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Selbsterlebtes und Notizen aus dem Alltag


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Jetlag

Am Tag, an dem ich aus dem Nachtdienst "herausgehe", d.h. nach der letzten Schicht morgens heimkomme, so lange wie möglich zu schlafen versuche, belastet mich üblicherweise ein Jetlag, eben weil der Schlaf massiv gestört ist. Heute wachte ich 13 Uhr auf, was 5 Stunden Schlaf entspricht. Seitdem stehe ich neben mir. War einkaufen, dann erledigte ich für meinen Vater Telefonate und E-Mail-Verkehr und kam somit bis jetzt kaum zum Lesen. Und der Abend des Jetlag-Tages ist traditionell dem Besäufnis unter Hinzuziehung diverser TV-Serien gewidmet. Das Weizenbier steht kalt; zunächst ein Polizeiruf 110 (E325 - Zwei Brüder) mit Lenski & Krause. Indem ich mich so ablenke und abfülle - als Höhepunkt stets eine Nudelorgie am späteren Abend - und dann quasi bewußtlos ins Bett falle, schwenke ich wieder in den Tagesrhythmus. Am Folgetag, hoffentlich auch morgen wieder, wache ich relativ "normal" auf und kann mich dann wieder John Irving widmen, dessen vorletzten Roman "Letzte Nacht in Twisted River" ich seit einigen Tagen lese. (13. Juni 2012)


Mit oder ohne Alkohol

In der "Magensache" habe ich mich fast gesund geschlafen. Zwar spüre ich noch Magendrücken, das mit einer gehörigen Menge MCP nebst Esomeprazol in den Griff zu bekommen sein sollte. Leider fiel ich zwei Arbeitstage bzw. - bei meiner nunmehrigen Dienstform als Dauernachwache - Arbeitsnächte aus, was besonders der Vorgesetzten, der der Dienstplan obliegt, die Sorgenfalten tief in die Stirn gräbt und den Unmut der Kollegen wachruft, die allein zurecht kommen müssen. Seit Dezember erwischte es mich bereits zum dritten Mal. Kreuz, Bronchien, Magen. Nachdem ich seit vorgestern Morgen (nach dem Nachtdienst) so anhaltend geschlafen habe, daß die wachen Phasen kaum ins Gewicht fallen, bin ich nun, genesen(d), aller Müdigkeit ledig und hellwach. Mitten in der Nacht. Dieses Durcheinander meines Biorhythmus sollte ich gewohnt sein, betäubte es leider meist mit Alkohol, der mir pausenlos Tag für Tag ins Bett half. Durch den lädierten Magen geht das gerade nicht, so daß ich bereits den fünften Tag ohne ihn auskommen muß und dabei zweierlei fühle. Zum einen Genugtuung, daß ich weder zittere noch sonderliches Verlangen nach einem Pint habe. Zum anderen aber die Besorgnis, daß ich ohne das gewohnte Quantum und zudem ausgeschlafen wie sonst nie überhaupt nicht zum Schlaf komme. Ich MUSS ja nicht schlafen, sollte also beruhigt sein; denn die Arbeit ruft erst wieder Mittwoch Abend. Trotzdem ist es, als wäre ein Haltetau weg, an dem sich festzukrallen festes Ritual ist, auf das man glaubt nicht verzichten zu können. Das ist eben eines von vielen Merkmalen einer Suchtproblematik. Immer wieder der Gedanke: Tu es einfach! Laß es drauf ankommen! Was soll schon passieren? Und wenn du nicht schläfst - na und? Irgendwann holt sich der Körper, was er braucht... Ein wesentliches Motiv, warum ich ab März nur noch im Nachtdienst arbeite, ist der rechnerische Vorteil, daß ich dann an 20 Arbeitstagen im Monat keinen Alkohol zu mir nehme. Denn in den letzten Jahren gelang es auch nicht mehr, die Früh- und Spätdienste vom Stoff freizuhalten. Möglicherweise, so meine stille Hoffnung, gelingt es mir peu a peu, sogar an manchen der 8 freien Tage im Monat keinen Alkohol zu konsumieren, so daß sich längere Zyklen der Abstinenz entwickeln mit der Aussicht, in absehbarer Zukunft gegebenfalls gar mehrere Wochen lang clean zu bleiben. Dies ist Zukunftsmusik, deren Melodie mit allerdings lieblich im Ohr klingt. (12. März 2012)


Depression

Mir geht es seit 10 Tagen beschissen. Die Bronchitis bzw. der grippale Infekt war hartnäckig und ist noch nicht ausgestanden. Ab morgen muß ich nach 8 Krankheitstagen wieder arbeiten. Meine Abwesenheit wurde ausgenutzt, um den Dienstplan zu verändern, so daß ich nicht weiß, wieviele Dienste ich nun zu absolvieren habe. Schlimmstenfalls bis Sonntag. Wenn man sich mies fühlt, sieht man die Welt düster oder, selbst wenn man Frohnatur ist, düsterer als sonst. Wie erst, wenn man selbst in gesunder, normaler Disposition depressiv ist, wenn man das Leben eher erträgt als lebt, wenn man sich voranschleppt und nicht agiert. Dann bedeutet eine solche Addition von physicher Schieflage zur psychischen eine deftige Verschärfung. Habe ich mich vielleicht von der Tragik der Tagebücher Victor Klemperers anstecken lassen? Der Alkohol, der üblicherweise wenigstens den Abend rettet, wirkt momentan abstumpfend. Gute Tage unterscheiden sich von schlechten bei mir nur durch die graduellen Stärke des Gefühls, mein Leben verpfuscht zu haben. Glücksempfinden ist ganz, aber wirklich ganz selten. Im Augenblick quält mich zur schon gewohnten Zukunftsangst noch eine Tagesangst. Eine katastrophale Gemengelage. (22. Februar 2012)


Heirate!

In was für einem Land ich lebe, wird mir wieder bewußt, wenn ich hören muß, daß man Gauck anrät, doch noch zu heiraten. Freilich ist das nichts genuin Deutsches. In vielen anderen Ländern würde man einen verheirateten Präsidenten ebenso voraussetzen. Nur leben wir in einer pluralisierten Welt, in der wir zu Recht stolz darauf sind, daß sich jeder entfalten kann, was freilich durch das oft geringe Einkommen limitiert wird. Aber wenigstens die Meinungsfreiheit wäre garantiert, wenn auch mit Vorbehalten, d.h. wenn man gewillt ist, mit den Konsequenzen zu leben. Wenn man den Mut eines Querdenkers lobt, hat man eben verschissen, das darf man nicht. In einer Gesellschaft voller allein Erziehender, der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einer hohen Scheidungsrate, in einer Welt, die wahrlich andere Problem zu lösen hat, ist der Wunsch, in den Trauschein eines designierten Bundespräsidenten glotzen zu dürfen, wirklich beschämend.


Zerfledderung

Für mich beginnt der Tag erst richtig nach dem zweiten Schlaf, dem Tagesschlaf. Zu Bett gehe ich meist spät, zwischen 1.30 Uhr und 3 Uhr, stehe dann zwischen 8 und 10 Uhr auf. Nachtschlaf also 5 bis 6 Stunden, die komplettiert werden durch eine zweite Schlafphase, die zumeist nach 3 bis 4 Stunden Wachsein erfolgt, heute von 11. 30 bis 14.30 Uhr. Zwischen 1. und 2. Schlafperiode ist selten Lektüre drin. Eher sitze ich am PC, verfolge die Timelines, schreibe und poste selbst etwas, treibe mich in Foren herum usw. Erst nach dem Zweiten Schlaf geht der Tag richtig los. Allerdings dann regelmäßig erst mit einem Einkauf. Heute verließ ich zum Beispiel 15.15 Uhr das Haus und kehrt 16.30 zurück. Diese "Zerfledderung" des Tages zu beseitigen gelang mir noch nicht. Etwas Ruhe und Einheitlichkeit bringt erst der Abend, an dem ich dann jedoch oft schon ab 20 Uhr anfange, Serien zu gucken, so daß an manchen Tagen das Lektürepensum arg klein ausfällt und ich als Fazit für den Tag dann eben das Prädikat "mißglückt" vergebe. Veränderung an dieser Un/Ordnung beabsichtige ich zwar immer wieder; nur gelangen und gelingen sie nicht. Den Zweiten Schlaf wegfallen zu lassen, klappt nicht, weil ich gegen die bleierne Müdigkeit nicht ankämpfen kann. Ich fühle mich höchst unwohl in dieser Zwangsjacke. (8.1.2012)


RIP, Stefan Diestelmann

Ein Nachruf auf den Bluesgott meiner Jugend: Stefan Diestelmann, der vor fast 5 Jahren unbemerkt starb. Ich bin völlig von den Socken und sitze ob der für mich plötzlichen Nachricht immer noch geschockt im Sessel. Immer wieder hatte ich mich gefragt, warum es so wenig Informationen über ihn gibt. Man wußte, er lebt irgendwo in Bayern, hat eine Filmfirma. Offenbar war sein Rückzug so komplett und vollständig, daß er quasi seinen unbemerkten Abgang selbst vorbereitet hat. Sein letztes Interview untermauert seine Abwendung und die Müdigkeit sehr eindrucksvoll. RIP, Stefan. Ergänzend sei ein Porträt auf dem Musikportal Deutsche-Mugge.de erwähnt. Auf Youtube gab es nie sonderlich viele Videos von Diestelmann. Von dem Journalisten, der den Tod des Sängers nun recherchierte, wurde Blues & Trouble aufgeladen. Die Szene aus dem Film Sing, Cowboy, sing zeigt Stefan Diestelmann, der hier mit Schlagzeug und Mundharmonika die Kneipenschlägerei untermalt. (11-12-2012)


Meine Handys

Diese Abhängigkeiten von Ladegeräten kannte ich bis vor 2 Jahren noch nicht. Bis dahin besaß ich kein Handy. Jetzt 3, mit 3 verschiedenen gültigen Nummern. Das erste ist ein Billig-LG-Handy, welches ich damals bei Amazon für 28 Euro kaufte und einen congstar-Prepaid- Tarif nutze. Da ich aber fast nie telefoniere, hatte ich irgendwann immer noch das komplette Guthaben drauf. Dann kam die Pistole auf die Brust, d.h. eine Mail, die mir mitteilte, mein congstar-Vertrag wäre gekündigt und das Guthaben verfiele nach den nächsten vier Wochen. Just in dieser Woche bot man im Discounter das gleiche LG-Handy für 10 Euro an, inklusive Startguthaben von 10 Euro - also quasi geschenkt. In der Zwischenzeit hatte ich eine Mail an congstar geschrieben, in der ich mein Bedauern ausdrückte. Unerwarteterweise wurde daraufhin die Kündigung zurückgezogen, so daß ich nun über zwei baugleiche und funktionstüchtige Handys verfügte, die ich jedoch nur für Notfälle und mal die eine oder andere SMS brauche. Mehr als 1 bis 2 Euro verbrauche ich im Jahr nicht. Das dritte Handy kam vor 4 Wochen ins Haus, nachdem ich endlich genug weichgeklopft war, um dem Besitz eines Smartphones zuzustimmen. Die dritte Nummer. Zwar habe ich für dieses Base Lutea 2 keinen Telefontarif gebucht, sondern eine Internetflat ist in der Monatsmiete von 17 Euro enthalten, aber telefonieren kann man, wenn auch ziemlich teuer, trotzdem. Insgesamt gesehen, ist der Besitz dieser Geräte Luxus. So richtig benötige ich sie nicht. (10.12.2011)


Reibungsvolles Einkaufen

Man sollte doch meinen, daß gewisse alltägliche Abläufe so optimiert sind, daß sie möglichst wenig Reibungsfläche bieten. Wie das Einkaufen, speziell das Bezahlen an der Kasse. Das beginnt schon damit, daß ein Einkaufskorb eine tolle Erfindung ist. Trotzdem glauben viel zu viele, ohne Korb gehe es einfacher - welch ein leidvoller und täglich erlebter Trugschluß. Den Wettlauf mit der Kassiererin kann man nicht mehr gewinnen. Und so passiert es, daß der überforderte Kunde gleichzeitig seine Waren verstauen will und aber auch bezahlen soll. Warum klappt das nicht, wenn man es doch ein Leben lang übt? Warum wird der Mensch nicht klüger? Und vor allem: Warum zückt der Kunde erst dann seine Geldbörse, wenn die Kassiererin den zu zahlenden Betrag einfordert? Der mit seinen noch daliegenden Waren sowieso schon hektische Kunde fummelt sein Portemonnaie hervor und versucht im schlimmsten Fall noch, passendes Geld zu liefern, was zu einer nochmaligen Verzögerung führt. Die Supermärkte fordern zwar, eben aus dieser Erfahrung heraus, daß ein Rundgang nur mit Korb erfolgen sollte; nur halten sich unverbesserliche Kunden nicht daran. Und die stehen dann IMMER in der Reihe vor mir. Ich dagegen nehme immer einen Korb und packe die Waren, die durch die Kasse gegangen sind, zügig weg. Das Geld habe ich vorher schon in der Hand und kann es exakt zu dem Zeitpunkt reichen, zu dem der Betrag gefordert wird. Mein Einkauf ist optimiert; mich wundert nur, daß die Leute hinter mir ob der geklungenen Vorstellung noch niemals geklatscht haben. (6.12.2011)


Zum Tod Steve Jobs

Bei aller Trauer, die jedem Tod gilt, muß man bedenken, daß Steve Jobs als mittelloser Mensch längst tot wäre. Mit seinen Vorerkrankungen wäre er nämlich einer der mehr als 8000 Menschen gewesen, die 2009 die Leber nicht bekommen hatten, die sie brauchten. Daß er jetzt erst gestorben ist, ist also eher durch Geld erworbene Gnadenfrist, die nicht jeder hat. - Ich finds wie immer merkwürdig, wenn allenthalben "Bestürzung" die Rede ist. Das ist so PC Speak, der mir zum Hals heraushängt. Es ist doch seit Tagen klar, daß er im Sterben lag. Und es ist ebenso klar, daß sein Geld ihm geholfen hat, so lange mit seiner Krankheit zu leben. - Stets ein Ärgernis, daß der prominente Tod für so viel Aufregung sorgt, während der anonyme Tod Verlegenheit und Ratlosigkeit erzeugt. - Es ist immer auch die Frage, wie man zu jemandem steht, der gestorben ist. Steve Jobs und Apple sagen mir als Technikverweigerer gar nichts. Deshalb sehe ich heute mit etwas nüchtererem Auge zu, während andere Rotz und Wasser heulen. An anderen Tagen, wenn beispielsweise demnächst Die Simpsons sterben, werde ich dann betroffen sein. Als Pfleger erlebe ich den Tod bei uns auf Station meist auch eher professionell. Ich reibe mich allerdings an der Diskrepanz zwischen nicht gelebtem Leben und zu frühem Tod. - Mir wurde vorgeworfen, ich wäre gegenüber Steve Jobs respektlos. DAS ist da schon grenzwertiger. Noch einige weitere Kalauer... Auf Facebook: "Nur Goethe-Leser werden überleben." Ich: "Das hättest du Steve aber auch früher sagen können." - Heute ist der Startpunkt der Steve- ist-tot-Appleologie. - In 10, 15 Jahren reisen die Preisträger nicht mehr nach Stockholm, sondern nach Kalifornien. - Der Arbeitslose: Job weg. Der Arbeitnehmer: Jobs weg. - Facebook: "Es entbehrt natürlich nicht der Ironie, dass auch alle Religionsgründer einmal sterben." Ich: "Warten wir erstmal 3 Tage ab." - Es ist immer traurig, wenn man Jobs verliert.


Erneuerungsbewegungen

Das Buch Erneuerung von Christopher S. Bergstedt klagt eine geistliche Erneuerungsbewegung innerhalb der katholischen Kirche an. Muß ich mir besorgen; denn ich selbst habe 8 Jahre lang innerhalb und mit dieser "Sekte", wie sie von manchen gesehen wird, gelebt. Das letzte kritische Buch in dieser Hinsicht erschien meines Wissens vor fast 20 Jahren: Die Unterminierung der Katholischen Kirche von Mary Ball Martínez und betrachtet mehrere dieser geistlichen Gemeinschaften, welche innerhalb und mit dem offiziellen Segen bzw. der Duldung der Kirchenmächtigen operieren.


Sedisvakantismus

Die katholische Kirche produziert mit einigen Abweichlern ihr eigenes Comedyprogramm. Einer davon ist der Sedisvakantist (Pater) Rolf Hermann Lingen. Sein Spaßprogramm findet sich unter kirchenlehre.com, seitdem ihm die Domain katholisch.de gerichtlich entzogen worden ist. Auch auf YouTube operiert er, indem er beispielsweise ein garantiertes Rezept zum Abnehmen propagiert. Solange er niemandem den Schädel spaltet, mag er tun und sagen, was er will. Es wird immer nur wenige geben, die den Mumm haben, eine verquere Idee mit Konsequenz über lange Zeit auszufechten. Manche gucken Mario Barth, ich gucke TheoRolf Hermann Lingen.


Beim Friseur

Als ich den Friseursalon betrat, saßen 2 Männer und 2 Frauen da. Männer fast fertig frisiert, Frauen ohrenscheinlich befreundet und plaudernd. Würde zirka 45 min dauern, was sich entgegen meiner naiven Einschätzung als erstaunlich hellsichtig herausstellte; allerdings beanspruchte Tratscherei zwischen Chefin und Friseure knapp ein Drittel der Zeit, und in der Zeit der Vorgespräche zwischen Kundinnen und Friseurin-Azubi hatte ich locker ein Pferd neu beschlagen können. Wenn ich auf Station so arbeiten würde, würde der natürliche Alterungsprozeß der mutmaßlichen Heilungsabsicht des Arztes vorgreifen.


Pendelbewegungen

Es waren wunderbare Lesetage in der vergangenen Woche, fern von der Versuchung, Platzhirsch im Web 2.0 zu sein. Freilich weiß ich, daß es stets Pendelbewegungen sind. Eine Zeit lang geht es in die Richtung, dann wieder in die andere. Als Jäger und Sammler von Fundstücken, Gelesenem, Gehörtem, Durchdachtem oder weniger Durchdachtem (Hang zum Nonsens) und als jemand, der durch den Mitteilungsdrang quasi auf diesem Material wie auf einem Pulverfaß sitzt, ist es schwer, das rechte Maß zu finden oder eine Form, die die Ventilfunktion dauerhaft ausübt. Ich übertreibe in beide Richtungen; entweder halte ich mich gänzlich zurück und schweige, oder es schwappt über und gerät an die Grenze des Spam, wenn ich mit meinen Sachen ankomme. Dann ziehe ich irgendwann die Notbremse, halte an und erstarre, völlig unfähig und verwirrt und mit Null Ahnung, wie es weiter gehen könnte. Die letzten Tagen nach der Notbremsung kamen demnach dem Lesen zugute, welches auch nur gelingt, wenn der PC ausgeschaltet ist. Allerdings merke ich seit gestern schon wieder, wie die Ideen sprudeln und ich mein Schweigen satt habe, wie das Ventil sich öffnen will, weil der Innendruck stetig wächst und ich schon wie ein Kochtopf zu pfeifen anfange. Jüngste Wirkung dieser "Not" ist die Wiederblebung der Miszellen als Auffangbecken von Ideen und Fundstücken und tagebuchartigen Notaten.


Bananas

"Bananas" seit damals nicht mehr gesehen. 30 Jahre her! Erstaunliches Konzept, das heute niemand mehr wagte. Sketche mit angesagter Livemusik zu kombinieren. Herrlicher Flashback mit teilweise kuriosen Sangeseinlagen. Gianna Nanini am Anfang ihrer Karriere, ein deutsch singender Gilbert Becaud, One-Hit-Wonder, typischer 80er-Jahre-Trash, aber auch Weltstarts. Unterhaltung und Erinnerung - eine faszinierende Mischung, wenn mans JETZT wieder guckt. Und es traten ja nicht nur Klamaukgruppen auf, sondern alle Großen und Halbgroßen, die teilweise ins Ulkkonzept der Sendung integriert wurden und mit haarsträubenden Bühnenbildern oder Kostümen musizieren mußten. "So traten z. B. Depeche Mode mit 'See you' in der Kulisse eines Stalls auf und nahmen dabei die anwesenden Hühner auf den Schoß." Wie vergehende Zeit die Dinge verändert. Musik, die ich damals nicht mochte, geht heute. Robert Palmer etwa, der in Bananas (1) ebenfalls auftritt. Die Witze sind aus heutiger Sicht teils abgeschmackt, teils unbeholfen. Was mir weiterhin auffällt, ist, daß damalige Popmusik noch viel mehr bzw. überhaupt noch Italienisch und Französisch (z.B. Lio gleich zu Anfang von Bananas_2) zuließ. Klar, die 80er waren das klassische Jahrzehnt für Italo-Pop; dennoch... Und: viele internationale Hits wurden deutsch gecovert, was unseren Ohren gar seltsam anmutet.


Anruf meines Providers

Habe eben eine Kundenberaterin meines Providers am Telefon abgeschmettert. Sie: "Ja, kennen Sie die Möglichkeiten, unterwegs mit Smartphone und Tablet-PC im Internet su surfen?" Ich: "Wie jetzt, unterwegs?" Das wissen natürlich nur diejenigen zu würdigen, die um den Level meines Reiseenthusiasmus wissen. Sie dann noch: "Es gibt ja auch für Wenigtelefonierer wie Sie hervorragende Flaterates. Blablabla." Ich: "Dank der täglich eintrudelnden Spammails Ihrer Firma bin ich darüber bestens informiert und würde mich ggf. für ein Angebot entscheiden, ohne dazu noch die telefonische Motivation ständiger Anrufe zu bedürfen." Ich dachte, nur Männer können stottern.


Künftige Kommunikation

Genial bei Google+ ist auch, daß persönliche Nachrichten und Postings nicht mehr getrennt bearbeitet werden müssen. Man erzeugt ein Posting und beschränkt es auf diejenigen Empfänger, die es lesen sollen. Die in der gestrigen Sendung bei DRadio Wissen aufgekommene Frage, ob die E-Mail noch zeitgemäß sei bzw. wiegestalt in der Zukunft die persönliche Kommunikation beschaffen sein könne, wird dadurch gleich mit einer plastischen Antwort und möglichen Anwendung versehen. In solchen Kreisen, Circles, oder wie auch immer man es bennenen mag, verwischen die Konturen streng bipolaren Austausches. Man teilt Inhalte mit einer definierten und potentiell ständig wechselnden Leser/Zuhörerschaft. Dies ist einerseits sehr elastisch, birgt andererseits aber die Gefahr, der Übersicht über seinen In/Output verlustig zu gehen.


Lachen im Alltag

Liisa fragte heute nach dem Lachen, ob und welcherart es in unserem Leben vorkomme. Ich kommentierte bei ihr: "Obwohl ich in der Grundverfaßtheit depressiv und miesepetrig bin, gehört Lachen zum täglichen Pensum. Lautes Lachen ist einem seltener vergönnt. Schallendes, zwechfellerschütterndes Lachen noch seltener, wenn man sich keine Anlässe herbeischafft. Mir gelingt das ganz locker, indem ich auf YouTube Entsprechendes aufrufe. Filmsequenzen (Loriots 'Ödipussi' & 'Pappa ante Portas' und die ganzen Animationsfilme wie "Shrek" sind beispielsweise Dauerbrenner) oder Kabarett/Comedy, wie ich gestern bei Piet Klocke in einen Flash kam und mir dann tatsächlich das Zwechfell schmerzte. Oder Bei den Hape-Kerkeling-Sachen... Im Alltag darf das breite Grinsen, das Schmunzeln, die plötzliche innere freundliche Helligkeit dazu gerechnet werden, wenn einem komische und witziges Dinge unterkommen. Twitter mit den vielen humorigen Notaten ist für mich dauernd Anlaß und unverzichtbar geworden. Ich kenne den Ausdruck »zereumeln« für diesen Umstand.


Ein Banktermin

Nur gut, daß auch im Bankgewerbe die Fluktuation recht stattlich ist. Meine Beraterin, die ich schon beim ersten Mal vergrault habe, weil ich ihre Angebote so gar nicht zu würdigen wußte, scheint einem Neuen gewichen, der mich gestern am Telefon zuckersüß - Indiz, daß er mich nicht kennt (nicht daß er's zuckersüß macht, sondern überhaupt wagt) - zu einem informellen Treffen einlud. Dies trifft sich gerade gut, weil eine Festgeldanlage ausläuft und ich sowieso einen Termin gebraucht hätte. Er freue sich ja so, mich nach meinem Urlaub erholt und erfrischt begrüßen zu dürfen. O wie ich diese Bagage eigentlich hasse, Leute, die darauf angewiesen sind, einem etwas anzudrehen. Die wirken allesamt so erbärmlich auf mich, daß ich mich abstrampeln muß, noch den Menschen in ihnen zu sehen.


Hosenangst

Klamotten kaufe ich nur alle Jubeljahre. Hosen sind dabei angstbesetzter als anderes Stücke, weil es eben bei meinem Umfang und Schwerkraftsquotienten nicht einfach ist. Dank der XXL-Collection bei C&A habe ich seit Jahren wenigstens einen halbwegs stabilen und hilfreichen Anlaufpunkt. Heute MUSSTE ich Hosen kaufen gehen, weil die letzte Hose, die mir noch paßt und die ich seit geraumer Zeit trage, den Geist aufgibt. Und was soll ich sagen? So viele Glück gleich beim ersten Versuche! Erstens fand ich 3 Jeans, in die ich auf Anhieb hineinpaßte; und zweitens gewährte C&A anläßlich ihres 100-jährigen Bestehens heute einen 20-prozentigen Rabatt. Solche Erlebnisse mögen dem gewieften Normalo profan und banal erscheinen - mir Hikikomori sind die duetliches Anzeichen einer höheren Macht, die es gut mit mir meint. Außerdem gesehen, daß Hirmer, der Mercedes-Benz unter den Übergröße-Läden, in der Leipziger Innenstadt eine Filiale unterhält. Meine Hosenangst ist jetzt für bestimmt zwei, drei Jahre besänftigt.


Gegen passive Physiotherapie

Die sportpädagogische Indoktrination bei der Rehabilitation vor einem Jahr hat offenbar gewirkt. Als ich vor kurzem akute LWS-und Ischias-Beschwerden hatte, wurden mir als physiotherapeutische Maßnahmen Fangopackungen und Massagen verschrieben. Davon halten die Sporttherapeuten wenig. Klar, alles entspannend und im Sinne der Wellness höchst modern. Aber letztlich wirkungslos. Was einzig hillft, sind aktive Übungen, Bewegungen und Sport. Was mich an der Physiotherapiesache als Geizhals natürlich wurmt, ist das herausgeschmissene Geld. Für die 35 Euro, welche ich dazuzuzahlen hatte, hätte ich drei- bis viermal in die Sachsentherme gehen können und damit wesentlich luxuriösere Wellness erlebt. Das nächste Mal lehne ich passive Physiotherapie ab.


Fehlende Routine

Die letzte Zeit war nicht eben von Routine geprägt. Die Krankheit wegen der Rückenschmerzen. Viele verschiedene Dienste - selten zusammenhängend über mehrere Tage... Heute nun ein Frühdienst, auch er eher eine Seltenheit geworden. Aber sofort bringt er mich in eine normale Position dem Leben gegenüber. Spleenigkeiten, die entstehen, wenn man zuviel Zeit hat und sie nicht zu nutzen versteht, verschwinden; ich konzentriere mich auf das Allernotwendigste, d.h. ich beschränkte mich auf einen Nachmittagsschlaf bis 18.30 Uhr, der einfach notwendig ist, wenn man nachts nur 4 Stunden geschlafen hatte; - dann in den vergangenen 2,5 Stunden unbeschwerte Lektüre ohne eingeschaltetem PC. Seit langem also Zufriedenheit am Abend.


Hausierer

Mußte heute eine Vodafone-Tante abwimmeln, die sich die 4 Etagen heraufbemüht hatte und mir, noch keuchend, die Vorteile eines Wechsels des Telefonanbieters schmackhaft machen wollte. Ich ließ sie gnädigerweise zu Atem kommen, um sie dann mit der Bemerkung zu verabschieden, daß ich so stinkreich sei, daß mir ein Wechsel allein des bürokratischen Hickhacks wegen zuwider sei und ich an der Haustür prinzipiell keine Geschäfte tätige. In Anbetracht meiner physischen Gegebenheiten könnte ich Hausierern auch mit dem Zeigefinger drohen, daß nämlich in Deutschland Walfang verboten sei.


Leipzig im Schnee

Vorhin auf gewacht, aus dem Fenster geschaut, wo unten jemand Schnee schippte, jemand vorbeilief und ihm zuraunte: "Ach, das bringt doch nichts!" Leipzig mit Schneefällen, wie sie in diesem Raum unüblich sind. War gestern Abend gezwungen, auf dem Rückweg von meiner Mutter mit der Straßenbahn zu fahren. Auf allen beiden Fahrten immense Probleme; immerhin gings irgendwann weiter. Was zu bemängeln ist: die fehlende Information. Warum fällt den Straßenbahnfahrer ein Zacken aus der Krone, wenn sie sagen sollen, was geht und was nicht? Es verunsichert, wenn man 30 Minuten herumsteht und nichts passiert. Wenn man aber beispielsweise gesagt bekäme: "Wir stehen herum und nichts passiert, wäre das wenigstens psychologisch hilfreich, wenn auch nicht objektiv.


Selbstverständlich Internet

Wozu hat man eigentlich ein Impressum, wenn es zu nix nütze ist? Gestern fragte mich eine Kollegin, ob ich ein Handy habe, sie wolle mir etwas zukommen lassen. Ich sagte nur: "Google rasch nach 'Markus Kolbeck Impressum'; da steht alles.". Die Einfachheit dieser Möglichkeit vermochte sie nicht zu goutieren, so daß ich dann doch auf den guten alten Schmierzettel zurückgreifen mußte. Die Leichtigkeit, das Internet zu benutzen, spreche ich anderen augenscheinlich zu schnell zu, weil sie MIR so einleuchtend ist. Andererseits besteht Anlaß zur Hoffnung. Denn ganz ohne meine Einmischung kam dann nach kurzem Innehalten seitens der klugen Kollegin noch der Nachsatz: "Achwas, ich kanns dir ja auch per Facebook schicken!" Ich bin so stolz auf die Virulenz von social media.


Ex oriente Werbung

Seit langem wurde mir wieder mal bewußt, daß ich Werbung ausgesetzt bin, die auf meine Aktivitäten im Internet zurückzuführen ist. Vor einiger Zeit verlinkte ich die Möglichkeit, Gold per Automaten zu erwerben; heute erhielt ich ein Werbeschreiben der "Ex oriente Lux AG", die mich über die aktuellen Standorte dieser Goldautomaten informiert. Bekanntlich habe ich, was das Internet betrifft, keine Berührungsängste und bot mich kürzlich, als meine Chefs Gutscheine bei einem Leipziger Wellnessbad erwerben wollten, als Vermittler an, weil sie zögerten, diese online zu erwerben. Mit Werbung kann ich prima umgehen. Ich bin ziemlich resistent bei Dingen, die mich nicht interessieren. Und bei Dingen, die mich interessieren, ist mir Werbung ja willkommen, weil ich mir sicher bin, mich nicht blenden zu lassen. Der Vorteile eines Geizhalses - vielleicht der einzige. Ex oriente lux - ex Sellerhausen aber kein Geld für Gold.


Bücherlei Notate

Ich fühle mich zwar nicht nur wohl beim Sammeln, aber WENN ich sammle, dann immer. So entstand mein Leipziger Bücherlei, indem ich ab 1996 zunächst Links zusammentrug, mich gegenwärtig auf Zitate auf gelesenen Büchern konzentriere. Dafür habe ich mit den "Fundstücken aus Büchern" (FAB) eine geeignete Form entwickelt. Bisher fehlte ein Auffangbecken für die Kurzform jenseits der Bücherzitate. Seitdem die sozialen Netzwerke wie Twitter und Facebook reüssieren, versanden diese Notate und Bemerkungen entweder im Datennirwana oder in den Archivtiefen, was prinzipiell aufs Gleiche hinausläuft. Immer wieder fielen einem merkenswerte Dinge ein und auf, die man postete. Und weg waren sie. Als Sammler mißfiel mir der Umstand zunehmend. Einige Themen werde ich fürderhin im Auge behalten und die dazu anfallenden Notate archivieren: Bibliomanie, Tagebuch, Krankenpflege und Witziges. - Für die eher weborientierten kleine Fundstücke sind die so genannten Netzperlen gedacht; hier die Sparten: Bibliomanie, Literarisches, Bibliotheken, (Vor)Lesen, Sprache, Allgemeines und einem Linkdump. - Angesteuert werden können sie entweder über die Übersichtsseite oder die Miszellen.


Bei Kaufland

Bei Kaufland wird man meist gefragt, ob alles in Ordnung war, ob man alles bekommen hat. Gestern nicht. Typisch. Es gab keinen billigen Glühwein, weder in Glasflaschen noch in Tetrapaks - diesen für 99 ct, denn alle Discounter haben und anbieten. Auf meine Unmutsreaktion an der Kasse wurde abwehrend reagiert, es gebe Tetrapaks - an anderer Stelle. An anderer Stelle als an der, wo 30 Glühweinsorten im Regal stehen. Abenteuerlich. Ich also nochmals eine Runde durch den Riesenmarkt, an dessen Ende ich mir einen Angestellten am Glühweinstand schnappte, vor dem schon zwei andere enttäuschte Glühweinjunkies lungerten. Er habe zwei Wochen Urlaub gehabt und müsse mal nachfragen. Er fragte. Kam wieder und entschuldigte sich: weder Flaschen noch Tetrapaks in diesem Preissegment vorrätig. Mit bösem Blick und leerem Einkaufskorb quetschte ich mich just an der Kasse durch, wo die Verkäuferin den Glühweinmangel so gar nicht zu glauben vermocht hatte und die den bösen Blick gekonnt professionell abschmetterte.


Sprachliches Sensorium

Mein sprachliches Sensorium wird stets milde gestimmt, wenn jemand noch “buk” oder “frug” sagt. Dagegen schrillen, auch wenn es leider noch so oft zu hören ist, die Alarmglocken bei “einzigster”, “Insofern - weil / daß” u.a. Bei unseren Zweibettzimmern sprechen die Kolleginnen nicht unbedingt selten auch vom hintersten oder vordersten Bett. Ergo, lieber veraltete Formen, die ein wohltuendes Gefühl sprachlicher Nostalgie heraufbeschwören, als solche Faux pas, die unausrottbar scheinen. Gerne auch das Dativ-e oder solche arabesken Ausdrücke wie “Es dünkt mich, daß…”, “Gehe ich recht in der Annahme” im grauesten Alltagsmiteinander.


Ein Ausnahmepatient

Auf unserer internistischen Station sind wir Patienten gewöhnt, die alt sind, multimorbid, die regelmäßig wiederkommen. Normale Leute. Die Hochgebildeten gehen sicherlich in die Universitätsklinik. Bei uns, Einzugsbereich Grünau, Großzschocher, Lindenau usw., dominiert das kleine Volk. Und auf einer Inneren nochmals ein Tick älter und kränker. Ginge ich durch die umliegenden Seniorenheime, würde ich sicherlich händeschüttelnd einen Großteil der Heimbewohner begrüßen können. Um so aufregender, wenn mal ein Patient kommt, der ein bißchen aus der Rolle fällt: 35 Jahre, volltrunken, erst aus dem Maßregelvollzug entlassen, mit amputiertem Bein (Unfall). Aufregend auch, weil sofort stereotype Reaktionen seitens des Pflegepersonals einsetzen. Betrunkene genießen bei ihm selten Wohlwollen. Die rangieren in der Beliebtheitsskala in einem Krankenhaus ganz, ganz weit unten. Und kombiniert mit dem Status eines Knastbruders hat es ein Patient gleich ganz verschissen. (6.9.2010)


Erschöpft

Ich kenne viele Modi des Unwohlseins. Die Kombination ‘ausgeschlafen, physisch aber noch erschöpft und nach so vielen Diensten äußerst mangelhaft regeneriert zu sein’ ist ungewohnt für mich; ein komisches Gefühl. Normalerweise - aber was ist hier normal - trage ich immer ein bestimmtes Quantum Schlafdefizit hinter mir her, während ich physisch ausgeruht bin. Sobald ich viele freie Tage habe oder Urlaub, spaltet sich mein Schlaf in zwei Phasen auf: von ca. 2 Uhr bis 8 Uhr und nachmittags nochmals zwei Stunden. Der Nachteil ist, daß ich mich bis nach der zweiten Phase immer wie im Jetlag fühle, also nie ganz wohl, sondern körperlich immer suboptimal. Heute ist es anders, weil ich 3mal geschlafen habe und nun ziemlich wach bin, aber eben noch durch die wenigen freien Tage und die anstrengenden Arbeitstage der letzten 3 Wochen unerholt und erschöpft. Ja, ein merkwürdiges Gefühl.


Standortbestimmungen

Immer wenn ich Dokumentationen über noch dickere Menschen als mich sehe, fühle ich eine gewisse Befriedigung. DU bist noch nicht so schlimm dran, dir gehts noch ein bißchen besser... Wie der Menschen sich irrational verhalten kann! Andererseits, so ein Kommentator auf Facebook: "Ich vermute, dass die meisten der "Reality"- Formate aus dem Grund so gut funktionieren, beginnend bei den Schulden- bis zu den Messie- Shows." Es steckt potentiell immer ins uns. Wir Menschen sind so beschaffen, daß wir Maß nehmen, vergleichen müssen; wir wollen immer wieder den eigenen Standort bestimmen.


Micmacs

Micmacs - Uns gehört Paris! ist der neue Film von Jean-Pierre Jeunet, dem Regisseur von "Delicatessen", "Amelie" und "Mathilde". Ein Interview mit ihm gibt Aufschluß und der Trailer den ersten optischen Eindruck. Der ersten Verriß ist zwar vorhanden, vermag einen Jeunet-Getreuen wie mich allerdings nicht abzuschrecken. Hauptdarsteller Dany Boon i ist der Shootingstar in Frankreich, was er dem Kinoerfolg Willkommen bei den Sch'tis verdankt.


Schutzreflex und Abwehr

"Immer wenn mein Vater das Mitleid bekam, das er suchte, wurde er schroff und bizarr." (John Updike: Der Zentaur) - Als ich diesen Satz las, dachte ich sofort an mich selbst, der einen ähnlichen paradoxen Reflex kennt. Einerseits lechzt man nach Nähe und Verständnis; andererseits weiß man, widerfahren sie einem, wenig damit anzufangen, kann nicht adäquat, d.h. natürlich darauf reagieren. Flüchtet sich in Unbeholfenheiten, Zynismus, Muffeligkeit und brüskiert die Mitmenschen, die partout nicht verstehen können, wie diese einfachen Gesten der Empathie scheinbar auf Granit stoßen. Mich macht Lob durch Kollegen oder Chefs einfach erst Mal verlegen. Das durchstößt den Panzer, den man um sich aufgerichtet hat. Und die vermeintliche Schutzlosigkeit sieht man als Gefahr.


Gedenkt der Verletzten!

So schlimm und beklagenswert jeweils die Todesopfer von Katastrophen sind, so sehr fühle ich mit den in den Nachrichten meist als Anhängsel folgenden Verletzten. Denn sie leben weiter. Und oft ein Leben lang mit schweren Einschränkungen. Schwere Schicksale, die dahinter stehen. Wenn man wochen- und monatelang auf einer Intensivstation liegt oder wochen-, monate- oder jahrelang im Wachkoma, wenn man nach schwersten Verletzungen eine Odysee an Heil- und Rehabilitationsmaßnahmen zu absolvieren hat, wenn man, von einer Minute auf die andere, aus seinem Lebenskonzept geworfen wird und ein Leben zu führen hat, das man nie gewollt hat, das man sich nie hat auch nur vorstellen können. Deshalb bei solchen Katastrophen immer auch der Blick auf die "Nebenschäden", auf die Angehörigen, die mit Schwergeschädigten umgehen müssen, deren Leben ebenso betroffen ist. Pläne werden zunichte. Not tritt zutage. Es sind oft Helden, die aus den Schicksalsschlägen entstehen und denen einmal ein Lob gesungen werden muß!


Mißbrauchsfälle auf Ameland

Bei den unglaublichen und erschütternden Vorgängen auf Ameland frage ich mich, woher soll denn der Optimismus kommen, dessen Fehlen mit so häufig zur Last gelegt wird. Der Satz "Die Großen ärgern uns" hätte mich als Erzieher nie und nimmer in Richtung sexueller Mißbrauch gelenkt. Ich war als Kind und Jugendlicher alljährlich auf Gruppenfahrten, und die Klage "Die Großen ärgern uns" gehörte zum Grundtenor des Sich-Wehrens gegen normale Kappeleien unter Kindern unterschiedlichen Alters. ABER. Sollte es tatsächlich so sein, daß gegenüber Erziehern von "Fisting" gesprochen wurde, kann ich nicht glauben, daß hier völlige Ahnungslosigkeit geherrscht habe. Selbst wenn man nicht wüßte, daß ein sexuelle Praxis dahinter steht, steht die Faust per se für etwas, was Gewalt vermuten läßt bzw etwas, was jenseits einer friedlichen Handarbeitstechnik angesiedelt sein könnte. Es gibt so furchtbare Dinge in der Welt, im Großen, wie Krieg, Hunger, Terror, denen wir eher hilflos gegenüberstehen, daß es dann um so mehr schmerzt, wenn in den Bereichen, im Kleinen, derartiges vermeidbare Exzesse vorkommen wie Kindesmißhandlungen, Gewalt in der Familie, in Gruppierungen u.v.m.


Ganzkörperschleier

Der Ganzkörperschleier (Burka) raube den Frauen jede Individualität, meint Alice Schwarzer. Klingt gut und entspricht auch intuitiv meinem Freiheitsbegriff. Denke ich aber nach, frage ich mich, warum die Individualität eines Menschen von der Sicht eines außenstehenden Menschen definiert werden soll. Das ist Unsinn. Die Individualität ist dem Inhaber eigen und unabhängig von dem, was er anhat oder nicht anhat.


Chefarztvisite

Der Chefarzt heute während der Visite zu unserer neuen Stationsärztin: "Und wenn literarisches Spezialwissen vonnöten sein sollte, wenden Sie sich vertrauensvoll an Pfleger Markus." Auf die Frage an eine hochbetagte Patientin, wer denn der Bundeskanzler sei, antwortete diesem ihm: "Helmut Kohl". Und als die Frage auftauchte, wann Kohl denn an die Macht gekommen sei, wußte man es gemeinhin nicht. Wir beiden weisen Alten lächelten uns einvernehmlich zu. Jungvolk anwesend, garantiert Unwissen. Der Chefarzt drohte damit, künftig Geschichtsfragen anhand der Geburtsjahrgänge der daliegenden Patienten zu stellen.


Telekom an der Haustür?

An der Haustür eben zwei Typen, die mir einreden wollten, von der Telekom zu sein und meine DSL-Leitung von 6 Mbit auf 25 Mbit hochsetzen zu wollen. Ich wäre aber nicht nicht bei der Telekom. 11 nutze aber die Telekom-Technik. Und sie bräuchte dann nur mal kurz meine Kundenummer oder eine Rechnung. Bei mir kämen sowieso nur 3 Mbit durch! Komische Fritz-Box, die konsequent eine Downloadgeschwindigkeit von 6 Mbit gewährleistet, exakt wie es meinem Vertrag bei 11 entspricht. Naja, das seien mal so selten erreichte Spitzenwerte. Usw. Die beiden Drücker dann irgendwann: “Wollen Sie nun ihre Leitung von A-DSL auf V-DSL umgestellt haben?” Ich erwiderte, daß ich prinzipiell keine Haustürgeschäfte abwickle. WENN es einer prinzipiellen Umstellung bedürfte, würde die Telekom, die ja auch sonst mit Werbe-Flyern nicht eben sparsam umginge, doch sicher einen Weg zu meinem Briefkasten finden. Die beiden Typen simulierten sogar ein Gespräch mit einer Technikschaltstelle zur einer angeblichen Leitungsprüfung. Daten wie Kundennummer gebe ich nicht preis, und Rechnungen würden gängigerweise sowieso nur noch online versandt. Selbst wenn es sich tatsächlich um Telekom-Mitarbeiter gehandelt haben sollte, wiche ich nicht davon ab, an der Haustür irgendwelche Dinge auszuhandeln. Und Bedenkzeiten sowie Recherchemöglichkeiten in Foren bäte ich mir ohnehin aus. Ob denn der Fernseher… Nein, meine Damen und Herren, ich habe soetwas nicht. Ich nur Bücher und sonst kaum Zeit. Also bitte, huschhusch, den Kaugummi herunterschlucken und es beim nächsten Doofen versuchen!


Antville

Antville - Da bekommt, man so ein Opagefühl. Wenn so Sachen von früher in Vergessenheit geraten. Antville damals DER Renner in der Blogosphäre. Ein bißchen später dann Twoday.net, das aber rasch auf Bezahlmodelle erweiterten. Auch wenn ich mit meinem Hauptblog im Laufe der Jahre zigmal umgezogen bin, gibt es noch mehrer Antville-Blogs, die aktiv sind und deshalb meine Blogroll bereichern. passe.par.tout, bov, Mach mal was mit Tieren und Meine kleine Stadt. Selbst führe ich noch zwei kleine kollaborative Themenblogs - das Freitod-Weblog sowie Ex Libris für Buchanfänge bzw. -enden.


Sand im virtuellen Getriebe

Auch bei Don Dahlmann wächst das Unbehagen angesichts der Expansion von Google, Facebook und Co. Die wollen uns! Oder wie es netzwertig.com ausdrückt: "Die Strategie des Social Networks ist klar: Es will auf jede Website." Neben der Neugier, wie das alles mal weitergehen, sich enwickeln und formen wird, weiß ich vor allem eines: Es frißt Zeit und Aufmerksamkeit, sich in sozialen Netzwerken zu bewegen! Jedenfalls bin ich kein passiver Nutzer. WENN ich dabei bin, mische ich auch mit. Regelmäßig führt das zu Überforderungsgefühlen, die dann den Sprung zurück bzw. heraus erzwingen. Den Ausschaltknopf drücken, den einige Blogger als Menschenrecht deklariert sehen wollen. Bis dann die Entzugserscheinungen wieder so stark sind, daß man sich der Illusion hingibt, ein zaghafter, vernünftiger Wiederbeginn könne dieses Mal zum Erfolg führen, den Überblick garantieren, die Teilhabe an den Errungenschaften und Vorteilen des social web in praktiblem Rahmen gewährleisten. So ein Unsinn! Dieselbe Mühle, dieselbe Qual. Ich bin nicht so paranoid zu glauben, daß Monopolisten oder global player wie Apple, Microsoft, Google, Facebook, oder wer da sonst noch kommen mag, uns dauerhaft beherrschen werden. Trotzdem sollte es Skeptiker geben, die mitdenken, die mahnen. Watchblogger, -twitterer sind eine schützenswerte Spezies. Und wenn das Römische Reich nicht ewig währte, dann tröstet mich dies in der Hoffnung, daß rigide Systeme immer wieder durchbrochen werden. So wie die Befreiungstheologie innerhalb der Kirche, so werden auch im Internet neben der Simplifizierung und Monopolisierung Gegenbewegungen auftauchen und sich als "Störsender" als Sand im virtuellen Getriebe erweisen.


Tag des Leipziger Auwaldes

Vorgestern war der Tag des Leipziger Auwaldes. Wie man bei der BILD-Zeitung erfährt, wollten ihn die Nazis 1937 vom 'undeutschen Knoblauch-Gestank' befreien und schickten Reichsarbeitsdienstler, die den stark riechenden Bärlauch ausreißen sollten! Diesen pflückte eine Kollegin vorgestern zu unserem kleinen Ausflug in den Wildpark. Komische Koinzidenz, daß wir am Tag des Auwaldes im Wald waren und nichts davon wußten und ausgerechnet auch dort aßen, wo die Naturfreunde tagten.


Der Alte stirbt doch sowieso

Zurzeit lese ich Ursula Biermanns "Der Alte stirbt doch sowieso!" Der alltägliche Skandal im Medizinbetrieb, das die Altersdiskriminierung im deutschen Gesundheitswesen schildert. Was ich nicht wußte: zwar ist die Darmspiegelung zur Vorsorge ab dem 56. Lebensjahr möglich, aber nur zweimal - alle 10 Jahre. Ab dem 75. Lebensjahr muß man wieder selber blechen! Hinsichtlich der Tatsache, daß Darmkrebs einer der häufigsten Krebserkrankungen im Alter ist, eine recht schwache Frequenz und Regelung. In Deutschland werden nur 2 Prozent aller Verstorbenen obduziert. Fachleute bemängeln es. Um so höher ist dann die Rate der Exhumierungen, wenn nämlich neben dem Grab spätere Unklarheiten ausgeräumt werden müssen. Man schätzt, daß zirka alljährlich 11.000 Todesfälle nichtnatürlicher Ursache übersehen werden. Es wird gefordert, daß nicht mehr jeder Arzt Totenscheine ausstellen sollte, sondern nur entsprechende Spezialisten. Schon gar nicht der Arzt, der den Patienten überwiegend behandelt hat.


Muslima auf Station

Wenn Deutsche ins Krankenhaus gehen: Waschzeug, Schlafanzug - Nachthemd, Handtücher… Wenn eine Muslima ins Krankenhaus geht: Waschzeug, Nachthemd, Handtücher NEBST Schleier und Gebetsteppich. Und eine Menge Unverständnis auf Seiten des Personals. Zuvorderst der Gedanke an Keime. Wenn der Teppich auf dem Boden, und all die Durchfallkranken auf Station. Und überhaupt. Dann die Frage an mich: "Guckstu, ob sie die vegetarische Kost schon im Plan hat?" Ich: "Fieso vegetarisch?" "Ähm, ich meinte Vollkost ohne Schweinefleisch!" Ich: "Aha. Na, geht ja!"


Berufsbezogene Klischees

Dieses mich aufregende "Aha!", wenn ich erwähne, daß ich einst Koch war. Aha, weil dies offenbar die 113-kg-Statur plausibel macht, während ich damals (mit 20) gerade mal verhungerte 68 kg auf die Waage brachte. Berufsbezogene Klischees allerorten. Als ehemaliger Koch dem häuslichen Dauerbrutzeln abgeneigt zu sein, paßt nicht in die Köpfe. Legt ein Fliesenleger in seiner Freizeit unentwegt Fliesen? Als nunmehriger Krankenpfleger nehme ich mir auch keine dementen, inkontinenten Greise mit nach Hause.


Macht und Geschlecht

Im digital diary geht es weiter zum Thema Macht und Geschlecht, woraufhin ich sofort einen Kommentar schreiben mußte: "Als Krankenpfleger arbeite ich in einer Frauendomäne. Meine zwei unmittelbaren Vorgesetzten sind Frauen (Stationsschwester, Pflegedienstleiterin). Sie üben eine, wenn auch in dieser Hierarchie bescheidene Macht aus. Auch sonst bin ich Hahn im Korb. Zwar nahm der Anteil männlicher Pflegekräfte in den 20 Jahren, die ich diesen Job nun mache, signifikant zu; trotzdem hatte ich noch nie mit männlichen Leitungskräften zu tun und kann somit leider keinen direkten Vergleich ziehen. Als einziger Mann inmitten von 12 festangestellten weiblichen Pflegkräften erlebe ich 'ne Menge Rumgezicke und bin daran gewöhnt. Vielleicht habe ich sogar einen Sensus für feminine Herangehens- und Verhaltensweisen entwickeln können, der es mir ermöglicht, um die Ecke herum zu kommunizieren. Ebenso unmöglich ist eine reine sachbezogene, abstrahierende Diskussion. Ich muß Probleme konkret erörtern und immer Rücksicht auf personenspezifische Besonderheiten nehmen. Als Koch (damals vor mehr als 20 Jahren) erlebte ich einen ungleich rüderer Ton. Die Küche ist kein Zuckerschlecken. Da bekam man öfter eine Schaumkelle ins Kreuz. In der Pflege fällt mir vor allem das Harmoniebestreben nicht nur der Leitungsebene auf. Konflikte drücken sich unter Frauen vielfältiger aus. Sie bleiben dankbarerweise aber nie lange virulent, sondern müssen sozusagen heraus und bewältigt werden. Das Ziel ist die rasche Einigung, das Wiederherstellung eines auch emotional erträglichen Zustandes. Macht verändert. Ich habe im Laufe der Jahre viele Kollegen (Studenten, Ärzte, Schwestern) die Hierarchiestufen heraufklettern sehen. Die Notwendigkeit, Entscheidungen und Anordnungen zu treffen, die befolgt werden müssen, verändert das Selbst- und Fremdbild und beeinflußt den Handlungsrahmen. Aus ehemals sehr umgänglichen Menschen können Kotzbrocken werden oder Menschen mit zunehmenden Macken, die ab einer gewissen Karrierehöhe niemand mehr zu ändern vermag, weil die Machtposition den Einspruch verbietet. Kommt der Chefarzt, zittert die Belegschaft, verstummen sonst sehr redefreudige Kollegen. Ich weiß ja auch nicht. Möglicherweise spielen geschlechtsspezifische Aspekte ab einer bestimmten Höhe einer Machtposition keine Rolle mehr, sondern die Position selbst ist es, die einen Charakter schafft.


Kinder im Wildpark vergraulen

Beim gestrigen Spaziergang durch den Leipziger Wildpark die Kinder der Kolleginnen vergrault, indem ich mir die zarten Jungtiere (Lämmer, Karnickel usw.), die idyllisch auf der Wiese oder im Stall herumwuselten, auf die Speisekarte am Abend (Forsthaus Raschwitz) projizierte. Sie: Niiiiieeedlich! Ich: Lecker! Weil ich, um für den anstrengenden Spaziergang gewappnet zu sein, vorher sicherheitshalber noch einen Döner als Zwischenmahlzeit eingeschoben hatte, begnügte ich mit dann mit einem Salat Glacierter Ziegenkäse mit Speck und Zwiebeln auf Blattsalaten in Honig-Senfdressing. Die Lämmer, Jungkarnickel durften, sehr zur Freude der Kinder, deren Aufmerksamkeit ich immerhin fesseln konnte, im Grünen bleiben. Imposant übrigens der Deutsche Riese. (17.4.2010)


Aufmerksamkeitsfrisbee

Ein Dossier der FAZ beleuchtet den Status quo der deutschen Blogosphäre. Als ausgesprochener Fan von Meta-Beiträgen und -diskussionen laufe ich regelrecht heiß und verfolge Reaktionen. Selbst feiere ich Ende April 9jähriges, wenn ich auch durch meine Sprunghaftigkeit bei keinem Blog sehr lange geblieben bin und immer wieder Plattformen und Formen wechselte. DonAlphonso hat schon recht; Leute wie ich hängen an der "Nadel des Internets". Mein Geschmack hat sich im Laufe der Jahre verändert. Während ich ehedem mehr denjenigen Aufmerksamkeit schenkte, die Informationen aggregierten und sich als Hans Dampf in allen virtuellen Gassen gerierten, als Paradebeispiel führe ich mal Oliver Gassner an, interessieren mich heutzutage mehr die Schreiber. Das Tagebuchbloggen ist IMO ein Ausdruck des Versuchs, sich der schwindenden Bedeutung der Blogosphäre mit Gehaltvollem zu widersetzen. Die wenigen A-Blogger, deren Lebensunterhalt durch das bloggen fundamentiert wurde, ziehen durch Medien und Veranstaltungen und sonnen sich im Mittelpunkt fast jeden Beitrages über die Blogosphäre. Da wir nur über zwei Augen, zwei Ohren und 24 Stunden täglich verfügen - eigentlich klar, daß Bedeutung filetiert wird. Bisweilen bin ich des Aufmerksamkeitsfrisbee zwischen Facebook, Twitter und Blogosphäre überdrüssig und ziehe den Stecker, um nach einer Phase des Trotzes und Schmollens doch wieder zitternd einzustöpseln.


Selbstfesselung

Im einschau-Blog geht es um Selbstentwertung und Selbstfesselung. Als Unglücksexperte widerstand ich nicht und gab meinen Senf dazu: Als Pessimist, Dauernörgler und sich in dieser Welt unbehaust Fühlender fällt es mit nicht leicht, einzusehen, wie ein auf Angenehmes Fokussierter je "auch" unglücklich sein könnte. Diese "Privileg" gesteht man landläufig doch den zerzausten Melancholikern wie mir zu. Ich zensiere mein Dasein, indem ich mir einbläue, zu so etwas wie Glück nicht fähig zu sein. Ich schaffe mir quasi tagtäglich die Situation eines verfehlten Daseins selbst. Tief im Inneren lebt die Ahnung, daß gar nicht mal so viel nötig wäre, um das Ruder herumzureißen. Doch die ständige paulinische Erfahrung, daß man das tut, was man nicht will und das nicht schafft, was man zu tun vorhatte, ist so zwangsläufig ein Fundament des täglichen Drucks und der, wie du es ausdrückst, Selbstfesselung. Ich inzeniere mein Unglück und spüre selbst bei allem Schmerz eine Form von wohliger Gewißheit, daß wenigstens diese eine Sache beständig ist; denn der Mensch braucht die Sicherheit des Beständigen. Aus dieser Dunkelkammer auszubrechen beschert einem ab und an Momente, in denen man entspannt ist, die Welt anders wahrnimmt und plötzlich erkennt, daß eine Alternative existiert. Trotzdem verflüchtigen sich diese wunderschönen, klaren Augenblicke allzu rasch wieder und man verkrampft erneut.


Hirtenbrief an die Iren

Die Medien, besonders in Deutschland, haben bezüglich der Mißbrauchsfälle gegen Kinder und Jugendliche mit der katholischen Kirche vermeintlich den Hauptschuldigen ausgemacht und lechzen nach einem eindeutigen Schuldbekenntnis des Papstes. Als Oberhirte für die gesamte Kirche in allen Erdteilen wird er wohl kaum den von den Medien allstündlich eingeforderten Kniefall tun. Ich weiß nicht, wie er noch deutlicher sein soll? Der Papst hat sich mit Mißbrauchsopfern getroffen, er hat das Problem verbalisiert und nicht zuletzt in seinem Hirtenbrief an die Iren Worte gefunden, die in meinen Augen klar und verständlich ausdrücken, daß Gewalt und Mißbrauch gegen Kinder verwerflich ist: "Gleichzeitig muß ich aber auch meine Überzeugung mitteilen, daß die Kirche in Irland, um von dieser tiefen Wunde zu genesen, die schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor Gott und vor anderen offen zugeben muß. Ein solches Eingeständnis, begleitet von ernster Reue über die Verletzung dieser Opfer und ihrer Familien, muß zu einer gemeinsamen Anstrengung führen, um den Schutz von Kindern vor ähnlichen Verbrechen in der Zukunft zu gewährleisten." Er wendet sich direkt an die Betroffenen: "Ihr habt schrecklich gelitten, und ich bedaure das aufrichtig. Ich weiß, daß nichts das Erlittene ungeschehen machen kann. Euer Vertrauen wurde verraten und Eure Würde wurde verletzt. Viele von Euch mußten erfahren, daß, als Ihr den Mut gefunden habt, über das zu sprechen, was Euch zugestoßen ist, Euch niemand zugehört hat. Diejenigen von Euch, denen das in Heimen und Internaten geschehen ist, müssen gefühlt haben, daß es kein Entkommen gibt aus Eurem Leid. Es ist verständlich, daß es schwer für Euch ist, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr zu versöhnen. Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und Reue aus, die wir alle fühlen." Was ist hieran denn bitteschön undeutlich?


Frust von der Seele schreiben

Immer wenn bei uns auf Station die Hölle los ist und ich quasi unter erhöhtem Leistungs- und Leidensdruck stehe, der mit der Skepsis einhergeht, ob die ganze Situation eigentlich weiterhin ertragen werden muß bzw. ob sie nicht geradezu zu Veränderungen einlädt, überkommt mich der Gedanke, sich den Frust von der Seele zu schreiben, ihn quasi dingfest zu machen. Manchmal schwebt mir vor, ein Skandalbuch über meinen Job zu schreiben, indem ich die knallharte Realität eines Pflegers auf einer Inneren Station schildere, die immer mehr Restriktionen (z.B. Personalmangel) aufweist, immer mehr Unhaltbarkeiten (z.B. Entscheidungen zwischen gleich wichtigen Aufgaben, d.h. Verzicht auf eigentlich Notwendiges)... Daneben denke ich an eine Fiktionalisierung. Ein Amok laufender Pfleger? Ein, näher an der Realität, dem Alkohol verfallender? Ein, wie bei Genazino, die Situation Beobachtender? An Tagen wie diesen, an denen ich restlos die Schnauze voll habe und nicht mehr verstehe, warum man sich diese Tortur antut, während ein Arno Dübel sich zigarettendrehend ins Fäustchen lacht, ärgere ich mich darüber, daß ich nicht längst schon damit angefangen habe. Was für die Verarbeitung in Prosaform spricht, ist die Einsicht, daß Netzbeschmutzern a la Breitscheidel und Werner Bartens häufig so ein unangenehmer Stallgeruch anhaftet, der mir mißfällt. Horrorvorstellung, einst vielleicht von Talkshow zu Talkshow zu tingeln, bei Maischberger herunmzusitzen oder dem Plasberg als Kanonenfutter zu dienen. Maximal und viel lieber würde ich mich von Denis Scheck interviewen lassen.


Sturmangst

Ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit höher, daß der Sturm einem das Dach abdeckt (ich wohne direkt darunter) oder daß die Pappel gefällt wird, die dann gegens Haus kracht und meinen Schreibtisch oder gar die Frisur in unschöne Unordnung bringen könnte? Oder ist es wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden? Mein Sturmangst ist stärker ausgeprägt als die Blitzangst. Wie heißen die entsprechenden lateinischen Ausdrücke? Höre ich da nicht schon Holz splittern? Als ich eben auf Toilette saß, fegte es nach einer heftigen Windbö den als Lesezeichen benutzten Kassenbon vom Fensterbrett. Bemerkenswert; denn die Fenster sind eigentlich hermetisch geschlossen und neu und halten sonst alles ab. Zu DDR-Zeiten mußte ich mein Erkerzimmer bei Regen freilich schützen, weil es Wasser literweise durch die undichten Fenstern ins Zimmer spülte. Die Fensterbretter wurden mit Tüchern abgedeckt. Der Vorteil solcherart undichter Fenster bestand darin, daß nie gelüftet werden mußte. Die 3 Pappeln vor meinem Haus, welche ich eigentlich so liebe, stehen stabil. Noch. Im Sommer schenken sie mir ein liebliches Rascheln der Blätter, eine bei geöffnetem Fenster auch nachts liebliche Naturmusik, die mich als Städter mangels “richtiger” Natur eben so trösten muß.


Zukunftsvisionen

Wie man sich das Leben im Jahr 2000 vor 28 Jahren vorstellte, bekundet der Film "Vorschau auf die Welt von morgen": Teil 1, Teil 2 und Teil 3. - In "insgesamt 13 Sendungen wird untersucht, welche schon jetzt erkennbaren technischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Veränderungen möglicherweise Wegweiser in die Zukunft sein könnten. Die Thematik der Serie ist weit gespannt: zwischenmenschliche Beziehungen, Wohnen, Bauen, Verkehr, Umweltschutz, Wirtschaft, Arbeit und Freizeit, Rentner, Bildung, Medizin, Politik." -- Schon sehr interessant, wie damals das Thema Arbeitslosigkeit noch keine Rolle spielte, sondern die Sorge vorherrschte, daß der Mensch durch zunehmende Automatisierung und Rationalisierung zum Verwalter einer technisierten Produktion würde und sich quasi zu Tode langweilen könnte. Zudem die Befürchtung, der Mensch könne mit seiner immer üppigeren Freizeit nichts Rechtes anzufangen wissen bzw. durch eine Freizeitindustrie manipuliert werden. Zumindest letzteres ist das haargenau so eingetroffen, während sicherlich viele der Millionen Arbeitslosen heute froh wären, wenigstens einen Fließbandjob ausüben zu können. Dieser Film imponierte mir sehr. Zunächst die Zivilisationskritik. Die 70er und 80 Jahre waren ja geprägt durch den Anschub des ökologischen Gedankens ("Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome ist als eines der einschneidendsten Einflüsse zu nennen), was sich auch cineastisch in zahlreichen Dystopien niederschlug; ich erinnere nur an Soylent Green, THX 1138, Logan's Run. Bemerkenswert auch die Frage, wie und ob die parlamentarische Demokratie die Probleme anpacken kann. Lobbyismus als Hemmschuh ist keine jüngste Erfindung, sondern war damals schon erkannt. Was beim Anschauen der Dokumentation noch auffiel: Wie unbedarft damals noch geraucht werden konnte, wie schrecklich groß die Brillen waren. Als 1972 Eingeschulter erinnere ich mich an Zukunftsvisionen, die uns Schülern immer mal wieder unterkamen, indem wir unsere Vorstellungen, wie es im Jahr 2000 sein könnte, formulierten oder zeichneten, wobei festzustellen ist, daß die Ausblicke der damaligen ZDF-Filmer weit realistischer waren als die haarsträubenden Wunschträume von uns Steppkes.


Hatz gegen Bischöfin Käßmann

(1) Bei aller grundsätzlichen Ablehnung von Alkohol am Steuer ist diese Hatz gegen Bischöfin Käßmann widerwärtig. In welcher Gesellschaft leben wir? Keine Fehlertoleranz, kein Verzeihen angesichts der uralten Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Menschen. Beim ersten Anzeichen von Schwäche wird zugeschlagen, nachgetreten, nach Strafe gelechzt. Mich brüskiert diese Unbarmherzigkeit, welche fast unisono sofort eingesetzt hat. Niemand kam bei der bedauerlichen Autofahrt zu Schaden. Das Schuldbewußtsein der Bischöfin hätte in meinen Augen ausgereicht. Die fast automatische Vernichtung einer Karriere, der wir fast stündlich zusehen mußten, ist maßlos.

(2) Mich machte diese ganze Angelegenheit traurig. Abgesehen davon, daß ich Käßmanns Rücktritt als fatalen Verlust ansehe, regte mich vor allem das mediale Geschehen auf. Mit Recht schafft man eben nur selten Gerechtigkeit. Gerechtigkeit umfaßt weit mehr Aspekte als eine rein juristische und formale Betrachtung (Saufen + Fastenzeit + Auto fahren + moralisch hochstehendes Amt => Macht den Knilch nieder!) Irgendwie stellt sich ein mulmiges Gefühl ein, wenn man gewiß sein kann, daß Jesus verlegen im Sand gescharrt hätte, während Menschen in der heutigen Gesellschaft Güte nicht mehr zu buchstabieren wissen, sich dafür aber unheimlich mit Paragrafen, Promillewerten und anderen scheinbar unabwendbaren Konsequenzen auskennen und sich dabei wahnsinnig im Recht fühlen. (NB: Wie hätte Regine Hildebrandt in ähnlicher Situation reagiert?)

(3) Zur Käßmann-Sache, zu der ich mich im digital diary in eine kleine Diskussion verwickeln ließ und die ich hier im Bücherlei bereits erwähnte nun noch etwas: "Daß ein SO neuralgischer Punkt getroffen wurde, wird klar, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß, laut einer Emnid-Umfrage, die von der BAMS in Auftrag gegeben wurde, Alkohol am Steuer moralisch verwerflicher ist als Ehebruch. Möglicherweise weil die Zahl der potenziell Geschädigten beim Fahren im Suff ungleich größer wäre. Diese arithmetische Herangehensweise wäre in meinen Augen wiederum typisch für unsere herzenserkaltende Gesellschaft. Einer exponierten Amtsträgerin einen verplätten kommt gut, aber dafür zu sorgen, daß die durch Arbeitsdruck stets tickende Zeitbombe der Bus- und Fernfahrer entschärft wird, erscheint ungleich problematischer, weil die komplexen Zusammenhänge und Gründe nicht so boulevardesk und bühnenreif beiseite geschoben und aufgedröselt werden können.


Erster Arbeitstag nach Reha

Am ersten Arbeitstag statt der vorgesehenen 4 gleich 5 Stunden gearbeitet. Nach 8 Wochen Abwesenheit von Station hat die Entropie mein ausgewogenes System abgeschliffen. 4 Stunden Auf- und Umräumen in den Schränken, Lücken sichten, Verpackungen entfernen, Bestände sichten, Behältnisse mit dem Tagesbedarf auffüllen, Ordnungen wiederherstellen, Material- und Medikamentenbestellungen planen. Dann 1 Stunde Eingabe am PC, wobei man ständig dadurch gestört wird, daß Fragen zu beantworten sind seitens der Kollegen, herantretenden Patienten, Anrufern. Ziemliche Rückenschmerzen. Groggy. Sinnvoll, diese stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß, um Grenzen zu testen und langsam wieder in Gang zu kommen. Nur läßt sich das im Stationsbetrieb nur mäßig steuern; vielmehr muß man sich andauernd bremsen, damit nicht vorzeitig Dampf aus den Nüstern strömt.


Reha-Splitter (3)

Entgegen den allgemeinen Ratschlägen entspricht eine ambulante Reha genau den Vorstellungen, wie ich sie im Vorfeld hatte. // Schmerzbewältigung ist ein großes Thema, dem theoretisch wie praktisch zu Leibe gerückt wird. // Der Trainingseffekt ist verblüffend. Wenn man die anfänglichen Barrieren (Faulheit, Versagensangst) überwunden hat (und über seinen Schatten muß man täglich springen, wenn man den Fitneßraum betritt), dann merkt man, wie gut einem die Bewegung tut. Das A und O der Sache wird sein, im Alltag Möglichkeiten aufzutun und wahrzunehmen, die den Effekt weiterführen. // Unsere "Rückengruppe" ist rammelvoll mit teils erstaunlich jungen Menschen, die schon jahrelang Probleme haben. Das Credo lautet: Ablenkung vom chronischen Schmerz und Muskelaufbau durch Sport. Das wird täglich theoretisch wie praktisch durchgebetet. // Meine Internetaktivitäten habe ich seit Wochen drastisch eingeschränkt und spüre: so gehts. So gehts besser. // Die Erkenntnis, daß Äußeres geändert werden muss, ist hornalt, erfährt durch die Begebenheiten der letzten Wochen möglicherweise jenen Anstoß, auf den ich bislang vergeblich gewartet hatte.


Reha-Splitter (2)

Eine solche perfekte Verbindung zwischen Bewegung und der Möglichkeit, seinen Sinnen Raum zu geben, ist wohl nur beim Laufen zu haben. Vielleicht sollte ich einen Sport-Orden gründen, um die optimale Verbindung zwischen Geist, Körper und Gott zu institutionalisieren. // Mittlerweile entwickle ich einen gesunden Fatalismus. Ich kann an manchen Sachen eh nichts ändern. Und an denen, die man ändern kann, bin ich dran. // Bei allem, was ich mit mir und den anderen Rehabilitanden erlebe, muß ich klar sagen: Sport wäre in jedem Beruf wichtig, einfach weil alle Muskel beübt werden. Und selbst beim Aktenordner in ein Regal stellen macht Otto Normalübergewichtler mindestens 2 Fehler, die sich auf Dauer negativ auswirken können. // Das Verkrusten ist schon bei normalen Menschen ein Problem, welches sich mit zunehmendem Alter ergibt. Wenn dann noch Konstellationen hinzukommen wie das "Regelwerk" eine sowas von eingefleischten Junggesellen, dann ist jede Chance für kreatives, spontanes Tun oder jedes Ausprobieren neuer Wege fast vertan. Fast. Immerhin bringt diese Bandscheibensache neuen Wind ins träge Dahindümpeln im eigenen Fahrwasser.


Reha-Splitter (1)

Diese Rehabilitation ist ein Ganztagsjob. Sollte sich jemand wundern, warum ich tagelang nichts veröffentliche, möge dies als Erklärung herhalten. Zwar kann ich meist ausschlafen, weil das Tagesprogramm gegen 9.30 bis 10 Uhr beginnt, aber nach Hause komme ich zwischen 16.30 und 18 Uhr - später als zu Frühdiensten als Pfleger. Und wesentlicher kaputter! Täglich - neben all den anderen physischen Übungen und Anwendungen - 90 Minuten MTT (medizinisch- technisches Training), was nichts anderes bedeutet als: Fitneßtraining. Die Zeit verknappt sich also, so daß abends die Wahl getroffen werden muß: entweder bloggen oder lesen. Momentan tendiere ich eher zur Leküte. Es flutscht sowieso. Seitdem ich am 17. Oktober ins Krankenhaus eingeliefert und operiert worden bin, lese ich das 20. Buch. Never change a running read.


Hochsicherheitstrakt Videothek

Seit einigen Jahren hatte ich meine Videothek nicht mehr beehrt. Gestern überfiel mich spontan die Lust, mir eine Season der Simpsons anzutun. Leider kollidierte meine banaler Wunsch mit dem "Hochsicherheitstrakt Videothek". Als ich demutsvoll die gewünschte Nummer mit dem passenden Geld auf den Tresen legte, wurde ich um meinen Personalausweis gebeten. Warum? Ich wäre lange nicht da gewesen und man müsse deshalb meine Identität neu überprüfen. Ich habe aber keinen PA, nur einen Reisepaß, der in Deutschland als Personaldokument normalerweise genügt, den ich aber, wenn ich mich in meiner Geburts- und Heinmatstadt bewege, um einzukaufen oder Erledigungen zu machen, nicht bei mir führe und der außerdem für eine Idendifikation NICHT ausreicht, weil der Wohnort nicht vermerkt ist. Ich kannte dieses Kuriosum, seitdem wir ein vereinigtes Deutschland sind und ich mich damals aufgrund verschiedener Umzüge in mehreren Videotheken anmelden mußte. Daß ich mich als langjähriger Kunde meiner Videothek nochmals identifizieren lassen müsse, konnte ich nicht ahnen. Wir einigten uns dann darauf, daß ich den Paß und ein Dokument, das meinen Wohnort nachweist, am Folgetag bei der Rückgabe des Videos vorlegen würde. Und ich solle nun die vierstellige PIN eingeben, um den Ausleihvorgang abzuschließen. Daß es sowas gibt, war mir nicht mehr geläufig - dies hatte ich komplett vergessen und somit natürlich auch die Nummer selbst. Mein Schicksal war besiegelt, jedenfalls an diesem Tag. Einen so einfachen Vorgang, wie ein Video in einer Videothek entleihen, in der man seit 10 Jahren Kunde ist, ist unmöglich. Ich bin als Führerscheinloser, Autoloser bisher innerhalb Deutschlands noch nie kontrolliert worden, wenn man mal die Fahrscheinkontrolle in der Straßenbahn außen vor läßt. Nie mit der Polizei in Kontakt gekommen usw. Aber auf einer so banalen Stufe scheitert es. In welchem Land leben wir? Erstaunt war ich zudem, daß man mittlerweile mit einer WebCam für die Kundendatenbank fotografiert wird! Ich hatte mir die Einreise in die USA in etwa so diffizil und mit einer ähnlich deprimierenden Erfolgsqpote vorgestellt, wie sich jetzt der Gang in eine Videothek erwies.


Echtzeit-Web & Aufmerksamkeit

Offenbar ist es an der Zeit, daß das Echtzeit-Web zum Thema wird. Claudia Klinger sinniert darüber. Von ihr habe ich den Hinweis auf Posterous. Sie geht wenigstens nachmittags in den Garten. Inmitten all der Angebote und Verlockungen des Web 2.0 verstehe und wertschätze diesen Ausruf! Glücklich derjenige, dem die Fähigkeit zur Balance, zum Verzichtenkönnen und zur Begrenzung gegeben ist. Die Sache mit der Aufmerksamkeit ist durchaus ernst zu nehmen, sieht eine neue Studie doch auch negative Aspekte beim Multitasking. Daß ich aufgrund des Mäanderns im Web, das ihm inhärent ist, stets unfähiger werde, dicke oder schwierigere Bücher zu lesen, d.h. daß Durchhaltevermögen und Konzentration in Mitleidenschaft gezogen werden, ist das gravierendste Problem.


Sommerloch im Kopf

Das Sommerloch befindet sich vor allem in den Köpfen der Menschen und dies ganzjährig. Ich bin immer auf der Suche nach abstrusen, skurrilen und albernen Dingen. Aber diese vermeintlichen Knüller, die sich während der letzten Tage häufen, sind nur peinlich. Daß angeblich Nessie, das Loch-Ness-Ungeheuer, gesichtet worden sei. Daß Mexiko ein Alienbaby gefangen worden sei. Daß ein Alien ausgerechnet bei einem Ufo-Forscher zum Fenster hereinglotzen soll. Meine Fresse. Die BILD hat sich eine Mysterieserie vorgenommen; und schon ballern uns die Nachrichten um die Ohren.


Supermarkt Lenta

Habe den Supermarkt Lenta entdeckt (Nähe Adler in der Wachsmuthstraße, vordem Lidl-Filiale) mit Lebensmitteln aus dem Baltikum: Ukraine, Rußland, Polen, Litauen. Viele Sachen, die es in normalen Supermärkten so nicht gibt. Kombinationen oft mit Tomaten und Auberginen. Etwas, das Mönchssalat heißt. Was ist da nur drin? Das Internet gibt dazu nichts her. Die Produkte sind meist original etikettiert. Zwar beherrsche ich - ein bescheidenes Relikt von 6,5 Jahren Russisch an der POS - noch kyrillische Buchstaben, wodurch sich mir jedoch nicht der Sinn erschließt. Eine tolle Entdeckung für mich, zumal der Laden günstig auf meinem Arbeitsweg liegt. An der Fischtheke steht ein gigantisches Aquarium mit moosigen appetitanregenden Lebendfischen. Ich weiß noch nicht, ob ich mir polnisches Bier kaufen werde. Als Biernationen sind Polen und Rußland nun nicht eben berühmt. Nächste Woche reise ich zum ersten Mal nach 1987 nach Polen zu entlegenen Verwandten (Großtante). Schon mal meine Schnapsrezeptoren sensibisieren...


Umweltzone für Leipzig?

Leipzig Innenstadt soll zur Umweltzone werden. Forciert wurde dieses Ansinnen durch erhöhte Feinstaubwerte, die 2008 gemessen wurden. Jetzt stellt sich heraus, dasß die Werte deshalb zu hoch ausfielen, weil während im Erhebungszeitraum die vier Hochhäuser am Brühl abgerissen worden waren. Klingt irgendwie schildbürgerisch. Pingeligkeit beim Natur- und Umweltschutz sind mir nicht zuwider. Kollegen erzählen, wie in anderen Ländern, z.B. Griechenland Müll auf die Straße oder in den Wald geworfen wird. Demgegenüber sind wir Deutschen dank Reglements gut erzogen.


Vergleichsniederlagen

Die "gesicherten Vergleichsniederlagen" (Silvia Bovenschen) früherer Zeiten gehen dann verloren, wenn ein Abgleich nurmehr lächerlich wäre. Solange wir jung und einigermaßen präsentabel und schön sind, gewährt uns der Vergleich mit anderen eine Chance der Einordnung, wenn auch in den meisten Fällen eine Enttäuschung, eben eine "Vergleichsniederlage". In späteren und späten Jahre kann man dann allenfalls Falten zählen. Beziehungsweise, um das weiterzuspinnen, gerät unter älteren und alten Herrschaften ein Vergleich von Krankheiten und Symptomen eher zu einem triumphalen Aufzählen, einem zählerischen und zahlreichen Auftrumphen. Fehlte nur, daß ein Sieger gekürt würde: der Kränkeste, der Versehrteste, der mit den beeindruckendsten Blessuren.


Columbo

Wie Columbo in "Lösegeld für einen Toten", übrigens dem zweiten von insgesamt 69 Columbo-Filmen, am Ende in der Tasche kramt, um seine Zeche von USD 1,10 bezahlen zu können und der Koffer mit zighunderttausend Dollars geöffnet vor ihm steht, ist wunderbar. Der Blick der Serviererin! Interessant, wie die Mörderin Leslie Williams einmal in ihrem Büro Columbo all das vorhält, was ihm und damit dieser Krimiserie Charakter verleiht: seine aufgesetzte Zerstreutheit, das anekdotische Einfließenlassen von Verwandten, seine phantomhafte Ehefrau. Aufschlußreicher Wikipediaartikel, in dem man liest, daß William Shatner zweimal den Mörder spielte, einmal auch Johnny Cash und Leonard Nimoy. Steven Spielberg führte beim dritten Columbo - Tödliche Trennung - Regie.


Citytunnel

Auch Erich Loest kann sich irren. In seinem Roman Völkerschlachtdenkmal von 1984 schreibt er: "In den Tiefen des Hauptbahnhofes war schon der Platz für den Untergrundbahnsteig bereit, von dem aus die Züge nach dem Bayrischen Bahnhof rollen sollten - in zwei, drei Jahren würde damit begonnen werden. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß diese U-Bahn nicht gebaut worden ist und nie gebaut werden wird." (Seite 7) - Und nun haben wir Leipziger den Citytunnel (Webseite) an der Backe, den, glaube ich, aus der Bevölkerung keiner gewollt hätte, wären wir gefragt, über den Aufwand aufgeklärt und über die Kosten informiert worden. Wird also doch gebaut, was nie gebaut zu werden brauchte. Als Kind wurde uns stets erzählt, daß Leipzig auf Schwemmsand erbaut und ein, wie Loest literarisch bekräftigt, von Anfang an vorgesehenes Projekt einer U-Bahn zum Scheitern veurteilt sei. Wir mutmaßten allerdings, daß eventuell die technische Unfähigkeit oder die Geldnot der DDR zugrunde liegen könnte.


Kleider/Körperordnungen

Tugendwächter (Religionspolizisten) in Saudi-Arabien müssen einen Rauschebart tragen, hörte ich im Deutschlandfunk. Solche Lächerlichkeiten wie Spitz- oder Ziegenbärte reichen durchaus nicht. Überhaupt eine Rückwärtstendenz beobachtbar. In Rom ist traditionelle Priesterkleidung, wie man sie aus 'Don Camillo & Beppone' kennt, wieder im kommen. Warum dann nicht auch Kopftücher für Musliminnen im Unterricht? Oder, jacksonlike, Mund- und Gesichtstücher für Kinder Prominenter?


Beim Zahnarzt

Meinem Arzt sollte ich erklären, wie sich der vereiterte Zahn entwickelt habe. Ich stotterte herum, weil mir ad hoc keine bündige Erklärung einfiel. Dann fiel der Groschen; und ich meinte, der Zustand sei nicht progredient. Die Backe sei nicht weiter angeschwollen, Eiter habe sich keiner mehr gebildet. Die Zahnarzthelferin fragte mich danach, was denn progredient sei und ob sie das in einer Zahnarztpraxis auch wissen müsse, was ich verneinte. Sie solle nur weiter so hübsch aussehen und mit ihrem Goldlächeln die Bedenken Zahngeplagter zerstreuen.


Angeredet werden

Als Krankenpfleger angeredet zu werden, konfrontiert einen mit dem Einfallsreichtum der Bevölkerung, die, wenn ein Mann das Zimmer betritt, selten zu einem passenden Pendant zum Ausdruck "Schwester" fähig sind. Auf die korrekte Bezeichnung "Pfleger X." kommen die wenigsten. Bisweilen begegnet man einem mit Armgefuchtel verbundenen "Hier, hallo!" Oder man wird gleich zum "Herr Doktor!" ernannt. Allergisch reagiere ich auf das am häufigsten vorkommende "Junger Mann!" Das ist so doof und armselig, daß ich darauf am liebsten nicht reagieren will; jedenfalls blaffe ich dann zurück, daß ich es nie wieder zu hören wünsche. Ich sei 41, vom Leben gezeichnet und alles, nur eben kein "Junger Mann". Es ist eine Zumutung, wenn jeder Mann - egal welchen Lebensalters, ob mit oder ohne Krückstock - sich ein "Junger Mann!" gefallen lassen soll. Ähnlich verheerend nimmt sich ein "Meister!" aus, mit dem ich ausnahmslos von anderen männlichen Patienten aufgerufen werde, die es mit jovialen oder burschikosen Gesten bekräftigen. Meine Güte. Ich reagiere hier immer wieder mit einer Adaption der Bibelstelle bei Johannes: "Nennt mich nicht Meister" Nur einer ist euer Meister, Jesus, der Herr!" Am lustigsten empfinde ich es, ein "Sanitäter!" zu hören.


Anekdoten aus der Pflege

Wir betreten ein Patientzimmer. Frau Sch., dement und bisher eher bettlägerig bzw. die meiste Zeit im Bett, quält sich, halb angezogen, mit einem BH herum. "Frau Sch., wo wollen SIE denn hin?" "Na ich muß doch auf Arbeit!" "Heute ist aber Pfingsten. Wie alt sind Sie denn?" "84." "Da müssen Sie noch arbeiten?" "Hm. Stimmt. Ich bin ja Rentner! Da habe ich aber Glück gehabt!" // Weltmännisch, wie ich bin, wenn ich ausländischen Patienten gegenübertrete: "Water?". - "Wasser ja, aber ohne Gas." Übrigens ist die Reihen- und Rangfolge immer so: am meisten Medium, dann Stilles Wasser, dann "prickelnd" oder "spritzig" - eben normales Mineralwasser bzw, wie wir Ossi wohl immer noch oft sagen: Selter.


Pflege: Die Wiederkehrer

Internistische Stationen wissen: Sie kommen alle wieder! Damit gemeint ist der Fakt, daß viele chronisch und multimorbide Kranke und alte Patienten aus den umliegenden Pflegeheimen regelmäßig wieder stationär versorgt werden. Beliebtes Spiel unter uns Pflegekräften also, Namen in den Raum zu werfen und damit unweigerlich entweder - eingedenk lustiger Anekdoten - ein Grinsen oder - eingedenk so mancher nervender Eigenheiten und Macken - ein von Herzen kommendes Aufstöhnen zu evozieren. Unter den häufig wieder Auftauchenden gibt es einige Patienten, die durchaus berechtigt wären, unsere Station als zweiten Wohnsitz aufzuführen. Problematisch sind meistens nicht einmal die Patienten selbst, sondern deren Angehörige. Dabei gibt es keine Schuldfrage zu erörtern. Natürlich ist es würdig und recht, dem Kranken das Beste verschaffen sowie möglichst zahlreiche Informationen über seinen Zustand erhalten zu wollen. Nur stehen auf der anderen, - unserer Seite einerseits stereotype, eher pessimistisch stimmenden Erfahrungen, andererseits ein Arbeits- und Zeitdruck, der eine sinnvolle Arbeitsaufteilung und Erfüllung aller Pflichten utopisch erscheinen lassen. Beide Seiten reiben sich. Täglich passiert es, daß, kaum ist ein Patient auf Station eingetroffen, Angehörige telefonisch oder vor Ort wissen wollen, wie es dem Erkrankten geht. Oft hat man ihn selbst noch gar nicht zu Gesicht bekommen, weil man sich durch den Papierwust wühlt und um die Organisation der Diagnostik und Therapie bemüht ist. Mit "stereotype, eher pessimistisch stimmenden Erfahrungen" meinte ich, daß vieles mit Routine und Berufserfahrung erledigt werden kann, ohne daß man den Wünschen der "Gegenseite" gerecht werden konnte. Phrasen wie "den Umständen entsprechend" tönen letztlich hohl. Hätte man mehr Zeit, könnte man anders und persönlicher agieren. Dieses Wissen um ständig auftretende Defizite und Konflikte und die Einsicht, daß es wohl nie anders werden wird, betrüben einen nicht selten, dagegen kann sich auch das abgehärteste Pflegerherz nicht verschließen.


Pflege als Handwerk?

Richard Sennett hat ein Buch über Handwerk (Rezension) geschrieben. Seiner These zufolge sind alle diejenigen, die bei ihrer Arbeit Hand und Kopf gebrauchen, alle diejenigen Handwerker, die gewillt sind, gute Arbeit zu leisten, denen das Resultat ihrer Arbeit nicht egal ist, sondern die Qualität abliefern wollen. Das gälte auch und wird exlizit aufgeführt für Pflegekräfte. Wenn ich mir dies durch den Kopf gehen lasse, hat Sennett gar nicht so unrecht. Bei den pflegerischen Tätigkeiten, die wir am und mit dem Patienten ausüben, kommen Kreativität und der Wille zur bestmöglichen Qualität zum Zug. Jeder Verbandswechsel fällt anders aus und erfordert Nachdenken und Entschlüsse, was Wahl, Gebrauch und Platzierung des Materials betrifft. Jede Lagerung schwerkranker Patienten ist ein Akt, der höchst individuell gehandhabt werden muß. Der Unterschied zum Kunsthandwerker ist, wir können das Produkt unserer Arbeit in keiner Galerie ausstellen und in keinem Katalog veröffentlichen.


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