Tagebuchnotizen (1)[>>]

Selbsterlebtes und Notizen aus dem Alltag


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Trouble, die Zweite

Erneut offline gewesen. 2 Tage lang kein DSL- Signal empfangen. Gestern die Hotline meines Providers angerufen und mich grün und blau geärgert. Doof, wenn Internet und Telefon gekoppelt sind, weil, wenn das Erste nicht funktioniert, man mit dem Zweiten nicht die Hotline anrufen kann. Glücklicherweise wohnt mein Vater eine Etage tiefer, und sein schnurloses Telefon ermöglichte mir den Anruf. Die erste Hürde bewältigt zu haben, bedeutete allerdings noch nicht den Durchbruchs eines allseits befriedigenden Erfolgs. Nachdem der Mitarbeiter mir diverse Aufträge erteilt hat (Modem auf Werkseinstellungen zurücksetzen, Netzstecker abziehen und wieder anstecken), dies aber nichts fruchtete, meinte er, nun müsse man einen Techniker beauftragen, der ins Haus komme. Ich, innerlich: Jubilier & triumphier! Zu früh! Plötzlich der Hotline-Mann: “Jaaa, aber ich sehe hier, Sie haben auf Ihrem Modem nicht die aktuelle Firmware installiert. Ohnedem können wir Ihnen keinen Techniker schicken. Laden Sie aus dem Internet die Firmware herunter und spielen sie sie auf Ihre Fritz!Box.” Ich: “Grmpf!! Ich HABE KEIN Internet. Das ist das Problem und Zweck meines Anrufes bei Ihnen!” Mitarbeiter: “Nmpf. Aber Sie werden ja wohl jemanden in Ihrer Nähe haben, der Internet hat und bei dem Sie…” - Es wird einem nicht leicht gemacht. Zum Glück fiel mir ‘ne Lösung ein. Ich auf Arbeit (Nachtdienst) die Firmware heruntergeladen und heute Nachmittag (nach dem Ausschlafen) installiert. DSL- Signal vorhanden, Modem neu konfiguriert, eh voila: Le Internet! Was lernt mich diese Geschichte: Beim nächsten Vertrag, auch wenn es teurer wird, keine Internettelefonie wieder. Man ist aufgeschmissen, wenn technische Probleme an der Basis herrschen und kriegte nur graue Haare, wenn man noch braune auf dem Kopf hätte. Innerhalb von wenigen Tagen das zweite Mal dankend auf Knie gerutscht, daß ich Internet habe und welche Geschenk es bedeutet, wenn es funktioniert.


Trouble, die Erste

Nach Computerwechsel und erzwungener mehrtägiger Internetpause bin ich wieder online und hoffentlich bald auch wieder im Blog aktiv. Ich habe festgestellt, wie viel man doch lesen kann, wenn man nicht andauernd am Bildschirm hängt. Allerdings ist so eine 100-Prozent-Abstinenz auch nicht die Lösung. Die Entzugserscheinungen waren enorm, vor allem in Hinsicht auf die fehlenden Kommunikationskanäle wie Twitter, E-Mail, ICQ und die Aktivitäten im Klassikerforen. Bin von Dankbarkeit erfüllt, nun wieder Zugang zu haben und den Draht zur Welt. Möchte die Erfahrung des Abgeschnittenseins jedoch verinnerlichen und möglichst sinnvoll nutzen, indem ich mich auf Wichtiges beschränke und Unwichtiges mehr meide.


Lob des Gemüses

Rosenkohl - ein in Großbritannien nicht eben gemochtes Gemüse, das von einem Kapitän auf seinem Schiff verboten wurde. Ich liebe Gemüse sehr, darunter auch Rosenkohl, sehr zum Unmut meines naserümpfenden Bruders. Ordentlich Muskat sollte dabei sein. Überhaupt kann man mich mit gekochtem Gemüse glücklich machen. Porree oder Rotkohl kann ich töpfeweise essen; dann brauche ich kein Fleisch dazu. Aber auch Zuckererbsen, in Butter geschwenkten Möhren und Blumenkohl; den aber möglichst blanchiert und sehr bißfest und schön sauer. Ein Lob dem Gemüse!


Protestkultur

Im Iran entsteht während der derzeitigen Unruhen eine neue Protestvariante: abends steigen Hunderttausende auf die Dächer und skandieren "Allah ist groß" und "Tod dem Diktator". Eine wunderbare friedfertige Alternative, seinen Unmut zu zeigen. Abgesehen davon, daß es weit besser wäre, wenn es erst gar nicht zu solchen Ausschreitungen hätte kommen müssen, finde ich diesen Dächerprotest stark; er erinnert mich an Gandhis Salzmarsch, wie ich überhaupt meine, daß Widerstand gegen Ungerechtigkeit eine Tugend ist, die man man nicht verkümmern lassen sollte.


Twitterlob

Was Twitter betrifft, hat Anke Gröner mir aus der Seele gesprochen. Twitter hat sich meinem Leben so geschmeidig angeschmiegt wie ein lange gesuchtes, passendes Kleidungsstück, in dem man weder friert noch schwitzt. Von Freunden gibt es keine Banalitäten. Und neue Twitterer, denen sich zu folgen lohnt, bringt die Zeit mit sich. So baut man sich Stein für Stein ein Häuschen, in dem sichs wohl sein läßt. Freilich beobachte ich an mir, daß das Bloggen nachläßt. Oft entscheidet man sich eher für einen Tweet als für ein Blogposting. Anstatt auszuformulieren quetscht man die Information lieber zu 140 Zeichen zusammen. Wahrscheinlich wird meine positive Meinung zum Mikroblogging auch dadurch befestigt, daß ich als Info-Junkie liebend gerne mit Links und Kuriosem um mich schmeiße, wofür die Kurzform wie geschaffen ist. Zu jeder Bewegung kommt eine Gegenbewegung; das war nicht nur bei der Reformation so. Anscheinend bemerken auch andere Blogger, wie ihre Blogs ausdünnen, wie ihre Schaffenskraft nachläßt. Und beginnen mit Tagebuchbloggen, gießen die Kleinigkeiten ihres Alltags wieder in Worte. Ich freue mich daran. Ein Indiz, daß Blogs als wichtig empfunden werden, daß Maßnahmen ergriffen werden, sie als beständiges Element des virtuellen Lebens zu erhalten. Auch ich spiele mit dem Gedanken, per Tagesjournal dem Besucher Alltagsminiaturen zu präsentieren. Jedoch kenne ich mein äußerst mangelhaftes Durchhaltevermögen und verspreche daher nichts, sondern werde klammheimlich hie und da etwas hinklecksen, wenn sichs anbietet.


Schnapps

Sonst nicht der Schnapstrinker, habe ich doch zwei Marken, bei denen ich schwach werde. Leider sind sie schwer bis mittelschwer zu bekommen. Den polnische Vodka "Balsam pomorski" muß ich mir über zwei Ecken direkt aus Polen besorgen; ich habe in Deutschland bisher keinen Anbieter gefunden. Ein aromatisch intensiver Schnaps, bei dem man sofort spürt, welche Plörre man normalerweise trinkt. Der zweite - Bad Apfel - ist ein hochkarätiger Apfellikör aus dem Hause Neudietendorf. Ossis wissen schon: Aromatique . Aber den Apfelschnapps gibts hier nur bei Globus (0, 7 Liter kosten EUR 10.50) - für mich als Autoloser schwer erreichbar. Er wird aus kanadischen Wildäpfeln gebrannt und hat über 40 Prozent. So ungewöhnlich dieser Alkoholgehalt für eine Fruchtspirituose, so bezaubernd auch der Geschmack.


Ungarn 1989

Als die Ungarn 1989 den Zaun zum westlichen Ausland durchschnitten, war mir sofort klar: DAS ist das Ende von allem, das Ende des Abgeschlossenseins. Das Ereignis war ein Knackpunkt, eine Schlüsselerlebnis - Schlüssel im buchstäblichen Sinn; denn sofort traten die Gedanken zu Tage: Wirst auch du reisen? Wann? Sofort? Daß der gesamte kommunistische Apparat im Ostblock zusammenbrechen würde, glaubte ich damals noch nicht. Eines aber wurde mir bewußt. Falls diese Lücke in Ungarn bestehen bleibt, wird niemand mehr da bleiben. Ich sah eine leere DDR. Jetzt gibt es über dieses so wichtige Geschehen ein Buch, nämlich Andreas Oplatkas Der erste Riss in der Mauer. September 1989 - Ungarn öffnet die Grenze ( Perlentaucher).


Vormittag in Lindenau

Ich sitze, kuchenmampfend, auf einer Bank vor der Lindenauer Nathanaelkirche, als ein Mann die Treppen zum Hauptportal hinaufstieg, an der Pforte rüttelte und sich fragend umsah. Natürlich ist solch eine Außenbezirkskirche nicht ständig geöffnet, wie man es von innerstädtischen wie der Thomas- oder Nikolaikirche gewohnt sein mag. Ich wies den Mann darauf hin, daß ich das Hauptportal nur zu sehr seltenen Anlässen geöffnet gesehen habe und sonst das gegenüberliegende Gemeindehaus für weitere Fragen sicher zur Verfügung stünde. Der Mann kam nicht darüber hinweg, vor einer verschlossenen Kirchentür zu stehen. Nicht mal sein Gebet könne man verrichten. "Vor 55 Jahren bin ich in dieser Kirche getauft worden." Tja, dabei kann er froh sein, daß das Gebäude immerhin noch als Kirche fungiere. Vor einiger Zeit sah ich eine profanierte Kirche in den Niederlanden, in der sich ein Supermarkt eingenistet hat. Wenigstens brauchen bei der Großräumigkeit keine Kühltruhen. Temperaturtechnisch gewiß optimale Voraussetzungen. Ein Wort zum Kuchen, den ich in der Bäckerei Mertens in der Leipziger Erich- Köhn-Straße 64 kaufte, zu der ich alle paar Monate pilgere, weil sie ein letztes Refugium an Backkunst bietet, wie man es in der DDR gewohnt war. Was Öffnungszeiten, Interieur, Preise und Sortiment anbetrifft, fühlt man sich so wohl wie damals. Im besten Sinn.


Blumenwette

Blumen zu gießen gehört nicht zu den genuin vorrangigsten pflegerischen Aufgaben. Und so kann es passieren, daß eine Vase trocken wie die Sahara ist oder der Rest des Blumenwasser olfaktorisch bedenklich. Als ich vorgestern einen Strauß Tulpen entdeckte, dessen Kelche müde auf der Tischplatte auflagen, überkam mich Traurigkeit. Wie schön, daß das Auffüllen mit frischem Wasser den erstaunlichen Erfolg zeitigte, daß die Blumen sich erholten und gänzlich wieder aufrichteten. Ich als Gewinner der verschwörerischen Wette mit der floristisch interessierten Mitpatientin, die das anzweifelte.


Frösche

Mein Weg zur Arbeit führt auf dem letzten Stück eine Allee entlang durch den Robert-Koch- Park, der unser Krankenhaus umgibt. Ein Teich und der auch ansonsten wunderschöne Park sorgt für entsprechendes Getier. Ganzjährig Enten, einige Hasen und nun, im Frühjahr, die Frösche. Eklig nur, wenn die Straße zu unserer Klinik von zermanschten Froschleichen gepflastert ist, die von durchfahrenden Autos gemeuchelt wurden. Das perspektivisch freilich etwas verzerrte Bild auf der Frontseite dieses Weblogs zeigt sie (ohne Leichen). Zurzeit kann man der Entfaltung der Natur zuschauen; ich freue mich, wenn sie in ganzer Pracht dasteht und dafür sorgt, daß vor oder nach einem Dienst im Klinikum die strapazierte Nerven beruhigt werden, wenn man dem Blätterrauschen, dem Entengeschnatter und, meine Güte - ja, auch dem Froschquaken (der paar übrig Gebliebenen) lauschen kann. Was bin ich letztens erschrocken, als ich im Dunkeln nach Hause ging und ein Froschlein fast gegen mein Bein schepperte.


Monster der Rolltreppe

Ich hasse es, wenn Rolltreppen durch Leute blockiert werden, die, kaum haben sie sie betreten, wie versteinert stehen bleiben und, mag einen das technische Hilfsmittel auch noch so langsam vorwärtsbringen, daß eine Schnecke mühelos ein Überholmanöver gewänne, bei nachfolgenden Passanten einen Stillstand erzwingen, wenn sie nicht den Verve aufbringen, sich entschuldigend an ihnen vorbeizudrängen. Ich lasse mir doch durch eine Rolltreppe nicht vorschreiben, wann ich stillzustehen und zu gehen habe und werde bei entsprechend schlechter Laune, zu der ich ohnehin genetisch disponiert bin, zum Rüpel und Schubser, der Schrecken der Mall, das Monster der Rolltreppe.


Althaus

"Wenn Bild schreiben würde, dass ein Politiker fliegen kann, würde der brave Deutsche nach oben schaun, wenn er Politiker sucht." Das Reizzentrum zum Thema Althaus, das auch im Bildblog beackert worden ist. Was mich an diesen Geschnissen hinter zugezogenen Kulissen immer wieder brüskiert (so wie damals auch im Fall Gaby Köster), sind die ständigen Mutmaßungen, die nicht mehr nötig wären. Gibt es YouTube? Könnte man, selbst als Ministerpräsident, nicht kurz, sachlich einen Videogruß an die Menschen hierzulande richten oder, von nahen Angehörigen, richten lassen? Boulevardmedien wäre somit entschieden viel Wind aus den Segeln genommen worden. Gerade in den ersten Wochen nach dem Unfall. Niemand hätte weitschweifige, entblößende Botschaften erwartet. Aber die Informationspflicht eines führenden Politikers brauchte und müßte nicht nur durch die Medien erfolgen, sie sollte auch von ihm selbst wahrgenommen werden. In Klarheit und Einfachheit, eine Sachlage darzustellen, muß doch möglich sein? Selbst für Politiker. Aber ich schätze, juristische Verwicklungen und Befürchtungen stehe dem entgegen und werden auch künftig dafür sorgen, daß wir in der Informationswüste statt mit Wasser gelabt - mit ungesunder, aber um so verkaufsträchtiger Coca Cola abgespeist werden.


Der ganz normale Wahnsinn

Als innerhalb von 1,5 Stunden der 5. Zugang (neue Patient) auf Station eintraf, sich die Papiere auf dem Schreibtisch türmten und die üblichen Querelen überhand nahmen (beispielsweise hatte ein Patient den Krankenhauseinweisungsschein als vermeintlichen Krankenschein an die Krankenkasse geschickt und schlug bei uns mit nichts weiter als einer unleserlichen Kopie und einer Tasche auf), meinte ich hechelnd zum Stationsarzt: "Jetzt wird die Situation ein wenig unübersichtlich, gelle?"


Virtueller Tarzan

Wie CARTA feststellt, hat sich die Mediennutzung verändert. Die Krise auf dem Zeitungsmarkt tangiere jüngste Internetnutzer eher peripher. Ein gut gefüllter Newsfeed läßt einen so was verschmerzen. Weniger an einzelnen, hochoffiziöse Leitmedien orientiere man sich mehr; stattdessen wird ein Konglomerat aus gewachsenen und sich ständig verändernden Angeboten und Möglichkeiten geschaffen, zu dessen Zentrum ein virtueller Bekannten- und Freundeskreis gehört, dem man sein Ohr leiht, dem man Vertrauen entgegen bringt. "Wer nämlich den ganzen Tag über den getwitterten Linkempfehlungen seiner Twitterfreunde folgt, kommt schon aus Zeitgründen nicht mehr dazu, ein einzelnes Medium systematisch zu lesen." Ich selbst könnte, ohne mich der Gefahr der Langeweile auszusetzen, ganztägig meinen RSS-Feeds hinterherhecheln. Sie bilden lediglich das Fundament, auf man ich aufbaue, mich anregen lasse, um dann eigene Initiativen zu ergreifen, die wiederum Resonanz erzeugen, auf die man erneut reagieren kann. So hangelt man sich als virtueller Tarzan durchs Web, von Facebook-Liane zu Twitter-Liane, von zu Twitter-Search findet nur einen Abschluß, wenn man den Mumm hat, den Knopf für den Standby-Modus des PC zu finden. Bleibt abzuwarten, wie traditionelle Medien, die sich noch deutlich dem Papiergeruch verpflichtet fühlen, reagieren, wie sie sich MITwandeln. Die heutigen Internetnutzer wandeln sich nämlich unaufhörlich. Mit jedem neuen Spielzeug, ob nun Webforen, Blogs, Facebook, Twitter, soziale Netzwerke auch für Bücherleser usw. kommen neue Strukturen und Einflüsse hinzu, die uns neue Optionen verschaffen, an denen wir uns schulen, ausrichten und orientieren. Die Bemühungen von Zeitungen, diesen Anforderungen gerecht zu werden, muten einem meist ungelenk und eindimensional an. Was sich scheinbar nicht rentiert, wird eingestampft. Der Umgang von Verlagen mit dem neuen Medien E-Book läßt einen an Überforderung und mangelndeRisikobereitschaft denken. Wenn man bloß Besitzstände wahren und das Neue möglichst folgenlos in bestehende Umstände einpassen will, wird man sich in einigen Jahren die Augen reiben und die Felle davonschwimmen sehen. Neuer Wein in alte Schläuche - das ging schon vor 2000 Jahren schief. - Auch dieser Eintrag gehört in die Rubrik Virtuelles Leben.


Vom rechten Maß an Web 2.0

Wie gehe ich mit dem Bombardement aus Informationen, Kontakten, Anfragen, Mitteilungen, Einladungen aus den sozialen Netzwerken um? Was tun, wenn man das Gefühl hat, das Web 2.0 fliege einem jeden Moment um die Ohren. Christian Henner- Fehr machte sich in Wenn einem das Netzwerk über den Kopf zu wachsen droht Gedanken. Das Spannungsfeld verläuft zwischen Begrenzung und Erweiterung. Natürlich sollte man Neuem gegenüber stets aufgeschlossen sein. Man weiß ja nie, mit welchen Perlen man beschenkt würde, welche Freundschaft sich möglicherweise aus einer Kontaktanfrage entwickelte, so daß es ratsam erscheint, Kontaktbegehren stattzugeben, Twitterern zu folgen, neue Freunde in Facebookk zuzulassen usw. Trotzdem stellt sich jedem in social networks Aktiven irgendwann die Frage: Was tun? Radikal kürzen? Komplettausstieg? Wo setze ich an? Wie entscheide ich mich? Selbst relativ unbedachte Menschen können so leicht zum skrupulösen, nägelkauenden Nervenwrack mutieren. Technisch ausgefeilte Möglichkeiten, Links an einer Stelle zu sammeln oder seine Online-Aktivitäten zu bündeln, sind nur eine Zeitlang praktisch. Irgendwann erreicht man die Grenze des Erträglichen und MUSS zurückschrauben. Je nach Typ (ich bin der Hans Dampf in allen Gassen) gelingt es manchem, souverän mit diesen Erfordernissen zu jonglieren. Ich gehöre zur Gruppe derjenigen, die sich langen Grübeleien hingeben und nach einer optimalen Lösung fahnden, die es wahrscheinlich nicht gibt. Insofern man die Willensstärke besitzt, sich konkreten Optionen zu verweigern - Twitter / Facebook kommen mir nicht ins Haus! - wird der Zeitpunkt einer Bereinigung hinausgezögert. Jäger und Sammler wie ich, die sich in jedes neue Becken stürzen, weil das Wasser dort bestimmt besonders kühl und frisch ist, werden viel rascher an jenen Punkt kommen. Gefährdet auch von Infornografie. Außerdem bin ich als gründlicher Mensch eher auf "Long-Term Connections" als auf "Short-Term Connections" aus. Anderen mag es nichts ausmachen, mit 300 "kommunikativen Schläfern" befreundet zu sein, die im Bedarfsfall aktiviert werden können. Mich beschleicht bei dem Wust an Web-2.0-Initiativen, in die ich mich verwickeln lasse, oft das Gefühl, sowohl den Überblick zu verlieren, was Fluchtinstinkte freisetzt, als auch das schlechte Gewissen, vielleicht eine freundlich ausgestreckte Hand zu übersehen, Kommunikationswünsche des, nein der vielen Gegenüber falsch zu deuten und so Menschen zu brüskieren. Thomas Peil verfolgte den Ansatz "Nicht ich suche die aktive Vernetzung, sondern reagiere, wenn ich gefunden werde". Fatal nur, wenn man am sozialen Anschlußzwang leidet und wie neugierige Katzen unseren Kopf in jeden Kartonritze des Internets stecken müssen. Wünschen wir uns ein Gleichgewicht von Coolness der anbrausenden Woge an der stürmischen Küste des Web 2.0 und der Offenheit und Bereitschaft zur Veränderung, zum Wagnis, neue soziale Bindungen zu suchen und einzugehen. Suchen wir bei so viele "Oberfläche" die für uns geeignete Tiefe. Wenn uns die Gischt anspritzt, ertrinken wir nicht gleich, sondern dürfen uns zunächst einfach nur eines fühlen: erfrischt. Oder wie Peter Glaser das ausdrückt: "Genießen wir die angenehmen Momente am Strand des Datenmeers". Grübeleien um das Virtuelle Leben gehören sozusagen zu meinem Standardrepertoire.


Hans Dampf

Offenbar noch jemand, der ständig darüber nachdenken muß, wie er seinen Output für andere nachvollziehbar, d.h. nachfolgbar gestaltet. Ich schrieb als Kommentar zu seinem Beitrag: "Ich bin durch rivva.de zu dir gestoßen und bemerke erstaunt, daß du offenbar mit derselben Mühe versuchst, all deine Aktivitäten unter einen Hut (Livestream) zu bringen. Ich bin seit 1995 im Netz und tanzte seitdem auf vielen Hochzeiten. Man schließt sich Communities an, verläßt sie wieder, neue Dinge tauchen auf wie für mich 2001 die Blogs, seit letzten Jahr Twitter, vorher Webforen, Mailinglisten, Chats, Usenet ets. pp. Kurzum, es ist zum Heulen. Ständig Neues, neue Technik auch. Ich führte seit 2001 Weblogs, auf verschiedenen Plattformen (antville.org, twoday, homepagebasiert und nun mit Wordpress). Man warf mir Unbeständigkeit vor. Das liegt wohl daran, daß ich Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen bin, dann die Lust verlieren, Altes weiterzuführen, dann aber die Übersicht verlieren, irgendwann ALLES aufgeben will, dann wieder Anschluß finde. Die Lust kehrt zurück, man beginnt von neuem, aber woanders. Die Spuren verwischen sich. Es gibt wohl keine Lösung dafür. Hin- und her gerissen zwischen Aktion, Beschränkung, aber auch neuem Engagement. Ich hoffe, du kriegst das einigermaßen zufriedenstellend hin?"


Notfallambulanz

Klientel, die in einer Notfallambulanz eingeliefert wird: Patienten mit Alkoholintoxikationen, die sich ausrechnen, unter medizinischer Kontrolle ungefährdeter ihren Rausch ausschlafen zu können. Patienten mit Bagatellproblemen, die gut auch noch etwas Wartezeit bis zum nächsten Hausarzttermin verkraften würden. Patienten mit urplötzlichen, aus heiterem Himmel auf sie hereinbrechenden Krankheiten wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Knochenbrüche. Mutimorbide Patienten, die ständig zwischen Pflegeheimen (oder betreutem Wohnen) und dem Krankenhaus pendeln; Codewort hier: Durchfall, Erbrechen, AZ-Verschlechterung. Notfallaufnahmetouristen - Patienten, die oft ins Krankenhaus eingeliefert werden und meist mit demselben Problem, z.B. Borderliner, die sich geritzt haben, Suizidale, Patienten mit schlecht einstellbarem Blutzucker, häufige Hirndurchblutungsstörungen (TIA-Verdacht), dekompensierte Herz- und Niereninsuffizienzen. Wer bietet mehr? Inspiriert zu dieser Aufzählung wurde ich durch die kürzliche Lektüre von Fred Sellins “Notaufnahme. Alltag zwischen Leben und Tod”. Der Journalist arbeitete 5 Monate lang in einer Hamburger Notfallaufnahme und berichtet von seinen Eindrücken und den Schicksalen sowohl der medizinischen Belegschaft als auch und vor allem der betroffenen, der Erkrankten. Der gravierende Trugschluß, den ich Sellin ankreiden muß, ist die Behauptung, auf einer Normalstation (Peripher- oder Bettenstation) herrschte im Gegensatz zur Nofaufnahme eine geordnete, von Routine kontrollierte Arbeit. Geordneter - ja, aber das Chaos gewinnt auch auf einer solchen Station regelmäßig die Oberhand. Und wenn das, was die absolute Ausnahme sein sollte, als regulär bezeichnet werden muß, ist doch so einiges schief. Das liegt ganz simpel am Personalabbau. Sich anstauende Arbeiten müssen von immer weniger Pflegenden geleistet werden, so daß zwangsläufig Fehler, Aufschübe, Unachtsamkeiten vorkommen und ein gestörtes zwischenmenschliches Klima das Leben und Arbeiten nicht selten zur Hölle machen.


Schriftsteller meiner selbst

Wilhelm Genazino bringt im zweiten Teil seiner Abschaffel-Trilogie etwas zur Sprache, das peinlich sein könnte und das ich trotzdem bekennen muß: Ich habe schon mehrmals bei mir zuhause angerufen, obwohl absolut ausgeschlossen war, daß jemand abheben könnte. Zudem fuhr ich schon einmal absichtlich an der Haltestelle vorbei, an der ich hätte aussteigen müssen. Dinge, die Genazino in "Die Vernichtung der Sorgen" durch Abschaffel beschreiben läßt wie er überhaupt der große Sezierer des Alltags ist, der kleinen Dinge, die man tut, die Überlegungen, die man unternimmt und in denen man sich wiedererkennt. Es ist, wenn ich Genazino lese, als würde ich über mich selbst lesen. - Gefragt wurde ich, warum Abschaffel das in dem Buch mache? - Man kann nicht sagen, warum Abschaffel das macht. Er beobachtet andauernd, es ist seine Art und die Substanz der Bücher Genazinos, daß uns all die Selbstverständlichkeiten vorgeführt werden, dann aber wieder seziert und mit Theorien umgeben. Abschaffel nimmt teil am Leben, begleitet es gleichzeitig kommentierend und abwägend. Der amerikanische Autor Nicholson Baker ist ein ähnlicher "Alltags- und Dinge-Beobachter". Nur waren die Gestalten in seinem Buch "Die Fermate" in der Zeit eingefroren, so daß der Protagonist intime Einblicke in die Lebenswelt der anderen gewann, während bei Genazino alles in vivo geschieht. Einige Textstreusel sammle ich im Logbuch.


Lob des Ungesunden

Rilke habe für sich eine Psychotherapie abgelehnt, weil er befürchtete, daß bei der Austreibung seiner Teufel auch seinen Engeln ein ganz kleiner Schaden zugefügt werde. Unsere Gesellschaft ist geradezu erpicht darauf, uns von allen Lastern zu befreien: kein Alkohol, keine Drogen, kein Nikotin, kein Fett, kein Zucker mehr. Und wenn man, partiell, nun nicht geheilt zu werden wünscht? Wenn man etwas scheinbar Ungesundes in Kauf nähme? Die 60er Jahren hatten wenigstens LSD - womit erweitern wir unser Bewußtsein? Was wäre Joseph Roth ohne seinen Absinth? Was ich ohne meine Bücher, verbunden mit einigen Bieren? Was die Gesellschaft verteufelt, muß nicht, kann aber auch in die Sphären führen, in denen einen Engel zuflüstern und in die uns der öde, schnöde Alltag nie, nie nie wird entführen können.


Vom Sammeln

Oh, ich fühle mich erkannt. Ich Jäger und Sammler, Bibliomane und Leser. Nichts schließt das andere aus: "Man sammelt, was man noch nicht hat, und das, was man noch nicht hat, interessiert allein aufgrund dieser Stellung in der Logik des Sammelns. Das ist ein unabschließbares Motiv, das für den Sammler zur Konsequenz hat, daß er immer weiter in den Ozean der potentiell vollständig zum Gegenstand des Sammelns werdenden Objekt-Welt hinausgezogen wird." Man lese auch nicht, um einen Text zu erfassen, sondern nur um ihn, etwa für Zitate, auszuschlachten. (Nikolaus Wegmann: Im Reich der Philologie. Vom Sammeln und Urteilen)


Netzgrübeleien (1)

Ehe ich von manchen die E-Mail-Adresse rausgekramt habe, nutze ich Twitter jetzt sogar als Nachrichtenübermittlungstool (Direct Messages). Was mich anbetrifft, könnte ich mit einer gesicherten Zukunft von Twitter gut leben. Twitter hat ein Lücke in meiner Kommunikation geschlossen. Jedoch stellen andere Fragen zu den Aussichten des Mikrobloggingdienstes. Abgesehen vom ökonomischen Fundament sollte man stets fragen, wie lange sich heutzutage ein Hype, eine Hochphase hält? Der Mensch lechzt nach Abwechslung; allzu gerne rennt er dem nächstbesten Zugpferd hinterher und läßt einmal Geschätztes zurück, das darum nicht schlecht gewesen sein muß, sondern plötzlich den Makel hat, nicht mehr neu zu sein und vom Nächstbesten verdrängt zu werden. Da auch der multitaskingfähigste Mensch ein limitiertes Wesen ist, fallen unweigerlich Dinge aus dem Portfolio seiner virtuellen Aktionen, sobald er sich Neuem zuwendet. Ich selbst hatte von 1995 bis 2002 eine ziemlich lange und fruchtbare Usenetphase, an die ich dankbar zurückdenke. Mit der Flaterate kam die Chance, dauerhaft im Netz zu sein, was mein Nutzerverhalten grundlegend beeinflußte und änderte. Fortan nutzte ich Webforen, blogge seit April 2001 und fühlte mich in der Blogosphäre auch (immer noch) zuhause. Second Life ist an mir vorbeigegangen; Mit Spielen wurde ich nie konfrontiert und bin als 42-Jähriger immunisiert. Nun kommt Twitter, seit kürzestem schüttelt mich ein heftiges Facebookfieber. Daß Dinge, die gerade gehypt werden, sich "einpendeln", sich auf eine gesundes Maß zurückregulieren, gilt für vieles; anderes geht unter, muß ins Hintertreffen geraten! Wie gesagt, haben wir nur 2 Augen, 2 Ohren, 10 Finger an der Hand und 24 Stunden am Tag. Wenn ich twittere, kann ich nicht in meinen Forum. Wenn ich online bin, wo auch immer, kann ich keine Bücher lesen. Wofür entscheidet man sich? Die Prioritätenfrage bleibt virulent - online und offline. Sicher ist nur, daß nach all den sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing, StudiVZ, nach den Blog, Mikroblogs irgendwann etwas Neues kommen wird. Eine beliebte Spekulation deshalb im Netz: The next big thing. Kritikpunkte, die in vieler Augen sehr lebendige Plattformen trifft, sind Fragen des Datenschutzes. Daß man Rechte an den Inhalten, die man online verfügbar macht, abgibt, behagt den Wenigsten. Facebook gerät im Augenblick ins Visier (man kann sich stundenlang dank rivva damit befassen), der Community droht laut DLR der Gesichtsverlust (mp3), was nicht wenige veranlaßt, den Hut zu nehmen. Neben der Aufgabe der Hoheit über seine Daten oder der Gefahr des Mißbrauchs fürchten andere die Belanglosigkeit oder strapazierte Nerven, vor allem in Bezug auf Twitter. Doch zu Neuigkeiten rund um Twitter in einem nächsten Beitrag.


Trouble mit dem PC II

Die alte Netzfüchsin Claudia Klinger hats auch getroffen. Daraufhin schrieb ich in ihre Kommentare: "Oh, ich kenne den Schrecken sehr gut, der einem in die Knochen fährt, das Fieberhafte der Rettungsversuche, das Drama, das plötzlich ausbricht und das einen die Tatsache seines Lebens in der Virtualität überhaupt bedenken läßt. Seit Monaten habe ich PC- Probleme. Zuzeiten stürzt der Rechner ab und ist dann nur mühsamst wieder startbar; selbst Ubuntu hängt sich erstmal auf; nur einige Tricks (wie komplettes Befreien vom Stromzugang und Abkühlen des Rechners) mit erneutem mehrmaligen Hochfahren läßt das System wieder auferstehen. Und dann die Angst vor dem nächsten Mal. Ein neuer PC steht unausgepackt da, aber die Bedenken vor dem komplizierten Neuaufsetzen eines neuen Systems, das bekanntlich Tage dauern kann,läßt einen den Schritt immer wieder herauszögern. Backup- und Sicherungsstrategien sind noch nebulös. Erstmal immer alle sensiblen Daten (bei mir nicht SO viele) möglichst täglich auf USB- Stick synchronisieren. Das Leipziger Bücherlei ist glücklicherweise immer aktuell im Netz. Solche technischen Querelen nerven. Vor Jahren las ich das Buch "Die Tücken der Technik. Wenn der Fortschritt sich rächt" von Edward Tenner, an das ich immer wieder denken muß und das mir eine gesunde Skepsis gegen allzu naivem Fortschrittsglauben eingeimpft hat." Teil I dieser Jeremiade ist hier zu lesen.


Mit Wilhelm, ohne Walter

Ein Blogger hat dem neuen Wirtschaftsminister mit dem langen Namen einen Vornamen dazugedichtet, indem er den Wikipedieintrag fälschte, aus dem sich zahlreiche Journalisten bedienten, so daß der zusätzliche "Wilhelm" nur schwer wieder aus den Köpfen zu kriegen sein wird. Bildblogger Stefan Niggemeier beleuchtet diese Sache heute. Wenn der eine einen zuviel hat, will der andere einen weniger: Frank Walter "Steinmeier hat keine Lust mehr auf seinen 'Walter'"


Wenn Verlage twittern...

Sollen, werden Verlage twittern? Wolfgang Tischer vom Literaturcafe ist eher skeptisch. Gemeinhin wird immer wieder darauf insitiert, daß Twitter niemand verstehen könne, der es nicht selbst täte. Was eigentlich auf so ziemlich alles im Leben zutrifft. Sex, Autofahren, Sterben. Es hängt alles an Einzelpersonen, die im Verlag das Twittern übernehmen müßten. Nicht der "Verlag" twittert, sondern ein engagierter Verlagsmitarbeiter. War und ist beim Bloggen nicht anders. Schade in diesem Zusammenhang, daß Lehmanns nicht mehr bloggt. "Richtiges" twittern heiße nicht, beispielsweise alle Neuerscheinungen in den Twitter-Feed zu kippen. Obwohl MICH dies durchaus anmachen würde. Eine ordentliche Applikation oder einen diesbezüglichen Service vermisse ich als Buchstöberer, seitdem ich mich im Netz herumtreibe (1995). Der Traum, von auszuwählenden Verlagen ALLE Neuerscheinungen angezeigt zu bekommen. Das wäre etwas! Ja, twittern. "Mit Twitter können Verlage ihren Lesern über die Schulter sehen", sagt Benedikt Köhler. Warum kam mir als Assoziation ein schwäbelnder Mann im Rollstuhl vors innere Auge gerollt? Die Frage ist auch: Was kommt als nächstes? Verdrängt alle 2 Jahre ein neuer Hype den alten? Erst Bloggen, dann Second Life, jetzt Twittern. Auf welchen Zug aufspringen - und: wie lange mitfahren? Das Web 2.0 gebiert ständig neue Spielzeuge. Und wie verwöhnte Kinder lassen wir das alte fallen und rennen hin, unbedingt hin. Anfassen! Und wer räumt am Ende das Gerümpel weg? Twitternde Verlage:


Twitter als Zwischenspeicher

Ich nutze Twitter heute zur Zwischenspeicherung. Auf Arbeit (Krankenhausstation) stehen zwei Rechner nebeneinander. Auf einem hatte ich eine Webadresse in den Favoriten gespeichert, die meine Chefin auf ihrem ebenfalls haben wollte. E-Mailen? Ehe ich mich in den Client eingeloggt und die Mail abgesetzt hätte! Ohne großartig weiter nachzudenken - Alternative wäre mein Wiki gewesen - twitterte ich die URL und rief den Tweet auf dem anderen auf, legte den Favoriten an und - fertig. Schneller hätte ich's in diesem Fall sicherlich nicht hingekriegt, weil das Notieren der URL auf Papier ebenfalls zu umständlich gewesen wäre. Twitter als passageres Notizbuch... Bei der Webseite handelt es sich übrigens um einen Webshop, den wir neuerdings nutzen sollen, um unser Büromaterial für Station selbst zu bestellen, anstatt, wie bisher, dafür den hausinterne Lager- und Wirtschaftsdienst zu bemühen.


Kolleginnen quälen

Da ich die Reglerhoheit auf Arbeit habe, quäle ich meine Kolleginnen mit MDR1 - Radio Sachsen. Bei der Schlagerparade wird auf Anschlag gedreht. Bisweile hege ich den Verdacht, die Qual sei nur vorgetäuscht, und das innere Tanzbein wippt vor Behagen. Aber einen gräßlicheren lokalen Sender bekomme ich leider nicht rein. Während ich dies schreibe, trällert der Sänger gerade: "Willkommen in der Traumfabrik. (...) Was sollen denn die Plagen, die nur auf den Magen schlagen? Was sollen wir mit Problemen, die uns die Lebensfreude nehmen?"


Gläserner Ehemann & Bürger

In John Updikes 1968 erschienenem Roman Ehepaare ("Couples") fand ich folgendes: "Im Jahre 1990 wird in jedem Zimmer ein Gerät stehen, und jeder kann jeden beobachten. (...) niemand könne mehr Ehebruch begehen." (...) "Mein Gott", sagte Frank, "die werden noch die Institution der Ehe unterminieren." Man sieht, wie Zukunftsvisionen glücklicherweise nicht immer haargenau so eintreffen. Allerdings ist der gläserne Bürger längst Realität, siehe auch das ARD-Special.


Rauchen

Weil ich seit 7 Jahren dem Rauchen entwöhnt bin, gerate ich wohl kaum in Verdacht, ihm das Wort zu reden. Die derzeitige Diskussion und Entwicklung kann ich demnach entspannt verfolgen. Amüsant war das Interview (mp3) mit der Schriftstellerin Katja Lange-Müller. "Sagen wir es mal so: Das Konspirative ist dem Raucher ja so fremd nicht, wenngleich er nicht nur 48 und nicht nur in allen möglichen europäischen Ländern für seine Rechte weiland heftig gekämpft hat, und seitdem - nun, geben wir es zu - vielleicht ein wenig zu unverfroren im öffentlichen Raum für blauen Dunst gesorgt hat. Es ist durchaus denkbar, dass wir uns in die Hinterzimmer zurückziehen."


Kunst in der Gesellschaft

Christoph Hein setzt sich mit Heinriche Heine auseinander, der dem Kommunismus angelastet habe, auf die Kunst zu pfeifen, mit der Revolution auch das Bestehende ad acta zu werfen. Mit der sozialen Umwälzung der Verhältnisse, auch die scheinbar unnützen Dinge auszumerzen, mit dem Hammer die singende Meise zu erschlagen. Tabula rasa. Bilderstürmerei. "Hat unsere Gesellschaft - wie Heine vermutet - die Kunst mit der Bourgeoisie abgeschafft"? Der Sozialismus, wenigstens der DDR-Provenienz, meinte, eine Gesellschaft der Gleichen geschaffen zu haben, die Kunst womöglich überflüssig mache, da sie wohl immer aus einer Diskrepanz, aus einem Defizit heraus entstünde. Dahingehend dürfen wir Heutigen mit dem Blick auf das Vergangene uns beruhigt zurücklehnen. Eine Gesellschaft der Gleichen war es nicht. Die Kunst lebte und lebt fort. Die Dissidenten und der Samiszdat in der DDR unterstrichen das. Und ich eile zum zweiten Essay Heins.


Demenz & Virtuelles Leben

Toni Mahoni stellt sich vor, wie künftig demente und ans Bett gefesselte Menschen, anstatt "an die Decke zu kiecken", virtuelle Räume bewohnen und beleben werden. Ich, der ich den Stumpfsinn täglich auf Station erlebe, mit dem Demente und Schwerkranke konfrontiert sind, halte das gar nicht mal für sehr weit hergeholt und die weit bessere Alternative als dieses ewige Dahinstieren und mentale Abstumpfen. Vielleicht ist das Leben von Dementen - und deren Zahl wächst gigantisch! - in Zukunft tatsächlich eher in und mit einer virtuellen Existenz zu denken.


Piroggen

Stoppok, dessen Musik ich seit vielen Jahren schätze, schwärmt von Piroggen, die ich durch meine Oma ebenfalls seit frühester Kindheit liebe. Das haben die Polen einfach drauf. Es war ein Arme-Leute-Essen. Die Zutaten Grundnahrungsmittel. Meine Oma bevorzugte als Füllung Quark. Auch süße Füllungen sind lecker. Wir hatten in den 90ern oft auch deutschstämmige russische Auswanderer als Praktikanten auf Station, die uns mitunter mit Pelmeni verwöhnten. Mir läuft sowas von Wasser im Mund zusammen...


Anglizismen

Gegen welchen Anglizismus seid ihr am allergischsten? Bei mir ist es die unsägliche Angabe von Jahreszahlen: "In 2006 machten wir, kauften wir, fanden wir...". Sind die Anglizismen kurz und knackig oder sind es Modewörter, von denen man annehmen kann, daß sie nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden, bin ich gnädiger. Aber "in 2006? Weder gibt es einen Bedarf noch wird etwas besser oder prägnanter ausgedrückt. Einfach widerlich. Euer schlimmstes Wort oder Wendung?


Mediokratie

Die Pressefuzzis sind sauer, weil Donald Klein, der nach 15 Monaten Haft im Iran freigekommen ist, nicht mir ihnen schäkert, sondern erstmal seine Ruhe haben will. In einer Mediokratie wird es nicht gern gesehen, wenn man keine Bilder, keinen Ton bekommt. Ruhe ist suspekt. Was der Mann durchgemacht hat, spielt für die, die mit den Sensationen Geld verdienen müssen oder wollen, primär keine Rolle. Ich könnte rasend werden, wenn ich solche Argumente höre wie: "Aber wir Medien haben doch auch dazu beigetragen, daß Herr Klein freigelassen wird".


Klassentreffen

Zum Thema Klassentreffen, welches ich in Arnold Stadlers Roman Eines Tages, vielleicht auch nachts aufspürte, zu dem sich der 40-jährige Protagonist einfindet und eben Beobachtungen anstellt. Lachen konnte ich bei der Bemerkung: "Von denen, die er nicht wiedersehen wollte, fehlte kein einziger." (S.75). Und weiter: "... das leidige Klassentreffen im schönen Totenmonat November. (...) Er wollte sie wieder sehen, wieder riechen und schmecken, ob ihr Leben mittlerweile auch nach Korken schmeckte..." (S. 73) Eine beachtliche Entdeckung macht der Leser außerdem: Gerhard Schröder ist in die Literatur eingegangen. Diese kam so unerwartet, daß ich, hätte ich gerade Kaffee im Mund gehabt, diesen auf die Tastatur geprustet hätte. So setze ich mich lediglich an dieselbe, um den Satz zu notieren. "Noch ein weiterer im Grunde Grauhaariger stand beim Aperitif, der jetzt Unternehmensberater war und seine Haare nun geschrödert hatte. So schwarz war er in seinen besten Zeiten nicht gewesen." (S.74) - Der mit den Haaren wird von Stadler weiter vorgeführt: "Und mit jener Unverfrorenheit, die keine Rücksicht nimmt auf den Grenzbereich zwischen ehrlich und unverschämt, sagte nun dieser dicke Mensch etwas, was nur jenen erlaubt ist, die schon im Kindergarten zusammen am Pissoir standen, auch wenn sie sich später aus den Augen verloren: 'Ich hätte nicht gedacht, daß aus dir doch noch etwas wird.'" (S.75). Weitere literarische Funde... "Ich behaupte aber keineswegs, daß ich aus dem Rahmen dieser Versammlung gefallen bin, ich war eines der grauesten Gespenster unter Gespenstern. Doch wozu das erfahren? Wozu einen verdorbenen Magen und ein verdorbenes Hirn von einem solchen Abend forttragen? Wozu die qualvolle Afferei, da man sich wieder an den Start gestellt fühlt, wo doch der Weltlauf längst verwirklicht ist? (Franz Werfel: Der Abituriententag, S. 65)


Zeitloser Ruhm

Für Fans gibt es mit zunehmendem Bekanntheitsgrad, wachsender Popularität und angekurbelter Karriere ihrer Verehrten nichts mehr zu lachen. Das ist ein Dilemma. Ein Beispiel ist Lyssa, in deren Blog Ebbe herrscht, seitdem sie Online-Chefin bei der WAZ ist. Es sei ihr gegönnt - nur hilft einem das bei einem verwaisten Blog nicht weiter. Nächstes Beispiel: Toni Mahoni, der bei Bloglesungen, im Radio, in Filmjurys etc. pp. immer begehrter wird und dessen musikalische Karriere richtig ins Rollen kommt. Toll. Nur eben nicht für die Fans, die auch weiterhin einfach nur einen quatschenden, videobloggenden Mahoni sehen wollen. Daß Dinge sich verändern, ist nicht zu ändern. Ich darf das aber bedauern. Ich stöhne schon jetzt immer, daß ich zu nix mehr komme. Wie schlimm wäre das, wenn man bekannt und berühmt würde. Mein Neid auf die Berühmten hält sich deswegen in engen Grenzen. Reich UND unbekannt wäre optimal.


Das Drama um Ashley

Oliver hat die Problematik der schwerstbehinderten Ashley aufgegriffen, der Ärzte den Uterus, die Brust und den Blinddarm herausoperiert und sie einer forcierten Hormonbehandlung unterzogen haben, um ihre physische Entwicklung und Reife zu verzögern bzw. zu unterbinden, wodurch sie ein Leben lang im Körper eines Kindes bleiben wird. Die Eltern des Kindes versuchen in einem Weblog ihre Situation zu erklären. Wenn ich auch dafür plädiere, ein solch kompliziertes Schicksal eingehend und von allen Seiten zu betrachten, ohne voreilige Schlußfolgerungen zu ziehen, so entrann sich mir spontan der Stoßseufzer: Wo soll das anfangen und wo enden, wenn wir nun schon an Menschen herumschnippeln, die sich nicht einmal dagegen zur Wehr setzen können? Mir ist dabei komisch flau im Magen.


Alte Haudegen

Je älter, je knorziger, desto faszinierender sind oft Menschen. Johannes Heesters kann mit 100 ich weiß nicht wievielen Jahren nicht wirklich toll singen, aber man läßt ihn gerne, eben weil er so alt ist. Dito Helmut Schmidt. Dem schon bekannten Porträt folgte neulich eine Plauschstunde bei Sandra Maischberger, wo man Deutschlands charmantesten öffentlichen Zigarettenraucher bewundern kann. Oh, wie gerne hätte ich einmal dem faltigen, 84-jährigen Hermann Hesse auf solche Weise zugehört... - Bei Felix Schwenzel schrieb ich im Blog: Daß alle sehr alten Menschen, die ein Leben durchkämpft haben, faszinierend sind, sieht man an Helmut Schmidt exemplarisch. Wären Zeitreisen möglich, würde ich wohl Tourneen zu manchen altgedienten Haudegen unternehmen.


Salbei und Medizinischer Honig

Salbei soll Krankenhauskeime hemmen oder beseitigen; es soll die Wirksamkeit der Antibiotika erhöhen bzw. wiederherstellen. Ich höre schon unsere Mediziner auf Station lachen. Mit solchen Themen kann man ihnen viel Spaß bereiten. Schon beim Thema Medizinischer Honig zur Behandlung chronischer Wunden - wie z.B. dem für meine Arbeit relevanten diabetischen Fuß - sorgte ich für anhaltende Erheiterung.


apollo radio

Ich höre zwar gerne Radio, beschränke mich aber auf das DeutschlandRadio und RSA Sachen, um Musik vergangener Tage zu genießen. Gelüstet es mich nach aktueller Musik, suche ich stattdessen tape.tv auf. Als ich vorhin den Sendersuchlauf betätigte, was wirklich selten geschieht, stieß ich auf apollo radio (Programmschema), das eine Mixtur von Klassik und Jazz anbieten. Täglich zwischen 12 und 13 Uhr kommt Klassik. Muß beobachtet werden. Ein Livestream steht zur Verfügung.


PC-Askese

"Das Internet zerstückelt (mp3) unsere Wissenskultur." Wie geht ich mit dem Wust an Informationen um, die mich täglich, meist durch das Netz, erreichen? Heutzutage wäre die Frage nicht mehr: 'Wie gelange ich an Informationen?', sondern: 'Wie halte ich sie mir vom Leib"'. Wie entwirre ich das Informationsknäuel und entnehme ihm die ein, zwei Fäden, die ICH brauche, die ich WIRKLICH brauche? Der Medienwissenschaftlers Stefan Weber, der mit seinem Buch Die Medialisierungsfalle unseren allzu sorglosen Umgang mit den technischen Möglichkeiten kritisiert und Entwicklungen anprangert, die ich an mir selbst beobachtet, meint, daß eine Rückbewsinnung auf alte Kulturtechniken uns nicht schaden könnten. Lesen wäre heute zu einem "Scannen von Inhalten" verkommen. Die Zerfaserung der Aufmerksamkeit geschieht zuungunsten der Gründlichkeit, Vollständigkeit und Vielfalt. Interessant auch die Google-Wikipedia-Falle. Man ergooglet einen Begriff, landet bei dem meist hochgeranktem Wikipediaeintrag und beendet auch schon seine Recherche. Die Copy-and-Paste-Mentalität sei zwar bequem, aber auch ein Fluch. Das "quellenkritische Bewußtsein" habe quasi fast aufgehört zu existieren. Zumindest ist die weiterführende Recherche in entlegenen Datenbanken oder gar in herkömmlichen Bibliotheken arg ins Hintertreffen geraten. Die 'Informationstiefe' müsse wieder optimiert werden. Mein Probleme ist eher der Umgang mit dem Overflow, der Notwendigkeit, sich rechtzeitig dem Ansturm zu entziehen und einen Schlußpunkt zu setzen. Ich klebe förmlich am PC und finde den Weg nicht mehr weg von ihm. PC-Askese, wie lernt man sie? Verwandte Beiträge werden unter Virtuelles Leben behandelt.


Internetaffiner Bundesrat

Angetan bin ich von Moritz Leuenberger, dem Schweizer Bundesrat, Gast des Dezember-Literaturclubs und Blogger, wie er in der Sendung darüber nachdenkt, ob und wie die Möglichkeiten des Internets (Bloggen, Mikro-Bloggen, social networks) unsere Kommunikation nachhaltig beeinflussen und verändern wird. Lustig dabei die etwas ratlosen und Interesse heuchelnden Reaktionen der Stamm-Diskutierer & Buchmenschen zu beobachten, die kaum in den Verdacht geraten, allzu internetaffin zu leben und dieser Problematik eher staunend, wenn nicht indolent gegenüber stehen.


Trouble mit dem PC

Ich kämpfe mit massiven PC-Problemen. Systemabstürze en masse. Versuche, altes Wissen herauszukramen, das mir helfen könnte. Seit Jahren nichts mehr getan, um meinen Wissensstand bei Hard- und Software zu aktualisieren. Die Notizen würde allerdings auch brach liegen, wenn alles funktionierte! Die vierzehn Tage Urlaub können nicht darüber hinwegtäuschen, daß ich neben der Arbeit noch großartig bloggen kann, wenn die Lektüre nicht gänzlich hintan gesetzt werden soll. Den Trouble mit dem Computer versuche ich gerade zu nutzen, um das, tja, Wagnis einzugehen, bevorzugt offline zu leben. Diese Gefühl ist mir nämlich abhanden gekommen. ICQ, Skype, Twitter, Plurk, die Blogs, die News usw. usf. verleiten einen zu ununterbrochenen Aktivitäten am PC. Alles schön und gut. Aber die Atmossphäre, wie es ist, ohne Geräusch, in völliger Stille dazusitzen, zu lesen, kenne ich kaum noch. Damit korreliert ebenso ein anderes Zeitgefühl. An das Netz angebunden, an alle die Möglichkeiten angekoppelt, verfliegt die Zeit. Ist man von allem abgestöpselt, tritt ein anderes Empfinden zutage! Dieses erlebte ich als kostbar und bewahrenswert. Deshalb wurde mein Wunsch wach, die Probleme mit dem PC zu nutzen, um andere Verhaltensformen wieder einzuüben, auszuprobieren und ggf. zu zementieren, sollten sie das subjektive Wohlbefinden steigern. Ich befinde mich also in einer Testphase. Die Notizen müssen also bestenfalls warten, wenn sie nicht ganz gekippt werden.


Fort- oder Rückschritt?

Ich weiß nicht. Mitunter deucht mir, all die Technik, all die Möglichkeiten, die wir entwickelt und um uns herum angehäuft haben, bringt nicht wirklich was. Gestern war ich bei der Deutschen Bank, weil mich deren Festzinsangebot (5,25% bei Geldanlage über 12 Monate) reizte. Die Frau am Informationsschalter telefonierte hektisch mehr als 5 Minuten durch die Botanik, nur um mir dann sagen zu müssen, daß kein Berater zur Verfügung stünde. Daß ich keine Beratung bräuchte, sondern einfach nur die Anlage einrichten wolle, das könne nach meinem Empfinden innerhalb weniger Minuten über die Bühne gehen. Denkste. Neinnein, man müsse ja erstmal ein Konto einrichten, die Personalien prüfen usw. usf. Das alles könne sie am Schalter hier nicht bewerkstelligen. Früher wurde alles am Schalter gemacht. Warum ist es im Computerzeitalter so mühsam, mit ein paar Klicks ein Konto einzurichten? Mittlerweise kann man sich online bewerben, auf kommunaler Ebene vieles auch am PC erledigen usw. Mir will das nicht in den Kopf.


Downshifting?

Über Möglichkeiten des Downshiftings nachzudenken, gehört für mich zum täglichen Ritual. Schwierig dabei, sich zu Entscheidungen durchzuringen. Mit wieviel Geld würde ich auskommen? Die Debatte um die Chemnitzer Wissenschaftler, deren Studie zur sozialen Mindestsicherung hohe Wellen schlägt, verstärkt meine Tendenz noch, in diese Richtung zu überlegen. Menschen, die mich kennen, wissen, wie gering meine Ansprüche sind, mit wie wenig ich auskommen könnte. Warum sollte mein Hang zum Verzicht sich nicht auch meine Arbeitswelt auswirken? Warum 40 Stunden arbeiten, wenn ich mit weniger ebenso meinen Unterhalt sichern könnte? Wie weit zurück sollte und könnte ich? Mit wie viel Arbeitszeit gelänge es mir, meine Existenz abzusichern? Fakt ist, daß meine 50-qm-Wohnung für mich zu groß ist. Ich lebe quasi nur in meinem Bücherzimmer, der Rest ist fast ungenutzt. So der Gedanke, in eine kleinere und billigere Wohnung umzuziehen, die Arbeitszeit auf vielleicht 30 Stunden zu reduzieren, d.h. auf ein Viertel zu verzichten; vielleicht später sogar noch weiter runter. Würde es mir gelingen, mit 60% des jetzigen Einkommens zu leben? Das bedeutete, nur noch 3 statt 5 Tage wöchentlich arbeiten zu müssen, statt zwei nunmehr 4 freie Tage zu haben. Ein reizvoller, ein betörender Gedanke! Geht das? Dank seit 20 Jahren penibelst geführtem Haushaltsbuch konstatiere ich, im letzten Jahr durchschnittlich € 850.- Euro im Monat ausgegeben zu haben. Die Fixkosten betragen € 670.- Darin enthalten: € 322,40 Miete, € 10.- Versicherungen, € 26.- Energiepauschale, € 30.- Internet- und Telefon-Flaterate, € 41.50 Monatskarte für den ÖPNV sowie € 140.-, mit denen ich meine Mutter freiwillig unterstütze, die von einer Armutsrente leben muß. Für die Ernährung brauche ich € 120.- Wenn ich ernsthaft downshiftete, würde ich diese € 670.- noch verringern können. Weniger Miete bei einer kleineren Wohnung, weniger Energiekosten durch Sparmaßnahmen; irgendwann wird auch, so hart es klingt, die Hilfe für meine Mutter wegfallen. Wie auch immer - es fragt sich, d.h. ICH frage MICH, warum ich bei einem Gehalt, welches das 2,5fach der monatlichen Fixkosten inklusive Ernährung ausmacht, nicht schon längst Maßnahmen ergriffen habe. Quintessenz meiner Überlegungen: Ich würde mit der Hälfe meines Einkommens gut über die Runden kommen. Warum also nicht auch nur 20 Wochenstunden arbeiten statt 40?


Ohropax

Eine wunderbarer Artikel, der im letzten Jahr anläßlich des 100. Geburtstages von Ohropax geschrieben wurden. Ich war mir eben nicht mehr sicher, ob mit "h" oder ohne, weswegen ich googlen mußte. Wie ich darauf komme? Es wird zunehmend schwieriger, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, mit denen ich in Leipzig alle Wege erledige, ungestört zu lesen. Bis jetzt unternahm ich nichts dagegen. Jeder Tag länger in dem Krach verstärkt meinen Wunsch nach Ruhe. Vor Ohropax hatte ich immer Angst, weil ich befürchtete, die Dinger nicht mehr aus den Ohren zu bekommen. Habe aus diesem Grund dummerweise nie auch nur probiert. Wird allerhöchste Eisenbahn, diese tägliche Tortur zu beenden.


Hilfe holen

An einer Haltestelle sah ich heute morgen aus der Straßenbahn heraus einen Mann zusammensacken. Dies geschah so langsam, daß die Bahn schon weiterfuhr, als mir in den Sinn kam, du hättest doch aussteigen können, zumal du dadurch noch nicht einmal später auf Arbeit gekommen wärest. Ein Besoffener? Ringsum kein einziger Mensch. Wie auch, morgens um 5 Uhr. Weil ich kein Handy besitze, was in solchen Situationen bedauerlich erscheint, haderte ich mit mir: ob und was tun? Schließlich sprach ich, als ich einige Haltstellen weiter aussteigen mußte, die Straßenbahnfahrerin an, die sich entweder aus Mutwillen oder aus Unbedarftheit doof stellte, so daß ich nicht sicher sein konnte, ob sie meinen Vorschlag, der Fahrer der nächsten stadteinwärts führenden Straßenbahn möge kurz einen Blick in das Haltestellenhäuschen werfen, verstanden und akzeptiert habe. Mir kam es nämlich so vor, als habe sich der Mann mit viel schnelleren Reflexen auf der Erde abgestützt, um nicht aufs Gesicht zu fallen, als sie einem Betrunkenen eigentlich zuzuschreiben sind. Eben dies hatte mich stutzig gemacht. Schließlich rief ich von der Notfallaufnahme des Krankenhauses, in dem ich tätig bin, die Rettungsleitstelle an, schilderte den Fall und mußte mir eine gelangweilte Reformante anhören, daß es ziemlich doof sei, wenn der Anrufende sich nicht am Ort des Geschehens befinde. Ich erwiderte, ich hätte nun das getan, was in meiner Macht gestanden hätte. Ok, sie würden mal jemanden dort vorbeischicken. Was mich in solchen Fällen beunruhigt, ist die Möglichkeit, daß eben doch kein Alki im Rausch umfällt, sondern ein Mensch, der einen Infarkt erleidet, einen epileptischen Anfall oder sonstwas. Und wenn ICH derjenige wäre, der sich hilflos auf der Erde krümmte, wäre ich froh, wenn jemand Hilfe holte.


Der Penner Rene B.

Mein Weg zur Arbeit mittels Straßenbahn führt mich tagtäglich am Leipziger Hauptbahnhof vorbei. Seit Monaten sitzt auf einer Bank der 35-jährige Obdachlose Rene B., der sich anscheinend nicht von der Stelle rührt. Er schläft auch auf dieser Bank. Vor kurzem wurde sein grüner Schlafsack von einem durchgeknallten 18-Jährigen angezündelt (siehe auch Foto). Inzwischen - prominent genug sitzt er ja - ist er Stadtgespräch. Gerüchte kursieren, z.B. er wolle sich nicht helfen lassen und lehne sogar angebotene Speisen ab. Um ehrlich zu sein, habe ich mich bislang nicht getraut, den Typen anzuquatschen, um sowohl Klarheit zu schaffen als auch eventuell Hilfe zu leisten. Ich sehe, wie er oft von Jugendlichen angemacht wird, wenn sie am Wochenende früh mit der Bahn 5.20 Uhr von der Disko nachhause fahren (und ich zum Frühdienst).


Faces of Meth

Endlich das richtige Mittel gegen meine Müdigkeit gefunden. Bald sehe ich dann so oder so aus.


Verengter Horizont

Wie sich der Horizont eines greisen Menschen verengt, wie er alle Dinge, die ihm früher wichtig waren, die ihm Freude gemacht haben, nach und nach "abgibt", wie er ihrer überdrüssig wird, erinnerte mich beim Lesen von Marais Rückzug aus dem Leben an meine Oma, wie auch ihr Daseinsradius stetig enger wurde, für uns Angehörigen ZU eng. Ihr Desinteresse an den Aufgeregtheiten der Welt, dann den ihres Umfelds, so daß wir ihr ihre alles und jeden und auch uns betreffende Indolenz schließlich beinahe übel nahmen. Sandor Marai erzählt, wie selbst die Literatur, das Lesen von ihm abrückt und ihm gleichgültig wird. Als Krankenpfleger kenne ich diese Prozeß und erlebe diese greisen Menschen Tag für Tag. Ihre Gleichgültigkeit, ihr bloßes Interesse an Essen und ihr Verlangen nach Ruhe und Ungestörtsein. Wir sollten das respektieren und genau hinsehen und hinhören, was der reale Wille unserer uns Anvertrauten ist. Das Gutgemeinte ist ihnen oft das Lästige. (3. August 2008)


Zeitklagen (1)

Jede Bemühung um Kontinuität in diesen Notizen kann ich vergessen. Die Ansätze, in bestimmten Richtungen aktiv zu werden und mehr zu machen, versanden in kürzester Zeit. Meine Intention, möglichst jedes gelesene Buch zu bilanzieren, scheitert. Ebenso scheitert der Versuch, wenigstens die Lesestatistik auszubauen. Die verfügbare Zeit an Arbeits- und an freien Tagen ist zu verschieden: entweder geht gar nichts oder es ginge alles. So entstehen Lücken, die ich dann, wenn theoretisch Zeit verfügbar ist, nicht mehr auffüllen kann, weil die Spannkraft infolge der körperlichen und depressionsbedingten, seelischen Erschöpfung mit zunehmendem Alter selbst an freien Tagen nachläßt und nicht mehr ausreicht, alle Löcher zu stopfen. Bleibt die Einsicht, so weiterwurschteln zu müssen wie bisher - oder gar nicht (die Löschphantasien sind derzeit wieder einmal stark), sporadisch die Notizen zu pflegen und ansonsten einer gepflegten Resignation dem realen und virtuellen Leben gegenüber zu frönen.


Vater/Männertag

In Finnland wird heute Vappu gefeiert. Mir graut schon vor dem Gegröhle auf der Straße, das unseren Männertag so prägt. Alljährlich das gleiche Ritual. An diesem Tag werde ich wieder zum Katholiken. Auf die durchaus gut gemeinte und freundliche Bemerkung meiner Kolleginnen 'Fröhlichen Männertag!' beharre ich stur darauf, heute andächtigst Christi Himmelfahrt zu feiern. Loriotlike rufe ich: "Ich lasse mir doch von einer wildgewordenen männlichen Bevölkerung nicht vorschreiben, was ich heute zu trinken feiern habe!"


Zeitprobleme

Tag- und Nachtmenschen sind unter Umständen weit inkompatibler als Mann und Frau. Was dem einen Nachmittag, wähnt den anderen Vormittag. Eine Verabredung in den Biergarten für 15.30 Uhr ist einem Freund völlige Normalität, während MIR das Kopfschmerzen bereitet. Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn für ihn ist um 22 Uhr der Tag zu Ende. Er sinkt glückselig abgefüllt ins Heiabettchen. Indes geht für mich DANN erst der Abend los. Und was für einer, wenn man halbtrunken weder schlafen kann noch wach, aber mental durch die gezischten Bierchen total verrottet, etwas Sinnvolles anzustellen vermag. Eine verhunzte, verkorkste Zeit, bis man gegen 2 oder 3 Uhr die Matratze aufsucht.


Warum tötest du, Zaid?

Ein Interview mit dem Autor Jürgen Todenhöfer, der Warum tötest du, Zaid? schrieb. Daß es eine Widerstandsbewegung im Irak gibt, die entgegen den militanten, meist ausländischen Terroristen, deren furchbarste Aktionen wir tagtäglich in der Tagesschau anschauen müssen, wußte ich nicht, einfach weil Politik mich insofern nicht interessiert, als ich zusätzlich zu den präsentierten Fakten noch alle Hintergründe wissen muß. Und schon gar nicht, wenn es um Krieg und Terror geht. Sofort setzen bei mir Ohnmachtsgefühle ein, die mich als Pessimisten, was die Lage der Menschheit im allgemeinen anbelangt, in ein noch tieferes Dunkel hineinsehen lassen, als es das "normale" Leben eines Deutschen im Jahr 2008 zuläßt. Todenhöfer trifft den 22-jährigen Zaid und erzählt, wie er, der nie etwas mit diesem Krieg, mit der Gewalt zu tun haben wollte, sich der Widerstandsbewegung anschließt, nachdem mehrere nahe Verwandte erschossen worden sind. "Das Buch tritt an gegen die milliardenschwere Propaganda-Maschinerie der US-Administration, die ein verzerrtes Bild der Lage im Irak zeichnet." Ich weiß nicht, wo ICH stände, wenn mir die halbe Familie ausradiert worden wäre. Wie soll jemals Frieden in diesen Gebieten einziehen? Die Kinder wachsen mit der Gewalt auf, werden früh indoktriniert. Ich denke an den schier unlösbaren Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser. Woher holen die Optimisten, die eine Lösung für möglich halten, ihren Optimismus?


Vorteile des Geizes

Die Ankündigung steigender Lebensmittelpreise kann für einen geizigen, diätwilligen Übergewichtigen nur von Vorteil sein. Dinge, die geschehen können bzw. die sich verändert haben: Ein 1-kg-Brot vom Schimmel bedroht sehen, während es früher selten kalt wurde. Sich bücken, um einen Schuh zuzubinden, ohne mit Ausfallschritt in die Knie sinken zu müssen. Das zweite, dritte und vierte Gürtelloch zu entjungfern. Der gebackenen Torte einer Kollegin zwar wehmütig, doch knallhart widerstehen. Dem Hunger geschuldete Schwindelanfälle als Drogenersatz verwenden.


Steigende Energiekosten

Daß die Energiekosten exorbitant gestiegen sind und weiterhin steigen, bemerke sogar ich, der ich weder ein Auto fahre noch eine Waschmaschine besitze noch einen Fernseher usw. Ich habe nur einen PC, einen CD-Player und einige Lampen, die Strom verbrauchen. Und die Stromrechnung, die Ende letzter Woche eintrudelte, zeigte mir, wie imposant für andere Leute der Preisanstieg sein muß, wenn schon ich, was wirklich noch nie vorkam, 60 Euro nachzahlen muß. Bislang bewegten sich die Forderungen der Jahresabrechnung im Bereich von bis zu 10 Euro.


Sharing Horses

Als man noch zu Pferde unterwegs war, mußten diese des öfteren ausgewechselt werden, wie ich in Dickens "Bleakhaus" gerade so anschaulich lesen kann. Bei Verfolgungsjagden wurden die sie beinahe zu Tode gehetzt. Wem gehörten diese Pferde eigentlich? Wenn dem Betreiber der Stationen, die meist Wirtshäuser gewesen sein müssen, dann hatte er ja ständig andere Pferde. Dann wäre die Idee des Carsharing nicht gar so neu...


Routinen durchbrechen

Wie ein Durchbrechen der Routine doch Verwirrung stiftet! Wie unflexibel wir sind und rasch hilflos, wenn etwas anders verläuft oder gemacht wird, als wir es gewohnt sind! Zurzeit wird in der Wurzener Straße hier in Leipzig Sellerhausen gebaut. Die Straßenbahnschienen sind herausgerissen, so daß Schienenersatzverkehr notwendig geworden ist. Und sofort verwirren sich die Geister derjenigen, die mit dem Bus fahren müssen. In welche Richtung fährt der Bus? Wo muß ich aussteigen? Was muß ich tun, wenn ich da und dort hin will? Katastrophal, wenn solch eine simple Angelegenheit Unmut erzeugt und man sich das Gemeckere anhören muß, wann denn dieser Mist endlich vorbei wäre usw. Daß aufgehobene Routinen die geistige Beweglichkeit fördern, wird nicht bedacht, spielt überhaupt keine Rolle. In vielen Ratgebern wird man ermuntert, täglich etwas bewußt anders zu machen, gegen die Gewohnheit zu agieren, einer Routine entgegenzuarbeiten, um die Aufmerksamkeit zu stählen, alternativen Optionen und Weg zu kalkulieren und strategisches Denken zu forcieren.


Plurk-Verteidigung

In Warum Plurk das nächste große Ding ist schrieb ich: "Je nachdem, womit man groß wird, empfindet man das Dazugekommene als neu und fremd. Ich lernte Plurk erst gestern kennen und bin vom Konzept schwer angetan. Der alte Streit zwischen den Puristen und den Verspielten. Als nach Antville damals die Bloghoster aus dem Boden schossen, war das Gemeckere und Vergleiche ebenso. Das wird so immer wieder sein. Als Bob Dylan damals ne E-Gitarre in die Hand nahmen, sahen die Puristen den Untergang des musikalischen Abendlandes gekommen. Das Neue ist immer anders. Ich komme bestens mit der Zeitachse bei Plurk zurecht. Der Überblick ist daduch gewährleistet, daß man alle neue Plirks nacheinander angezeigt bekommt und "abarbeiten" kann. Die Kommentarmöglichkeit ist sehr fruchtbar. Mehr zu Plurk hier.


Pellkartoffeln

"Pellkartoffeln stehen als schlichteste Zubereitungsform eines Grundnahrungsmittels auch symbolisch für ein bescheidenes und bodenständiges Mahl." Heute staunte ich wieder darüber, wie ein so einfaches Essen solch höchsten Genuß bereiten kann. Die Natur verblüfft uns nicht nur im Schlechten, sondern auch im unscheinbar Guten.


Patriotentest

Erreichte Punktzahl: 17. "Sie sind eher der Badeschlappen- als der Springerstiefeltyp, gelegentlich tragen Sie auch gerne Sandalen mit Socken. Insegsamt sind Sie jedenfall sowas von entspannt - Sie können genauso gut Bürger von Trinidad und Tobago, der Mongolei oder Liechtenstein sein. Ihr Land ist Ihnen vollkommen wurscht und die Weltmeisterschaft auch. Das wirkt auf den ersten Blickt abgeklärt und weltgewandt, möglicherweise sind Sie aber auch nur eine leidenschaftslose liberale Lusche."


OGTT

Alles ein bißchen hektisch im Augenblick. Heute drei Stunden beim Arzt wegen eines OGTT gesessen, bei dem sich glücklicherweise kein Diabetes manifestierte, aber, was bei meinem Übergewicht nicht verwundert, eine Gestörte Glucosetoleranz weiterer Beobachtung unterliegt, moméntan aber noch nicht therapiert werden muß. Regelmäßige Verlaufkontrolle durch Nüchternblutzucker und jährlichen OGTT ist Pflicht. Mein Ein-Stunden-Wert lag bei 11.4 mmol/l, der Zwei-Stunden- Wert bei 5,6 mmol/l. Ich arbeite seit fast 20 Jahren auf einer Diabetikerstation und weiß somit mit dieser Problematik umzugehen. Bestes Mittel für mich: weiterer Gewichtsverlust! Dran bleiben, damit es ab bleibt, das Fett.


Niemand redet mit uns

Als ich gestern Nachmittag von einem Einkauf in der nächsten Mall zurückkehren wollte und an der Straßenbahnhaltestelle stand, kam eine junge Frau auf einiger der Passanten zu und erzählte, es würde wohl lange keine Bahn fahren; denn es wäre ein mysteriöser roter Koffer gefunden worden, das Areal unpassierbar. Als ich an zwei Typen vorbeiging, die auf einer Sitzbank an der Haltestelle saßen und sich gerade erhoben, meinte einer zum anderen: "Uns erzählt niemand was. Mit Ausländern reden sie nicht!" Tatsächlich. Die Frau hatte mich und zwei weitere Wartende informiert, die beiden Ausländer ignoriert. Welch eine Enttäuschung in der Stimme hörbar war!


Nicht aufschieben, sondern Jetzt

Eben wieder gelesen und mit der Faust auf dem Tisch gehauen: "Ich bin eigentlich ganz anders, ich komm' nur nicht dazu." (Kurt Tucholsky) Ich neige dazu, Dinge auf später zu vertagen. Im Großen wäre zu fragen, wie lange man eigentlich noch warten will, bis man gewisse Träume zu verwirklichen sucht. Wann, wenn nicht jetzt? Sich vergegenwärtigen, daß das Leben nicht nur nicht schon begonnen hat, sondern daß gut die Hälfte vorbei ist. Dabei keine Panik bekommen.


Launenhaftes

"Meine Laune verdunkelte sofort jede Wahrnehmung." Stimmt das? Könnte man dann folglich mit guter Laune seine Wahrnehmung präzisieren und fokussieren? Wahr ist, daß beispielsweise ambitioniertes und hochmotiviertes Arbeiten die Effiziens steigert, daß sie ganz anders wirkt, bessere Ergebnisse zeitigt und zu sowohl subjektive als auch objektiv unterschiedlichen Bewertungen führt. Mit schlechter Laune verändert man die äußeren Gegebenheiten einer Situation nicht, sondern setzt sich ihr gegenüber nur in Distanz. Ist das gemeint? So wie die Tonlage eines depressiven Menschen an Bandbreite abnimmt, so wird die Wahrnehmung der Umwelt bei schlechter Laune limitiert?


Höchstpersönliche Klimakatastrophe

Morgens gegen 7 Uhr erscheint die unbarmherzige Sonne über den Dächern der gegenüberliegenden Häuser, wodurch die durch die breit geöffneten Fenster in der Nacht hereingelassene leidlich erfrischende Luft ruckzuck aufgeheizt wird. Die Sonne scheint direkt auf mich, der ich schwitzend im Bett liege, den Sommer verfluche und Schnee schippende Hausbesitzer halluziniere. Normalerweise genügt es dann, die Jalousien herunterzulassen. Momentan bringt dies gar nichts; Hitze und Schwüle übersteigen schon zu Tagesbeginn die Grenze zur Unerträglichkeit. Als ich es heute gegen 7.30 Uhr nicht mehr aushielt, schälte ich mich schweißtriefend und wutentbrannt aus dem zerwühlten Laken, kramte aus der Rumpel/Bodenkammer meine Isomatte hervor und legte mich ohne jedwede Decke in die Küche, die, nach Westen gelegen, angenehme Luft hereinließ. Leider mangelt es mir an der Ideallösung, einem Balkon.


Handyverweigerer

Bis zu dieser Woche war ich ein totaler Handyverweigerer. Brauchte ich nicht. Sicherlich spielt mein Geiz eine entscheidende Rolle dabei. In seltenen Fälle bedauerte ich, gerade keines zur Hand gehabt zu haben, beispielsweise wenn auf dem Arbeitsweg etwas schief ging, nach Unfall mehrere Straßenbahnen ausfielen und ich die Verspätung gerne kundgetan hätte. Solche "Notfälle" sind selten, aber sie kommen eben vor. Und dafür extra ein Handy kaufen? Weil ich aus erprobter Aversion heraus nie Lust verspürte, mich mit der Thematik zu beschäftigen, kam ich sozusagen nie nah genug heran, um angefixt zu werden und meine Verweigerung zu überdenken. Mit dem kürzlichen Kauf einer Digitalkamera, als mir bewußt wurde, wie einfach die Technik geworden ist, so daß selbst ein (nicht nur) technischer Vollidiot wie ich sie benutzen könnte, öffnen sich nun offenbar die Schleußen, die bislang fest geschlossen waren. Gestern entdeckte ich ein sehr billiges Handy bei Amazon - das LG KP100 - und verliebte mich sofort, weil es erstens mit 29 Euro inklusive Versand eher geschenkt als gekauft ist und zweitens wirklich nichts anderes kann als Telefonieren und SMS. Man kann nix falsch machen. Prepaid-Karte rein und fertig. Das heißt, ob das klappt, weiß ich nicht; ich hoffe einfach mal, daß das Handy 'ne Karte akzeptieren wird. Nächstbesten Tarif gekauft. Gesamtkosten: 29.- für Handy, 10.- fürs Starterpaket der Karte (mit 5.- Guthaben), macht 39.- Euro. Ein Gerät nur für die wichtigsten Fälle - mit der Sicherheit, erreichbar zu sein und erreichen zu können, wenn man es nur wollte. Ein bißchen fühle ich mir vor mir selbst als Versager und Verräter. Das ist so, wenn man ein Dogma umstößt.


Gefaßt und Unfaßbar

"Bei der Tötung von Patienten schwingen sich Krankenschwestern meist in einer Art größenwahnsinniger Fantasie zu Herren über Leben und Tod auf. Mitleid und Mitgefühl sind aller Erfahrung nach nur vorgeschoben." [Weiter mit BILD] -- Hoffentlich werde ich nachher nicht scheel angesehen, wenn ich mit einer Spritze das Patientenzimmer betrete. Ich werde ein weißes Fähnchen mit mir herumtragen. Meinen 120 Kilogramm sieht man die Harmlosigkeit nicht per se an.


Galimathias

Das schöne und selten gebrauchte Wort Galimathias gelesen. Leider fallen mir im Alltag beim Sprechen solche Perlen kaum ein. Zugegeben, ich bin ein Wörtersnob und möchte hin und wieder meine KollegInnen mit einer Wendung oder einem gekonnt eingestreuten Wort oder Bonmot verblüffen und möglichst erheitern. Der Arbeitstag ist dermaßen nüchtern und spröde, daß ein Angehen gegen den Stumpfsinn wenn nicht lebens- so doch geistesrettend wirken kann.


Frischzellkur

Eben las ich bei Friedrich Dürrenmatt "...überfiel mich die Ahnung höherer Leichtigkeit". Was assoziiere ich sofort? Alltag. Das Fehlen von Leichtigkeit im Alltag. Daß einem die Erdanziehungskraft zu schaffen macht. Richtung unten eben. Bleiern. Müde. Die "Ahnung höherer Leichtigkeit" - was für ein schöner, luftiger Ausdruck, der allein schon genügt, sich angeweht zu fühlen, erfrischt und zu allen Taten bereit.


Etwas Neid

"Sie ist jung und gesund (...) arbeitet gern und lacht gern, so kann sie ein großes Stück Elend verschlucken, ohne sich den Magen zu verderben." (Ricarda Huch: Aus der Triumphgasse) - Irgendwie habe ich den Eindruck: aus diesem Alter bis du endgültig raus. Du trägst die Lasten häufig ohne Lachen oder Lächeln. Du hast immense Verdauungsbeschwerden, was die Probleme des Alltags anbetrifft.


Duschbadschwemme

3,7 Liter Duschbad stehen im Bad, dafür geht das After Shave zur Neige. Was für ein Mißverhältnis, welches der Tatsache geschuldet ist, daß ich durch die Kollegen zum vorletzten Geburtstag einen ganzen Karton mit Duschbädern und Deosprays geschenkt bekam. Normalerweise brauchte ich mir noch nie ein After Shave selbst kaufen, immer kam ein Geburtstag oder ähnliches dazwischen. Nur haben wir jetzt Juni, ein nächster, in Frage kommender Tag meilenweit entfernt, so daß ich mich schon ratlos im Supermarkt herumirren sehe. Hilfloser Hikikomori sucht Rasierwasser.


DSL-Box-Installation

Meine Güte. DAS war vielleicht eine Aktion heute. 9.40 Uhr wurde mein 11-Paket mit der DSL-Box geliefert. Noch frohgemut packte ich aus und dachte mir nichts Schlimmes. Nach 7 Stunden Gefummel und mehreren Dutzend Kreischanfällen hatte ichs dann. Das heißt, Internet und DSL no problem. Ging sofort. Aber diese Internettelefonie, die für mich Neuland ist, hatte es in sich. Mit Einzelheiten verschone ich euch. Reicht zu, wenn einer - ich - gelitten hat. Völlig ausgehungert, mutete ich mir dann noch 1 Fahrt in die Stadt zu Saturn zu, um ein Verlängerungskabel für die Verbindung von TAE-Dose und DSL- Splitter zu holen, weil die Box wegen des arg straffen DSL-Kabels ständig vom Tisch stürzen wollte. Noch ausgehungerter - mittlerweile hatte ich seit 16 Stunden nichts gegessen (2 Uhr nachts das Letzte) - pfiff ich mir eben ein paar Happen ein und stellte das Bier kalt. BTW kostete das Bund Radieschen bei Kaufland vorhin nur 11 ct. Mögen die Winde kommen, mir wurscht. Ich habe mir erstmal ein Bund gegönnt.


Brückentage

Was zur Hölle ist ein Brückentag, fragt ein 3-Schichtler mit Rollender Woche. Ich arbeite mein ganzes Arbeitsleben lang so. Erst als Koch, schließlich als Krankenpfleger. Manchmal schüttelt mich zwar der Neid auf diejenigen mit einem geregelten Montag-früh-bis-Freitag-Mittag-Job, auf die Büro-Leute. Dann aber erinnere ich mich, daß ich es so gewollt habe und im großen und ganzen immer akzeptiert habe. Nur solche Dinge wie eben Brückentage sind neuralgische Punkte.


Blick in die Vergangenheit

Bisweilen das Gefühl des "Früher-war-alles-besser" haben. Beim Lesen sich in die Vergangenheit denken, wie das wäre, wenn man KEIN Internet hätte und so auch nicht der Versuchung ausgesetzt wäre, seine Zeit andauernd zu verplempern, so schön und bereichernd das auch sein mag. Einfach nur die Überlegung, wie es wäre, was man täte, wie sich das anfühlte ohne all die moderne Technik, die piepst, blinkt, Geräusche macht. Seit gestern Die Königsmacher von Friedrich Christian Delius. Deshalb die Vergangenheit. Wir befinden uns nach 1815 abwechselnd am niederländischen Königshof und in Preußen.


10 Dinge

Ausgelöst durch meine aktuelle Lektüre kam ich darauf, 10 Dinge aufzuzählen, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr getan habe. 1. Klingelputzen // 2. Auf einem Grashalm blasen // 3. meiner Mutter die Haare kämmen // 4. mit Füllfederhalter schreiben // 5. Etiketten sammeln // 6. Schweine im Stall ärgern // 7. Himmel und Hölle spielen // 8. meine großen Zeh küssen // 9. Bier mit Strohhalm trinken // 10. Luftgewehr schießen


Weihnachten

Denjenigen, die an Weihnachten und NUR an Weihnachten zur Kirche gehen, weil es eben dazugehört und weil sie es anheimelnd finden oder für den Seelenhaushalt oder zur gelungenen Abrundung der Feiertage zu brauchen meinen, schlägt meine unverhohlene Abneigung entgegen. Mag sich der Pfarrer noch so sehr auf die volle Kirche freuen und genau diesen Kirchgängern wortreich um den Bart gehen, ich sage: Pfui! Daß ihr euch nicht schämt! Ich gehöre zu der Fraktion: eher zu spröden, nüchternen Wochentagsgottesdiensten als zu den dramaturgisch aufgepeppten Festtagsshows! Wenn Christ, dann im Alltag. Familie hin und her. Aber mich kotzt dieses Getue um Weihnachten herum an. Meist geht einem dann auch am Ende des 26. die Puste aus, nachdem man schon seit Wochen und meist sogar schon, bevor überhaupt der Advent begonnen hat, mit allem traditionellen Klimbim wie kilometerlangen Lichterketten, professionellen Ausstaffierungen öffentlicher Gebäude, glühweinseligen Weihnachtsmärkten und guinessbuchreifen Plätzchenbackorgien zum Überdruß geradezu getrieben worden ist, ehe das Fest eigentlich richtig angefangen hat; denn Weihnachten beginnt erst heute, zum Kuckuck.


Schmidt und Pocher

Ist heute der 1. April? Ich mag das gar nicht glauben. Um die Quoten zu heben, munkelt der Focus. Szenario 1: Alles geht einmal vorbei. Deutschland sei eben kein Land, in dem eine tägliche Late Night Show auf Jahrzehnte hinaus Erfolg haben könne wie augenscheinlich in den USA. Szenario 2: Nur eine tägliche Late Night zur selben Zeit kann Bestand haben. Die Zuschauerbindung erfolgt bei diesem Format über die Ritualisierung, wie sie auch bei der Tagesschau funktioniert oder bei solchen Sendungen wie der Lindenstraße, die über Jahrzehnte hinweg ihre Fans bewahren.


YouTube - Google

Immer wenn ein Großer einen Kleinen schluckt (oder Unabhängigen), bekomme ICH Bauchschmerzen. Insgeheim schlägt mein Herz für die Underdog, auch wenn sie sich wie im Falle von Youtube zum Platzhirsch aufgeworfen haben. Mir mißbehagt die Etablierung eines Monopols, ich bervorzuge all die Winzlinge und Privaten, die sich da tummeln. Nichts gegen Erfolg - auch Microsoft hat mal klein angefangen -, aber, ach ich weiß auch nicht nicht, was mir so mißfällt, wenn ich vom Kauf Youtubes durch Google höre. Nennen wir es die gesunde innere Stimme.


Bloggen versus Twittern

Beobachtete Tendenz, daß bei einigen die Blogfrequenz zugunsten des Twitterns abnimmt. Während man früher dicke Bücher problemlos bewältigte, bekommen heute manche Verdauungsbeschwerden. Seit Erfindung der Short Story gibt es sogar hochliterarische Alternativen, bei denen zunächst niemand ernsthafte Einwände erheben kann. Allerdings reüssiert der Wälzer im Fantasy-Genre. Trotzdem scheint die Fähigkeit, härteren Stoff ab einer gewissen Länge bewältigen zu können, zurückzugehen. Twitter kommt mir nun als willkommene Gelegenheit zur noch limitierteren Publikation von Inhalten vor. Da man an zwei Orten nicht gleichzeitig sein kann und der Tag vom Schöpfer trotz Web 2.0 nicht mehr als 24 Stunden zugewiesen bekommt, werde einige sich entscheiden müssen, ob nun bewußt oder unbewußt. Die Bequemlichkeit mag das ihre dazutun. Ich würde mich gerne täuschen, sehe jedoch an mir selbst, daß ich selbst mich bei Zeitnot für die kürzere und häufig auch banalere Form entscheide. Siehe auch Twittern allgemein.


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