Tagebuchnotizen (6) [<<]

Selbsterlebtes und Notizen aus dem Alltag


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Schon wieder krank?

Mittwoch: Krank? Schon wieder? Die am Sonntag vermeldeten Schmerzen und Beschwerden an der Lendenwirbelsäule brachte ich gestern bei der Hausärztin vor, die mir den Zahn zog, daß es sich um einen Bandscheibenvorfall oder eine LWS-Sinterung) handeln könnte, die es für ein degeneratives Geschehen, LWS-Syndrom genannt, hält, welches mir 12 Tage Krankschreibung und also - nach so vielen Wochen weniger, weil oft weggetauschter Dienste - Arbeitsfreiheit einbringt. Angesagt sind 6 Physiotherapietermine, die sich allerdings homöopathisch auf den ganzen noch verbleibenden April erstrecken. Zumindest ist meine schlimmste Befürchtung nicht eingetreten; denn ich sah wochen- bis monatelanges Siechtum vor mir mit ggf. sogar Krankenhausaufenthalt (OP), ich dachte: wenn zerbröselte Wirbelkörper, dann künftig Bewegungseinschränkung, was auch Berufsunfähigkeit bedeutete. Dieses, vor meiner Hausärztin gestern ausgebreitete Szenario lockte ihr ein mildes Lächeln hervor. Siehe, der alte Hypochonder mal wieder! Insofern - bei aller Niedergeschlagenheit, daß ich in den letzten Wochen kaum zum Arbeiten kam und mich abgehängt und perspektivlos fühle - insofern doch keine schwärzeste Schwärze, sondern eher stoisches Weiterso, Weiterwurschteln! // Sonntag: Gestern und heute waren Spätdienst vorgesehen. Gestern wurde ich angerufen, ich könne zuhause bleiben, weil die Patientenbelegung so mau aussieht, daß statt 3 nur 2 Spätdienste arbeiten müssen. Heute dieselbe Situation, nur daß eine andere Kollegin zuhause bleiben sollte, die ich aber gerade anrief, damit sie für mich den Spätdienst übernimmt. Grund sind schlimme Rückenprobleme mit Schmerzen, Knirschen in der LWS und dadurch immensen Bewegungseinschränkungen bzw. Schonhaltung. Meine LWS-OP an dieser Stelle ist 15 Jahre her. Möglicherweise ist ein akuter neuer Schaden vorhanden (Bandscheibenvorfall, LWS-Sinterung). Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Erstmal übermorgen zur Hausärztin und abrupte Bewegungen vermeiden. (8 + 10. April 2024)


Skrupelparty

Es ist nicht genug, daß externe Geschehnisse, die einem widerfahren, Einfluß nehmen auf das eigene Leben. Man... ich! torpediere mich selbst. In zunehmendem Maß. Die Verkorkstheit verfestigt sich durch das eigene Zutun wie ein Korken, den man, anstatt ihn herauszuziehen, immer tiefer und fester ins Gefäß drückt. In dieser Woche steht der für T2D obligatorische Quartalsbesuch bei der Hausärztin an; morgen der dazugehörige Termin fürs Labor zur Blutabnahme. Am liebsten hätte ich ihn um 4 bis 6 Wochen verschoben, verpaßte aber selbst diesen Zeitpunkt zur Absage der Termine, so daß ich morgen gezwungenermaßen früh zur Schlachtbank muß, d.h. erst am Freitag, wenn die zu erwartenden schlechten Ergebnisse in der Sprechstunde evident werden und die Katastrophe unvermeidlich ist, weil ich mich der Konfrontation mit der gestrengen Ärztin nicht entziehen kann. Gebeutelt, wie ich ohnehin bin, habe ich Angst vor der Demütigung, der selbst eingebrockten Suppe, die so vor aller Augen auszulöffeln peinlich ist. "Stell dich deinen Fehlern!" höre ich, "Was kann schon passieren?", "Sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen!". 'Und wenn doch', sagen die höchst agilen Skrupel. Und weil alles so im Argen liegt, will man Mankos nicht vervielfältigen. Eine ungemütliche Situation, eine selbst geschaffene Steigung auf der löchrigen Lebensstraße kurz vorm Stopschild, bei der einem der Motor durchaus auch mal verrecken kann. -- Die fatale Zwickmühle für uns ist, daß wir die Freunde, die wir durch die Depression verloren haben, in ihr bräuchten, aber nicht mehr haben. Wohin dann mit der Last, wenn nicht ins Internet? (16. Januar 2024)


Mein Sosein (1)

In den Thread, den ich Mein Sosein nenne, packe ich Bilder und Videos, die durchaus als nur lustig aufgefaßt werden könnten. Trotzdem beharre ich darauf, mit ihnen Grundlegendes auszudrücken. Für mich sind es - und ich habe es im Eröffnungsposting so geschrieben - "emblematische, bezeichnende Darstellungen meines Lebens". Wenn ich meine Lebensfertigkeiten betrachte und mit denen der anderen vergleiche, kacke ich genauso ab und fühle ich mich ähnlich verhöhnt wie der Mann durch das dreiste Schweinchen. Und daß die Dinge nie so sind, wie wie einst oder eigentlich gedacht waren, zeigen die sonst unverdächtigen Dinge, die plötzlich entarten, die einem schnurstracks entgleiten, die nie so geraten, wie man sie möchte. Es geht schief, das Leben geht so prinzipiell schief. Andere dann: Ändere es doch! Die Einsicht freilich ist vorhanden. Doch selbst wenn mir hin und wieder etwas gelingt, sind das ephemere Momente der Zufriedenheit und des Glücks. Die fiese Dauerhaftigkeit des empfundenen Desasters untergräbt das Selbstwertgefühl, die Kämpfe machen müde und konfus und vermitteln mir den Eindruck des Unbehaustseins, und des Abgehängtseins. Daß sich der Gram letztlich auch äußerlich eingräbt, dürfte kaum verwundern. Irgendwann dann ist man nicht nur gefährdet und deplatziert, sondern am Ende. (9. Januar 2024)


Beerdigung von Michael

Mit Mühe und Not einem Alkoholrückfall entkommen, kurz vor einem Jahresjubiläum. Heute, wie gesagt, einen ehemaligen Arbeitskollegen und Frekannten beerdigt, der nur 51 Lebensjahre durchmachen mußte. Zu der Trauer, die ich in den letzten Wochen erfolgreich verdrängt hatte, gesellt sich noch die deprimierende Erfahrung einer Beerdigung, die diesen Namen nicht verdient hat, legt man die Maßstäbe eines als Katholiken erzogenen ehemals sehr frommen Menschen wie mir an. Ein hingenuschelter Spruch, eine als Wunsch getarnte Durchhalteparole und weg war der Bestatter, nachdem er im Eiltempo die Urne ins Loch gelassen hatte. Anwesend waren 11 Trauernde, die gar nicht wußten, wie ihnen so schnell geschah. Rasch ein paar Blüten ins Grab gestreut. So bunt sie auch waren, vermochten sie nichts zu retten oder auszubügeln. Das war die schlimmste Verabschiedung, das demütigendste Ritual bei einem der wichtigsten Augenblicke, die es für Menschen im und jenseits des Grabes gibt. Hernach noch mit Arbeitskollegen in die Stammkneipe und den zweiten Wohnsitz des Verstorbenen. Hier Freunde von ihm, die mit einer Fotoshow aufwarteten, einer ehrbaren Würdigung, bei dem einem das Herz schwer und der Kloß im Hals unschluckbar wurde. Heimwärts und mental, emotional und energetisch völlig fertig. Durchfroren seit dem Morgen - Trauer wärmt nie - gelang es mir seitdem nicht, mich aufzuwärmen. Die Gedanken kreisten um den als Freund empfundenen und nun toten Kollegen UND um Alkohol, den Tröster, der sich seit 8 Jahren nicht mehr ernsthaft an mich herangetraut hatte. Nun, während ich bei Mozartsinfonien diesen Tagebucheintrag schreibe, taue ich unerwartet noch auf, seelisch und körperlich; die Füße und Hände weniger eisig, das Herz nicht zuversichtlich, nein, doch ein bißchen weniger verhärtet, ein bißchen hoffnungsvoller, daß die Zukunft auch für mich existiert. (8. Dezember 2023)


Vorhofflimmern

Erneute Herzrythmusstörungen in Form des Vorhofflimmerns zwangen mich am Freitag Vormittag in die Notaufnahme (ZNA) meines Klinikums. Schon seit 14 Tagen gelang es mir, obzwar ich die Dosis des Betablockers erhöht hatte, nicht mehr, den Puls unter 90 zu bringen. Stattdessen crashte er speziell postprandial stets die 100er-Marke. Das zuvor beim Hausarzt pathologische EKG bestätigte sich in der ZNA, so daß ich, nachdem eine Gabe von 200 mg Flecainid (pill in the pocket) wirkungslos geblieben war, auf eine kardiologische Station des St. Georgs gebracht wurde. Geplant waren für Wochenbeginn TEE (Schluckecho) + EKV. Am Sonntag Vormittag stellte sich wie bei allen Episoden bei mir spontan der Sinusrhythmus wieder her. Allerdings war die Dauer der Episode dieses Mal mit mehr als 48 Stunden länger als üblich. Gestern Vormittag wurden die erst vorgesehenen Maßnahmen deeskaliert und ich nach einem TTE (transthorakale Echokardiografie) entlassen. Heute früh mußte ich mich mit der Epikrise (Arztbrief) bei der Hausärztin sehen lassen, die freilich nichts weiter zu tun hatte, als mich gütigst zum Kardiologen weiterzukomplimentieren, der dann entscheiden soll, ob eine vom Krankenhaus empfohlene antiarrhythmische Therapie (mit Flecainid) eingeleitet wird oder wie es eben überhaupt weitergehen soll. Ins Gespräch soll auch eine PVI (Pulmonalvenenisolation) kommen, eine bei rezidivierender TAA/VHF mögliche Verödung derjenigen Zellen, das Herzen dooferweise triggern. Vier Tage im Krankenhaus - seit meiner LWS-Operation 2009 der längste Aufenthalt. In einem 4-Bett-Zimmer, über das ich in der ersten Nacht noch allein verfügen durfte. Am Samstag kam ein etwas jüngerer Mann mit exakt demselben Symptomenbild und geplanten Eingriffen dazu, was sich als Segnung erwies, weil wir so gemeinsam jammern und wehklagen konnten. Am Sonntagabend platzte mitten im Polizeiruf 110 ein weiterer Zugang ins Zimmer, ein 91-jähriger Greis, dessen Herz unbedingt einen PM (HSM) benötigte. Entgegen allen Befürchtungen konnte ich alle drei Nächte wunderbar schlafen und den Klinikbetrieb einmal aus der Perspektiven des Kranken beobachten. Doppelt spannend, weil ich Pflegepersonal und Ärzte teilweise kenne und die Abläufe und Gegebenheiten im eigenen Klinikum ohnehin. Interessanterweise ließe sich immer etwas beanstanden, doch wurde ich positiv überrascht; denn alle waren ausnehmend freundlich und hilfsbereit, wenn es galt, die Extrawünsche eines sonderbaren Patienten wie mir zu erfüllen und seine verbalen und sonstigen Einmischungen zu ertragen. Chapeau! Selbst das Essen war mit weniger Qualen verbunden, wenn man gewisse Defizite aus eigenen Quellen ausgeglichen hat. Um es auf einen Begriff herunterzubrechen: Mehr Gemüse, mehr Beilage! (29. August 2023)


Haus 10

Seit September 2021 arbeite ich auf der Station 10 II im Haus 10 des St. Georg Leipzig. Das Krankenhaus im Norden Leipzigs wurde im Mai 1913 im Pavillonstil eröffnet. Das Haus 10 wurde 2008 saniert. Mittlerweile befindet sich die bis 2021 ansässige Geriatrie im Robert-Koch-Klinikum in Grünau und auf den zwei Stationen im Haus 10 werden Patienten der Pulmologie und Rheumatologie (10 I) sowie der Nephrologie und Gastroenterologie (10 II) behandelt. Leider geben die Schilder am Haus darüber noch keine Auskunft. Sobald ein zweites Bettenhaus fertig gestellt sein wird, ziehen alle Abteilungen aus den Pavillons in den Neubau (Internistischen Zentralbau II), dessen Errichtung die kommenden Jahre im Klinikum bestimmen werden. Weil ich von 2004 bis 2020 im Neubau der Robert-Koch-Klinik gearbeitet hatte, fiel und fällt es mir schwer, hernach ab 2021 in den zwar sanierten, aber doch 100 Jahre alten Gemäuern tätig zu sein. Ob ich den Umzug in diesen Neubau beruflich noch erleben werde? Das erst kürzlich eröffnete Ambulanzzentrum schräg gegenüber unserem Haus 10 stellt uns Arbeiten unter modernsten Bedingungen täglich vor Augen. Freilich, die Balkone unseres Hauses sind gigantisch. Trotzdem sind manche Notwendigkeiten und Bedürfnisse im Nachinein nicht mehr realisierbar. Von 1990 bis 2004 arbeitete ich schon einmal in einem Altbau, der - als ehemalige Schule - viel weniger für die Behandlung Kranker geeignet gewesen war. Das so genannte Friesenkrankenhaus (eigentlich Stadtkrankenhaus, Friesenstraße 8), welches nach den Zweiten Weltkrieg aus einem Lazarett hervorging, wurde 1997 mit dem Robert-Koch-Klinikum zum "Städischen Klinikum Leipzig-West" uniert und drei Jahre später in das St. Georg integriert. Kein Zimmer hatte eine Naßzelle. Die Toiletten waren zentral. Und als ich dort 1990 begann, existierte noch ein Saalzimmer mit 9 Betten. Der Klinikneubau in Grünau (2004) auf dem Gelände des Robert-Koch-Parks erübrigte den Standort in Lindenau, so daß wir umzogen. So nimmt es nicht Wunder, daß dieser Altbau nun wieder der Nutzung als Schule zugeführt werden soll. Die 16 Jahre im Robert-Koch-Klinikum waren, was die baulichen Gegebenheiten und das Raumgefühl anbelangt, die schönsten, wenn auch im Hochsommer nur mit Kaltgetränken und einem nassen Waschlappen im Genick erträglich. Dafür war durch die Glasfronten für lichtdurchflutete Zimmer gesorgt, während man sich in den betagten Pavillonbauten stets ein bißchen wie in einem mittelalterlichen Verlies vorkommt. (16. Juni 2023)


Regensburg 2022

Nach mehreren Jahren besuchte ich Freunde in Regensburg. Dazwischen die Pandemie. Inzwischen sind die Kinder aus dem Haus zum Studieren in ganz unterschiedlichen Städten. Während ich sonst maximal vier Tage blieb, gönnte ich mir dieses Mal eine ganze Woche (22.-29. November). Die Freunde verschlug es vor mehr als 20 Jahren von Mittweida nach Regensburg. Die Ordentlichkeit und Akkuratheit der Stadt fasziniert mich im Kontrast zu Leipzig, wo an fast jeder Hausfassade Graffiti prangen. Dafür müssen bayrische Häuslebauer offensichtlich Jesus mitan/einbauen. Erst ein "richtiger" Bayer - die zugezogenen Freunde kannten den Begriff nicht - vermochte mir das Wort Marterl zu nennen, von dem ich wußte, der mir aber partout nicht einfallen wollte. Weil ich, sicher klischeehaft, an Fleisch & Wurst denke, sobald mir Bayern in den Sinn kommt, überraschte mich eine mobile Fleisch/Wursttheke keineswegs nebst Freßpaketen im Metro-Großhandel. Auch in diesem Jahr empfand ich den Christkindlmarkt im Gegensatz zum Leipziger Weihnachtsmarkt eher übersichtlich. Um 21 Uhr war auch Schluß, damit die Anwohner auf ihre wohlverdiente Nachtruhe nicht verzichten müssen. Im Stadtteil Burgweinting spazierte ich durch den Auwald, in dem der Biber heimisch geworden ist. Als an Sprache Interessierter amüsieren mich die Auswüchse von Werbetextern, auf Schildern und Anschlägen. Ausbeute auf meiner Fahrt heuer: "Huhnwiderstehlich" in einem Laden namens "Dönastie") oder "Oh Tannenschaum". Sammelbecken & Anlaufstelle hierfür ist die Facebookgruppe "Da kotzt das Texterherz". In Kirchenmuseum von St. Ullrich erlebten wir eine halbstündige Video- und Klanginstallation. Desweiteren ein Gospelkonzert von Deliverance in der Dreieinigkeitskirche und ein altbayrisches Adventssingen in der St.-Franziskuskirche, der Heimatpfarrei meiner Freunde, die mich architektonisch mit ihrer Helle, Weite und Offenheit nach wie vor anspricht. Dank Corona gibt es nun einen Weihwasserspender. Neckisch die selbstgenähten FFP2-Maskentaschen. Ingesamt bin ich baß erstaunt, immer noch covidfrei zu sein, was Wunder nimmt, bedenke ich die zwei Flixbusfahrten, die diversen maskenlos mitgemachten Veranstaltungen und einen weiteren Besuch eines Freundes in Menning bei Vohburg mit hustenden und schniefenden Angehörigen. Daß die Papiertonnen grün statt blau sind - sei's drum. (1. Dezember 2022)


Allein Allein

Ein längerer und wichtiger Beitrag zu Long Covid. Warum mich das interessiert? Weil ich mich in die Schar jener einreihe, die an einem ME/CFS leiden, der Obergruppe, zu der auch das Post-Covid-Syndrom zu zählen ist. Brainfog zählt zu den Symptomen, die (m)ein Leben so wenig lebenswert erscheinen läßt. Auch der Crash bzw. die PEM ist scheußlich. Nach jeder Anstrengung - und jede Tätigkeit, die aus der klar begrenzten Routine meines Lebens ausschert, zählt dazu - brauche ich Zeit, wieder Kraft, was sage ich, das Level zu erreichen, das nötig ist, an die vorherige Routine anzuknüpfen. Erschöpfung, Gehirnnebel, Merk/Denkstörungen, Kreislaufdysregulationen, allgemein das Gefühl, krank zu sein, gehören seit 2015 zu meinem Alltag. Wobei "all" ganz zutreffend ist, weil immer vorhanden. Die Mischung aus folgender Depression und den psychosomatischen Querelen macht das Leben überwiegend zur Katastrophe. Immer der Zwang zu funktionieren, nicht abzukacken, dem Suizid zu entgehen. Keine Ahnung, wie das weitergehen soll. Sich selbst mit 70, 75 oder 80 vorzustellen, undenkbar. Schrumpfende Resilienz den Herausforderungen des Alltags gegenüber, zunehmende Unfähigkeit, selbst das Banalste zu bewältigen. Jeder anstehende Termin verursacht schon Tage zuvor Bauchgrummeln. mentale Konfusion und diffuse Angst. Nun verfüge ich über ausreichende Freizeit (dank 60%-Stelle mehr freie als Arbeitszeit), welche jedoch nichts an der Befindlichkeit ändert. Nach 7 arbeitsfreien Tagen genügt nur ein einziger Dienst auf Station, um mich fix und fertig zu machen und alle Kraftreserven einzuschmelzen. Hinzu gesellt sich das Gefühl, niemandem begreiflich machen zu können, was los ist, wie grandios hoffnungslos alles ist, wie abgrundtief verzweifelt ich bin. "Allein Allein", wie Polarkreis 18 vor Jahren so trefflich sang. (18. Juli 2022)


Cospudener See

Heute tat ich etwas, womit man bei mir eher nicht rechnet: Ich habe das Haus verlassen. Ziel war, am Cospudener See baden zu gehen. Wir fuhren zur Endstelle der Tram 1 nach Knautkleeberg. Weil ich dort noch nie war, konnte ich zur Wegführung nichts beitragen. Wenn man mit einer, den Orientierungssinn betreffend, Blindschleiche unterwegs ist, keine zielführende Idee. 90 Minuten irrten wir durch die Prärie, landeten bei Belantis, freilich ohne es zu sehen, weil abgesperrten Waldgebiete es unmöglich machten. Wir hörten das Kreischen der Besucher in den Achterbahnen. Schließlich kamen wir doch noch ans Wasser und folgten dem Weg, der den See parallel begleitete. Mit ausgedörrtem Hals erreichten wir einen Imbiß, wo mir eine unfaßbar leckere Faßbrause schmeckte. Die letzten zwei Kilometer führten uns nach Großzschocher und damit wieder ins urbane Leben zurück. Im Nachgang sehe ich mir unsere Tour auf Google Maps an und staune, wie selten dämlich man sich anstellen kann; andererseits haben wir ordentlich Natur gesehen. Ich hörte beizeiten auf, die Bäume zu zählen. Leipzig ist mit es umgebener und penetrierender Natur und Wasser in der Tat gesegnet. Ich sollte öfter mal per pedes raus, meint auch mein Psychotherapeut. Kuriosum des Tages unter anderem der ökologische Fliegenfänger". (21. Juni 2022)


Nicht mehr lesen können

Ein Freund fragt, warum ich nicht mehr lesen könne. Nach der Laserung des rechten Augen im Sommer 2017 aufgrund eines degenerativen Defektes schmerzt und zwickt das Auge, sobald ich zu lesen versuche. Das Lesen erfordert im Gegensatz zu anderen visuellen Verrichtungen Blickfixierung und diese bereitet mir offensichtlich so unvermeidbare Beschwerden, so daß jeder Versuch bislang nach wenigen Seiten scheiterte und mir Bücher seitdem verleideten. An dieser Stelle kommt der Einwand: Dann höre Hörbücher! Probierte ich in Abständen, muß allerdings konstatieren, daß sich Buchlektüre und Buchanhörungen so wesentlich unterscheiden, daß nicht mehr von derselben Sache gesprochen werden kann. Irgendwann hatte ich sogar eine wissenschaftliche Begründung dafür gehört, die ich leider nicht reproduzieren kann. Es läuft darauf hinaus, daß hirnphysiologisch Lesen und Hören voneinander getrennte Prozesse sind und die Rezeption daher so divergent empfunden wird, jedenfalls von mir. Kurzum: Bücher hören und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Angelegenheiten und unvergleichbar. Hörbücher bereiten mir keine Freude, während Lesen immer das ultimative Vergnügen gewesen war. Seit Juli 2017 habe ich kein einziges Buch mehr gelesen. Die Frustration ob dieses Unvermögens und fehlender Genußsubstitution ist enorm und jeden Tag vorhanden. (23. April 2022)


Ein Alptraum

Die vergangene Nacht war schwer. Ein zwei Jahre jüngerer Patient als ich blutete zum wiederholten Mal rektal. Alle bisherigen Maßnahmen (u.a. endoskopische Blutstillung) hielten nur bedingt. Am Tag wurde eine Stelle am Enddarm genäht. Wir kamen gegen 2 Uhr ins Zimmer und fanden einen massiven Blutabgang vor, konnten aber keine Stelle eindeutig als Ursache ausmachen. Ich übernahm den Part der manuellen Blutstillung durch Kompression mittels adrenalingetränkten Tupfern bzw. Kompressen. Mehr als 1 Stunde stand ich am blutenden Patienten, der zudem noch erbrach, sehr verwirrt und unkooperativ war und dem zunehmend eine Verzweiflung anzumerken war, die er verbal und gestisch ausdrückte. Er nahm seine Situation logischerweise als furchtbar wahr, ihn störte das grelle Licht und mein permanenter Druck auf seine Hämorrhoiden verursachten Schmerzen. Er fragte, ob das ein Alptraum sei. Wenig später fragte er, ob ICH sein Alptraum sei. Ich erklärte, daß wir uns gemeinsam in diesem Alptraum befänden und wir alles täten, ihn zu beenden, daß ich im Prinzip ein netter Kerl wäre. Immer wieder vom deliranten Patienten dieses "Ist das noch dieser Alptraum?" Schließlich gelang es einer hinzugezogenen Chirurgin, eine neue Naht zu setzen, die das Drama vorerst beendete. Wir beseitigten das Chaos an Stuhlgang, Blut und zigtausend herumliegenden Materalien, die sich durch Wundversorgung, Blutentnahmen und i.v.-Spritzen angehäuft hatten. Während meine Kollegin, der diensthabenden Internist und die Chirurgin immer wieder kamen und gingen, stand ich ununterbrochen beim Patienten und erlebte mit ihm eine Not, die man - außer bei Reanimationen - so eher selten mitbekommt, auch weil die Lage so hilflos macht; denn die Blutungen können jederzeit wiederkommen und ein Kraut scheint dagegen nicht gewachsen. Ein Alptraum, der vom Kranken selbst auch so benannt wurde und in dem ich von ihm als Hauptakteur vermutet wurde, hängt mir noch nach. (3. Februar 2022)


Kleingeld

Ich verfüge über eine wenig gerühmte Fähigkeit: Ich habe so wenig Kleingeld wie nur möglich, insbesondere Kupfergeld. Im Gegensatz zu allen anderen Kunden, die, sobald die KassiererIn die Summe nennt und sie ihre Waren verstaut haben, überrascht zu sein scheinen, daß sie diese bezahlen müssen, und erst dann hektisch nach ihrer Geldbörse zu kramen beginnen, nutze ich die Wartezeit an der Kasse, um all mein Kleingeld in der linken Hand, geordnet nach Wert, aufzureihen. Die Kaufsumme begleiche ich nicht etwa von links nach rechts, sondern umgekehrt: vom Nachkomma bis zur Hauptsumme. Angenommen, ich soll EUR 16.38 Euro zahlen, gucke ich sofort, ob ich 8 oder 3 Cent habe, dann, ob ich 30 Cent zusammenkriege bzw., wenn ich statt 8 nur 3 Cent habe, ob ich 40 Cent habe; denn mit gegebenen EUR x,43 erhalte ich ein 5-Cent-Stück Kupfergeld zurück und bin aber 3 Stücke losgeworden. In dieser Weise geht's weiter. Wenn ich 1 Euro klein habe, kommt es bei der Summe von EUR 16,38 nebst einem 20-Euro-Schein noch dazu. Et voila, ich bekomme EUR 5,05 zurück oder eben nur 5 Euro, wenn ich die 38 ct passend zusammen bekommen habe. Die meisten anderen zücken zuerst den nächstgrößeren Schein und versuchen anschließend, den Überblick über das Kleingeld in ihrer Börse zu gewinnen, was eingedenk der heutzutage gängigen Geschwindigkeiten an einer Supermarktkasse kontraproduktiv ist. Langer Rede, kurzer Sinn. Gestern klappte das überhaupt nicht. Ich hatte lediglich eine 500-g-Packung geschnittenes Brot für EUR 0,99 und gab der Kassiererin mit der Intention EUR 1,04, gleich vier Kupferstücke abzugeben und nur eines wiederzuerhalten. Die durch einen Maskenverweigerer vor mir gestreßte Frau fauchte mich nur an: "DAS MACHEN WIR HIER NICHT!" und gab mir das Kupfergeld zurück, zuzüglich des Restgeldes von 1 Cent. (11. November 2021)


Hinterfotzigkeit

Mindestens eine hinterfotzige Kollegin vermiest mir mein Dasein auf Station. Gestern wurde ich zu meiner direkten Vorgesetzten (Stationsschwester) zitiert. Es sei ihr hinterbracht worden, ich hätte dem hygienischen Reglement nicht entsprochen und mich nicht korrekt vermummt (Isolationskleidung angezogen). Wer bitte an gleichrangigen Kollegen weiß nichts Besseres zu tun, als sofort tratschen zu gehen und jemanden anzuschwärzen. Denunziantentum in einem Team, das ohnehin durch die stetig steigenden Anforderungen in der Pflege und der Situation eines nur auf Rentabilität bedachten Wirtschaftsunternehmens wie einem sich modern nennenden Krankenhaus beansprucht, ja gebeutelt wird, in dem oft genug Personalknappheit herrscht, Dienste in meinen Augen unzureichend gedeckt sind. Ich erfahre, wie meine Fähigkeit im Gegensatz zu früher nicht mehr geschätzt werden. Mein Account, mit dem ich Dokumentations- und Schreibutensilien bestellen konnte, wurde auf Betreiben meiner Vorgesetzten deaktiviert, offensichtlich weil meine Mitarbeit als Zumutung und Einmischung empfunden wird. Ich fühle mich beschnitten, zurückgesetzt und gedemütigt. Bestellungen, die ich für die Freigabe im Apothekenprogramm eingegeben habe und die durch einen Arzt hätten freigeschaltet werden sollen, werden wieder gelöscht. Das ist in meinen Augen sowohl Mißachtung von Kompetenz als auch evidentes Mobbing. Glücklicherweise habe ich Grips genug, mich zu wehren und nicht unterkriegen zu lassen. So leicht wird man mich bei meiner Intelligenz nicht bekriegen können, jedenfalls nicht einseitig. (10. November 2021)


Alles neu macht der September

Seit heute neuer Arbeitsplatz und neues Team, in das ich hineinwachsen muß. Nach 14 Jahren in Lindenau (Friesenkrankenhaus = Diabetologie/Innere), nach 16 Jahren in Grünau (Robert-Koch-Klinik = Diabetologie/Innere, Gastroenterologie, Kardiologie, Rheumatologie, Onkologie und Geriatrie), verkürzen sich die Taktzeiten der Wechsel von Arbeitsort und Fachrichtung. Am Eutritzscher Hauptstandort von April bis Dezember 2020: Gastroenterologie/Endokrinologie, von Januar bis Juni 2021: Coronaauffangstation und Verteilerstation für die Zentrale Notaufnahme, im Juli/August zuletzt einige Wochen auf einer chirurgischen Station (Allgemein- und Unfallchirurgie). Und seit heute soll ich, nachdem unser Team, in dem ich über den gerade aufgezählten Werdegang hinweg kontinuierlich gearbeitet hatte, aufgelöst worden ist und alle Mitarbeiter auf andere Stationen verteilt worden sind, auf einer Inneren 30-Betten-Station mit den Fachbereichen Gastroenterologie, Nephrologie und Rheumatologie tätig sein. Der Abschiedsschmerz von den KollegInnen, mit denen ich seit teilweise Jahrzehnten in der Pflege arbeitete und die mittlerweile zu FreundInnen geworden sind, und das Gefühl des Unbehaust- und Ausgesetztseins ist gewaltig. Die nächste Zeit wird mich kräftemäßig fordern; denn sich in neue Gegebenheiten (Abläufe, Priorisierungen, Organisation, Selbstverständnis) einzufinden, war noch nie meine besondere Stärke, der ich auf Routine geeicht bin. Einmal als Optimum erlebtes und praktiziertes Vorgehen aufgeben oder zumindest herunterfahren zu müssen, kommt mich hart an, weil ich es als Rückschritt empfinde und dann jeweils mit meinem Schicksal hadere. So gilt es, Geduld walten zu lassen sowie für mich Erprobtes möglichst unauffällig in die Arbeit am neuen Ort, im neuen Kollegenkreis einzubringen. (1. September 2021)


Mit Fonds wuchern?

Weil auch meine Bank (Sparda Bank Berlin) seit Januar Strafzinsen (0,5%) einstreicht, mußte ich mittelfristig agieren und mein Girokonto leerräumen, auf dem sich nach Ablaufen früherer Festgeldanlagen und Auflösen meines Fondsdepot vor einigen Jahren mangels alternativer Anlageoptionen viel angestaut hatte. Es gibt keine Festgeldanlageformen wie z.B. Sparbriefe mehr, so daß ich als einzige Option die häusliche Matratze sah, weil ich, nachdem ich 18 Jahre lang ein Fonddepot hatte, mit 55 mit dessen Hin-und-Her jedoch nicht mehr leben wollte. Und bin gestern trotzdem umgekippt; denn es behagt mir aus Sicherheitsgründen nicht, Bargeld zuhause zu stapeln. Die Bankberaterin kam unweigerlich auf die einzige Option zur Umgehung von Negativzinsen: Fonds. Nun denn. Demzufolge wieder Fondsanlagen mit 5 Fonds der Hausgesellschaft meiner Bank (Union Investment). Zwei davon (PrivatFonds Nachhaltig + UniNachhaltig Aktien Global -net-) erheben keinen Ausgabaufschlag, die anderen drei schon (UniRak Nachhaltig Konservativ A, UniStrategie Konservativ sowie UniImmo Wohnen ZBI). Zusammen sind nach der Erstinvestition zunächst 4.275.- EUR futsch. Ich werde voraussichtlich zirka 3-4 Jahre warten müssen, bis ich den Aufschlag wieder eingeholt habe. Immerhin vernünftiger, als wegen der Kontenverwahrgebühr = Negativzins alljährlich Hunderte von Euro wegzuschenken. Wenn man kein Geld hat, ist es kacke; hat man welches, ist es in diesen Zeiten nicht gerade einfacher. Hätte es andere Optionen gegeben, Geld verlustfrei zu deponieren, hätte ich nie und nimmer nochmals in Fonds angelegt. Insgesamt habe ich nun 2 Bausparverträge, 4 Rentenversicherungen, 5 Fonds und seit gestern auch ein (strafzinsfrei ausgereiztes) Tagesgeldkonto. Liquide bin ich zwar noch, aber der Riemen ist doch spürbarer. Die Vielzahl an Einzelanlagen mit den diversen zu beachtenden Konditionen (z.B. einjährige Kündigung bei einem der Fonds) und den ungerade und ständig wechselnden Beträgen kann einen Monk wie mich wuschig machen. Kürzlich erklärte ich weiteres striktes, kalkuliertes Sparen (auf Alter=Renter) für abgeschlossen, weil ich meine Altervorsorge als etabliert ansehe, was nicht heißen soll, daß ich fortan das Geld, welches monatlich übrig bleibt, zwanghaft ausgeben muß. Aber mir etwas mehr leisten, ist kein No-go mehr, ist intendiert. Mein Arbeitgeber macht es uns Pflegekräften leichter, indem er uns gestern eine Lohnerhöhung von 5% ab Juli (2021) zugesichert hat. (12. Juni 2021)


The winner is... surgery

Mein Arbeitgeber frönt dem Volkssport Umstrukturierung. Stationen werden geschlossen, verlegt und neue aus dem Boden gestampft. Nachdem wir im April 2020 den Standort und von Grünau nach Eutritzsch gewechselt hatten, arbeiteten wird auf der neu etablierten Station 1 II mit 38 Betten (Gastroenterologie, Endokrinologie und Schmerzpatienten). Coronabedingt war Ende Dezember 2020 Schluß und wir wechselten als Interim ins Haus 56, wurden Coronaauffangstation und später Auffangstation für ZNA-Patienten, also jene, die in der Notaufnahme stationär aufgenommen werden und mangels Kapazität des jeweilig zuständigen Fachbereiches zu uns kamen mit der Option, baldigst verlegt zu werden, was nur bedingt funktionierte. Manche Patienten blieben tagelang oder gar während ihres gesamten Krankenhausaufenthaltes bei uns. Als Pflegekräfte wurden wir in diesen Monaten zwischen Januar und Juni 2021 mit für uns neuen bzw. ungewohnten Krankheitsbildern konfrontiert, was eine gewisse Nervosität und ein stetiges Gefühl der Unsicherheit und Überforderung evozierte. Wir hatten gehofft, mit dem Abflauen von Corona wieder eine Station mit "gewohnten" inneren Krankheiten des Herzens, des Verdauuungstraktes, des Alters zugeteilt zu bekommen. Trugschluß! Daß am 15. Juni im Haus 56 Schluß sein würde, wußten wir seit Wochen, harrten einer Entscheidung über unsere Zukunft, die immer wieder hinausgezögert worden ist, was Unruhe, Aufregung und Demotivation zur Folge hatte. Wer mag es schon, wenn sein Schicksal länger in der Schwebe gehalten wird. Schließlich wollen auch Patienten über ihre Diagnose und somit Progose nicht über Gebühr im unklaren gelassen werden. Heute - flockige 6 Tage vor der Deadline - kam die Entscheidung. Ab 16. Juni arbeiten wir auf der Station 20 IV B, die folgende Zusammensetzung erhält: 10 Betten UCH (Unfallchirurgie), 10 Betten PCH (Plastische Chirurgie), 5 Betten ACH (Allgemeine Chirurgie) und 5 Betten ZNA (Zentrale Notaufnahme). Das Haus 20 ist der Neubau des St. Georg, in dessen Erdgeschoß sich die Zentrale Notaufnahme befindet. 32 Jahre lang arbeitete ich als Pfleger auf internistischen Stationen mit Fachbereichen wie Kardiologie, Gastroenterologie, Diabetologie, Rheumatologie und Onkologie und soll nun auf einer einer rein chirurgischen Station tätig sein? Diese Aussicht und die Tatsache, wie die strukturellen Entscheidungen seit Jahren zustande kommen, verursacht bei mir Nausea. Ob sie stillbar sein wird, muß die kommende Zeit zeigen. Ob sich die Krankenhausleitung bewußt ist, wie fragwürdig und diffizil es ist, wenn man Pflegekräfte, die jahrzehntelang internistisch gearbeitet haben und es so wollten und überwiegend auch weiterhin so gewollt hätten, ungefragt mit einer Entscheidung konfrontiert, die ihr Arbeitsleben gehörig durcheinanderrütteln könnte? (10. Juni 2021)


Fatigue

Müdigkeit & Erschöpfung (Fatigue), Energiemangel, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen, Konzentrations- und Merkstörungen, Niedergeschlagenheit, fehlende Zuversicht - meine Symptome sind gleichfalls Symptome des Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS/ME), in dessen Formenkreis viele Long-Covid-Patienten eingereiht werden. Das hilft einem persönlich erst einmal nicht. Nur weil man einen Namen hat und eine Schublade, verschwindet der Druck und die alltägliche Last nicht, unter der ich dahinvegetiere. Lediglich ein schwacher Trost, eingeordnet zu sein oder, wie die Bibel es ausdrücken würde, beim Namen genannt worden, Gegenstand der Betrachtung gewesen zu sein. Mein, um einen gestern aufgeschnappten Begriff zu verwenden, sozialporöses Leben erschwert sich in diesen Monaten vielfach. Als ich gestern im Rahmen meiner (neuen) Therapie mit einem Mittel gegen Diabetes und Adipositas (Ozempic) bei meiner Diabetesberaterin saß und sie mir versicherte, jederzeit, wenn es mir schlecht ginge, bei der Ärztin in die Sprechstunde kommen zu dürfen, mich quasi willkommen zu fühlen, spürte ich, wie stark der innere Druck und die Bürde geworden ist, mit der ich zurecht zu kommen habe. Die Einsamkeit erstickt mich förmlich, die Lebensluft entweicht, die Aussicht darauf, daß ich die Lecks noch abzudichten vermag, schwindet. Eine Dauerkrise läßt die Brisanz vermissen, man kann mit ihr nicht mehr punkten. Wir leben mit und trotz Syrien, Jemen, den Flüchtlingslagern und all den verheerenden chronischen Katastrophen. Und auf dem kleinen persönlichen Feld steht man allein auf zunehmend unfruchtbarem Boden inmitten der Dürre. Wenn, dann würde maximal meine Todesnachricht ehemalige Freunde und Lebensabschnittsbekannte kurzzeitig erschrecken und betreten innehalten lassen, bevor man sich wieder dem eigenen Leben widmete, der eigenen Katastrophe womöglich oder, was ich allen trotzdem wünsche, einem behüteten, geborgenen Dasein, etwas, das ich seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr kenne. MEIN psychischer und geistiger Klimawandel ist in situ längst ein point of no return. (31. März 2021)


Hausmeister ehrenhalber

Mein Vater war solch ein nichtoffiziöser Hausmeister, fühlte sich für unser Viertel zuständig. Er räumte, kehrte, säuberte, ordnete, reparierte und instruierte. Hochzeit im Herbst und der tägliche Kampf gegen das Laub. Infolge seines Engagements Ansprechpartner für so ziemlich alles, obwohl er alles immer freiwillig machte. Aus den Abfallcontainern holte er halbe Hausstände heraus. "Was die Leute alles wegwerfen!" Jetzt ist er gebrechlich, kratzte aber in der vergangenen Woche tapfer Schnee und Eis vom Gehweg; diese Leipziger Seltenheit läßt sich ein 82-jähriger Mann nicht entgehen! In meiner Kindheit vor der Scheidung der Eltern wohnten wir in Mockau (Leipziger Nordosten), wo er mehrere Keller beschlagnahmt und eine beeindruckende Werkstatt installiert hatte, wo er in der Nachbarschaft den Rasen mähte. Diesen Fleiß erbte er gewiß von seiner Mutter, die den halben Friedhof pflegte, so daß auch ich, der ich in den Ferien immer bei ihr war, die in einem protestantischen Pfarrhaus mit besagtem Friedhof ringsum wohnte, entsprechend viel Zeit bei ihr und auf ihm verbrachte und von frühester Kindheit an mit Tod und Sepukralkultur vertraut war. Daß ich so gar nicht nach ihm kam und an Handwerklichem nie Interesse zeigte, grämte ihn möglicherweise, doch hatte er in meinem Bruder einen Adepten, der seine Ambitionen nach Weitergabe & Erbe befriedigte. Damals in der DDR war die Eigeninitiative willkommen und nötig. Während der letzten Jahre mußte mein Vater seine Aktionen altersbedingt sowieso peu a peu einschränken. Er echauffierte sich trotzdem, wenn die zuständigen Dienste das Laub oder den Straßenschmutz nicht mit der Gründlichkeit beseitigten, die er stets als Maßstab angesehen hatte, und arbeitete und arbeitet im Rahmen seiner Kräfte nach und ist für die Gleichalten im Haus immer noch ein kompetenter Ansprechpartner, wenn es um Türschlössser, Glühbirnen und Zwistigkeiten geht. Einmal Hausmeister ehrenhalber, immer Hausmeister. Vermutlich wird er einst noch die Stabilität seines Totenbettes am liebsten selbst prüfen wollen. (22. Februar 2021)


5 Jahre

Logisch, daß ich mich verzählt hatte. 5 Jahre, das sind 5 x 12 Monate = 60 Monate und nicht 70, wie ich sie schon notiert hatte. Irgendwann in den Wirren der Psychotherapie und der Rehabilitation ist mir die Zählung durcheinandergeraten und wurde korrigiert. Heute ebenda der 5. Jahrestag meiner Alkoholabstinenz. Am 16. Dezember 2015 begab ich mich mit Oberbauchbeschwerden zum Hausarzt, wurde krangeschrieben, wurde gastro- und koloskopiert und nutzte diese Zäsur als Sprungbrett in eine hoffentlich alkoholfreie Zukunft. Wenigstens dieses Ziel wurde erreicht und gehalten. Vom Nikotin konnte ich mich im September 2000 befreien. Als 18-Jähriger hatte ich im Oktober 1984 begonnen und 16 Jahre lang zwischen 20 und 30 Zigaretten täglich geraucht. Ein Besuch beim Pulmologen nach Atembeschwerden mit anschließender Bodyplethysmografie und einem Befund, der bei der Fachärztin für ein Heben der Augenbraue sorgte, brachte mich dazu, stracks aufzuhören, was mir durch die Jahre hinweg trotz unzähliger frustraner und frustrierender Versuche nie gelungen war. Weil bei einer Suchtpersönlichkeit der Suchtdruck irgendwohin muß, wanderte er von der Zigarette zur Flasche und schließlich zu den Kalorien, zum haltlosen Fressen und Schlemmen. Zwei Süchte beherrschend, knicke ich bei dieser immer noch ein und werde fetter und fetter. Das ist wenig löblich, muß jedoch, wenn man die Augen vor der Wahrheit nicht verschließen will, eingestanden sein. Nach dem Entzug im Dezember 2015 nahm ich 34 Kilo ab, hielt das Gewicht bis Dezember 2016 bei 84 Kg, verfiel hernach streckenweis in alte Muster, legte stetig zu, konnte nach der Psychotherapie (November 2019 bis Januar 2020) einige Kilo abnehmen, dachte, ich sei gefeit gegen den Drang, die Versuchung früheren Ungehemmtseins, und muß den Hochmut (Superbia) bezahlen, indem die Waage mir die Zunge herausstreckt (bzw. den ausschlagenden Zeiger). Einem Mehrfrontenkrieg fühlte ich mich nicht gewachsen. Im Leben mit und dem Kampf gegen die üblen und beherrschenden psychosomatischen Ausprägungen auch noch Diät zu halten, glaubte ich nicht hinzukriegen. Had to be a superman. Die Notbremse wäre allerdings vonnöten, weil die Sucht ein kritisches Ausmaß erreicht hat. Meine Lebensweise ist ein Vabanquespiel. Daß die Dämme Alkohol und Nikotin noch halten, freut mich, bietet keine Garantie und ändert nichts an der Notwendigkeit, an die Wurzeln der Maßlosigkeit, die einen Suchtcharakter beutelt, zu gelangen und eine Restitutio ad integrum zumindest als Langziel festzuzurren. (16. Dezember 2020)


Techniktrouble

Mit technischen Geräten habe ich in gewissen Fällen kein Glück. Vom ersten Begrüßungsgeld im November 1989, das sich durch zusätzliche Geschenke auf 300.- DM erhöht hatte, kaufte ich für deutlich mehr als 100.- DM einen AIWA-Walkman, der gerade mal 14 Tage lang hielt. Zurück in der DDR lag eine Garantieeinforderung nicht im praktikablen Rahmen, wenn ich damals überhaupt an so etwas gedacht hatte. Als mp3-Player en vogue waren, gingen mir nacheinander alle drei innert kürzester Zeit kaputt, so daß ich es aufgab und bis zu meinem ersten Smartphone 2012 keinen weiteren Versuch unternahm. Im vergangenen November erstand ich ein Diktiergerät für 32.- Euro, welches in seiner Vollfunktionalität auch nur wenige Wochen hielt, bis ein Knopf kaputt ging und die Bedienung dadurch sehr kompliziert wurde. Zudem bricht es Aufnahmen nach zirka einer Stunde einfach ab und schaltet sich ab. Ein teureres Diktiergerät wage ich mir aus diesen entmutigendenen Erfahrungen meines Lebens heraus nicht anzuschaffen, zumal ich deren Funktionalität nicht benötige, sondern bloß ein simples Aufnahmegerät suche, das auf Knopfdruck eine Zeit lang mitschneidet, was in meiner Umgebung passiert. Auch zum Merken von Dingen, die mir unterwegs einfallen, soll es dienen. Entgegen den mißlichen Erfahrungen der Vergangenheit verspüre ich, stimuliert durch den heutigen Black Friday, den Reiz, es nochmal zu versuchen. Ein anderes Diktaphon für 30.- Euro habe ich mir ausgeguckt. Meinen elektronischen Blutdruckmesser kann ich nurmehr mit USB bedienen, weil der Batteriebetrieb defekt ist. Bei Kopfhörern verfolgte mich jahrelang ebenso das Pech. Der Gerechtigkeit halber muß ich hinzufügen, daß es auch positive Technikerfahrungen gab. Ein nach der Wende 1991 gekaufter Pioneer-CD-Player funktionierte bis zu seiner Pensionierung, als ich auf Boomblaster und USB-Stick umstieg. Auch die beiden Samsung-Tablets waren viele Jahre in Aktion, bis sie in diesem Jahr beide innerhalb weniger Wochen den Geist aufgaben. Man merkt sich trotzdem eher das, was schief ging, als das, was wie vorgesehen funktionierte. (27. November 2020)


Deepest Depri und Herzi

So abgeschottet, wie ich leider lebe, bin ich soeben zu spät darauf aufmerksam geworden, daß morgen hier in Sachsen mit dem Buß- und Bettag ein Feiertag ist. Den gesamten Tag hatte ich mit mir gehadert, ob ich heute Nachmittag wieder bzw. nochmal zur Hausärztin gehe oder morgen früh. Die Entscheidung für morgen war falsch und der Zug für heute ist abgefahren. Somit werde ich übermorgen zum Frühdienst gehen müssen und darauf hoffen, nicht nach zehn Minuten zusammenzuklappen. Bis Sonntag war ich krank geschrieben und die drei darauf folgenden freien Tage hatten mir einen Puffer verschafft. Mir geht es dreckig. Bei der minimalsten Anstrengung dekompensiert mein Kreislauf: der Puls geht in die Höhe, das Herz flattert, mir ist schwindlig und die Knie schlackern. Seit drei Tagen messe ich konsequent den Blutdruck, der in Ruhe einigermaßen stabil bleibt, was mir jedoch wenig nützt, wenn ich bei der kleinsten körperlichen Aktivität sofort entgleise. Massive psychosomatische Symtompe, wie ich sie seit Jahren habe und die mich im letzten Jahr in die Klinik trieben, flankieren den jetzigen Zustand; zudem eine Phase der Depression, die sich gewaschen hat und mit der ich besonders um die Mittagszeit herum, zitternd, frierend, todtraurig und vollkommen verzweifelt im Bett liege. Ich habe solche Angst! Ich befürchte, der Arbeit ab Donnerstag nicht gewachsen zu sein. Andererseits - was soll schon passieren? Wenn ich kollabiere oder sonstwie in die Knie gezwungen werde, gehe ich sofort zum Arzt. Eine Phase der seelischen Dunkelheit, der kompletten Vereinsamung, der horrenden Ausweglosigkeit, die sich die anderen nicht vorstellen können. Was für ein verkacktes Leben und nicht einmal der Mut und die Fantasie, es zu beenden, auch wenn die Gedanken ständig darum kreisen und dieses Szenario umwerben. (17. November 2020)


Erledigungsblockade

Zu den Folgen bzw. Symptomen meiner Erledigungsblockade gehört das Letterbox-Sydrom, die Unfähigkeit, regelmäßig und zeitnah Briefe zu öffnen. Stattdessen lasse ich sie monatelang ungeöffnet liegen, bis selbst mir der Stapel zu hoch und es unumgänglich ist, die Inhalte zu sichten. Gerade gestern einen Brief meines Arbeitgebers bekommen, von dem ich vermute, daß er eine Antwort auf meinen Antrag auf Arbeitszeitverkürzung ab Januar 2021 enthält. Ich stellte ihn vor Wochen, weil ich endlich von 32 auf 24 Wochenstunden downsizen möchte, wodurch ich dann wöchentlich über vier freie Tage verfügte und nur noch drei Arbeitstage hätte. Als ich vorhin mehrere Briefe öffnete, waren auch zwei Aufforderungen der Krankenkasse dabei, einen Unfall-Fragebogen auszufüllen, der in Zusammenhang mit der Schnittverletzung am rechten Zeigefinger am 15. August steht. Ihn konnte ich glücklicherweise online nachholen. Bei der übrigen, unbedenklichen Post handelt es sich um Infomaterial, Gehaltsmitteilungen, Renten- und Rentenversicherungsbescheide. Die Erledigungsblockade, landläufig und mit weniger pathologischem Impetus Prokrastination genannt, macht mir seit vielen, vielen Jahren zu schaffen und verschlimmerte sich peu a peu. Die Wohnung ist versifft, weil ich mich nicht durchringen kann, sie zu säubern. Gestern passierte ein Malheur, als eine gefrorene PET-Flasche in der Küche explodierte, und sich 1,25 l Colastückchen an Tapete, Türen, Fenstern und ALLEM Interieur verteilte und ich gezwungen war, notdürftig Reinigungsmaßnahmen durchzuführen, weil sich die auftauenden Stücke überall zu Lachen und Pfützen gebildet und mit dem durch die unterlassene Säuberung des Zimmer während der letzten 9 Monate angesammelten Dreck vermischt hatten. Eine beschämende Situation und ein Tiefpunkt der Aufschieberitis. - Ich kann schwer Termine einhalten, gehe nicht ans Telefon, gucke dann hinterher bei der Fritz-Box nach, ob es eine Telefonnummer war, die möglicherweise lebenswichtig wäre. Es ist schlimm, dramatisch und läßt mich unsäglich leiden. Solch eine Erledigungsblockade ist Teil der Antriebsarmut, die wiederum Wirkung der Depression ist, die wiederum... Ach. Ein Graus, eine Überwindung, sich jeden Morgen dem Wust, den Bergen an Unerledigtem gegenüber zu sehen und unfähig zu sein, etwas daran zu ändern. Kein gesunder Mensch begreift das. Und mein Psychotherapeut ist in weite Ferne gerückt, nachdem ich vor drei Wochen eine Therapiestunde verbummelte und mich seither schäme und nicht in der Lage bin, ihn anzurufen, mich zu entschuldigen und einfach nachzufragen, ob und wie es weitergehen könnte mit der Therapie. (15. Oktober 2020)


Mehr Betten!

Seit April auf neuer Station an einem anderen Standort. Alles größer, alles schneller. Dementsprechend rauher auch der Umgangston. Kleinere Häuser glänzen oft durch Kuscheligkeit, die in großen streß- und aufwandsbedingt sowas von flöten geht, daß Mißtöne unverkennbar werden. Man gerät ständig in Konflikte, weil Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollten oder könnten. Man muß sich rechtfertigen, erklären für Zustände, an denen man kausal nicht Schuld ist, die ein Ergebnis des Zusammenspiels vieler Gründe sind. Hilflosigkeit, weil man Bedingungen nicht ändern kann, weil man keinen Einfluß auf Veränderungen oder den Lauf der Dinge hat. Ein Beispiel. Tag für Tag werden auf unserer Station Patienten bis manchmal in den Abend hinein entlassen. Die zurückbleibenden "Schmutzbetten" werden bis 15 Uhr von der Bettenreinigung gesäubert. Wenn sie alle schaffen! Wenn danach Patienten gegangen sind, bleiben Schmutzbetten übrig und bis zum nächsten stehen. Freilich können sie in dieser Zeit nicht mit Zugängen = neuen Patienten belegt werden, ein Engpaß, denn nachmittags, abends und nachts rufen andauernd Ärzte an, die freie Betten für Patienten suchen. Doch Schmutzbetten wären nur frei, wenn sie gesäubert worden wären. Die naheliegendste Variante, daß nämlich die Bettenreinigung auch nachmittags und abends arbeitet, scheint niemand in Betracht zu ziehen. So kollidieren die Interessen des Aufnahmemanagements und der diensthabenden Ärzte in der Zentralen Notaufnahme mit der Gegebenheit, daß wir gerne Patienten neu aufnehmen und in sein saubere Bett legten, so es vorhanden wäre. Stattdessen mußten wir uns, als wir telefonisch mitteilten, wir hätten kein freies=sauberes Bett mehr und würden also keinen weiteren Patienten mehr aufnehmen, kürzlich anhören: "Hier ist Frau Dr. Soundso, das ist eine Anordnung! Sie nehmen jetzt den Patienten, und wenn Sie ihn in ein schmutziges Bett legen müssen!" Ein aus der Not heraus geborener Eklat, klar. Und ein Armutzeugnis. Und ziemlich traurig. Die Situation wurde dann dadurch gelöst, daß mehrere saubere Betten einer benachbarten Station herangekarrt wurden und wir, sehr zur Entlastung der Unfallchirurgie und Neurologie, mehrere Zugängen aufnehmen konnten. (8. Oktober 2020)


Xiaomi Redmi Note 9S

Gestern Abend schwitzte ich über alle Maßen. Nicht nur wegen des Wetters, der Schwüle, die von Tag zu Tag zugenommen hatte, sondern weil ich das Smartphone den Klauen meines Vaters entrissen hatte, der das Päckchen an meiner Statt vom Postboten entgegengenommen hatte, als ich noch unterwegs in der Stadt gewesen war. Das Teil ausgepackt und aufgeladen. Dann eingeschalten und mich durch erforderliche Erstkonfigurationen gehangelt und den starken Eindruck gehabt, immer nur zustimmen zu müssen, um meine Daten möglichst umfassend und bedenkenlos in fremde Hände zu geben. Der Trick, What's App mit einer Festnetznummer zu installieren, funktioniert leider nur auf Tablet-PCs; ich biß mir die Zähne aus, als ich versuchte, die App auf dem Xiaomi Redmi Note 9S zum Laufen zu bringen. 20 Uhr aufgegeben, nochmals das Pferd gesattelt und zu Aldi galoppiert zwecks Aldi-Talk-Starter-Set, welches mich mit einer regulären Telefonnummer (+4915735590450) versorgen sollte. Die Inbetriebnahme ist irre komplex geworden und verlangt eine Identifikation per Videochat. Es dauerte lange und zehrte an den Nerven, bis ich die SIM-Karte schließlich mit der proprietären Aldi-App für die Registrierung aktiviert hatte und nach deren Freischaltung auch das Handy überzeugt werden konnte, daß eine SIM-Karte involviert ist, welches sich lange recht störrig weigerte und immer wieder die Pin abfragte. Irgendwann - nach gut dreistündigem Prozedere (Gemehre, wie wir Sachsen sagen) - klappte es. Der Aldi-Talk- Account konnte eingerichtet werden, What's App zickte mit der neuen Nummer nicht mehr herum, der alte Account wurde gelöscht, die Kontakte informiert, und der Tag war so was von gelaufen, als der Deutschlandfunk die deutsche und europäische Hymne spielte und der Nachrichtensprecher Samstag, den 22. August, verkündete und ich, weil's offenbar noch nicht kompliziert genug gewesen ist, noch eine Episode Dark (S03E04) guckte. (22. August 2020)


Einfach nur Röntgen

Mit Ausnahme der Arbeitswege komme ich so selten raus, daß gar ein Röntgentermin für Aufregung und Unruhe sorgt. Um 11 Uhr war ein Röntgen des linken Fußes anberaumt. Pünktlichkeitsfantatiker, der ich bin, verließ rechtzeitig das Haus und erwischte sogar eine Straßenbahn eher, so daß ich bereits 10.40 Uhr am Schalter der Radiologie in der Praxisklinik am Johannisplatz stand. Das Ausmaß der Bürokratie wird dadurch deutlich, daß man selbst für eine so simple Untersuchung wie das knöcherne Röntgen eines einzigen kleinen Körperteils durch einen Ablauf hindurchbefördert wird, der ebenjene Aufregung erzeugt, mit der ich a priori nicht gerechnet hatte. Am Schalter selbst eine schriftliche Auskunft, ob man Corona hatte oder nicht. ich wurde im Februar abgestrichen, der Teste war negativ; ich hatte stattgessen Influenza A. DASS man überhaupt abgestrichen wurde, genügt, um separaiert zu werden: Wartebereich 1 mit Klemmbrett nebst zwei Zetteln zum Ausfüllen. Es wird offenbar stetig mehr. Auch unsere Patienten erhalten bei der Aufnahme ein Konvolut an Zetteln, die man getrost auch als Buch binden könnte. Irgendwann nach 20 Minuten wunderte sich eine vorübereilende MTRA, warum ich im Wartebereich 1 säße. Rasante 5 Minuten später wurde ich in einen Raum geführt, wo man nochmals wissen wollte, wann ich Corona gehabt hätte. Ich: nur Abstrich, Test negativ, 5 Monaten her, Schnee von gestern. - Das Röntgen selbst verlief zügig. Ich wurde gebeten, nochmals im Warteraum 1 Platz zu nehmen. Der Befund wird später geschrieben und dem Hausarzt geschickt, so daß das Warten nach dem Röntgen lediglich dazu dient, sicherzustellen, daß die Aufnahme gelungen ist, andernfalls man nochmals seine Hand ins Feuer den Fuß hätte herhalten müssen. Man benötigte mehr als zehn Minuten für die Verifikation und entließ mich. Um 11.30 Uhr stand ich dann auch schon an der Haltestelle. Wir erstarren, so meine ich, in der zunehmenden Verkomplizierung so vieler Belange. Mit Schrecken denke ich an den Schriftverkehr zurück, den mir zuletzt die Psychotherapie und die Rehabilitation auflud. (22. Juli 2020)


Biker-Demo und SSRI

Kein Mensch wußte gestern von der Biker-Demo. Als ich mich auf den Weg zum Spätdienst machte, fuhr der Bus nicht weiter, keiner verstand, was der Fahrer ins Mikrofon nuschelte und ich stand plötzlich mitten auf der Eisenbahnstraße, fuhr dann mit einem Bus weiter, um Anschluß an eine Straßenbahn zu finden und begriff erst am Johannisplatz, als nichts mehr ging, daß die Aussicht auf Weiterfahrt auf Null geschwunden war. Zum Augustusplatz gelaufen und so viele Motorräder auf einen Haufen und innerhalb einer halben Stunde anfahren gesehen wie noch nie in meinem Leben - eine selbst für einen unmotorisierten Menschen wie mich elektrisierende und sinnliche = olfaktorische, audiovisuelle Erfahrung! Um 13.45 Uhr ging es vom Hauptbahnhof weiter, wo ich dank LVB-Wlan wenigstens meinen Kollegen per What's App sagen konnte, wo ich festhang und wann ungefähr mit mir zu rechnen wäre. Immerhin kam ich 14.06 Uhr und nur eben sechs Minuten nach Dienstbeginn auf Station, freilich abgehetzt, verschwitzt & ungeduscht und infolge des streßigen, sich auf fast zwei Stunden streckenden Arbeitsweges mental durcheinandergewirbelt. Nach der mehr als zwei Wochen währenden harten Arbeitsphase war meine Resilienz quasi nicht mehr vorhanden und ich ein sowohl nervliches als auch körperliches Wrack. Auch heute spürbar, wie wenig ich entspannen kann, wie sehr die Regneration fehlt, wie fulminant die Müdigkeit durchschlägt nebst der Unfähigkeit, auszuschlafen bzw. auch nur mittels eines Nachmittagsschlafes wieder auf die Spur zu kommen. Ohnehin kämpfe ich mit und gegen massive psychosomatische Symptome, die ein normales Leben verhindern und mich stets auf sehr niedrigem Level dahinleben, dahinvegetieren lassen, weswegen ich durch den in den vergangenen Monaten angewachsenen Leidensdruck einen Termin bei einem Psychiater gemacht hatte, der nun heute Vormittag war. Ich ging nach zehn Minuten mit einem Rezept aus der Sprechstunde und soll fortan Sertralin, einen SSRI, einnehmen, nach vier Wochen bei der Hausärztin aufschlagen, die ein EKG machen soll, weil das Medikament u.U. EKG- Veränderungen erzeugt, was ich mangels Geistesgegenwärtigkeit gegenüber dem Arzt leider, leider nicht zur Sprache brachte, ob nämlich Sertralin dann in Anbetracht meiner schon vorbestehenden HRST (VHF) überhaupt so eine tolle Idee wäre. Verpaßt=Verpatzt. Noch muß ich das Rezept erst einlösen und werde in den Miszellen berichten, wie es sich damit lebt oder ob mein "Notizbuch vom Nichtmehrleben" möglicherweise demnächst umbenannt werden könnte, sobald der Wirkstoff reinhaut und meiner Dysthymie an den Kragen geht. (13. Juli 2020)


Dösen

In Dösen machte ich 1993 mein Praktikum in der Psychiatrie auf der Station A6I. Heute ist das Gelände verlassen und zum Geheimtipp geworden. Ich erinnere mich, wie wir Krankenpflegeschüler mit Patienten in die Kaufhalle gehen mußten und ich mit einer manischen Patientin Mühe hatte, weil sie innerhalb unglaublich kurzer Zeit ihren Einkaufswagen vollgepackt hatte und sich partout von nichts trennen wollte und rationalen Gründen unzugänglich blieb. Nach ellenlangen Diskussionen tänzelte sie auf dem Rückweg unentwegt herum und fiel mir in einen glücklicherweise nicht allzu tiefen Teich. Zuerst entnahm ich ihr den kleinen Einkaufsbeutel mit den essentiellen Zigaretten, woraufhin sie empört aufkreischte: 'Und mich? Rettest du mich auch?" - Die A6I war im Erdgeschoß und für Akutzuweisungen gedacht, so daß es regelmäßig vorkam, daß es klingelte, die Polizei mit einem Häufchen Umglück in der Mangel vor der Tür stand, und wir uns um den meist versifften Alkoholiker oder anderweitig derangierten Kranken kümmern mußten, was zunächst bedeutete: Waschgang, wofür sich Schüler prima einspannen ließen, während die Fachschwestern gemütlich beim Kaffee saßen; denn wahnsinnig viel zu tun hatte man damals nicht. So gut wie keine Pflegepatienten, alle liefen herum, holten sich ihr Essen und die Medikament ab, machten ihr Bett selbst usw. Bis eben auf die Notfälle oder so martialische Dinge wie die Elektrokrampftherapie (EKT), bei dessen Erinnerung ich noch heute Gänsehaut bekomme. Dieses zirka drei Monate dauernde Praktikum vergesse ich nie, hatte ich es mir anfangs mit der Stationsschwestern verscherzt, als ich einer Diabetikerin ein Brötchen zum Frühstück austeilte, woraufhin ich angefaucht wurde, daß Diabetiker nur Brot essen dürften! Ich war bereits seit Jahren auf einer Diabetikerstation tätig und diskutierte herum und durfte dann während des gesamten Praktikums Spießruten laufen und Pumpelarbeiten verrichten. Eine Anekdote noch. Eine depressive Patientin war so weit wieder in Schuß, daß sie an einem Samstagabend zu einer Art Disco ging und recht aufgeräumt zurückkehrt, als ihr ein Mitpatient, seines Zeichens Liedermacher und Lebenskünstler, entgegenkam und ihr zuraunte: "Na, wie war's, du fette, alte Kuh!" Aller Erfolg dahin, ihr Mimik fror ein, es war dramatisch und erbärmlich und ging nachhaltig in meine Erinnerungen ein. (18. Juni 2020)


Reanimation

Gestern gleich zu Dienstbeginn die erste Reanimation seit langer Zeit und die erste auf der neuen Station unter widrigeren Umständen. Wir schlugen uns dennoch tapfer, verloren aber. Eine Reanimation ist eine Ausnahmesituation, die mit einem enormen Adrenalinausstoß einhergeht. Insofern wenigstens vier Kollegen beteiligt sind, sollte es gehen. Ein Arzt steht am Kopfende und macht zuerst die Maskenbeatmung, intubiert dann und bebeutelt den Patienten. Ein anderer drückt. Der Dritte kümmert sich um die venösen Zugänge. Adrenalin wird gegeben, Flüssigkeit (Infusionen). Ein Vierter schafft, was benötigt wird, heran, z.B. Defibrillator, Patientenakten, Absaugung, Medikamente usw. Bevor es losgeht, sollte einer das Reanimationsteam rufen, welches von der Intensivstation herbeieilt (Arzt + Pflegekraft), ein anderer schleppt den Notfallkoffer. Wichtig ist, daß jemand sofort mit der Herzdruckmassage beginnt! Diese wenige Aussagen zeigen schon, wie verworren die Lage zunächst erscheint: man muß telefonieren, Materialen heranschaffen, auspacken und in Gang setzen (Sauerstoffgabe, Absaugung), sollte aber auch schon drücken. Die berühmte Defibrillation, wie man sie aus den Krankenhausserien kennt, wird nur durchgeführt, wenn eine Herzaktion (Kammerflimmer/flattern) erkennbar ist. Bei Asystolie = fehlender Herztätigkeit wird weiter Druckmassage ausgeübt. Unsere gestrige Wiederbelebungsmaßnahmen wurden erschwert durch eine akute Blutung aus dem Mund und blieb letztlich frustran (erfolglos). Am Ende steht Erschöpfung, Schweiß und, dieses Mal, Enttäuschung, ein anderes Mal, wenn der intubierte Patient mit Lebenszeichen auf eine ITS verbracht werden kann, Freude und Befriedigung. Em Ende dann auch Beseitigung des Chaos, es liegt sehr viel herum, Ausscheidungen müssen entfernt werden. Man benötigt ein cooling down. (14. Juni 2020)


Außenlieger und Informationswirrwar

Kürzlich schrieb ich über Außenlieger auf unserer Station, meist chirurgische Fälle, die in den Disziplinen "Plastische Chirurgie" (PCH), "Unfallchirugie" (UCH), "Septische Chirurgie" (SCH), "Allgemeine Chirurgie" (ACH) und "Gefäßchirurgie" (GCH) imponieren, jeweils mit eigens zuständigen Assistenz-, Ober-, Chef- und diensthabenden Ärzten, deren Rufbereitschaft wir auf Telefonlisten notieren, um einigermaßen den Überblick zu behalten. Wenn beispielsweise ein Patient mit SHF über Beschwerden klagt, müssen wir partout den UCH-Arzt kontaktieren. Auf unserer Belegungsliste ist genau notiert, wer welchem Fachbereich zugeordnet ist. Nervig ist, wenn man unterwegs auf Station ist, dann sofort den Zettel aufzufalten, Zuordnung abzulesen, Arztrufnummer zu suchen, anzurufen und Problem zu schildern, wofür man jedoch möglichst im Dienstzimmer an der Patientenkurve stehen müßte, um weitere Informationen zum Patienten liefern zu können. Das ist technisch einfach unmöglich bzw. sehr anstrengend, die Fäden zusammenzuhalten und sich bei dieser komplexen Art des Informationsmanagments nicht zu verheben und mental zu verkühlen. Verletzungen mit Schneidegeräten (Messer, elektrische Geräte) sind übel. Gestern kam spätabends ein Mann, der sich beim Rasenmähen zwei Finger abgetrennt hatte, die im Beutel mitgeliefert wurden. Das sind für uns Pflegekräfte, die lebenslang auf Internistischen Stationen gearbeitet haben, neuartige und eindrucksvolle Erfahrungen. Auch neurologische Außenlieger sind möglich. Onkologische sowieso, sind viele Tumoren doch im Magen-Darm-Trakt angesiedelt, wodurch die Patienten zwischen uns, der Gastroenterologie, und der Onkologie pendeln, weil wir die Diagnostik machen, die anderen die Therapie. (3. Juni 2020)


Eutritzsch (2)

Eigentlich liegen auf unserer Station Patienten mit endokrinologischem (v.a. Diabetes Typ 1 und 2) und gastroenterologischem Krankheitsbild, welches breit gefächert ist. Organe wie Magen, Darm, Milz, Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse sind betroffen. Akute Blutungen (= GIB) sind am häufigsten, Entzündungen (z.B. Pankreatitis, Cholezystitis), Steinleiden (Choledocholithiasis), die oft zu Verengungen und Verschlüsse führen), Tumoren=Krebs. Täglich werden zig Endoskopien durchgeführt: Magenspiegelungen (Gastroskopie), Darmspiegelungen (Koloskopie), Enddarmspiegelung (Rektoskopie), Bauchspeicheldrüse/Galle (ERCP). Die häufigsten Begleitdiagnostiken sind zudem CT und MRT. Die Vor- und Nachbereitungen bei diesen Eingriffen sind vielfältig und zeitraubend. Blutentnahmen sind häufiger als in anderen internistischen Bereichen; denn andauernd werden aktuelle Werte (Blutbilder, Elektrolyte und Blutgerinnung) benötigt. Die Patienten bekommen sehr sehr oft mehrmals am Tag zu den unterschiedlichsten Zeiten und meistens intravenös Antibiotika, Schmerzmittel, Infusionen, Substitute (z.B. Eisenpräparate). Blutentnahmen sind laut Gesetzgeber normalerweise ärztliche Aufgabe, werden jedoch delegiert. Man malträtiert Patienten, die sich oft schon in Behandlung befanden und deren Gefäßverhältnisse sich dementsprechend grottig ausnehmen. Die Nadel im Heuhaufen ist auf Station also die punktierbare Vene an Armen und Beinen. Ziemlich alle Patienten haben periphervenöse (Flexülen) oder zentralvenöse Zugänge, die regelmäßig Probleme bereiten und gewechselt werden müssen. Dauersport in dieser Disziplin ist die stetige Suche nach einem Arzt, der sie dem Patienten neu legt. Erschwerend kommen die so genannten Außenlieger hinzu. Patienten aus anderen medizinischen Bereichen, die aus Kapazitätsgründen nicht auf den dafür zuständigen Stationen liegen können und bei uns sozusagen "außengelagert" werden, so daß wir nun auch chirurgische Krankheitsbilder bedienen sollen, die uns völlig fremd und ungewohnt sind, von deren Handling wir wenig bis keine Ahnung besitzen und die neuartige Herangehensweisen abfordern, in die wir uns - neben dem "gewohnten" Streß - mühsam einfinden müssen. Außenlieger werden nicht gemocht und als große Last und Belastung empfunden. (6. Mai 2020)


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