabei nicht an Ebenezer Scrooge zu denken." (Donna Tartt: Der Distelfink)
  • ... mit meinem Sterben, das der Aktschluß meiner Komödie ist. (Thomas Bernhard: In der Höhe)
  • Den Wintergarten verließ er nur noch zum Schlafen und Essen. (...) Bald darauf kam ein Zivi. Dann internierte ihn der Tod. (Per Leo: Flut und Boden)
  • Ganz Ästhet, schreibt Harry Graf Kessler über verkohlte Leichen: "Ihr Gesicht sah meistens aus wie ein großer Chokoladenauflauf, in dem die Augen ganz klein und weiß wie Mandeln drinsteckten." (ZEIT Spezial zum WWI)
  • Die Menschen schlafen, solange sie leben. Erst wenn sie sterben, erwachen sie. (Koran)
  • Überhaupt hatte ich in letzter Zeit das Gefühl, der Tod schmuggele sich bedenklich oft und unvermittelt in meinen Alltag. (Monika Maron: Zwischenspiel)
  • ... nutzloses Lateingebrabbel vor den Särgen. (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)
  • Herzinfarkt, der Heldentod am Schreibtisch. (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • [Hospiz] Geld, das man lieber in Sterbenippes investiert: Ist ein Patient tot, stellt man ihm ein Holz-Pult vor die Tür. Darauf eine elektrische Kerze, deren Docht-Imitation ganz 'authentisch' flackert, und ein Buch, in dem Angehörige ihre Gefühle festhalten können. Mich graust es vor dieser "Ikeaisierung" des Sterbens. (Constanze Kleis: Sterben Sie bloß nicht im Sommer)
  • Beipackzettel des Sterbens: Vorsorgevollmacht, Patienten- oder Betreuungsverfügung. (Constanze Kleis: Sterben Sie bloß nicht im Sommer)
  • Und eh man sich versieht, fällt der Vorhang. (Silvia Bovenschen: Nur Mut)
  • ... auf der Kippe zwischen Leben und Tod - ich war schon am Tunneleingang... (Sue Townsend: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb)
  • Der Vater war vor fünf Jahren gestorben. Die Mutter vor sechs. Der Vater war schon vor ihrem Tod krank gewesen, und alle hatten seinen Tod erwartet. Die Mutter hingegen war immer gesund und voller Elan, und alles sah ganz danach aus, daß sie als glückliche Witwe noch lange leben würde; deshalb war der Vater fast verlegen, als unerwartet sie und nicht er starb. (Milan Kundera: Die Unsterblichkeit)
  • Sie hatte sich vorgestellt, daß nach dem Tod ihres Mannes (der sich schon so lange ankündigte, daß alle den Vater liebevoll ansahen wie jemanden, dessen amtlich festgesetzte Aufenthaltszeit abgelaufen war)... (Milan Kundera: Die Unsterblichkeit)
  • Der Tod ist ein mächtiger Rufer und ebnet Wege und macht Pfade glatt, die eben noch durch berghohe Trümmer der Vergangenheit und unüberwindlich heil Gemäuer der gegenwärtigen Stunde versperrt schienen. (Wilhelm Raabe: Alte Nester)
  • Wenn wir nichts vom Tod wüssten, wüssten wir auch nichts vom Glück, denn wüssten wir nichts vom Tod, hätten wir keine Vorstellung vom Wert unserer besten Gefühle, wir wüssten nicht, dass einige niemals wiederkehren und dass wir sie nur jetzt in ihrer ganzen Fülle begreifen können. (Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf)
  • ... empfand er den Tod als Befreiung von allen Pflichten und Verstrickungen, als eine saubere, grunddemokratische Lösung. (Helmut Krausser: Nicht ganz schlechte Menschen)
  • So altes Volk wie wir sollte wahrhaftig das Sterben leichter nehmen als das Leben; wenn es nur nicht gegen die Natur wäre! Das weiß der liebe Gott, was für eine gottsjämmerliche Plage man an sich selber hat; die ganze übrige Welt macht einem nicht halb soviel zu schaffen. (Wilhelm Raabe: Der Schüdderump)
  • "O liebster Herrgott im Himmel, hol mich doch endlich ab aus der Welt, wenn du mir absolut keine Ruhe lassen willst!" (Wilhelm Raabe: Der Schüdderump)
  • "sich gen Himmel verabschieden" (Maarten 'tHart: In unnütz toller Wut)
  • ... der hatte doch wirklich noch nicht vor, ins Jenseits zu wechseln. (Maarten 'tHart: In unnütz toller Wut)
  • Wer lange genug gelebt hat, um das Leben wahrhaft kennenzulernen, weiß, wie sehr wir Adam, dem ersten großen Wohltäter unserer Rasse, zu Dank verpflichtet sind. Er brachte den Tod in die Welt. (Knallkopf Wilsons Kalender)
  • "Was habn die denn alle die Köpf in dieselbe Richtung?" erkundigte sich ein junger Mann. Weil's das Gesetz vom Friedhof iss, du Simpl. Das Gesetz für die Lebendign iss, daß der Mensch sich senkrecht hält, und das Gesetz für die Toten iss waagrecht. Ein jeder Gesellschaftsstand braucht halt seine Gesetze. (Thomas Hardy: Blaue Augen)
  • "Nicht, daß ich das schlimm finde, Witwe zu sein... Nein, ich bin sogar froh. Ich war richtig froh, daß er starb. War ein Hurratoter. (A.F.Th.van der Heijden: Der Gerichtshof der Barmherzigkeit)
  • "Totentrotzkultur" (Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg)
  • Ihm kam der Freund in den Sinn, dessen Trudeln auf das Ende zu von Verlassenheit zeugte, obwohl er von seiner Frau gewissenhaft umsorgt wurde. Wenn nichts blieb als der Leib und keine Rettung den endlichen Menschen in der hohlen Hand barg, führte der Leib ein schreckliches Theater auf und langte mit Gier nach jedem verbliebenen Lebensfetzen. (Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg, S. 88)
  • Sie war die Totenpflegerin ihrer Sippe. Sie ließ ihre Angehörigen nicht einfach verschwinden. Nach dem Begräbnis wurde die Erde zum Körper, mit der Harke scheitelte sie das Haar, und die Sträucher um die Grabplatten stutzte sie, als schnitte sie die Nägel. Die Eheringe waren von den kalten Fingern an die warmen Finger dessen, der zurückblieb, umgezogen.(Erwin Mortier: Marcel, S. 5)
  • Ein anderes Bild: Sein Krankenzimmer, umhängt mit den Grieshaberschen Darstellungen des Todes. Das war nach einer späteren Operation. Er habe sich gedacht, das werde vielleicht nichts mehr. Da habe er sich den Alten hingehängt, mal so zum Drangewöhnen. (Christa Wolf an Franz Fühmann, 27.6.1979)
  • Unsere Gesellschaft versucht im Gegenteil, die Zeit und den Tod aus dem Gesichtsfeld der Lebenden zu schaffen. Unsre Vorbilder sind die Jungen und Gesunden. Die Alten werden kaserniert, die Toten still beiseites geschafft. (Urs Widmer: Das Normale und die Sehnsucht)
  • "Solange der Tod als Hauptkrankheit aus dem Leben nicht ausgeschaltet werden kann, bleibt es eine Illusion, auf ein rüstiges Alter zuzujoggen." (Gerrit Bartels: Runtergeraucht. Hermann Burgers unvollendet gebliebenes omanwerk 'Brenner')
  • Wenn alle zugleich sterben, ist das eine tröstlich ausgleichende Gerechtigkeit. Angst vor dem Tod hat mit der Kränkung zu tun, aus dem Leben zu scheiden, während andere weiterleben und zu sehen kriegen, was einem selbst auf ewig hinter der letzten Biegung verborgen bleibt. (Michail Schischkin: Venushaar)
  • Die einzige Art, eine Beerdigung abzuhalten, ist die, daß man alle Leute einlädt, die den Menschen je gekannt haben, und darauf wartet, daß es der Zufall so will - daß jemand aus heiterem Himmel auftaucht und die Wahrheit sagt. (Philip Roth: Gegenleben)
  • Da sich bekanntlich alle, aber wirklich alle negativen Prophezeiungen im menschlichen Leben schon insofern erfüllen, als jedes Leben tödlich endet... (Alois Brandstetter: Die Burg, S. 14)
  • ... hatte Kringelein sich auch das Sterben so vorgestellt: als eine Festlichkeit ohne Beispiel, als etwas Vollkommenes, bei dem kein ungelöster Rest zurückblieb. (Vicki Baum: Menschen im Hotel)
  • Im theistischen Pennsylvania, dachte David, entwickelten die Leute Philosophen. Wo er jetzt lebte, ließ ein ungehinderter Atheismus die Menschen leiden, mit dem stummen Stoizismus von Tieren. Je intelligenter sie waren, desto weniger hatten sie zu sagen, wenn es ans Sterben ging. (John Updike: Die Tränen meines Vaters, S. 54)
  • Wenn die Leute nur wüßten, wie glücklich die Toten sind, dann würden sie sich nicht mehr so anstrengen, am Leben zu bleiben. (Isaac Bashevis Singer: Verloren in Amerika, S. 234)
  • In den "unerwarteten" Todesfällen steckt für die Überlebenden stets etwas Beleidigendes. Sie schreien auf, entrüstet, als wollten sie fragen: Was ist das für eine Taktlosigkeit?! (Sandor Marai: Tagebücher 1984-1989, S. 15)
  • Tipp für den Bestatter: " Eigentlich wäre es doch praktisch, wenn Sie einen kleinen, aufklappbaren Taschenfriedhof mit sich führen würden, den Sie dem mit der Unterschrift zögernden Kunden unter die Nase halten könnten." (Hermann Burger: Schilten)
  • ... daß just auf dem Lande die künstliche Ware dominiert, daß sich hier die Hinterbliebenen gegenseitig überbieten mit geschuppten, gerömerten Schläuchen, Wachsblumen-Arrangements und goldbedruckten violetten Spruchschleifen, während man vermutlich in den Städten, wo oft kaum mehr ein Tannezweig aufzutreiben ist, aus purem Trauersnobismus wieder vermehrt zu Waldkränzen Zuflucht nimmt. (Hermann Burger: Schilten)
  • Der einzige Trost in allem ist heute der, daß für kranke alte Leute das Verlassen der Welt, so wie sie heute ist oder uns erscheint, mehr eine Freude ist als das Gegenteil. (Hermann Hesse - Hans Sturzenegger: Briefwechsel 1905-1943, S. 94)
  • [Krieg] ... er war ja nicht der 1zige damals, der sowohl um sein Leben als auch obendrein um sein Grab beschissen wurde. (Reinhard Jirgl: Die Stille, S. 13)
  • Tod = ungeladener, aber unumgänglicher Gast. (Günter Grass: Grimms Wörter)
  • Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das weiß, daß es sterben wird. Die Verdrängung dieses Wissens ist das einzige Drama des Menschen. (Friedrich Dürrenmatt)
  • Weil der Tod die größte Beunruhigung des Lebens ist. Weil der Tod so ungerecht. Weil der Tod, wenn man das Leben einmal gekostet hat, einem alles andere als natürlich vorkommt. (Philip Roth: Jedermann, S. 160)
  • Der Versuch zu sterben ist etwas anderes als ein Versuch, Selbstmord zu begehen - es ist vielleicht sogar schwerer, denn man versucht etwas zu tun, von dem man am wenigsten will, daß es eintritt; man fürchtet sich davor, doch es steht nun einmal an, und es muß getan werden, und von niemand anderem als einem selbst. (Philip Roth: Tatsachen. Autobiografie eines Schriftstellers, S. 26)
  • Der Tod ist nicht gut. Der Tod ist nicht angenehm. Der Tod ist immer gegenwärtig. Die Menschen sind zu Beginn ihres Lebens gesund und in bester Form, aber mit der Zeit verfallen sie. Das ist schlecht. Deshalb ist es gut, das metaphysische Loch, das entstanden war durch materialistische Weltsicht, heute mit der Idee zu füllen, dass die Unsterblichkeit des Körpers biologisch machbar ist. (Michel Houellebecq)
  • So um die dreißig herum, wenn wir zufällig nach vorn schauen, sehen wir plötzlich den Tod am Horiziont lugen. Wir haben ihn vorher noch nie gesehen. Er hat eine Sense im Zielfernrohr. Er legt auf uns an. Er drückt nicht ab, noch nicht, aber er treibt uns zu Handlungen, die Lachstürme in ihm auslösen. (Urs Widmer: Die gelben Männer, S. 60)
  • Die Tränen, die an Gräbern geweint werden, verkündet er, während er sich die seinen aus dem Vollbart wischt, gelten gar nicht den Toten, sondern dem eignen Tod, an den man erinnert wird. (Günter de Bruyn: Neue Herrlichkeit, S. 213)
  • Er denkt an Gäste bei einer Trauerfeier, wie sie über die Speisen und Getränke herfallen. Eine Art Triumph liegt darin, eine Herausforderung, die man dem Tod ins Gesicht schleudert. Uns hast du noch nicht! (J.M.Coetzee: Der Meister von Petersburg, 15)
  • ... der Egoismus der Natur: das Tote zu verscharren und über ihm neues Leben zu erschaffen ... (Aleksandar Tisma: Die Schule der Gottlosigkeit, 85)
  • Die Geburt eines Menschen ist etwas Ungeheures, kaum Faßbares, aber vollzieht sich über alle Zeiten und Kontinente im Grunde immer gleich, während das Sterben seit Jahrtausenden bei Milliarden von Menschen jedesmal ein eigenes, einmaliges Drama ist. (Michael Schulte: Bambus, Coca-Cola, Bambus, S. 8)
  • Die Verzweiflung beim Tode eines geliebten Menschen ist die Verzweiflung über sich selbst, über die wissende Ahnung, daß man ihn im Herzen vergessen und ersetzen wird und dadurch auf ewig verlieren. (Irmgard Keun: Nach Mitternacht, S. 133)
  • Sie war alt und verbraucht gewesen, hatte Schmerzen gehabt. Im letzten halben Jahr war sie zu schwach gewesen, um zum Briefkasten zu gehen oder einen Karton Katzenfutter hochzuheben oder ein Klettenbüschel auszureißen. Es war an der Zeit; Sterben ist der letzte Gefallen, den wir der Welt erweisen, die letzte Steuer, die wir zahlen. (John Updike: Der Mann, der ins Sopranfach wechselte, S. 159)
  • Früher einmal hatte ich angenommen, daß Fotos im Augenblick ihrer Entstehung unseren Tod fixieren, weil sie uns daran erinnern, daß es uns als Lebende eines Tages nicht mehr geben wird. (Wilhelm Genazino: Die Kassiererinnen, S. 69)
  • Zuletzt haben wir nicht einmal mehr Appetit, so daß es uns, wie ein Philosoph erklärte, schließlich ganz leichtfällt, von diesem Leben hier Abschied zu nehmen. - Dazu kommen diese und jene Schmerzen, derart weise hat es die Natur mit uns eingerichtet. Sodaß wir zuletzt Ja sagen. Das heißt Nein zu diesem Leben hier. (Arnold Stadler: Sehnsucht, S. 234)
  • "Der Tod", hatte er bei anderer Gelegenheit gesagt, "scheint nur eine schlechte Angewohnheit zu sein, die die Natur zur Zeit noch nicht ablegen kann. (Vladimir Nabokov: Gelächter im Dunkel, S. 124)
  • "Auch wenn sie sich nicht gut vertrugen. Sobald der Tod im Spiel ist, erwacht bei allen die Gefühlsduselei. Angesichts eines Sarges sehen wir nur noch das Gute oder das, was wir sehen wollen." (Hartmut Lange: Tagebuch eines Melancholikers, S. 348)
  • Aber Lichfield blieb konsequent und meinte, daß ein Denkmal nun mal eher denen zu entsprechen habe, die da ihr Andenken pflegen, als jenen, denen dieses Andenken gelte. Wie ja auch ein Grabstein in der Regel die Bedürfnisse der Hinterbliebenen ausdrücke und selten den Geschmack des Toten treffe. (Heinrich Steinfest: Der Umfang der Hölle, S. 285)
  • Sie will den Tod nicht akzeptieren. Aber auch das ist normal, denke ich, es gibt nur verschiedene Grade der Distanz dazu. (Uwe Timm: Rot, S. 121)
  • Er selbst, Eckhardt, fühlte die ganze Zeit, daß er jedenfalls nicht trauerte. Schließlich hatte der Vater lange genug gelebt, und über die Tatsache eines Todes im hohen Alter konnte er sich nicht mehr wundern. Und der Vorgang des Sterbens selbst war schließlich der einzige, der bisher noch jedem Menschen gelungen war; allzu schwer konnte der Tod also auch nicht sein. (Wilhelm Genazino: Die Ausschweifung, S. 278)
  • Wahrscheinlich war sowieso jede Bewegung, die Lebende vor den Augen eines Todkranken ausführten, eine Art Delikt. (Wilhelm Genazino: Die Ausschweifung, S. 137)
  • Das eigentliche Entsetzen des erwachenden Bewußtseins ist nicht irgendein "Generationsproblem", der Ur-Schock besteht darin, von diesen infekten, verwurmten, alternden, sterbenden, elterlichen Körpern herzukommen. Deswegen ist die Beerdigung der Eltern auch das schlimmste wie das befreiendste Ereignis im Leben eines Erwachsenen. (Walter Vogt: Altern, S. 259)
  • ... das Erschrecken über einen Jahrgangstoten. (Monika Maron: Endmoränen, S. 6)
  • Ich weiß nicht, wie viele Bilder von Halbtoten, Siechen, an Aids oder Krebs Sterbenden ich in meinem Leben schon gesehen habe; Hunderte, Tausende, die alle zu der einen prophetischen Metapher von unserer, meiner, gesichtslosen Sterblichkeit verschmolzen sind. (Monika Maron: Endmoränen, S. 14)
  • Über den Weltuntergang oder den Tod nachzudenken lohnt doch erst, wenn sie da steht und sagen, hey, ich bin der Tod, und das ist mein Kumpel Weltuntergang, nun denk mal nach, wie du dich verhalten möchtest. (Sibylle Berg: Amerika, S. 157)
  • Das Leben war ein Witz; der Tod der Schlußgag. (John Irving: Die vierte Hand, S. 395)
  • Die übertriebene Aufmerksamkeit für den Tod war beim Fernsehen so alltäglich geworden wie die Berichterstattung über schlechtes Wetter; Tod und schlechtes Wetter waren das, was das Fernsehen am besten konnte. (John Irving: Die vierte Hand, S. 243)
  • Absurd der Tod; und wie für ihn erst, der etwa in der Zeit starb, als sterben in den Todesanzeigen durch gehen ersetzt wurde. (Arnold Stadler: Sehnsucht. Versuch über das erste Mal, S. 77)
  • "Wie lange wird es dauern?" "Lady Cordelia, es gibt Männer, die gesund und vergnügt uralt werden, nachdem ihre Ärzte ihnen nur noch eine Woche zum Leben gegeben haben. Eines habe ich in der Medizin gelernt, man soll nie prophezeien." (Evelyn Waugh: Wiedersehen mit Brideshead, S. 290)
  • Der brasilianische Schriftsteller Joaquim Maria Machado de Assis widmete seinen Roman Die nachträglichen Memoiren des Bras Cubas "Dem Wurm, der zuerst an meinem kalten Leichnam nagt."
  • Der Glaube an Gott läßt den Tod als höchsten Bescheid und letzte Weisheit erscheinen, angesichts deren die Menschen nur Ratlosigkeit empfinden können. Dabei ist auch der Tod in Wirklichkeit nichts anderes als eine Art grausamen Spiels. "Es ist das Entsetzlichste, was ich je gehört habe." Nagib Machfus: Palast der Sehnsucht)
  • Der Todkranke stirbt, wie es sich gehört: gesalbt mit heiliggesprochenem Öl, mit Weizenähren in den Händen und bleiernen Küssen auf der Stirn. (Josef Winkler: Menschenkind, S. 112)
  • Der Tod ist unhöflich. Er hält sich nicht an die Reihenfolge. (Arnold Stadler)
  • Beerdigungen sind der beständige Kitt der Familie. (Antonio Lobo Antunes: Elefantengedächtnis, S. 49)
  • "Du glaubst nicht", sagte der Kranke, zu Alfred gewendet, "daß es noch eine Rettung für mich gibt? Du hast mich in der Heimat sterben lassen wollen? - Das ist eine falsche Humanität! Wenn man am Sterben ist, gibt's keine Heimat mehr. Das Leben-Können, das ist die Heimat." (Arthur Schnitzler: Sterben. Erzählungen 1880-1892, S. 200)
  • Wer gibt heute noch etwas für einen gut ausgearbeiteten Tod...; der Wunsch, einen eigenen Tod zu haben, wird immer seltener. Eine Weile noch, und er wird ebenso selten sein wie ein eigenes Leben. (Monika Maron: Die Überläuferin, S. 68)
  • Die Trauerfeier war ein voller Erfolg - das klingt ein wenig flapsig, aber eine Beerdigung ist wie ein Theaterstück, sie kann ein Flop oder ein Hit sein, und offen gesagt ist es von Vorteil, wenn ein Geistlicher Regie führt. (David Lodge: Wie bitte? S. 345)
  • Er will, daß wir uns keine Sorgen machen müssen, was nach dem Tod mit uns passiert. Ich mach mir Sorgen, was vor dem Tod mit mir passiert." (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 82)
  • 'Das Vergessen ist der beste Gehilfe des Henkers.' 'Man lebt nicht einmal einmal.' 'Das Leben besteht aus vielen Tagen. Dieser wird enden.' Im Konversationslexikon der Madame de Genlis, in einer Ausgabe aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, behandelt das einundfünfzigste und letzte Kapitel Gesprächsschablonen, die der Reisende auf dem Totenbett mit seinem Arzt wechseln soll. (Arno Geiger: Es geht uns gut, S. 371)
  • ... haben die Nelken und Rosen angeschaut, um nicht die Rollstühle und die Tragen, die zerstörten Gestalten zu sehen, die unglaubliche Fähigkeit des Körpers, zusammenzufallen, ehe er ganz aufgibt. (Veronique Olmi: ie Promenade, S. 215)
  • 31. März 1984. Heute früh der Anruf aus Innsbruck: Karl Rahner ist tot. Gestorben um Mitternacht. Eingeschlafen. Meine erste Reaktion: Tränen. Dann aber eine Art von Freude. Den ganzen Tag über in Fest- Stimmung. Vor zehn Jahren sagte er: Ich möchte sterben. Ich, erschrocken damals: Aber red doch nicht so lebensmüde! Er: Daß du nicht verstehst: Ich will endlich WISSEN. Jetzt WEISS er. (Luise Rinser: Im Dunkeln singen. Tagebuch 1982-1985)
  • Verglichen mit den jetzt geläufigen Umschreibungen und Sprachregelungen sprechen ja die alten Grabsteine eine starke und deutliche Sprache! (Alois Brandstetter: Altenehrung, S. 119)
  • Ich begann mich darüber zu wundern, daß Lebensgefahr und Todesgefahr dasselbe war. (Walter Vogt: Altern, S. 50)
  • Meine Beziehung zum Tod hat sich über die Jahre nicht verändert. Ich bin total dagegen. (Woody Allen)
  • "Es gibt ernstere Dinge als den Tod, traurigere gewiß, weil eben diesen andern Dingen das Endgültige fehlt, das im höhern Sinn das Traurige des Todes wieder aufhebt. Es gibt zum Beispiel lebendige Gespenster, die sich zu einem hinsetzen und mit einer Menschenstimme reden, die viel ferner klingt als aus einem Grab heraus. (Arthur Schnitzler: Der Weg ins Freie)
  • "Ich komme nicht zum Bahnhof", hatte Honora im gleichen Ton gesagt, wie wenn die Beerdigung eines Angehörigen bevorstand. (...) Sie war in einem Alter, in dem sie Züge nur noch als Maschinen für Trennung und Tod betrachtete. (John Cheever: Die Geschichte der Wapshots)
  • Auf dem Weg zum Friedhof (...) kommen mir groteske Situationen in den Sinn: Alle fangen plötzlich an zu stolpern, der Pfarrer verspricht sich ständig, die Liturgie endet in schallendem Gelächter. Ich muß mich zwingen, nicht zu grinsen. Während tiefernster Momente scheint die Seele dafür zu sorgen, nicht in Würde zu ertrinken. (Karl-Heinz Ott: Ins Offene)
  • Ihn hat, wie es von denen heißt, die im Herbst sterben, das Laub mitgenommen. (Karl-Heinz Ott: Ins Offene)
  • "Wann ist er gestorben?", fragte Patrick. "Letztes Jahr, an Krebs", erwiderte Ballantine. "Wenn jemand, der so reich ist, wie mein Vater, an Krebs stirbt, weiß man, daß es noch kein Mittel dagegen gibt." (Edward St. Aubyn: Nette Aussichten)
  • "In der kurzen Zeit, die ich praktiziert habe", sagte David bescheiden, "habe ich festgestellt, daß die Menschen sich ihr ganzes Leben lang vorstellen, sie müßten bald sterben. Ihr einziger Trost ist, daß sie eines Tages Recht bekommen." (Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse)
  • Der Vater macht nun schon seit neununddreißig Jahren Gebrauch von der Ewigkeit. Wenn wir ihn hätten rächen sollen, hätte er uns Bescheid gesagt. (Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff)
  • Wie schnell sich die Welt nach dem Tod eines Menschen schließt. Wie eine Schnittwunde im Finger eines sehr gesunden Kindes. (Sibylle Berg: Der Mann schläft)
  • Das konnte mir noch nie einer erklären, wie man leben kann mit dem Wissen, daß man bald Insektenfutter wird. Dieses Geliege unter der Erde, das konnte mir keiner erklären. (Sibylle Berg: Der Mann schläft)
  • "Ich ziehe es dennoch vor, begraben zu werden", sagte Ginus' Frau. "Einäschern ist schöner", entgegnete mein Vater. "Wieso?", wollte sie wissen. "Dann hat man noch einen warmen Tag vor sich." (Maarten 'tHart: Der Flieger)

Freitod

  • Ein gewöhnliches Leben zu leben ist die tristeste Form von Selbstmord. (Lars Gustafsson: Doktor Wassers Rezept)
  • Ich machte mir klar, dass Selbstmord ein undurchschaubarer Vorgang ist. Jeder kannte aus seinem eigenen Leben hoffnungslose Situationen, auf die ein Selbstmord eine Antwort hätte sein können. Aber rätselhaft war nicht, warum es Selbstmörder gab. Rätselhaft war, warum so viele Menschen ihre schwierigen Existenzen aushielten, ohne Selbstmörder zu werden. (Wilhelm Genazino: Außer uns spricht niemand über uns)
  • Mit ihrem frühen Tod hatte Gianna sich eine Menge Ärger erspart, das muß sie gewußt haben. Es war der einzige Grund, warum sie jetzt dort auf der Totenbahre lag. Sie hatte keine Show abgezogen wie Nikky, die sich mit dem Messer ein bißchen am Handgelenk geritzt hatte und dann noch Wochen kokett mit Verband und der Amateurtheaterversion einer Depression herumlief. (Dimitri Verhulst: Die Unerwünschten)
  • Unser Freund wußte nicht, wie man sich mit einem Messer die Kehle ordentlich abschneidet. Sie brauchen mich nicht so finster anzusehen, Miß Henley, ich scherze nicht! Für einen Selbstmörder, mit einem Rasirmesser in der Hand, ist meistenteils etwas sehr günstig – er hat keine Ahnung von der Anatomie, und das ist auch bei Lord Harry der Fall gewesen. (Wilkie Collins: Blinde Liebe)
  • Jede Stunde drängten sich Selbstmordgedanken auf, blieben haften, ummantelten alle anderen Gedanken, lauerten hinterrücks, verfestigten sich schließlich als dunkler Grund jeder Regung. (Thomas Melle: Die Welt im Rücken)
  • Ich hoffe sehr, daß wir Dir nie als solche Ungeheuer erschienen sind wie unsere Eltern uns. Sie mußten es, nehme ich an, denn sie hatten über sich alle diese eingebildeten Ungeheuer - nicht nur die Russen, sondern Fremde aller Art, die sie und ihre Kinder von der quietschenden alten Staatskarosse der Wohlanständigkeit schubsen oder dazu verleiten konnten, abzuspringen. Nun, Deine Mutter hat es getan, sie ist gesprungen. (John Updike: S.)
  • "Ist Ihr Vater schon lange tot?" "Ungefähr zwanzig Jahre." "Und woran ist er gestorben, wenn man fragen darf?" Ashby zögerte, blickte sich um, als wollte er die vertrauten Gegenstände, die ihn umgaben, um Rat fragen, hob schließlich den Kopf und sah Averell an. "Er hat es vorgezogen, aus dem Leben zu gehen." (Georges Simenon: Bellas Tod)
  • Die Gründe wider den Selbstmord, die du mir unfehlbar entgegensetzen wirst, kannst du bei dir behalten. Ich weiß sie alle; sie helfen mir aber zu nichts. Sie martern mich bloß, machen mir meinen Tod schwerer. Begeh' ich den Selbstmord nicht, so werd' ich größere Fehler begehen. Ich will also lieber den kleinern--- (Abelard und Heloise)
  • Vermutlich sind Schriftsteller potentielle Selbstmörder, die sich ins Wort retten, um überleben zu können. (Luise Rinser)
  • Aus dem Paket entglitt ein Räucheraal / Und fiel ins Wasser und trieb fort gen Süden. / "Bitte nach Ihnen!" sagte am Kanal / Ein Lebensmüder einer Lebensmüden (Joachim Ringelnatz)
  • Der Rauchfangkehrmeister Peter Korand hatte sich zum Fenster hinausgestürzt. Es kam Fridolin irgendwie sonderbar vor, daß auch Rauchfangkerer sich zuweilen umbrachten, und er fragte sich unwillkürlich, ob der Mann sich vorher ordentlich gewaschen oder schwarz, wie er war, ins Nichts gestürzt hatte. (Arthur Schnitzler: Traumnovelle)
  • Die letzten Zeilen habe ich jetzt mit einem Lächeln niedergeschrieben. Erwarte diesmal keinen weiteren Selbstmordversuch wie jene, die Dir zum Schluß nur noch ein trockenes Grinsen über die "gewohnte Magenspülung" entlockten. (Amos Oz: Black Box)
  • Ein Fenstersturz. Der Armeleuteselbstmord, besonders bei den Alten und merkwürdigerweise vor allem im Achtzehnten. (Georges Simenon: Maigret contra Picpus)
  • Onkel Or hat zu mir gesagt, ich soll ihm helfen. Ich habe geantwortet, daß niemand das Recht haben, sich umzubringen. Er hat sein Lachen angeschlagen und geantwortet: "Das ist das einzige Recht." (Giuseppe Dessi: Der Erdrutsch)
  • Inmitten dieser komischen Zustände verläßt mich der Mut, das Leben fortsetzenswert zu finden. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag)
  • Zu Fuß über die George-Washington-Brücke, nicht zu nah am Rand, Höhenangst. Niko hat mir von einem Lebensmüden aus Wien erzählt, der sich ein Ticket nach New York kaufte, einzig um von dieser Brücke zu springen. Wer seinen Tod so zelebriert und ernst nimmt, hätte auch weiterleben können. (Steffen Mensching: Jacobs Leiter)
  • Er bringt sich nicht um, es mißlingt ihm. Ein mißlungener Selbstmord ist genauso lächerlich wie ein Duell ohne Schramme. (Honore de Balzac: Eine Evastochter)
  • Wüßten wir, was Leben ist, würden wir uns wohl schon bei der Geburt die Nabelschnur um den Hals legen. (Sibylle Berg: Amerika)
  • Außer ihm hielt sich nur ein älteres Paar auf dem oberen Deck auf. Beide trugen Gummistiefel und Friesennerze, obwohl es nicht einmal nieselte. Eingefleischte Föhr-Fans, die seit vierzig Jahren jeden Herbst auf der Insel verbrachten, der Stille und Einsamkeit wegen. Gründe, aus denen man auch Selbstmord begehen konnte. (Olaf Schmidt: Friesenblut)
  • "Warum bringen sich Menschen um?" ließ er nicht locker. Seine angstvolle Frage, die mir schriller Kinderstimme ausgesprochen wurde, erinnerte mich an die Zeit, in der ich mich mit vierzehn oder fünfzehn Jahren verzweifelt vor grollender Einsamkeit auf mein Bett legte. (Antonio Lobo Antunes: Einblick in die Hölle)
  • ... die Zeit vor dem Münchner Pakt. Die Agonie der Angst. Ich versteckte und verteidigte mich zwar noch automatisch, aber ich hatte abgeschlossen. Es würde Krieg geben, und die Deutschen würden kommen und mich holen. Das war mein Schicksal. (...) "Es war die Zeit der Selbstmorde. Sonderbar, als die Deutschen eineinhalb Jahre später wirklich kamen, waren die Selbstmorde seltener." (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)
  • Die Abschiedsbriefe, die sie in all den Jahren schrieb, immer an mich, waren meistens Witze. Als sie sich die Pulsadern aufschnitt, unterschrieb sie mit Bloody Mary. Nach einer Überdosis schrieb sie, sie hätte es ja mit einem Strick versucht, aber den Dreh nicht rausbekommen. (Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe. Stories)
  • Es ist dies eine Gegend, in der man sich, wie es heißt, mit Freuden erhängen würde. (Alex Capus: Das Leben ist gut)
  • Als ich aus dem Studio heim nach Kreuzberg fuhr, dachte über diverse Möglichkeiten eines möglichst schmerzreduzierten Selbstmords nach. (Helmut Krausser: Alles ist gut)
  • Im Krieg nicht, wie die andern, dazugewonnen, im Gegenteil, und in der Inflationszeit den Rest verloren. Immer gut katholisch gewesen, daher kein Selbstmord. (Herbert Rosendorfer: Die Kaktusfrau. Erzählungen)
  • "Ich hab nur auf dem Bett gelegen und überlegt, wie ich mich umbringen kann, ohne daß es meinen Eltern Arbeit macht." (Jochen Schmidt: Müller haut uns raus)
  • ... näherte ich mich dem Selbstmord, ohne Verzweiflung oder auch nur eine besondere Traurigkeit zu empfinden, sondern einfach nur deshalb, weil "die Gesamtsumme der Funktionen, die dem Tod widerstehen", wie Bichat es ausdrückt, langsam kleiner wurde. Der einfache Wille zu leben reichte mir offenbar nicht mehr aus, um der Gesamtheit der Schmerzen und Unannehmlichkeiten zu widerstehen, die das Leben eines durchschnittlichen Westeuropäers begleiten. (Michel Houellebecq: Unterwerfung)
  • "Therapeut!" hat das Fräulein verächtlich geschnauft. "Dr. Prader." "Bei dem gehen ja die Leute nur in Behandlung, damit sie es nachher nicht so weit zum Hinunterhüpfen haben." (Wolf Haas: Silentium!)
  • Nils Borkman pflegte die Selbstmordgefährdeten unter seinen Landsleuten gerne als "Fjordspringer" zu bezeichnen. Offenbar bot Norwegens Fjordreichtum überreichlich Gelegenheit zu praktischen und sauberen Selbstmorden. (John Irving: In einer Person)
  • Im Schnitt ist in Ländern mit höherem Lebensstandard die Suizidrate höher als in ärmeren Ländern. Überall bringen sich mehr Männer um. Nur in China nicht. Im Schnitt in der DDR anderthalbmal häufiger als im Westen. Herr Schramm kann es sich nicht vorstellen, dass das nur mit der DDR zu tun hatte. Eher eine Frage der Tradition, siehe Rheinland: alle katholisch, und kaum einer macht sich tot. (Sasa Stanisic: Vor dem Fest)
  • "Hast du den Ausweis mit?" "Wozu denn?" "Ich hab meinen nicht dabei. Keinen Führerschein, gar nichts. Du könntest mir Zigaretten besorgen. Wenn nicht, könntest du den Ausweis holen und dann Zigaretten besorgen." "Warum holen Sie nicht Ihren?" "Das schaff ich vor dem Selbstmord zeitlich nicht mehr." (Sasa Stanisic: Vor dem Fest)
  • Die Tür war geöffnet worden, und ein Mann im Bademantel war langsam auf die Balkonbrüstung gestiegen. Die Absicht war eindeutig nicht frischluftschnappend, sondern suizidal. Unten erwartete ihn der unersättliche Asphalt des Parkplatzes. (Jörg Maurer: Felsenfest)
  • Ein Leben, das vom Zuviel und Zuwenig dieser Welt gebrochen wurde. (Paul Auster: Sunset Park)
  • Kasimir liebte die Arbeitstage; nur der Abend, die Feiertage, die Sonntagsunterbrechungen mit ihrer Suizidluft machten ihm zu schaffen. (Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben)
  • Wenn man sich umbringt, ist man rücksichtslos, weil andere sich dann der widerlichen Sauerei der Leiche annehmen müssen. (Nicholson Baker: Eine Schachtel Streichhölzer, S. 102)
  • Wenn ich auch zuweylen schwermüthig werde, und, mit dem Strumpfband in der Hand, mich nach einem tauglichen Nagel umzusehen anfange, so besinne ich mich doch allemal so lange, bis wieder nichts daraus wird. (Christoph Martin Wieland)
  • Daß also der Selbstmord als Abschluß einer Krankheitskarriere gar ein opus magnum sei? (Gerrit Bartels: Runtergeraucht. Hermann Burgers unvollendet gebliebenes Romanwerk 'Brenner')
  • Selbstmord ist die schlimmste Form des Sichgehenslassens. Das einzige, was man tun kann, ist, sich der Marotte des Märtyrers zu fügen und ihm die Sache ein wenig heiterer zu gestalten, indem man ihm die Gewißheit vergönnt, daß er durch seinen Tod eine gute, nützliche Tat vollbringt - vielleicht von grob materieller Natur, aber doch nützlich." (Vladimir Nabokov: Verzweiflung)
  • Manchmal ist es wirklich besser, daß er Mensch um seinen Tod weiß, denn diesen Mist ohne Ende vor sich zu haben, wäre ein Grund zum Selbstmord. (Sibylle Berg: Amerika)
  • Eigentlich kann man das, was einem hier auf der Welt zugemutet wird, doch nur aushalten, wenn man weiß, daß man in jedem Augenblick Schluß machen kann, wie? Das Leben ist eine miserable Sorte von Dasein. (Vicki Baum: Menschen im Hotel)
  • Wenn alle irdischen Güter, für die wir leben, wenn alle Freuden, die uns das Leben gewährt, Reichtum, Ruhm, Ehren, Macht, uns durch den Tod geraubt werden, haben diese Güter keinerlei Sinn. Wenn das Leben nicht unendlich ist, dann ist es ganz einfach absurd, ist es nicht wert, gelebt zu werden, und man muß sich seiner so schnell wie möglich durch Selbstmord entledigen. (Lew Tolstoj)
  • Die Unlust weiterzuleben reicht zum Sterbenwollen nicht aus. (Heinz Strunk: Fleckenteufel, S. 212)
  • ... daß in der Morgenzeitung drei Selbstmorde gemeldet worden sind - alle von ehemaligen kleinen Rentnern; alle auf die Lieblingsart der Armen begangen: mit dem offenen Gashahn. (Erich Maria Remarque: Der schwarze Obelisk, S. 81)
  • Dann löste sich ja eine Stadtbekanntheit seinetwegen in Nichts auf, indem sie den Gashahn wie unabsichtlich, wie aus Zerstreutheit öffnete, wonach sie umfiel und den Tod fand. (Robert Walser: Die Räuber, S. 37)

DDR

  • Der größte Erfolg der DDR, der bis heute im Osten Deutschlands nachwirkt, ist die atheistische Erziehung. Nach der Untersuchung einer amerikanischen Universität gibt es nirgendwo auf der Welt einen Landstrich mit einem höheren Prozentsatz an Atheisten. (Bernd-Lutz Lange: Das gabs früher nicht. Ein Auslaufmodell zieht Bilanz)
  • Ging es auf den Frühling zu, zog ich meine Windjacke an. Die gibt es heute nicht mehr, also das heißt, die gibt es schon noch, aber sie wird in der neuen Zeit »Herrenfunktionsjacke« genannt. (Bernd-Lutz Lange: Das gabs früher nicht. Ein Auslaufmodell zieht Bilanz)
  • Der Bus fuhr an den Rieselfeldern vorbei, die sich schon mit amtlichem Gestank ankündigten. (...) Am Bahnhof gab es ein großes Ikarus-Stelldichein. (Alexander Kühne: Düsterbusch City Lights)
  • Die schriftliche Matheprüfung hatte ich bereits versaut. Über mir schwebte das Damoklesschwert von "Achte raus". Mit "Achte raus" waren Karrieren als Halbkreisingenieur (Straßenfeger) oder Schotterknecht (Gleisbauarbeiter) programmiert. (Alexander Kühne: Düsterbusch City Lights)
  • "Sie hatte blonde schulterlange Haare, braune Haut und unglaublich schöne Füße. (...) Sie war ein echter Knall im All." (Alexander Kühne: Düsterbusch City Lights) - Den Ausdruck kannte ich nicht. DDR-gesamttypisch? Regional begrenzt? Oder gesamtdeutsch 70/80er?
  • Socke trug einen großen Schlüsselring in der Mittelschlaufe seiner Jeans. Das hieß: Ich hab schon mal. Sollte er etwa mit Elke...? (Alexander Kühne: Düsterbusch City Lights)
  • Wir klopften mit den Knöcheln unserer Fäuste auf den Tresen. "Zwei Schaumgebremste", rief ich Harry entgegen. (Alexander Kühne: Düsterbusch City Lights) - Ja, wir nannten die DDR-Plörre wie Cottbuser, Rostocker oder Dessauer Hell damals "edeltrüb und schaumgebremst".
  • "diensthabender Genosse Fleischfachverkäufer" (Emma Braslavsky: Aus dem Sinn)
  • So geht die Uhr im Osten: "Als es bei uns ein Viertel nach drei war. Viertel vier im Deutschen." (Bd.3)
  • Wir waren ziemlich gut in der Schule. Klar, keine gesellschaftliche Arbeit, die wir leisteten und alles, und durch die Sülz-Fächer immer unter der Ironie-Flagge gesegelt. (André Kubiczek: Skizze eines Sommers)
  • Früher war es wichtig, Solschenizyn und Koestler zu lesen und weiterzugeben. Es war schon wichtig, einfach nur gegen den Staat zu sein, mehr mußte man gar nicht tun, um wichtig zu sein. Natürlich war das eine ganz idiotische Wichtigkeit, trotzdem fehlt sie mir. (Monika Maron: Endmoränen)
  • [Marode Rohrsysteme] Nun werden die Morgenträume wieder interpunktiert von den Nöten des heißen Wassers, das Mr. Robinson aus dem Keller in freistehenden Rohren durch Stockwerk nach Stockwerk aufwärts schickt. (...) Später, wenn die Heizung ihre Erregung zu hilflosem Zischen in den Heizkörperventilen gedämpft hat, treten die anderen Geräusche des Sonntags auf. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • Der Name Tante für Kindergärtnerinnen, Heldinnen der Bevormundung, war gehässig. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • die "neuesten Kontrollzeremonien an der Grenze". (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • An der Wand hing ein Schild, "Auseinandertanzen verboten". (Regina Scheer: Machandel)
  • "Manchmal zog ich morgens mit ein paar Handgriffen Jans Bettdecken gerade, half ihm, wenn er mit der Revierpflege dran war, denn bei einem Rundgang hätte es Punkteabzug für den ganzen Schlafsaal gegeben. Für gute Punkte gab es einen Sputnik, für schlechte einen Bremsheini." (Regina Scheer: Machandel) - Was zur Hölle war ein "Bremsheini?"
  • Eine Minute nach dem Schreck, weil ihr Freund gesessen hat. (...) "Politisch", sagte er wie tröstend, behielt aber für sich, was er über die Politischen dachte, seit er diesen Spinner, den Liebscher, vom Dachbalken abgeschnitten hatte; empfindliche Intelligenzler, die einfach erledigt sind oder stolz wie die frühen Christen auf ihr Martyrium. (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • "Die Wandlungsfähigkeit der Deutschen", sagte er, und die alte Dame folgte seinem Blick und bemerkte jetzt die rote Fahne im Erker des Nachbarhauses und den runden Fleck von hellerem Rot auf dem Fahnentuch. "Unser Nachbar hat mit genialer Einfachheit das Problem des Übergangs in den Bolschewismus gelöst. Wer hätte einem Herrn in seiner Position ein so schlichtes Gemüt zugetraut? " (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • Bezüglich der damaligen Fluchtwelle vom August bis November 1989: "Leider können wir das nicht verhindern. Es sind zu viele inzwischen, meist die Leute gleich von nebenan. Sie sind einfach schneller als wir. Wenn unsere Bürger ihre Mitbürger mit Koffern und Taschen auf der Straße sehen, haben sie das Brecheisen schon in der Hand." (Lutz Seiler: Kruso)
  • Was ist ein Ulb? - Die Zeitspanne, die man brauchte, um das Radio abzuschalten, wenn Ulbricht sprach. - Was ist ein Schnitz? Ja genau, Schnitzler vom Schwarzen Kanal. Huuh! jaulen sie. Ein Schnitz war ein Zehntel Ulb. (Petra Morsbach: Dichterliebe)
  • Du wärst um der Karriere willen auf Knien um den Palast der Republik gerutscht und hättest das als Performance ausgegeben. (Petra Morsbach: Dichterliebe)
  • Wir Ostler haben die Sprengkraft des Geldes unterschätzt. (Petra Morsbach: Dichterliebe)
  • Solang noch ein DDR-Fön irgendwo Haare trocken kriegt, ist die DDR nicht tot. (Sasa Stanisic: Vor dem Fest)
  • [Westverwandte] Und so was geht hin und versaut einem die Kaderakte. (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • Die damals in der DDR hatten sogar ihren Dialekt als biologisches Verhütungsmittel. (Die Klugscheißer)
  • ... wurde 1989 zum Jahr der Wunder in Europa. Was Solidarnosc in Polen zehn Jahre gekostet hatte, das erreichten die Ungarn in zehn Monaten, die Ostdeutschen in zehn Wochen und die Tschechen in zehn Tagen. (Emmanuel Carrere: Limonow)
  • Die Stimmung im Feldversuch Sozialismus war so durchdringend trostlos, die Gesichter waren so müde, dass selbst Sonnenschein kaum helfen konnte. (Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben)
  • Die hohen Mietshäuser links und rechts sahen erbärmlich aus. Die Stuckfassaden waren vom Rauch der Kohleöfen geschwärzt, wo nicht nacktes Mauerwerk bleckte. Die Balkone sahen aus, als könnten sie einem jeden Moment auf den Kopf fallen. Ruinen schaffen ohne Waffen, der Witz fiel ihm ein: die Losung der Kommunalen Wohnungsverwaltung. (Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts, S. 290)
  • Wenn zwei DDR-Schriftsteller zusammenstehn, denke ich unbehaglich, reden sie zuerst über Westreisen. (Christa Wolf: Ein Tag im Jahr. 1960-2000, S. 321)
  • "Wissense, was Wirdschaft is'?" Helmut Hoppe kippte einen Schnaps. "Ich will een Staubsauger - und kann mir aus fümf'n een aussuchen, ooch wenn er aussieht wie meine Frau. Und wissense, was Blanwirdschafd is? WennÄs nischema Staub gibt." (Uwe Tellkamp: Der Turm)
  • Die westliche Ideologie des Kapitalismus, die jeden anderen Ismus ersatzlos gestrichen sehen will, spricht sich wie hinter vorgehaltener Pistole aus: entweder Martkwirtschaft oder... Wer hebt da nicht die Hände und ergibt sich den Segnungen des Stärkeren, dessen Unanständigkeit so sichtbar durch Erfolg relativiert wird. Doch auf Mark und Pfennig berechnet, wird die deutsche Frage nicht zu beantworten sein. (Günter Grass: Grimms Wörter, S. 181)
  • Im besseren Deutschland ist eine Wand umgefallen und ab jetzt gibt es nur noch das schlechtere Deutschland. Der Wand mußte das früher oder später passieren. (Sasa Stanisic: Wie der Soldat das Grammofon repariert, S. 174)
  • Ich haßte nicht die Mauer, ich haßte nicht die DDR. Ich haßte nicht den Kalten Krieg, nicht die Nazis, die letzten Endes die Schuld der deutschen Teilung trugen. Ich haßte nicht die Deutschen, die zu doof waren, ein ganz normales 01815-Volk zu sein. Ich haßte gar nichts. Ich war nur tot, eine Zeitlang jedenfalls. (Rayk Wieland: Ich schlage vor, daß wir uns küssen, S. 61)
  • Öffentlichkeit (...) begann für die Stasi knapp unterhalb einer Skatrunde - bei zwei Personen. (Rayk Wieland: Ich schlage vor, daß wir uns küssen, S. 29)
  • ... klappte die DDR wie ein falsch montiertes Chemieklo aus Versehen zusammen und kam zu den Akten. (Rayk Wieland: Ich schlage vor, daß wir uns küssen, S. 12)
  • Die Besonderheit der DDR-Gesellschaft bestand darin, daß es trotz aller bedrohlichen Zeichen immer irgendwie weiter ging, und sei es auch um den Preis von wirtschaftlichem Ausverkauf und internationaler Verschuldung. Der Kollaps wurde kaschiert, bis er eintrat. (Wolfgang Engler: Die Ostdeutschen, S. 298)
  • Es gibt zu denken, daß gerade diejenigen, die ihr Leben den Stasiakten und der Spitzeljagd geweiht haben, sich zunehmend dem Gegenstand ihrer Forschung anzuverwandeln scheinen. (Monika Maron: quer über die gleise. Essays, Artikel, Zwischenrufe, S. 39)
  • ... der Gegner, dem Johanna seinen Widerstand zugeordnet hatte, war über Nacht in die Äonen der Geschichte eingegangen; der Staat, als dessen Feind sie sich beide verstanden hatten, als lächerliche Mißgestalt von der Weltbühne gejagt worden. (Monika Maron: Ach Glück, S. 95)
  • Die DDR war so sagenhaft verfehlt. Sie verkaufte Bürger in den Westen und stellte sich dennoch als Paradies dar. Wo gab es dergleichen schwerwiegenden Staats-Kuddelmuddel noch? (Hans Pleschinski: Ostsucht. Eine Jugend im deutsch-deutschen Grenzland, S. 97)

Wetter/Klima

  • Die Luft säbelt Schmisse ins Gesicht. (Dagmar Leupold: Die Witwen. Ein Abenteuerroman)
  • Die Sonne hatte die Gipfel frei geräumt, ergoss sich jetzt in Kaskaden den Berg herab und verkündete Nanyuki einen sehr heißen Tag. (Meja Mwangi: Rafiki)
  • Die Hitze bildete ein weißliches Medium, ein atmosphärisches Spinngewebe, das zwischen Himmel und Erde aufgehängt war, den Blick nach oben verlegte und die Atemzüge der Menschen kürzer und rascher gehen ließ. (Franz Werfel: Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd)
  • Seit dem frühen Morgen regnet es wieder. Es ist kein dramatischer Regen, kein Kinoregen, der aufwendig an die Fensterscheiben trommelt und durch die Straßen peitscht; es ist nur ein dünnes, regelmäßiges Einnässen der ganzen Welt, weiter nichts. (Wilhelm Genazino: Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz)
  • Die langatmige Dämmerung des Juni lag noch im Raum... (Franz Werfel: Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd)
  • Nach Tisch war ein gewaltiges Alpengewitter niedergegangen. Nun aber hatte sich eine durch den Aufruhr entkräftete Augustsonne hervorgekämpft und umspülte angenehm die Terrasse, auf der wir saßen und in den erschöpften und reingeweinten Park hinaussahen. (Franz Werfel: Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd)
  • Bevor ich mich schlafen legte, trat ich nochmals ans Fenster. Und tatsächlich - der erste Herbsthauch lag in der Luft, ein Gefühl der Verschwendung, des Sehnens, Nehmens und des Bewahrenwollens, bevor es zu spät ist. (J.L. Carr: Ein Monat auf dem Land)
  • ...Schnee, dieser zauberhaften Materie, die die ganze Welt in ein unbeschriebenes Blatt verwandelt, das leise um neue Buchstaben bittet. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Es regnet. Wenn die Sonne Gold ist und der Mond Silber, dann ist der Regen das simple, handgefertigte Zinn. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Obwohl schon eine Woche alt, ist er [Schnee] von reinem Weiß. Ein weggeworfenes Taschentuch kann es mit seinem Weiß nicht aufnehmen. Ich sehne mich nach mehr Schnee oder gar keinem, nach einem entschlossenen Zustand. (Annette Pehnt: Briefe an Charley)
  • Der Schnee des Jahres hatte zu fallen begonnen. Wahrscheinlich weil er der einzige bleiben sollte, legte er sich so gewaltig ins Zeug. (...) Schnee, diese zauberhaften Materie, die die ganze Welt in ein unbeschriebenes Blatt verwandelt, das leise um neue Buchstaben bittet. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Der Schnee ließ sich während der Festtage weiß Gott nicht lumpen. (Margriet de Moor: Mélodie d'amour)
  • Morgens war der Park so dicht verpackt in graues Licht, daß das Jahr schon wieder auf den Winter zuzulaufen schien. (Uwe Johnson: Jahrestage 3)
  • Der Himmel war zugezogen inzwischen, ließ die Sonne unbeständig zwinkern, drohte mit Trübe Regen an. (Uwe Johnson: Jahrestage 3)
  • Der Regen trommelte auf den Asphalt mit der Arroganz eines Elementes, das niemandem verantwortlich ist, und ohne Rücksicht auf Vorangegangenes. (Isaac B. Singer: Old Love. Geschichten von der Liebe)
  • "Regnet es?" fragt Zapp. "Nein, es ist ganz klar. Man sieht lauter kleine Felder, wie eine Patchwork-Decke." "Wenn es nicht regnet, kann's nicht England sein. Wahrscheinlich sind wir vom Kurs abgekommen." (David Lodge: Ortswechsel)
  • "Gestern ist der Herbst frisch und strahlend eingetroffen. Die amtliche Wachablösung trat um 1 Uhr 38 Minuten ein." (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • Draußen lag der Schnee in Form einer niedergetreteten und niedergefahrenen, aber ziemlich lückenlosen und alles andere als fadenscheinigen Matte. zum Schnee war nun eine beträchtliche Kälte gekommen. In der Luft lag der Klang von Glas, gegen das ein Festredner seinen Löffel schlägt. (Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell)
  • Das Wetter regnet sich so durch. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • Es war ein Tag mit ätzendem Wind, kalt genug das Warten eindringlich und inständig zu machen. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • Wind war aufgekommen; er erfüllte die Luft mit einem zornigen Geräusch. (Irène Némirovsky: Die süße Einsamkeit)
  • Es fängt an zu schneien. (...) Es ist jetzt sehr still in den Wäldern (...). Die Natur hat den Finger auf den Mund gelegt. (Wilhelm Raabe: Abu Telfan)
  • [Die Winter] krallen sich bis Mitte April am Boden fest (...). Als hätte das Wetter vergessen, wie Frühling geht. (Juli Zeh: Unterleuten)
  • ...an einem jener Tage, die noch den späten Sommer spüren lassen, ohne ihn mehr zu haben, und deren frühe Kälte einem schon so in die Glieder kriecht, daß man wie betäubt darauf hofft, sie möge endlich die Klarheit gewinnen, die es ermöglicht, sie zu ertragen... (Thomas Hettche: Pfaueninsel)
  • Im März kann die Dämmerung mit so schönen halben Stunden kommen, wenn der tagsüber wehende Wind müde wird und die Welt schwermütig überlegt, ob sie sich in Rot oder Grau auflösen soll. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Die Landschaft, auf die er nun blickte, war trübe und kahl, vergewaltigt vom Winter. (Philip First: Papierdünn. Bizarre Stories)
  • Der Frühling besitzt dieses Jahr die Unverschämtheit, schon im Februar wie eine unaufhaltsame Infektion überall auszubrechen. (Annette Pehnt: Lexikon der Angst)
  • Das enorme Getöse des Regens, der Rest der Welt machte Pantomime. (Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten)
  • Die Nacht hatte sich verzupft, der Vormittag schlich noch total deshabillé durch die Gegend, gegen Mittag aber warf sich der Tag in Schale und es klarte merklich auf. Einer dieser herrlichen Tage im Herbst, an denen die Sonne schon tiefer gehängt wurde und alles weich ausleuchtet, die Farben werden pur und satt, die Haut, das Haar und Haus und Fluss, alles wird mild und schön im Herbst. (Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten)
  • Die Sommertage dehnen sich, es ist so heiß, dass nachts in ihren Träumen selbst die Gespenster schwitzen. (Angelika Klüssendorf: April)
  • Die Abenddämmerungen waren glutvoll und melodramatisch, mächtige Streifen in Orange und Karmesin und dem Zinnoberrot aus Lawrence von Arabien, und die Nacht fiel dunkel und hart herab wie eine zugeschlagene Tür. (Donna Tartt: Der Distelfink)
  • Es war ein hinterlistiger Nordostwind, der nicht pfiff, die Sorte Wind, die sie in Slowenien Bora nennen und der vom Tod geschickt wird, wenn es Zeit ist, jemanden zu holen. Wenn ein Wind einen eigenen Namen hat, muss man sich in Acht nehmen. (Bart Moeyaert: Graz)
  • Es begann zu schneien. Der Schnee fiel lotrecht. (Bart Moeyaert: Graz)
  • Der Sommer kam über das Land wie ein Eroberer. Jeder Tag war schön. Der Himmel hatte ein herausforderndes Blau, das die Nerven aufpeitschte. Das Grün der Bäume war grell und aufdringlich, und die Häuser leuchteten, wenn die Sonne sie beschien, so weiß, dass es schmerzte. (William S. Maugham: Der Menschen Hörigkeit)
  • Einer der katzenjämmerlichen Sommertage war’s, von katarrhalischen Himmeln überwölbt, denen so stumpf zu Mute ist, daß sie sich zu keinem Regen entschließen können. (Franz Werfel: Kleine Verhältnisse)
  • Zaghafte Jahreszeiten: läge kein Schnee ab und zu, vermutete man immer den kalten Frühling. Alle Blüten farblos, ja nicht auffallen. Keine Hummel hat auf so was Lust. (Sasa Stanisic: Vor dem Fest)
  • Draußen im hellen Mondlicht schlug die herbstliche Kälte die erstorbene Natur mehr und mehr in ihren Bann. Man sah, wie ein kalter grauer Nebel über das fahle Gras hinzog und wie im froststarren Wald, der noch nicht schlief, das letzte Laub an den Bäumen zitterte. (Anton Cechov: Gespräch eines Betrunkenen mit einem nüchternen Teufel. Erzählungen)
  • Die feuchte Luft, lau in der noch schwachen, aber schon wärmenden Sonne, hauchte die beunruhigende Süße des Frühlings. (Anatol France: Die rote Lilie)
  • Nachts lief ich mit quatschnassen Schuhen durch die Gosse. Aber während im Süden der USA Hunderte an den Folgen einer Hitzewelle krepierten, zeigte sich, daß es bei uns jeden Tag noch einen Grad kälter werden konnte, einen Milimeter nasser, eine Viertelstunde früher dunkel... Der Sommer schien auf der Strecke geblieben zu sein. (A.F.Th. van der Heijden: Unterm Pflaster der Sumpf)
  • Da das Wetter draußen zwar entschieden feucht war, jedoch kaum, was man kühl nennen konnte, schien mir diese Zentralheizungsorgie reichlich übertrieben. (Vladimir Nabokov: Das wahre Leben des Sebastian Knight)
  • Ein charakterstarker, üppiger Herbsttag. (Clemens J. Setz: Indigo)
  • Es war einer dieser entzückenden Apriltage, die einen in dem Wahn verkehren lassen, der Sommer habe schon begonnen. (Maarten 'tHart: In unnütz toller Wut)
  • ... bis der Sommer da war, als kurze Einstimmung auf den Herbst. (August Strindberg: Das Rote Zimmer)
  • Am Spätnachmittag eines wiederum stürmischen Tages traf Rivers in Craiglockhart ein. Dieser Herbst schien einen größeren Vorrat an solchen Tagen zu haben, die er gnadenlos austeilte, einen nach dem anderen, wie eine Wahrsagerin mit einem tödlichen Kartenspiel. (Pat Barker: Niemandsland)
  • ... fiel Albert erst richtig auf, was für ein herrlicher Oktobertag es war, so einer, bei dem seine Mutter immer ausrief: "Das ist meine Jahreszeit!" (A.F.Th.van der Heijden: Der Gerichtshof der armherzigkeit, S. 265)
  • "Der Gang durch die Vorstadt war wieder qualvoll. Wie einlich ist der Winter, der die Menschen in ihre äuser treibt." (Eduard Graf von Keyserling: Seine iebeserfahrung)
  • Jeder Wechsel der Jahreszeit kam für ihn überraschend, er konnte zwar Schnee von Sonnenschein unterscheiden, aber ansonsten hatte er keine Nase fürs Wetter. (Annie Proulx: Weit Draußen. Geschichten aus Wyoming, S. 95)
  • "das weiße Gefängnis des Winters" (John Fante: Warte bis zum Frühling, Bandini; S. 21)
  • Der eisige Wind hobelte über sein Gesicht. (Heinrich Steinfest: Tortengräber, S. 57)
  • Die Tage wurden immer eifriger kürzer. (Jean Echenoz: Ich gehe jetzt, S. 271)
  • ... wo der Frühling seine Blütenfallschirme präsentierte. (Pacal Mortier: Macel)
  • Das Wetter? Psychologen wissen es, seriöse Meinungsforscher auch: Umfragen bei Sonnenschein ergeben mehr positive Gesamturteile über die eigene Zufriedenheit als solche bei Regen. (Wolf Schneider: Glück. Eine etwas andere Gebrauchsanweisung)
  • An dem Tag, als er zur Vertragsunterzeichnung bestellt war, setzte heftiger Frost ein, alles war erstarrt und vereist: die Straße, der Fahrdamm, die Straßenbahn. Den Menschen wuchs Grau an die Schläfen, Bärte wurden versilbert, jeder trug seinen Atem wie Zuckerwatte am Stiel vor sich her. (Michail Schischkin: Venushaar)
  • Es war die Zeit, in der die Hitze einem wie eine Ohrfeige ins Gesicht schlägt. (Lars Gustafsson: Der Dekan)
  • In mir die verschleppte Müdigkeit des grauen, nassen Dezembers. (F.C. Delius: Mein Jahr als Mörder, S. 8)
  • Die Wintersonne durchfingerte den Raum. (Franz Werfel: Cella oder Die Überwinder)
  • Die anachronistische Sonne dieses Dezembertags... (Franz Werfel: Cella oder Die Überwinder, S. 32)
  • Der Himmel strahlte blau, die Sonne glühte. Kein Vogel riskierte einen Flug, er wäre geröstet vom Himmel gestürzt. (Urs Widmer: Herr Adamson)
  • Der Frühling nahte, der Wiener Frühling, dem keines der weinerlichen Chansons jemals etwas anhaben konnte. (Joseph Roth: Die Kapuzinergruft, S. 144)
  • Die ersten Tage des Sommers waren nicht mehr fern; gegen Abend packten mich Anfälle von Schwermut, wenn ich den Himmel hinter den Knospen der Bäume sich röten sah; ich empfand die Süße der Luft und jenes Zarte, Sehnsüchtige, das der Frühling mit sich bringt. (Julien Green: Der andere Schlaf, S. 78)
  • Eigentlich ist immer Winter, nur mit Sommerpausen. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)
  • Vielleicht lag dieser Frühjahrstag schon in vorauseilender Sommerahnung windstill. (Reinhard Jirgl: Die Stille, S. 140)
  • Es war warm, der April schien Kredit beim Mai aufgenommen zu haben. (Reinhard Jirgl: Die Stille)
  • Frühling = Frostableiter (Jean Paul)
  • Die Sonne schien ein wenig zwischen den Wolken durch - hier im Norden nennt man das schon schönes Wetter. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 14: Betrachtungen und Berichte. 1927-1961, S. 14)
  • ... einmal schielte sogar die Sonne durch die Wolkendecke, um daran zu erinnern, daß fortgeschrittener Mai war. (Jochen Schimmang: Das Beste, was wir hatten)
  • Spätherbst mit einer kalten und frechen Sonne... (Arthur Schnitzler: Sterben. Erzählungen 1880-1892, S. 58)
  • Der Frühling (...) blüht einem zudringlich ins Gesicht... (Arthur Schnitzler: Sterben. Erzählungen 1880-1892, S. 59)
  • Der Wind, der ihm entgegenprallte, wollte ihm mehr zum Einatmen geben, als er ausatmen konnte. (A.F.Th. van der Heijden: Das Gefahrendreieck, S. 89)
  • Natürlich Tiefdruckwetter. Diese abenteuerhindernde Gräue. Schon normalerweise fiel es Valeska vor Wintersonnenwend schwer, hoffnungsverbrauchende Tätigkeiten zu beginnen. (Irmtraud Morgner: Trobadora Beatriz, S. 675)
  • Die Sonne war der Gewalttätigkeit bereits abgeneigt, dem Horizont zu. (Irmtraud Morgner: Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura, S. 21)
  • Für dieses weite Herz war der Frühling kaum zu ertragen. Er trieb nicht nur die Schöpfung zum Äußersten, nein, er blies auch mit würzigen Winden in unschuldige Nasenlöcher. (Knut Hamsun: Schwärmer; Vagabundentage, S. 19)
  • Peter sagt: Ich verspreche euch vierzehn Tage schönes Wetter. Ich habe meinem Namenspatron einen Schnaps bezahlt, da wird er uns nicht im Stich lassen. (Arno Geiger: Es geht uns gut, S. 19)
  • Leichter Dunst in der Ferne. Die Nähe übermäßig klar. Noch liegt erst ein zögerndes Gelb über den Laubbäumen, die nach einem nassen Sommer aquariumblau geworden sind. Erstes Rot im Kirschenlaub. Schilfblätter verdorren - sieht allerdings in der Bucht, merkwürdig umschrieben, wie eine chemische Einwirkung aus. Wäre nicht das erstemal, daß Herbezid verwendet wird. Kleine Vögel wispern im Gezweig. Die Landschaft rüstet sich zum Herbst. (Walter Vogt: Altern, S. 70)
  • ... eine Flut, vor der ein Noah erschrocken wäre... (Annie Proulx: Das grüne Akkordeon, S. 95)
  • Herbst hat etwas Memoirenhaftes. (Walter Vogt: Altern, S. 75)
  • Wenn jetzt Regen fällt, wird der Sommer abgetötet, wie beim Zahnarzt durch Vereisung ein Nerv. (Walter Vogt: Altern, S. 74)
  • Draußen sammelte sich eine letzte Brüllhitze, als würde der scheidende Sommer mit hochrotem Kopf noch einmal das Maul aufreißen und einen (…) heißt und verächtlich anhauchen. (Terezia Mora: Alle Tage, S. 11)
  • In unserem Lande ist es sehr frostig und feucht, unser Sommer ist nur ein grün angestrichener Winter, sogar die Sonne muss bei uns eine Jacke aus Flanell tragen, wenn sie sich nicht erkälten will; bei diesem gelben Flanellsonnenschein können unsere Früchte nimmermehr gedeihen, sie sehen verdrießlich und grün aus und, unter uns gesagt, das einzige reife Obst das wir haben, sind gebratene Äpfel. (Heinrich Heine)
  • Die Nässe des Sommers, die jegliche Art von Korrosion begünstigt und den Garten in eintönigem Grün erstickt hatte, trocknete langsam aus. Die Blätter wurden farbiger, die Stengel filigraner. Fäden des Altweibersommers strichen um die Stirn. Stechmücken starben in der Nachtkälte oder flüchteten sich ins Haus, wo sie ohnmächtig an den Wänden dösten. Auch Heuschrecken kamen herein, und Grillen zirpten nachts in den Zimmern. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.89)
  • Die Sonne flutet in die Wohnung und zeigt mir mein verflustes Leben. Im Sommer fühle ich eine zusätzliche Schuld. Um zehn Uhr abends ist es immer noch hell und morgens um fünf schon wieder. Die Tage dehnen sich unverschämt und machen mir klar, wie sehr ich sie verstreichen lasse. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 45)
  • Der Morgen kündigte einen jener heißen Septembertage an, die einen glauben lassen, der Sommer wolle ein letztes Mal mit allen seinen Flammen auflodern. (Julien Green: Dixie, S. 354)
  • “Der Mond benimmt sich heute empörend auffällig”, stellte er mit einem melancholischen Blick auf den fahlen Nachthimmel fest. Äcker und Sträucher lagen weißbestaubt von Licht. Es war eine Lichtstimmung wie an schwülen Sommertagen kurz vor Sonnenaufgang. (Klabund: Das Mädel)
  • Nach dem Mahle gingen alle auf die Terasse, um Kaffee zu trinken. Es herrschte prächtiges Wetter; vom Garten wogte der süße Duft der eben jetzt voll erblühten Linden heran; die Sommerluft, ein wenig erfrischt vom dichten Schatten der Bäume und von der Feuchte des nahen Teiches, atmete schmeichelnde Wärme. (Iwan Turgenjew: Drei Begegnungen, Erzählungen, S. 285)
  • … lagen sie ganze Sommer auf ihrem Platz in der hintersten Ecke des Schwimmbades mit ersten heimatlosen Erektionen. (Arnold Stadler: Eines Tages, vielleicht auch nachts, S. 28)
  • [Sommer 1945] Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, der Himmel wollte wohl, daß ihm verziehen wurde, das Barometer stand immer auf Schön. (Erik Orsenna: Inselsommer, S. 53)
  • Man muß die Fenster schließen, wenn man nicht in Bratwurstgeruch eingehüllt werden möchte. Im Sommer wird man viel stärker vergesellschaftet als im Winter. (Wilhelm Genazino: Die Liebesblödigkeit, S. 126)
  • Ich zog die Rolläden hoch und öffnete die Fenster, um den schüchternen Frühling einzulassen, er zögerte, kam aber schließlich doch herein und verteilte sich mit leichten tänzelnden Schritten in den Zimmern. (Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 358f.)
  • Auf einmal kam in diesem Jahre der Frühling. In den Zimmern lagen noch die Kälte und die feuchte Dämmernis der Wintertage. Man öffnete die Fenster. Die Häuser erinnerten an gelüftete Grüfte und die Menschen, die ans Fenster kamen, an gelbe, freundliche Leichen. Der Klang der auferstandenen Leierkästen, die auf einem in Scharen durch die Höfe zogen, als wären sie mit den Zugvögeln aus dem Süden gekommen, erhöte den Lebensmut auch der Skeptiker. (Joseph Roth: Rechts und Links, S. 78)
  • Ein trüber Anblick bot sich ihm. Wie jeder englische Frühling schien auch der, der soeben in London eingekehrt war, in sturer Verbissenheit unfähig zu der Entscheidung zu sein, ob er nun von der ätherischen Milde sein sollte, die die Dichter besingen, oder für die Skifahrer passend, die der Winter übriggelassen hatte. Vor einem Moment hatte die Sonne noch mit außerordentlicher Kraft gestrahlt, jetzt aber wütete eine Art jugendfrischer Schneesturm. (Pelham Grenville Wodehouse: Schloß Blandings im Sturm der Gefühle, S. 6)
  • Der leichte Dunst auf der sonnigen Ferne deutete tausendmal eher auf einen neuen Frühling als auf den nahen Winter hin. (Wilhelm Raabe: Pfisters Mühle, S. 178)
  • Der Januar bescherte wie immer den einen Tag, an dem die Leute sagten, die Luft rieche nach Frühling. (Penelope Fitzgerald: Die Buchhandlung, S. 114)
  • Er und Berenice hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, wenn der Frühling naht, für einige Wochen auf eine warme Insel zu fliegen, um sich dafür zu belohnen, daß sie wieder einen New-England-Winter durchgestanden hatten. (John Updike: Der Mann, der ins Sopranfach wechselte, S. 71)
  • An diesem Freitag, ein paar Tage nach dem rechnerischen Antritt des Frühlings, überantwortete sich auch die Wetterwirklichkeit der neuen Jahreszeit, und zwar mit der Wucht einer überpersönlichen Blähung. (Heinrich Steinfest: Der Umfang der Hölle, S. 67)
  • … frühlingsbesoffene Jugend. (Monika Maron: Ach Glück, S. 88)
  • Der Frühling war ihm zuwider, da in diesen Wochen die Natur es an Rücksicht mangeln ließ und sich mit ihrem Blühen, Sprießen und Gedeihen in kaum schicklichem Maße dem Gemüt aufnötigte. (Michael Schulte: Das Angebot der Woche. Katzengeschichten, S. 99)
  • Der Kalender bestand darauf, daß der Frühling bereits vor einer Woche begonnen hatte, aber irgendjemand hatte vergessen, das Wetter davon in Kenntnis zu setzen. (Marianne Macdonald: Das Manuskript, S. 24)

Mimik & Gestik

  • ... Verlegenheitsgrinsen, das er stets an den Tag legte wie alle Leute, die sich quasi dafür entschuldigen, daß sie auf der Welt sind. (Herbert Rosendorfer: Die Donnerstage des Oberstaatsanwalts)
  • Die Veränderung, die in seinem Gesicht vorging, hätte man mit dem Klarwerden einer behauchten Spiegelscheibe vergleichen können. (Jakob Wassermann: Faber oder die verlorenen Jahre)
  • ... senkrechte Stirnfalte wie ein Ausrufezeichen. (Susann Pasztor: Ein fabelhafter Lügner)
  • Er hob beschwörend, jedoch ein wenig unbeholfen den Arm mit der goldenen Uhr, wie ein Verkehrspolizist bei seinem ersten Einsatz in einem ruhigen Stadtviertel. (Hugo Claus: Der Kummer von Belgien)
  • Herr Höll war ein Zwei-Meter-Mann von der Sorte, die sich für ihr Zwei-Meter-Mann-Sein durch einen dauerhaft vorgebeugten Oberkörper und hochgezogene Schultern entschuldigte. (Susann Pásztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster)
  • Wenn Gesa das Leben nicht in Ordnung findet, ißt sie nicht mit Messer und Gabel, sondern nur mit der Gabel. (Wilhelm Genazino: Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz)
  • Schließlich gingen die meisten Leute durchs Leben, indem sie eine bestimmte Anzahl von Gesten ausführten, wie im voraus eingeübte Tanzschritte. (Edith Wharton: Der flüchtige Schimmer des Mondes)
  • ... milderten sich seine Züge allmählich zu dem, was bei ihm ein heiteres Lächeln war, bei jedem andern aber ein gräßliches Schmerzensgrinsen hätte genannt werden können. (Charles Dickens: Der Raritätenladen)
  • Wenige geglückte Umarmungen in meinem Leben, eine schwierige Geste... (Annette Pehnt: Briefe an Charley)
  • Meine Mutter begrüßte ihn mit einem leisen, erleichterten "Ja", was lustig klang, weil sie es auf norwegische Art aussprach, indem sie die Luft dabei nicht ausstieß, sondern einsog. (...) Tante Hedvig kam uns auf dem Garagenhof entgegen. Wir nahmen uns in den Arm und begrüßten uns auf Landesart mit einem Klem, bei dem man die Wangen aneinanderlegt, ohne zu küssen. (Matthias Brandt: Raumpatrouille. Geschichten)
  • Geshs Miene war so selbstgerecht wie die eines Fundamentalisten bei einer Bücherverbrennung. (T.C. Boyle: Grün ist die Hoffnung)
  • Warum sieht man es den Leuten immer an, wenn sie einem Gemeinheiten sagen wollen? (Julian Barnes: Metroland)
  • In letzter Zeit ist er auf eine schrecklich ungesunde Art aktiv geworden. Ja, ja, diese hysterischen Willensmenschen. Er bekommt auch schon so einen lächerlich markanten Zug ums Kinn. (Klaus Mann: Treffpunkt im Unendlichen)
  • Raucher waren Leute, die nicht gleich reden wollten, die sich erst sammelten und dabei ihre kleine Pantomime aufführten. (Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis)
  • ...legte die Fingerspitzen mit klerikaler Langsamkeit zusammen. (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)
  • Ich gehöre zu denen, die nicht viel Zutrauen haben zu heiteren Gesichtern und Diplomatenkoffern. (Anthony Trollope: Septimus Harding, Vorsteher des Spitals zu Barchester)
  • Wenn er mich ansah, entstand in seinem Gesicht so ein Augenlächeln, und später entdeckte ich seinen ganz leisen, behutsamen Humor. (Regina Scheer: Machandel)
  • Mit ihrem Gesicht, noch mit ihren Halssehnen kann sie eine Empfindung unversehrt und kenntlich übermitteln und sich aussprechen außerhalb der Wörter in einer Sprache, die als verloren gilt. (Uwe Johnson: Jahrestage 1)
  • ... flüsterte Rutze mit einem Gesichtsausdruck, der über die Wahrheit seiner Versicherung die gegründetsten Zweifel erlaubte. (Theodor Fontane: Vor dem Sturm)
  • Manche Nachrichten sind so beschaffen, dass sie bereits in der Sekunde, bevor sie ausgesprochen werden, beim Empfänger eintreffen. In jener kurzen Pause, die plötzlich nur einen Schluss zulässt. (Stephan Thome: Fliehkräfte)
  • Sein eigener Anblick war verheerend. Das lag (...) an der Hagerkeit, die ihm jede Anstrengung scharf ins Gesicht schnitt. (Juli Zeh: Unterleuten)
  • Sie bringen in leidlichem Anstand das Aufstehen und Sichverbeugen zustande. Die ganze Tischrunde dienert wie ein Roggenfeld im Winde. (Hans Fallada: Bauern, Bonzen und Bomben)
  • Wie viele Frauen ihres Alters kontrollierte sie ihre Körperhaltung. Das heißt, sobald ein Schweigen entstand und ihre Gedanken zu ihr selbst zurückkehrten, richtete sie sich auf. (Emmanuel Bove: Colette Salmand)
  • Wie mangelhaft doch das Gesicht die Handschrift der Seele wiedergibt. Wie verschieden die Gefühle, die andere darin zu lesen meinen, von unseren wahren Empfindungen sind. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Fräulein von Hahn gab ihrem zweiunddreißigjährigen Gesicht ein siebzehnjähriges Lächeln. (Herman Bang: Exzentrische und stille Existenzen. Erzählungen)
  • Sanyi führte das Wort, Überzeugung durch Stimmaufwand ersetzend. (Laszlo Nemeth: Abscheu)
  • Das Geschöpf dort, schien Franziska, bestand nur aus Knien, Leib und dem hohen heulenden Schrei, und während sie, blaß vor Ekel und Entsetzen, die Hand auf den Mund drückte, dachte sie, wie allein das Mädchen war, unnereichbar für eine menschliche Stimme, ür die fremdsprachigen Vokabeln Schmerz, Kind, Glück, ausschließlich mit der Arbeit des Gebärens beschäftigt und in einer Einsamkeit, die nur der des Sterbens vergleichbar ist. (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)
  • Eds Frage nach Kruso überraschte den Esskaa. Als wäre etwas sehr Schlimmes geschehen, legte er augenblicklich beide Hände an seine Wangen. Es war die Geste goldzöpfiger Mädchen in sowjetischen Märchenfilmen, wenn sie erfuhren, dass der Drache ihren Liebsten getötet oder in ein Tier verwandelt hatte. (Lutz Seiler: Kruso)
  • Das ganze Gesicht drückt unaussprechliche Güte aus, nicht solche, der es leicht geht, sondern solche, die das Schwerste erfahren hat. (Robert Walser: Der kleine Tierpark)
  • Er presste die Lippen aufeinander, bis nur noch ein Minuszeichen überblieb. (Bart Moeyaert: Graz)
  • Er runzelte seine Stirn, als ob ein zu kurzes Gummiband in seine Augenbrauen genäht worden wäre. (Bart Moeyaert: Graz)
  • Er hatte ein nichtssagendes Gesicht, nicht geschaffen für seelische Notfälle. (Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River)
  • Es war einer jener Tage, an denen sein Gesicht wie eine vollkommen symmetrische Fassade wirkte, allerdings wie eine mit geschlossenen Fensterläden. (Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River)
  • Sie hob die gefalteten Hände mit einer Nunc-dimittis-Geste11 geläuterter Frömmigkeit. (Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River)
  • ... hißte das professionelle Lächeln eines wohlmeinenden Diplomaten. (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)
  • Er entließ den Fahrer mit einer flüchtigen Fingertaubenbewegungbewegung ins Nichts. (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)
  • Der mickrige Fahrer, der den sich in alle Unglücksfälle schickenden Märtyrerausdruck eines Altarbildes aufsetzte. (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)
  • Johannas Gesicht zerfiel, wie das oft ist bei Menschen, die abgründig müde sind. (Silvia Bovenschen: Nur Mut)
  • Er setzte ein schmales Lächeln auf, das als eine Art Satzzeichen zu dienen schien. (Sue Townsend: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb)
  • Sie versuchte sich an einem Lächeln. (Jonas Lüscher: Frühling der Barbaren)
  • ... lag in seinem Gesichtsausdruck eine Entschlossenheit, wie sie Menschen eigen ist, denen eine Erleuchtung gekommen ist. (Anton Cechov: Gespräch eines Betrunkenen mit einem nüchternen Teufel. Erzählungen)
  • Jede ihrer Gesten war von so präziser Luftigkeit, daß man sich neben ihr fühlte wie ein Wesen mit Hufen. (Ralf Rothmann: Shakespeares Hühner)
  • Durch ein heiteres Wesen hatte sich Mamsell Martin wohl nie hervorgetan; aber nun hatten die Jahre und die Erlebnisse wie immer dichter sich übereinander schiebendes Gewölk das letzte Licht in ihren Altjungferzügen ausgelöscht. (Wilhelm Raabe: Alte ester)
  • ... machte ein Gesicht, als schärfte er ein Messer in der Hosentasche. (August Strindberg: Das Rote Zimmer, S. 82)
  • Augenlider immer versnobt schläfrig auf Halbmast. (John Updike: Rabbit eine Rückkehr, S. 22)
  • Das Lächeln lag wie angeschraubt auf seinem Gesicht. (Annie Proulx: Weit Draußen. Geschichten aus Wyoming)
  • ... die Dame, die er soeben gönnerhaft niedergelächelt hatte. (Heinrich Steinfest: Tortengräber, S. 269)
  • ... furchte sich seine Stirn, seine Augen traten vor, und jedes seiner drei Kinne versuchte die anderen an Agilität zu übertrumpfen. (P.G. Wodehouse: Monty im Glück)
  • Sein erschöpftes Gesicht zeigte den halb stumpfsinnigen Ausdruck, den starkes inneres Beschäftigtsein verleiht. Wie bei allen, die stark arbeiten, war sein Mund zusammengepreßt wie eine Geldtasche mit angezogenen Schnüren. (Honore de Balzac: Die Entmündigung)
  • ... ein Gesicht, dessen strahlende Glückseligkeit nicht einmal von der Unfähigkeit eines fünftrangigen Malers hatte verdunkelt werden können. (Aldous Huxley: Genie und Göttin)
  • Es war großartig, Mrs. Towers Gesicht zu beobachten. Ich konnte mich meiner Bewunderung nicht erwehren: wie sehr doch gute Erziehung und gesellschaftlicher Schliff imstande sind, die natürlichen Instinkte des Weibes zu bekämpfen! Denn das Erstaunen und gleich nachher die Bestürzung, die Mrs. Tower einen Augenblick lang nicht hatte verbergen können, waren schnell überwunden, und ihr Gesicht nahm den Ausdruck liebenswürdiger Begrüßung an. (W. Somerset Maugham: Fußspuren im Dschungel. Erzählungen, S. 54)
  • ... die vom Blinzeln herrührenden Linien in ihrem Gesicht wurden tiefer und betonten den immer häufiger sich zeigenden Ausdruck einer ein wenig schwerhörigen Person, die den anderen vorwirft, nicht lauter zu sprechen. (John Updike: Die Tränen meines Vaters, S. 146)
  • Ein Mann, dem drei Ehen um die Augen eingraviert waren, dessen Mundwinkel von lebenslangem Telefonieren schlaff herunterhing. (Ian McEwan: Zwischen den Laken. Erzählungen, S. 120)
  • ... sie behielt dieses Lächeln angeschaltet und hatte die Brauen hoch in die Stirn gezogen. (Helen Garner: Das Zimmer, S. 53)
  • Sein Gesicht, das zeigte, daß er auf seinem Selbstwertgefühl nur so dahinsegelte, wirkte eigentümlich entwaffnend. (Helen Garner: Das Zimmer, S. 34)
  • Ihr Haar war elastisch wie ein Topfkratzer, und ihr Gesicht wurde von einem halben Lächeln grimmiger Ironie aufgehellt. (David Wagner: Vier Äpfel, S. 67)
  • Ich rannte zum Arzt. Er war ein viereckiger, mürrischer Kauz, dem man die Hämorrhoiden vom Gesicht herunterlesen konnte. (Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene, S. 229)
  • ... trug ein merkwürdig unerlöstes Hundegesicht zur Schau. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)
  • ... endloser Tratsch, Geschwätz von alleräußerster Überflüssigkeit, Freundlichkeit vom allergeringsten Echtheitsgrade - so daß ein Lächeln nur mehr als Feixen auf dem Gesichte und auch als solches sozusagen bloß in der obersten Epidermis stand. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)
  • Christian hatte das Gefühl, als hätte sich Falk in seinen Körper nur hineingeborgt, so schlotterig waren seine Bewegungen. (Uwe Tellkamp: Der Turm, S. 323)
  • Von weitem schickte ihnen Nelia die obszönste Geste aus ihrem elementaren Repertoire einer Nonnenschule herüber. (Antonio Lobo Antunes: Elefantengedächtnis, S. 32)
  • Er zuckte mit den Achseln, schmollte noch ein bißchen und gähnte dann gespielt. Dieses Gähnen kannte Albert nur zu gut an ihm: Gemeint als Zeichen seiner Gleichgültigkeit, gähnte der Mann damit seine ganze Erleicherung heraus. (A.F.Th. van der Heijden: Das Gefahrendreieck, S. 299)
  • Mein pflichtschuldiges Lachen verdorrt mir steif auf dem Gesicht... (John Updike: Der Zentaur, S. 132)
  • Hatte der nicht auch zuletzt all seine Heiterkeit verloren und machte solch ein verdammtes Arzeneigesicht, auf dem man hätte lesen mögen: 'Alle Stunde einen Eßlöffel voll?' (E.T.A Hoffmann: Die Serapionsbrüder, S. 157)
  • Er konnte sich vorstellen, wie sich die Festigkeit und Ruhe ihrer Gesichtszüge, die in lebenslanger Herrschaft über die kleinen Widerwärtigkeiten des Lebens den trügerischen Schein von Autorität angenommen hatten, plötzlich auflösen würden. (Edith Wharton: Zeit der Unschuld, S. 193)
  • Ich wartete und setzte währenddessen den zerstreuten, sanften Blick auf, den das Warten vor Türen stets verlangt... (John Banville: Athena, S. 16)
  • ... vertraute Maske des Miesepeters... (David Lodge: Wie bitte? S. 207)
  • Ihr Mienenspiel hat jene jüdische Fähigkeit, abrupt eine transzendente Wärme auszustrahlen, einen vertrauenerweckenden Zauber wie die Wasserfontäne, die Moses aus dem Felsen am Berg Horeb schlug. (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 255)
  • Die Art, wie ihre Frisur sich auflöste, Harrsträhnen sich seitlich lockerten, bezeugte ihre Bereitschaft zu einem Streit. (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 58)
  • Wenn er zu lächeln versuchte, konnten sich seine violetten Lippen nur kräuseln und krümmen wie ein modriges Blatt, das ins Feuer geworfen wird. (Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 46)
  • Wolfi grinste, was den kläglichen Eindruck erweckte, er tue es unter der Zuchtrute einer Gesichtsrose. (Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff, S. 112)
  • Was immer uns Rumen zeigt, meine Schwester quittiert es mit einem lieblichen Lächeln. Ich kenne dieses Lächeln genau. Meine Schwester setzt es auf, wenn sie im tiefsten Inneren angeödet ist. Es ist ein die Welt ihrer Lieblichkeit versicherndes Lächeln, das kommentarlos bleibt und keinerlei Anteil nimmt. Die trockene, in Zucker erstarrte Version ihres Lächeln. (Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff, S. 14)
  • Ihre Gesichtsausdrücke, in Beton übersetzt, hätten zwei perfekte Brückenpfeiler ergeben. (Ralf Rothmann: Wäldernacht, S. 68)
  • Der Mann zog grübelnd die Brauen zusammen. Hätte sein Nachdenken ein Geräusch gemacht, wäre jetzt das Rappeln leerer Flaschen im Kasten zu hören gewesen. (Ralf Rothmann: Milch und Kohle, S. 41)
  • Er machte den mürrischen Eindruck eines Mannes, der sich darauf freut, Geflügel den Hals umzudrehen. (Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 51)
  • Sein Gesicht nahm einen niedergeschlagenen und enttäuschten Ausdruck an, so als habe er beschlossen, für die grausame und schlecht organisierte Menschheit zum lebenden Vorwurf zu werden. (Georges Simenon: Maigret und die junge Tote)
  • Sie lispelte ein wenig, gerade so viel, wie nötig war, um ihrem gefährlichen Charme etwas beruhigend Naives hinzuzufügen. Ihre Augen, deren seegrüner Ton in diesem brünetten Gesicht befremdend wirkte... (Roger Martin DuGard: Die Thibaults, S. 428)
  • Er grinste wie ein Yogaschüler, der die große Anstrengung der Leibestötung lieber den Meistern überläßt. (Feridun Zaimoglu: Liebesbrand, S. 351)
  • Bill Oakshotts Verstand war neuen Ideen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen. Als er Lord Ickenham anstarrte, was seine Ähnlichkeit mit einem Fisch auf einem Serviertablett markanter denn je. (P.G. Wodehouse: Onkel Dynamit, S. 109)
  • Hans Hubermann hatte ein Gesicht aufgelegt, in dem alle Vorhänge zugezogen waren. (Markus Zusak: Die Bücherdiebin)
  • Er verbindlichte sein Gesicht... (Arno Schmidt: Brand's Haide)
  • So läppisch der Grund auch ist, sein Stirnrunzeln sieht immer nach Weltende aus. (Ralf Rothmann: Wäldernacht, S. 120)
  • Wir betreten den großen Speisesaal des Hotels "Walhalla". Eduard Knobloch, der Besitzer, ein fetter Riese mit einer braunen Perücke und einem whenden Bratenrock, verzieht bei unserem Anblick das gesicht, als hätte er bei einem Rehrücken auf eine Schrotkugel gebissen. (Erich Maria Remarque: Der schwarze Obelisk, S. 18)
  • Er hat so eine Art, mit den Mundwinkeln zu zucken, wie um auszudrücken, daß ihn die Dummheit seines Gesprächspartners sehr belustigt, ja daß er sich ein Lachen kaum verbeißen kann, sich aber tapfer und höflich um Zurückhaltung bemüht. (Alan Isler: Klerikale Irrtümer, S. 42)
  • Ritas Grinsen saß auf einmal so stramm, als sei ihr Gesicht beim Waschen eingelaufen. (Katja Lange- Müller: Die Letzten. Aufzeichnungen aus Udo Posbichs Druckerei, S. 68)
  • In seiner Geste lag noch immer etwas von der weiblichen, zärtlichen Hingabe der Besuche meiner Kindheit, bei denen alte Damen unter Schleierhüten in einer warmen, von Porzellan und Spitzendeckchen gesättigten Atmossphäre, in deren Halbdunkel riesige Uhrenpendel schaukelten, Tee tranken und Kekse aßen. (Antonio Lobo Antunes: Einblick in die Hölle, S. 191)
  • Fellworthy trat seine unbefleckten Schuhe in einem komplizierten Ballett auf der Fußmatte ab. (Kyril Bonfiglioli: Charlie Mortdecai in Das große Schnurrbart-Geheimnis, S. 262)
  • Beim perfekten Raucher ist das Rauchen so sehr zum Bestandteil seiner Gestik geworden, daß es sich mit der Zeit der Wahrnehmung entzieht. Irgendein beliebiger Zuschauer wird hinterher sogar abstreiten, daß überhaupt geraucht wurde. (A.F.Th. van der Heijden: Die Drehtür, S. 13)
  • Er hebt eine Augenbraue, normalerweise ein sicheres Zeichen, daß er gleich aus einem Buch zitiert, das ich nicht kenne, oder mir einen Vortrag hält. (Audrey Niffenegger: Die Frau des Zeitreisenden, S. 96)
  • Ein Lächeln auf halbmast, nervös, flüchtig. (Carlos Ruiz Zafon: Der Schatten des Windes, S. 272)
  • Ihr Gesicht zeigt den ernsten Ausdruck, der Ende der dreißiger Jahre noch in Mode war, wenn man fotografiert werden sollte. (Marcel Möring: In Babylon, S. 155)
  • "Bitte setzen Sie sich doch. Also, wie kann ich Ihnen helfen?" Gummer hatte nun zum erstenmal Gelegenheit, dieses Sie können mir alles anvertrauen, außer Ihrer Frau-Lächeln aufzusetzen. (Norbert Zähringer: So, S. 79)
  • Seine fahle Miene mit der Hornbrille zeigte jene steinerne Ruhe, zu der sich sehr nervöse und sehr eitle Menschen zwingen können, wenn sie sich von vielen Leuten beobachtet wissen. (Klaus Mann: Mephisto)
  • Barry steht anzüglich grinsend neben dem Telefon und kneift seine Augen zu Ziegenmösen zusammen. Eileenas Augenbrauen scheinen heute mittag ebenfalls hoch zu Roß zu sitzen, soweit ihre Holzschnitzfrisur das zuläßt. Ich weiß ja nicht, wie's woanders ist, aber hier bei uns signalisiert man moralische Überlegenheit mit den Augenbrauen. (DBC Pierre: Jesus, von Texas, S. 98)


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