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Allgemeine Fundstücke / [S_2]
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Die Toilette hat wie alle Einrichtungen in diesem
alten Haus ihre Launen. Manchmal ergießt sich das
Wasser in einem Strom, den ich nicht abstellen kann,
und ich muß den Hausmeister rufen. Und dann wieder
kommt überhaupt kein Wasser. Es quietscht, gurgelt
und wimmert, als sei eine lebende Kreatur in den
Röhren gefangen. Diesmal fing die Dusche an zu
fließen, obwohl ich sie nicht berührt hatte. Während
ich auf dem Badewannenrand stand, um die Dusche
abzustellen, fiel etwas aus dem Medizinschränkchen -
ein Salzfaß, von dem ich mich nicht erinnerte, es
dorthin gestellt zu haben (wozu auch?). Leblose
Dinge trieben boshafte Späße mit mir. (Isaac
Bashevis Singer: Ein Tag des Glücks. Geschichten von
der Liebe, S. 292)
Ich stand auf und sah mir ein Bild an - Jäger zu Pferde
und eine Meute Hunde. War das ein Original? Eine
Lithographie? Was für eine gräßliche Form des
Vergnügens! Erst gehen sie in die Kirche und singen
Hymnen zum Lobe Jesu und dann jagen sie einem
verhungerten Fuchs nach. Immerhin, große Dichter hatten
Oden an die Jagd geschrieben, selbst so ein Meister wie
Mickiwicz. Man konnte offenbar hochempfindsam sein und
gleichzeitig absolut gefühllos. Sicher gab es auch
unter Kannibalen Dichter. (Isaac Bashevis Singer:
Verloren in Amerika, S. 301)
Der Rabbi hatte eine Frau, Menucha Alte, die nach der Tochter des
berühmten Rabbi von Ropczyce benannt war. (...) Menucha Alte war
klein und so mager wie eine Schwindsüchtige. Sie lebte von Medizinen
und Beschwörungen. Alle paar Monate wurde sie schwer krank. Sie nahm
Akte der Frömmigkeit auf sich, die selbst die strenggläubigsten
Juden schon lange aufgegeben hatten. Sie hatte drei Küchen - eine
für Fleischspeisen, die andere für milchige Mahlzeiten und eine
dritte neutrale. Sie trug zwei Hauben, damit auch nicht ein einziges
Haar von einem Mann gesehen werden konnte. An Pessach zog sie ihrer
Katze Socken an, damit sie - Gott behüte! - nicht eine Krume
gesäuerten Brotes unter ihren Krallen hereinbringen würde. (...) Wie
erstaunlich, daß diese zerbrochene Scherbe fünf Kinder gebar. (...)
Der Rabbi schlief für vielleicht eine Stunde und wachte dann
erschrocken von seiner eigenen Lust auf. In der letzten Zeit hatte
er sich Menucha Alte überhaupt nicht nähern können. Sie war das
Opfer von einem Dutzend Krankheiten. Sie stöhnte und flüsterte
Gebete. Sie hatte ihre Leichentücher schon vorbereitet und sie unter
das Kopfkissen gelegt, wo sie auch ein Säckchen kreidiger Erde aus
dem Heiligen Land aufhob, auf dem ihr Kopf im Grabe ruhen sollte.
Sie hatte ihr Testament gemacht und ihre mottenzerfressene Aussteuer
Bräuten, die Waisen waren, hinterlassen. Aber die Jahre vergingen
und Menucha Alte lebte weiter. Einmal, zu Purim, als der Rabbi ein
Gläschen Wein zuviel getrunken hatte, sagte er, Menucha Alte habe
nicht die Kraft zu sterben - die Auferstehung würde erfolgt sein,
ehe sie noch Zeit gehabt habe, dahinzuschwinden. (Isaac B. Singer:
Old Love. Geschichten von der Liebe)
Der Pöbel ist ein Ungeheuer, das mir von Kopf bis Fuß
zuwider ist. Ich verachte ihn, in seiner Unwissenheit,
Anmaßung, Bosheit und Brutalität. In diese
Verachtung schließe ich ohne Ansehen von Rang,
Stellung oder Qualitäten alle die Leute beiderlei
Geschlechts ein, die seine Manieren lieben und seine
Gesellschaft suchen. (Tobias G. Smollet: Humphry
Clinkers denkwürdige Reise, S. 62)
Was Tabby betrifft, so habe ich dem irischen Baron
gegenüber ein paar Bemerkungen über die Höhe ihres
Vermögens fallenlassen, die zweifellos die Glut seiner
Liebsbezeugungen abkühlen werden. Dann wird ihr
Stolz wach werden, und wenn der Zorn abgestandener
Jungfräulichkeit gereizt ist, wird Sir Ulie Mackilligut
Schimpf und Schande anhängen. (Tobias G. Smollet:
Humphry Clinkers denkwürdige Reise, S. 86)
Kurzum, es gibt keine Rangunterschiede und keine
Unterordnung mehr. Die verschiedenen Stände sind
untereinander vermischt. Der Mörtelträger, der kleine
Mechaniker, der Kellner, der Budiker, der Krämer, der
Winkeladvokat, der Städter und der Hofmann - alle
treten einander die Hacken ab, angetrieben von den
Dämonen der Verschwendung und der Ausschweifung.
Sie sind überall da zu sehn, wo man in entsetzlichem
Stumpfsinn und ekelhafter Sittenlosigkeit
umherschlendert, reitet, sich dreht, drängelt,
durcheinanderquirlt, herumspringt, und wo es knallt
und kracht. Alles ist Radau und Tempo. Man könnte
meinen, es treibt sie irgendeine Verrücktheit, die
nicht duldet, daß sie zur Ruhe kommen. Die
Fußgänger rennen, als wenn der Büttel hinter ihnen
her wäre. Die Dienstleute und Sänftenträger laufen
mit ihrer Last im Trab. Leute, die sich eine Epuipage
halten, sausen in voller Fahrt durch die Straßen. Auch
die Bürger, Ärzte und Apotheker flitzen in ihren
leichten Wagen wie der Blitz dahin. Die Mietskutscher
treiben ihre Gäule in dampfenden Schweiß, und das
Pflaster bebt unter ihnen. Einmal sah ich einen
Rollwagen tatsächlich im Handgalopp durch Piccadilly
fahren. Mit einem Wort: die ganze Nation scheint
wahnsinnig geworden zu sein. (Tobias G. Smollet:
Humphry Clinkers denkwürdige Reise, S. 134)
Der Zeitvertreib entspricht dem Publikum genannten
Genius dieses widerspruchsvollen Ungeheuers. Man
gebe den Leuten nur Lärm, Gewühl, Glanz und
Flitter; denn sie kennen ja Eleganz und Anstand nicht.
Womit vergnügt man sich in Ranelagh? Die eine
Hälfte der Gesellschaft läuft dort wie blinde Esel in
einer Ölmühle ständig hintereinander im Kreise
herum. Sie können sich dabei nicht unterhalten, sich
nicht erkennen, noch erkannt werden. Die andere
Hälfte dagegen trinkt bis neun oder zehn Uhr abends
heißes Wasser, das sie Tee nenne, um sich
wachzuhalten. Was das Konzert betrifft,
insbesondere die Vokalmusik, so ist es ein Glück für
die Ausübenden, daß man sie nicht genau hören
kann. Vauxhall ist eine Spielzeugschau, mit
wertlosem Zierat überladen, schlecht erdacht und
armselig, ohne klare Linie des Dessins oder richtige
Verteilung gebaut. Es ist eine abscheuliche
Anhäufung von Dingen, die in einem wahrhaft
phantastischen Licht erscheinen. All das ist
anscheinend erdacht, um das Auge zu blenden und
die Phantasie der Menge anzuregen. Hier ist ein
hölzerner Löwe, dort eine steinerne Statue, da eine
Art überdachter Kaffeehausnischen; an anderer Stelle
mehrere Bierbänke; an einer dritten ein
Zinnwasserfall wie aus einem Marionettentheater; an
einer vierten eine düstere, kreisrunde Höhle, wie ein
halberleuchtetes Grabgewölbe, an einer fünften ein
winziges Rasenstück, das nicht einmal einem
Eselsfüllen genügend Weide bieten würde. Die
Spazierwege, auf denen man eigentlich Erholung,
Schatten und Stille finden sollte, sind mit lärmenden
Menschen, die sich in der Abendkühle den Schnupfen
holen, dicht bevölkert; und einige Lampen
beleuchten, billigen Wachskerzen gleich, diese
fröhliche Treiben. (Tobias G. Smollet: Humphry
Clinkers denkwürdige Reise, S. 134f.)
Aus dem sorglosen, indolenten und liederlichen
Burschen, den wir in Oxford kannten, ist ein
geschäftiger und geschwätziger Politiker geworden,
der sich wie ein Stutzer kleidet und wie ein Höfling
steif-formelle Manieren hat. Er besitzt nicht genügend
Bosheit, um sich vom Parteihader zu gemeinen
Schmähreden hinreißen zu lassen. Seitdem er aber
eine Stellung erhalten hat, ist er ein eifriger
Parteigänger der Minister geworden, der alles durch
eine rosarote Brille sieht. Mir, der ich Gott sei Dank
keiner Partei angehöre, ist das einfach unbegreiflich.
Die Parteiränke beeinträchtigen zweifellos nicht nur
die Denkfähigkeit, sondern behindern auch die
Sinnesfunktionen. Ich wette hundert zu zehn, wenn
Barton einerseits und der überzeugteste Patriot als
Gegner andrerseits nach bestem Wissen und
Gewissen das Bild des Königs und der Minister malen
sollten, so würdest Du und ich, die wir noch nicht
angesteckt und noch unparteiisch sind, feststellen,
daß beide Maler von der Wahrheit gleichweit entfernt
sind. (Tobias G. Smollet: Humphry Clinkers
denkwürdige Reise, S. 143)
"Dort ist das andere große Phänomen, der
Großpensionär von Holland, der Wetterhahn des
Patriotismus, der sich in jede Richtung des
politischen Kompasses einspielt und jetzt noch den
Wind der Popularität in seinem Schwanz verspürt.
Auch er ist ein gewaltiger Komet, der über dem
Horizont des Hofes wieder aufgestiegen ist! Wie
lange er aber zu sehen sein wird, läßt sich schwer
voraussagen, da er zu exzentrisch ist. Wer sind die
beiden Satelliten, die seinen Bewegungen folgen?"
Als Barton ihm die Namen nannte, bemerkte Mr.
Bramble: "Über deren Charakter kann ich Auskunft
geben. Einer von ihnen hat zwar keinen Tropfen roten
Blutes in seinen Adern, dafür aber einen kalten,
berauschenden Dunst im Kopf und genug Haß im
Herzen, um ihn der ganzen Nation einzuimpfen. Der
andere soll, wie ich höre, in die Regierung berufen
werden, und der Pensionär bürgt für die
entsprechenden Fähigkeiten. Den einzigen Beweis
seines Scharfsinns, den er erbrachte, war das
Imstichlassen seines früheren Wohltäters, als er
merkte, daß es mit dessen Macht abwärtsging und er
beim Volk in Ungnade fiel. (Tobias G. Smollet:
Humphry Clinkers denkwürdige Reise, S. 146)
In Wahrheit glaubt H....t an keine andere Religion als
an die Allmacht der Natur. In diesem Falle aber fühlte
er sich angesprochen, zur Ehre seines Landes Partei
zu ergreifen. Als er vor einigen Jahren auf dem
Campidoglio in Rom war, ging er auf die Büste des
Jupiter zu, machte eine tiefe Verbeugung und rief auf
italienisch aus: "Ich hoffe, Herr, du wirst daran
denken, wenn du deinen Kopf mal wieder über
Wasser kriegen solltest, daß ich dir in deinem
Unglück meine Verehrung bezeugte." Die lose
Bemerkung wurde dem Kardinal Camerlengo
hinterbracht, der sie dem Papst Benedikt XIV.
weitererzählte. Der konnte nicht anders, als über die
verrückte Huldigung lachen, und meinte zum Kardinal
gewendet. "Diese englischen Ketzer glauben das
Vorrecht zu haben, auf ihre eigene Manier zur Hölle
fahren zu können." (Tobias G. Smollet: Humphry
Clinkers denkwürdige Reise, S. 268)
"Ich habe es satt, die paar Fleischstückchen aus der
Pastete herauszufischen und dabei noch mit der
Gabel von den Kartoffelstückchen zu trennen. Sie
haben keine Ahnung, was es heißt, wenn man
versucht, gerade genug zu essen, um am Leben zu
bleiben und dabei Fett und Kohlehydrate zu
vermeiden." Nicholas küßte sie zärtlich. Er spürte,
daß vielleicht selbst Jane eine gewisse Süße
innenwohnen mochte, denn nichts enthüllt eine
geheime Süße so sehr wie persönlicher Kummer, der
aus einem sonst phlegmatischen Geschöpf
hervorbricht. (Muriel Spark: Mädchen mit begrenzten
Möglichkeiten, S. 92)
"Dort ist die Bombe niedergegangen, sie hat nur eben
das Haus verfehlt." "Waren Sie damals im Hause?"
fragte Felix. "Ja", sagte Greggie. "Ich lag im Bett.
Und im nächsten Augenblick lag ich auf dem
Fußboden. Alle Fenster waren zerbrochen. Ich habe
den Verdacht, daß noch eine zweite Bombe
heruntergekommen ist, die nicht explodierte. Ich sah
sie fallen, als ich mich vom Boden aufrichtete. Aber
das Räumkommando hat nur die eine Bombe
gefunden und entfernt. Nun, gleichviel, wenn da noch
eine zweite Bombe war, muß sie inzwischen eines
natürlichen Todes gestorben sein, denn ich spreche
vom Jahr 1942." (Muriel Spark: Mädchen mit
begrenzten Möglichkeiten, S. 110)
In einem früheren Lebensabschnitt hat sie sich
tagaus, tagein nach einer halbwegs schlanken Figur
gesehnt und verzehrt; sie ist voll Unternehmungslust
umhergereist und hat schließlich einen alternden
Exilrussen geheiratet, der soeben seine Stelle als
Pianist in einem Nachtlokal verloren hatte. Sie hat ihn
mit nach London genommen und dort eine
Stellenvermittlung speziell für ausländische
Exilanten eröffnet, die ihre Klienten überall dort
unterbrachte, wo eine fremde Zunge oder eine
exotische Fertigkeit benötigt wurde. Nach dieser
Heirat fraß die Fürstin sich fett und fetter und war
zehn Jahre später, als man Fürst Xavier begrub, groß
und stattlich und voller Liebe und vielgeliebt. Einst
war sie als elternlose Miss Copplestone aus
Neuseeland gekommen, und allzu leicht hätte sie da
auf die falsche Nummer Sicher gehen und als
schrumplige Dienststellenleiterin in einer
Telefonvermittlung enden können. Elsa hat sie nie
anders gekannt, denn sie hat die Fürstin erst
kennengelernt, als sie schon erhaben und dick und
frei war, selbst 1944 schon, damals, in der Welt der
Kriegsgeheimnisse. (Muriel Spark: Das Treibhaus am
East River, S. 42f.)
Sie machte von allem Listen. Ein Großteil des
Morgens wurde täglich mit Listenmachen zugebracht.
Sie hatte Einladungslisten und Einkaufslisten. Sie
führte Listen über ihre Kleider, ihre Ausgaben und
Platten und Möbel in Listen. Sie schrieb sie mit der
Hand und tippte sie später in alphabetischer oder
chronologischer Reihenfolge, je nach Bedarf.
Manchmal legte sie eine Kartei an, wenn es sich um
ein komplexes Gebiet handelte, wie zum Beispiel die
Dinners der Wintersaison; dann vermerkte sie, mit
wem sie gegessen und wen sie eingeladen hatte, was
sie angehabt hatte und wann. (Muriel Spark:
Übernahme, S. 70)
Hubert war jetzt fünfundvierzig. Sein im allgemeinen
gutes Aussehen wechselte von Tag zu Tag.
Manchmal, wenn Pauline nach Rom zum Einkaufen
fuhr und mit ihrer Freundin zu Mittag aß, beschrieb
sie ihn als "ein bißchen schwul". Wie dem auch sei,
Hubert sah zweifellos gut aus, besonders, wenn er
Seelenqualen litt. Dank eines Systems von
Panikmaßnahmen, das in Kraft trat, sobald er
Übergewicht bekam, war es ihm gelungen, sich eine
gute Figur zu erhalten. (Muriel Spark: Übernahme, S.
29)
Mary hatte sich bisher noch nicht an die italienische
Nachmittagsruhe gewöhnt. Ihre Zeit war die
angesächsische, von acht Uhr morgens bis
Mitternacht mit zweistündiger Mittagspause. Die
Tatsache, daß Maggie sich zwischen drei und fünf Uhr
nachmittags zu Bett legte, schrieb sie Maggies Alter
zu. Die Tatsache, daß fast alle Italiener während
dieser Tageszeit ruhten, schrieb sie romantischer
Faulheit zu. Was ihr Mann in Rom während dieser
Stunden tat, hatte sie sich noch nie überlegt, hätte
sie es getan, so hätte sie angenommen, daß er
regelmäßig nach dem Mittagessen in sein Büro
zurückkehrte und in einsamer Rechtschaffenheit die
amerikanische Zeiteinteilung einhielt. Tatsächlich
hatte Michael in Rom eine Geliebte, in deren
Wohnung er die Ruhestunden verbrachte; es war nicht
unüblich für italienische Geschäftsleute, die langen,
freien Stunden der Mittagszeit und der Nach-
Mittagszeit bei ihren Geliebten zuzubringen; doch
wenn Mary vermutete hätte, daß Michael diese
Gewohnheit schon so früh in ihrem Eheleben
angenommen hatte, so hätte sie ihre Ehe als
irreparablen Mißerfolg betrachtet. (Muriel Spark:
Übernahme, S. 68)
Geld jeder Art kann in Wirklichkeit nicht ausgegeben
und nicht verschwendet werden; es kann nur
entweder klug oder unklug oder auch mittels
Gewaltanwendung von einer Hand in die andere
wandern und ist, selbst farblos, geruchslos und
geschmacklos, ein Pfand im Austausch gegen Farben,
Gerüche und Gaumengenüsse, gegen Nahrung und
Obdach und Kleidung und Darstellungen von
Schönheit, je nachdem, wie Schönheit von der Person
definiert wird, die sie kauft. Nur dem Schein nach
vermehrt das Geld sich selbst; in Wirklichkeit
vermehrt es die menschliche Rasse; selbst Geld, das
für pompöse Begräbnisse ausgegeben wird, ist nicht
verschwendet, da es die Kinder der Kinder des
Bestattungsunternehmers nährt, so wie der Kadaver
die Erde befruchtet. (Muriel Spark: Übernahme, S.
161)
Als Joanna sich heiter zu ihnen umdrehte, erkannte
Freddy den älteren blauäugigen Ramdez, der von
einer dicklichen Frau in mittleren Jahren und zwei
Mädchen begleitet wurde, die eine drall und plump,
die andere dünn, alle europäisch gekleidet. (...) Sein
Herz, das beim Anblick Joannas schneller geschlagen
hatte, war plötzlich schwer geworden, als er den
alten Ramdez mit seinen Frauen hinter ihr herpoltern
sah. So mußte einem zumute sein, wenn man einen
unangenehmen Traum gehabt hatte, dessen
Höhepunkt das Klingeln eines Telefons war, durch das
man erleichtert aufwachte, um festzustellen, daß das
Telefon tatsächlich neben dem Bett klingelte, und
nun den Hörer aufnahm, um neue Unanehmlichkeiten
zu hören. (Muriel Spark: Das Mandelbaumtor, S. 71)
Sie habe bis spät in die Nacht noch über Miss
Vaughans nachgedacht. Sie bereute, Ramdez
gegenüber Miss Vaughans bevorstehenden Besuch
erwähnt zu haben. Aber sie war daran gewöhnt, sich
mit anderer Leute Dilemma zu befassen, selbst wenn
sie mitgeholfen hatte, es herbeizuführen, und
tatsächlich fiel es ihr schwer, sich vorzustellen, daß
irgend jemand außerhalb ihrer unmittelbaren
Bekanntschaft keine Probleme haben sollte, die es zu
regeln galt. (Muriel Spark: Das Mandelbaumtor, S. 82)
Woher, dachte sie jetzt mit der alten Erbitterung,
nehmen diese Nonnen das Recht, mich einfach nach
meinem Gesicht einzuschätzen? Jede Jungfer sollte
für schuldig gelten, bis sich ihre Unschuld erwiesen
hat, dachte sie. Eine Frage der Höflichkeit, nichts
mehr. Die Leute glauben, was sie glauben wollen;
ihnen ist alles recht, wenn es nur nicht ihre
Vorstellungen durcheinanderbringt. (Muriel Spark: Das
Mandelbaumtor, S. 173)
Die Cartwrights waren an Wochentagen gewöhnlich
früh auf den Beinen, so daß sie noch ein paar
Stunden lang ihren Hobbies und
Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnten, bevor sie
zur Arbeit in die Klink fuhren. Wie die meisten
kinderlosen Ehepaare waren sie am glücklichsten,
wenn sie dort eine geregelte Beschäftigung hatten
und den ganzen Tag voll eingespannt waren. Montags
morgens wurde, ohne daß ihnen dies recht bewußt
war, besonders früh aufgestanden und besonders
fleißig geschafft - als Buße gleichsam für den
verhältnismäßig müßg verbrachten Sonntag. (Muriel
Spark: Das Mandelbaumtor, S. 335)
Der Bibliothekar stand an meinem Tisch. Bei ihm war eine
junge Frau. Ich sah sie an - und sie mich, augenblicklich
verfing ich mich in ihrem Silberblick, der ihre Ausstrahlung
wunderbar bündelte, die Strahlen trafen sich genau vor
meinem Gesicht, es kribbelte. (...) Wahrscheinlich irgendeine
Journalistin, dachte ich. Vielleicht will sie einen Artikel über
Lavater schreiben. Sie macht sich vorher in der Bibliothek
ein bißchen sachkundig, und bei dieser Gelegenheit macht
sie sich auch gleich noch an einen Autor heran, der ebenfalls
über Lavater schreibt. Warum nicht. Bisher, fand ich, hatte
ich in meinem Berufsleben ja nicht gerade eine Spur der
Verwüstung in einsamen Frauenherzen hinterlassen. (Jens
Sparschuh: Lavaters Maske, S. 22f.)
Herr Schickedanz trug ausschließlich, geradezu
hingebungsvoll Strickjacken. Meist waren es ältere
Fabrikate. Anfangs hielt ich das bloß für eine Marotte diese
kleingewachsenen rundlichen Mannes. Später verstand ich,
daß sich weit mehr hinter dieser Passion verbarg. Die
Strickjacken verschafften Schickedanz einen Heimvorteil.
Ihre Botschaft war klar und eindeutig, man konnte sie sich
gewissermaßen an den fünf Hornknöpfen abzählen: Er,
Schickedanz, war hier auf Burg Wühlischheim zu Hause -
während man selbst und alle anderen sich als Eindringlinge
vorkommen mußten. Insofern war die unvermeidliche
Schickedanzsche Strickjacke eine Art Schutzweste gegen
die unkontrolliert hereinschießende Welt. (Jens Sparschuh:
Lavaters Maske, S. 56)
Sie schlug ihn immer wieder und nahm bei den
Schlägen das Gesicht eines Edelpiranhas an, das
hätte ihr kein Mensch zugetraut, so wenig wie ihm die
Organisation von Liebhaberinnen und das Halten und
Führen eines Wohnwagens ausschließlich für den
einschlägigen Zweck. Den Wohnwagen hatte Franz
Joseph in die Ehe eingebracht. Claire hat diese
'mobile Besamungsstation', welches ihr Wort war
sowohl für ihren Mann als auch für sein Fahrzeug, nie
betreten, wenn sie auch genau wußte, wie es drinnen
aussah. Da drinnen lagen Schamhaarbürsten und
Abdeckstifte, Nylonstrümpfe und Minischlüpfer herum,
Vorlaufmodelle späterer und spätester
Zahnseidentangas, kurz bevor die Welt unterging,
seine Welt, die schlagartig zu Ende war, per
Handschlag eben. An dieses Fahrzeug hätte ein rotes
Neonherz gehört, aber draußen sah man nur einen
Aufkleber vom ÖAMTC und einen Christophorus.
(Arnold Stadler: Eines Tages, vielleicht auch nachts,
S. 35)
Die Stimme der Stewardeß forderte zum Schließen der
Sicherheitsgurte auf, als wollte sie ein
Kinderprogramm ansagen. Henry und Mausi waren
hochgemut und wohlgestimmt, als hielte das Leben
immer noch etwas für sie bereit. Franz auch. Sie
machten Gesichter wie Menschen, die 'Im Frühtau zu
Berge' noch kennen, aber längst mit dem Singen
aufgehört haben. (Arnold Stadler: Eines Tages,
vielleicht auch nachts, S. 57)
Schließlich sagte Rose: Gehen Sie schlafen, mein
Junge. Er versprach ihr, am anderen Morgen und
ausgeschlafen wieder in der schönen Halle des Hotels
Sevilla zu sein. Und wollte sich schon ohne
Umarmung absetzen. Aber Rose ließ das nicht
durchgehen, so wenig wie bei ihrem Mann, der
nebenher immer Kreuzworträtsel zu lösen versuchte
und ein Gesicht machte, als suchte er nach einem
Wort mit acht Buchstaben für 'Leben'. (Arnold Stadler:
Eines Tages, vielleicht auch nachts, S. 138)
Geigenmüller hatte nun schon vor Jahren bei mir eine
manische Depression festgestellt, worauf ich hier
nicht weiter eingehen kann, nur soviel: Das Leben mit
mir war eines der schwersten, nicht nur in meinen
Phasen endemischen Unglücks. Fast noch schwerer zu
ertragen für Hilde war ich in meinen Lach- und
Anschaffungsphasen, wenn ich mich von der Welt
umarmt glaubte und ich mich für eine solche
Umarmung geschaffen hielt und immer wieder die
Menschheit, die um mich war, zu Ballonfahrten
animierte und einlud. Doch es konnte sein, daß der
nächste Tag schon wieder ganz ebenerdig, ja
souterrain verlief. (Arnold Stadler: Sehnsucht. Versuch
über das erste Mal, S. 33)
Ohne ein Querulant zu sein, wollte ich dem
Deutschen Fernsehen wieder einmal vorschlagen, auf
diesen Bericht, der so viele Menschen in eine
psychische Zwangslage brachte, zu verzichten, oder
nur noch im nachhinein zu bringen, wie das Wetter
war, im nachhinein, der psychischen Stabilität
Millionen Deutscher zuliebe, die aufgrund des Wetter-
Astrologen in einer Dauerdepression waren, denn das
tatsächliche Wetter war nie so schlimm wie das
prophezeite. Das dauerte lange, bis ich diesen
Zusammenhang durchschaut hatte, daß dieser
Wetterbericht, der so grob und undifferenziert war,
daß er für mich schon gar nicht stimmen konnte (was
wußte dieser Fernseh-Fritz vom Himmel über mir!),
möglicherweise ursächlich in Zusammenhang mit
meiner manischen Depression stand. Zweifellos hatte
ich zu viele Wetternachrichten gesehen in meinem
Leben, so daß ich schon daran dachte, gegen das
Deutsche Fernsehen auf Schadenersatz und
Schmerzensgeld zu klagen. Aber ich war ja kein
Querulant. (Arnold Stadler: Sehnsucht. Versuch über
das erste Mal, S. 51)
Und wie bei einem Wunder bemächtigte sich
innerhalb von einer tausendstel Sekunde wieder
einmal die irrsinnig schöne Hoffnung meiner
Hoffnungslosigkeit. Es war die Hoffnung von einem,
der nur noch auf ein Wunder hofft, ganz gegen den
Augenschein; es war die Sehnsucht auf ein Wunder,
das Gegenteil vom tatsächlichen Leben: Das war's. Es
war zudem die Hoffnung eines Bankrotteurs auf den
großen Lottogewinn, dieselbe Hoffnung eines
gescheiterten Schriftstellers auf den Nobelpreis, jene
Hoffnung oder Sehnsucht eines Zwerges nach der
großen Liebe: und so fort. 30 Millionen im Lotto, oder
der Nobelpreis - oder vielleicht sogar beides - die
Liebe von Prinz William und Samantha Fox, oder zum
Papst gewählt werden - oder beides. So lebte ich und
wurde immer wieder enttäuscht, wenn auch nie ganz.
Von der großen Liebe blieb mir bis zum heutigen Tag
die Sehnsucht nach ihr. Mochte meine Hoffnung
zumeist auch Lottgewinncharakter haben, lebte ich
auch wie ein Spieler, der mit der Hoffnung auf den
großen Gewinn lebt und leben muß: Wenn ich auch
nie gewann, so war es doch die Hoffnung, die mich
am Leben hielt und weiterquälte. Es war dieser
Hoffnungsschmerz. (Arnold Stadler: Sehnsucht.
Versuch über das erste Mal, S. 174)
In seinen hohen Fünfzigern hat Knötzele noch einen
Englischkurs an der VHS belegt und wollte endgültig
auswandern. Nach Amerika. Damals wollten alle, die
wegwollten, erst einmal nach Amerika. Ein Stück weit
dahin hat er es auch immer wieder gebracht. Die
Fahrstunde startete immer Richtung Westen, ich weiß
nicht, ob er nur einer inneren Stimme folgte, wenn er,
vom Fahrschulhof her kommend, an der Straße
angekommen, sagte: "Wir fahren die nächstmögliche
Straße rechts!" Das war Richtung Amerika. Und nicht
nur ein Fahrlehrerersatz. (Arnold Stadler: Sehnsucht.
Versuch über das erste Mal, S. 180)
[Im Altersheim] Beim Hinausgehen schlug mir ein Geruch, der auch durch
prachtvolle Gebinde im Foyer nicht neutralisiert werden
konnte, entgegen. Überall saßen Damen herum, die so
aussahen, als ob sie (immer noch) auf eine Einladung
zur Fuchsjagd warteten. Es war gegen halb zwölf, die
erste Partie machte sich schon zum Mittagessen auf,
vorwiegend (strenge) Damen, denen das Leben außer dem
Tod nichts mehr anhaben oder bringen konnte. Auf ihn
gingen sie ja auch zu. Vorher meinetwegen noch zum
Coiffeur, aber immer angemeldet. (Arnold Stadler:
Der Tod und ich, wir zwei, S. 125)
Kopf- und fristlos habe ich mein Zimmer in der Carl-
Kistner-Straße verlassen und an der Schwarzen
Tafel des Kollegiengebäudes I nach dem
nächstbesten Zimmerangebot gegriffen, es handelte
sich um eine nette, kleine 8 qm große Wohnung,
Souterrain, Scheffelstraße 51. Ich habe sie auf
Anhieb bekommen. Kein Mensch wollte sie haben, obwohl
die Miete (kalt) nur hundertfünfzig Mark betrug.
Das war auch damals ausgesprochen günstig. Nachts
konnte ich kaum atmen, und wenn ich weinend im Dunklen
lag, waren die Tränen kalt, noch bevor sie recht
über mein Gesicht hinablaufen waren. (...) Niemand
fragte nach mir, kein Mensch, wollte etwas von mir
wissen, ich konnte gehen, wohin ich wollte, armes Ding!
Jetzt fang ich gleich an zu weinen. Und doch: was ich
seit der Kinderzeit praktisch verlernt hatte - im
richtigen Augenblick zu weinen -, es ging wieder. Ort
und Zeit stimmten. Es war Nacht. Es war unter der
Bettdecke, drei Meter unter der Erde. Dies mag der
Hauptgrund sein, weswegen sich ein Mensch sträubt unter
der Erde zu wohnen, auf Ameisen-, auf Wurmhöhe,
praktisch schon auf Höhe der Toten. 'Hinabgestiegen in
das Reich der Toten', ein Hauptsatz des Credo. Gerade
da, vor Ort, sehnte ich mich danach, irgendwo
dazuzugehören. Ich war so weit außerhalb oder unten,
daß die sogenannte Unterschicht damals schon ein
Aufstieg gewesen wäre. Ich träumte nun schon davon, in
die Unterschicht aufzusteigen, dabeizusein und
dazuzugehören. Ich selbst rechnete mich zum Segment
'vertuschtes Unglück', das in den Statistiken auch
nicht vorkommt. (Arnold Stadler: Der Tod und ich, wie
zwei, S. 65)
Es war eine Zweckreisegesellschaft, neben der
sogenannten Erholung war der Hauptreisezweck, daß man
sparte: Es mußte, unter dem Strich, billiger kommen,
als wenn man zu Hause geblieben wäre. Vermutlich war
das Zusammenleben der Finckes auch nichts anderen als
eine sogenannte Zweckgemeinschaft: die Lebenskosten
halbierten sich. Auch die Befriedigung der Lust kam so
noch am billigsten. Ich weiß, daß sich auch Klaus alles
ausgerechnet hat und auf das Zweiermodell, die Ehe, als
das wirtschaftlichste stieß. 'Das schwäbische Modell'
nenne ich es hiermit. (Arnold Stadler: Der Tod und ich,
wie zwei, S. 117)
Ich hatte nun mehrere Jahre leidlich neben Henry
hergelebt. Er war, anstatt rechtzeitig zu sterben,
immer älter und schwieriger geworden, hatte ziemlich
abgebaut, wie man sagt. Er war nun schon ziemlich alt,
ich hatte Angst, daß er nun schon zu alt für ein
Altersheim sei, und daß sie ihn nicht mehr nehmen
wollten. Allmählich gingen auch seine Reserven, die doch
auch meine Reserven waren, zur Neige. Alles
zusammengezählt, die Erträge aus den Nebenverdiensten,
die kleine Apanage vom Botschafter und das Geld, das
mir meine Mutter heimlich zusteckte, wenn ich (war es
vor allem deswgen?) ins Rößle fuhr, reichten gerade
soweit, daß ich nicht an Selbstmord dachte. (Arnold
Stadler: Der Tod und ich, wie zwei, S. 122)
Während er sich gestern die Finger am Motor schwarz
reparierte, versuchte ich, meinen Onkeln klar zu
machen, daß man mich beim Romme nicht gewinnen lassen
muß. Die Zeit der Daumenlutscherprivilegien ist
vorbei!, rief ich, ich tue doch nur so, als würde ich
keine vierzehn Karten auf einmal halten können, um euch
in Sicherheit zu wiegen! Ich warf mein Blatt
schwungvoll in die Mitte des Steines, an dem wir
hockten, um mich lauter zu machen, ohne daß meine
Stimme lauter wurde. Meine Mutter war die Chefgenossin
solcher Gesten. Sie konnte den Tisch verlassen, ihren
Kopf schütteln, die Arme in die Seiten stemmen und die
Augenbrauen so lautstark zusammenziehen, daß ich mir
die Ohren zuhalten wollte. Und du, Onkel, - ich tippte
Bora mit dem Zeigefinger gegen die Schulter -, wenn du
mir schon in die Karten siehst, dann bitte, damit du
den Buben, den du übrigens selbst gebrauchen kannst,
auf der Hand behälst und nicht, um ihn mir zu
servieren, ich bin doch keine Inkompetenz! Das Wort
"Inkompetenz" habe ich von meinem Vater. Er benutzt es,
wenn im Fernsehen Politik gezeigt wird oder wenn er mit
Onkel Miki über die Fernsehpolitik streitet.
"Sympathisieren" ist ein anderes wichtiges Wort und hat
schon mehrmals zu Michaufmeinzimmerschicken geführt und
zu Tagelangmiteinanderkein wortwechseln zwischen den
Brüdern. (Sasa Stanisic: Wie der Soldat das Grammofon
repariert, S. 34)
Ur-Opa sagt: in der Stadt werden aus Jungen keine
Männer und in der Schule aus den Dummen keine
Großerherzigen. In der Stadt bekommt man eine schlechte
Nase und sieht zwei Meter weniger. Ur-Opa ging nur bis
zum Buchstaben "t" in die Schule, weil danach nichts
Wichtiges mehr kommt. Nur dreimal verließ er sein Dorf:
zweimal, um Krieg zu führen und einmal, um eine Frau zu
erobern. Drei Siege erlangte er. (Sasa Stanisic: Wie
der Soldat das Grammofon repariert, S. 42)
Das neue Klo wurde mit einem Fest eingeweiht. Im
Ausland denken die Leute, daß wir hier immer feiern,
sagt mein Gastarbeiteronkel. Das stimmt nicht ganz, wir
müssen ja auch irgendwann das Gefeierte aufräumen.
Außerdem kostet so ein Fest auch allerhand, also müssen
die Eltern tagsüber arbeiten. Meinen Urgroßeltern ist
für ein Fest aber tatsächlich jeder Anlaß recht. Einmal
haben sie zwei Nächte durchgefeiert, weil Ur-Oma einen
faustgroßen Meteoriten zwischen den Karotten gefunden
hatte. Das war eine Stunde, nachdem Superman im neuen
Fernseher gezeigt wurde. Aus dem Meteoriten, drei Kilo
Karotten und sieben Geheimgewürzen kochte Ur-Oma
Suppe. Das ganze Dorf, rief sie um Mitternacht mit
glasigen Augen und versuchte mit einem Judo-Griff eine
Eiche zu entwurzeln, das ganze Dorf riecht nach
Kryptonit! (Sasa Stanisic: Wie der Soldat das Grammofon
repariert, S. 38)
Ab morgen gehe ich in eine deutsche Schule. Ich werde
versuchen, nicht so taubstumm zu sein wie Nena Fatima
und habe deswegen die ersten zehn Wörterbuchseiten
auswendig gelernt. Onkel Bora sagt, ich sei in Mathe
den Deutschen drei Jahre voraus. Wenn man mein
mangelndes Mathetalent davon abzieht, bleibt immerhin
noch ein Jahr. Die Schulnoten sind hier falsch herum
und in unserem Stadtteil gibt es fast nur Türken. In
den Kaufhäusern kann man Nintendo spielen, es ist mir
noch nicht gelungen, über Nacht in so einem Kaufhaus
vergessen zu werden, aber ich habe schon einen Plan.
Meine Mutter war letzte Woche krank, konnte dem Arzt
aber das Aussehen ihrer Schmerzen nicht erklären und
kam noch kränker zurück. (Sasa Stanisic: Wie der Soldat
das Grammofon repariert, S. 135)
Mutter hat die Fähigkeit verloren, Dinge schön zu
sehen. Sie raucht eine Zigarette nach der anderen, sie
qualmt wie die Essener Schornsteine. Vater ist im
selben Betrieb wie Onkel Bora. Die beiden sind tagelang
unterwegs. Sie arbeiten schwarz. Schwarz heißt: die
Arbeit macht dir den Rücken kaputt und dich
gleichzeitig zum Verbrecher, obwohl du nicht wirklich
klaust. Nena Fatima hält sich am besten. Sie kocht für
uns alle und badet lang, und ich sehe ihr keinen Kummer
an. Einmal erwischte ich sie beim Pfeifen, was bei dem
eigentlich tonlosesten Menschen überhaupt unendlich
schön klingt. Sie hat sich mit den Kassierinnen im
Supermarkt angefreundet und bringt ihnen jeden Tag
Kaffee an die Kassen. Dafür darf sie Dinge klauen, die
weniger als fünf Mark kosten, und die Kassiererinnen
tun so, als würden sie es nicht bemerken. (Sasa
Stanisic: Wie der Soldat das Grammofon repariert, S.
139)
Die Kirche wurde in den Neunzigern renoviert. Seitdem ist alles
aus Ziegelsteinen. Ziegelstein sieht irgendwie null kirchlich
aus. Mal im Ernst: Ein Kamin aus Ziegelsteinen, okay. Eine
Garage, okay. Hamburg, okay (Klassenfahrt letztes Jahr, trotzdem
noch Jungfrau). Aber ein Altar? Mu sagt, die Neunziger waren
kriminell, was Architektur und Musik angeht, man sollte die alle
nachträglich einsperren, außer Nirvana. Apropos Nirvana. In der
Kirche steht eine Grüneberg-Orgel. Johann weiß das, weil er es
für seine Glöckner-Prüfung lernen musste. Die ist ziemlich super.
Nicht, dass er das wirklich beurteilen könnte, aber wenn einem
Ding der Name seines Machers vorangestellt ist, so wie Grüneberg
der Orgel, dann ist das besser als alles ohne Namen. Ein Ronaldo-
Freistoß wird immer grundsätzlich erst mal geiler sein als ein
Freistoß. Auch wenn Ronaldo gar nicht trifft. (Sasa Stanisic: Vor
dem Fest)
Meine Mu wiegt doppelt so viel wie mein Pa. Sie wiegt 130 Kilo.
Im Frühling kommen 30 Kilo schwere Gedanken dazu (Sorgen,
Ängste, Scham und generelle Lustlosigkeit). Dann legt sich meine
160-Kilo-Mu in die Narzissen im Garten, weil im Liegen die
dunklen Wolken circa hundertsechzig Zentimeter weiter weg sind.
Ihre Augen sind zu, wir sollen sie in Ruhe lassen. Da kann man
nichts machen, als Ehemann, als Sohn, als Narzisse nicht. Wir
kriegen 160-Kilo-Mu nicht auf die Beine, wenn sie das nicht will,
wir kriegen sie nicht froh, wenn sie das nicht sein kann.
Wird es am Abend kälter, decken wir sie zu. Sitzen bei ihr. Es
ist eigentlich fast schön, die Familie macht was zusammen. (...)
Mu ist komisch, das auf jeden Fall. Sie geht anders ab als alle,
die ich kenne, aber eigentlich genau gleich wie alle: will
irgendwie durch den Tag kommen. Sie ist nie fies. Sie mag alle,
bis auf die, die sie zu Recht nicht mag. Liest viel. Wählt die
Linke. Aber dann kocht sie zwei Wochen lang ausschließlich
Sachen mit Roter Beete, was erst mal geil ist, weil Rote Beete
geil ist, aber iss mal zwei Wochen am Stück jeden Tag Rote
Beete, dann reden wir noch mal. (Sasa Stanisic: Vor dem Fest)
Als sie David vor zwölf Jahren kennenlernte, hatte sein
Aussehen sie fasziniert. Die Miene, auf die man ein
Anrecht zu haben glaubt, wenn man aus einem kalten
englischen Salon auf seinen Grundbesitz starrt, hatte
sich über fünf Jahrhunderte störrisch eingegraben und
in Davids Zügen vervollkommnet. Eleanor begriff nie
ganz, warum die Engländer es für so vornehm hielten,
lange Zeit an ein und demselben Ort nichts getan zu
haben, aber David ließ keinen Zweifel daran, daß dem so
war. Außerdem stammte er über den Umweg einer
Prostituierten von Charles II. ab. "Das würde ich an
deiner Stelle nicht so herausposaunen", hatte er ihr
das Gesicht auf eine Weise zugewandt, die sie
inzwischen verabscheute: mit vorgeschobener Unterlippe
und einem Blick, der verriet, wie sehr er sich
beherrschen mußte, um nichts Vernichtendes zu sagen.
(Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 11)
Laut Victor waren sie "ein und derselbe Jahrgang", ein
Ausdruck, den er für jeden benutzte, der ungefährt so
alt war wie er selbst und ihn in der Schule nicht
beachtet hatte. "Ich kenne ihn aus Eaton" bedeutete
meist, daß dieser Jemand ihn damals gnadenlos verhöhnt
hatte. Nur zwei andere Gelehrte nannte er Schulfreunde,
und mit beiden hatte er keinen Kontakt mehr. Der eine
leitete ein College in Cambridge, der andere was
Ministerialbeamter und wurde allgemein der Spionage
verdächtigt, weil sein Amt zu langweilig war, um echt
zu sein. (Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S.
42f.)
Hatte Eleanors Verletzlichkeit Anne zunächst noch
gerührt, so war sie mittlerweile von deren Trunkenheit
entnervt. Außerdem mußte Anne sich vor ihrem Drang,
andere Menschen zu retten, genaus hüten wie vor ihrer
Angewohnheit, deren moralische Defizite bloßzustellen;
zumal sie sehr gut wußte, daß nichts Engländer nervöser
machte als eine Frau mit festen Überzeugungen,
höchstens eine Frau, die diese auch noch verteidigte.
(Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 44)
Victor war siebenundfünzig, sah aber jünger aus. Nur
eine leichte Schlaffheit der Haut, ein Verlust der
Spannung um Kinn und Mund und die ungeheuer tiefen
Querfalten auf der Stirn verrieten sein Alter. Seine
Zähne waren gerade, stark und gelb. Er wünschte sich
zwar ein aerodynamischeres Modell, doch seine Nase
blieb eine freundliche Kartoffel. Frauen schwärmten
immer von seinen Augen, denn ihr helles Grau hob sich
leuchtend von seiner leicht narbigen, olivbraunen Haut
ab. Alles in allem waren Fremde meist überrascht, wenn
seine schnelle, leicht lispelnde und sehr gepflegte
Stimme aus diesem Gesicht drang, das gut zu einem sehr
feingemachten Preisboxer gepaßt hätte. (Edward St.
Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 50)
"Es kann ja nicht jede einen Liebhaber abkriegen, der
reich 'und' schön ist", sagte Bridget und glitt unter
den Laken auf ihn zu. "Och, laß gut sein, Süße, laß gut
sein", sagte Nicholas mit einem mißlungenen Proleten-
Akzent. Er rollte sich aus dem Bett, stöhnte 'Tod und
Zerstörung' und kroch theatralisch auf allen Vieren
über den blutroten Teppich zur offenenen Badezimmertür.
Bridget musterte Nicholas' Körper kritisch, als er sich
mühsam aufrichtete. Im letzten Jahr war er deutlich
dicker geworden. Vielleicht waren ältere Männer auch
nicht so vom Heiratsfieber gepackt wie die älteren
Schwestern Watson-Scott, die zügig aufs dreißigste Jahr
ihres spatzenhirnigen Lebens zustolperten. (Edward St.
Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 58)
Bridgets Schminksortiment war eher beschränkt, wie auch
ihre bisweilen absolut unerträgliche Garderobe. Man
konnte ja über Fiona sagen, was man wollte (und man
hatte seinerzeit einige zutiefst unfreundliche Dinge
gesagt), aber sie hatte sich die erstaunlichsten Cremes
und Gesichtsmasken aus Paris schicken lassen. Manchmal
fragte er sich, ob Bridget nicht (und hier mußte man
Zuflucht zu den mildernden Nuancen der fanzösischen
Zunge nehmen) 'insortable' war. Letztes Wochenende bei
Peter hatte sie sich am Sonntag durchs gesamte
Mittagessen gekichert wie eine Vierzehnjährige. (Edward
St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 60)
Während die Fuge sich entwickelte, attackierte David
das Hauptthema mit frustrierten Wiederholungen, begrub
die ursprüngliche Melodie unter einem Erdrutsch
grummelnder Bassnoten und störte ihren Fortgang mit
gewaltigen dissonanten Ausbrüchen. Am Klavier konnte er
bisweilen die ironischen Taktiken abschütteln, die
sonst jede seiner Äußerungen durchzogen, und
Besucher, die er bis zur Verzweiflung eingeschüchtert
und verspottet hatte, waren auf einmal gerührt von der
ergreifenden Traurigkeit der Musik, die aus der
Bibliothek drang. Anderderseits konnte er das Klavier
aber auch auf sie richten wie eine Maschinenpistole und
eine so konzentrierte Feindseligkeit in die Töne legen,
daß sie sich bald nach der konventionelleren
Schroffheit seiner Worte sehnten. Doch selbst dann
verfolgte sein Klavierspiel gerade die Leute am
meisten, die seinem Einfluß am dringendsten zu
entkommen suchten. (Edward St. Aubyn: Schöne
Verhältnisse, S. 89)
"Sein Problem ist, daß er in die Politik gehen wollte",
sagte Victor, "seine Karriere aber durch ein Vorkommnis
beendet wurde, das vor ein paar Jahren noch als
Sexskandal galt, heutzutage hingegen wahrscheinlich
'offene Ehe' genannt würde. Die meisten Menschen
warten, bis sie Minister sind, um sich die politische
Laufbahn durch einen Sexskandal zu ruinieren, aber
Nicholas schaffte das schon als er die Parteizentrale
der Torys noch zu beeindrucken suchte, indem er zur
Nachwahl in einem todsicheren Labour-Wahlkreis antrat."
(Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 126)
War sie schon dem englischen Bedürfnis verfallen,
fragte sie sich, ständig witzig sein zu müssen? Sie
fühlte sich erschöpft und beschmutzt von einem Sommer,
in dem sie all ihre moralischen Reserven kleinen
Konversationseffekten zuliebe aufgebraucht hatte. Sie
hatte den Eindruck, daß sie sich von den glatten,
trägen Manieren der Engländer unmerklich hatte
pervertieren lassen, von der Sucht nach vorsorglicher
Ironie, der schrecklichen Furcht davor, ein Langweiler
zu sein, und den langweiligen Mitteln und Wegen, mit
denen sie diesem Schicksal unermüdlich knapp enrannen.
(Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse, S. 131)
Debbies Mutter, deren neurotische Ressourcen sie einer
batteriebetriebenen Gespenstheuschrecke ähneln ließen,
hatte gesellschaftliche Ambitionen, die zu
verwirklichen nicht in ihrer Macht stand, solange Peter
an ihrer Seite Bouillabaisse-Geschichten erzählte.
Beruflich war sie eine bekannte Partyplanerin und dabei
so töricht, die eigenen Ratschläge zu beherzigen. Die
steife Vollkommenheit ihrer Geselligkeiten zerfiel zu
Staub, sobald menschliche Wesen die luftleere Bühne
ihres Salons betraten. Wie ein Bergsteiger, der im
Basislager entkräftet aufgibt, reichte sie Debbie ihre
Stiefel weiter, und damit eine ungeheure Verantwortung
aufzusteigen!
In den acht Jahren seit dem Tod seines Vaters war
Patricks Jugend zu Ende gegangen, ohne daß er irgendwie
gereift wäre, es sei denn, man betrachtete die Neigung
zu Traurigkeit und Erschöpfung, die sich vor dem Haß
und den Wahnsinn geschoben hatten, als Zeichen von
Reife. Das Gefühl, vor einer Unzahl von Alternativen
und Abzweigungen zu stehen, war der Trostlosigkeit
eines Menschen gewichen, der am Kai die lange Liste der
verpaßten Schiffe studiert. Er war in mehreren Kliniken
von seiner Drogenabhängigkeit befreit worden -
geblieben war ihm ein Hang zu Partys und wahllosen
Beziehungen, zwei Angewohnheiten, welche sich so mühsam
hielten wie Soldaten, die ihren Offizier verloren
hatten. Sein von Extravaganzen und Arztrechnungen
erodiertes Vermögen bewahrte ihn vor Armut, ermöglichte
es ihm aber nicht, sich von der Langeweile
freizukaufen. Kürzlich war ihm zu seinem Ensetzen
bewußt geworden, daß er einen Beruf würde ergreifen
müssen. Daher hatte er sich für Jura eingeschrieben, in
der Hoffnung, Rechtsanwalt zu werden und etwas
Vergnügen darin zu finden, möglichst vielen Kriminellen
das Gefängnis zu ersparen. (Edward St. Aubyn: Nette
Aussichten, S. 11)
Vielleicht entstanden all seine Probleme daraus, daß er
das falsche Vokabular verwendete, dachte er mit einer
kurzen Aufwallung von Erregung, die es ihm gestattete,
die Bettdecke zurückzuschlagen und zu erwägen
aufzustehen. Er bewegte sich in einer Welt, in der das
Wort "Wohltätigkeit", gleich einer schönen, von ihrem
eifersüchtigen Ehemann unablässig bewachten Frau,
ausschließlich in Begleitung der Wörter "Essen",
"Komitee" oder "Ball" auftrat. Für "Mitgefühl" hatte
niemand Verwendung, wogegen "Milde" häufig vorkam, und
zwar in Form von Klagen über die Kürze von
Gefängnisstrafen. Dennoch wußte er, daß seine
Schwierigkeiten grundsätzlicherer Natur waren. (Edward
St. Aubyn: Nette Aussichten, S. 7)
Er entzog sich jeder Anstrengung, verdarb das Nichtstun
jedoch durch Rastlosigkeit, er fand Wortspiele
verlockend, hatte aber einen Widerwillen gegen das
Virus der Zweideutigkeit; er neigte dazu, Sätze in der
Mitte mit dem Scharnier eines einschränkenden "aber" zu
versehen, sehnte sich jedoch danach, seine Zunge wie
eine Eidechse entrollen und eine vorbeisausende Fliege
mit unfehlbarer Präzision fangen zu können; er
versuchte verzweifelt, der selbstzerrüttenden Ironie zu
entkommen und zu sagen, was er wirklich meinte, doch
das, was er wirklich meinte, vermochte nur Ironie
auszudrücken. (Edward St. Aubyn: Nette Aussichten, S.
8)
Er entzog sich jeder Anstrengung, verdarb das Nichtstun
Es war seltsam, im Februar eine Party zu veranstalten,
die nicht im Haus stattfand, aber Sonny war überzeugt,
seine "Sachen" seien durch das, was er "Bridgets
Londoner Freunde" nannte, gefährdet. In seinem Kopf
hallte die ständige Klage seines Großvaters nach, seine
Großmutter habe ihm "Parasiten, Schwule und Juden" ins
Haus geholt, und obwohl er einsah, daß es unmöglich
war, ohne Vertreter dieser drei Kategorien eine
gelungene Party zu veranstalten, war er nicht gesonnen,
sie an seine "Sachen" zu lassen. (Edward St. Aubyn:
Nette Aussichten, S. 41)
Er entzog sich jeder Anstrengung, verdarb das Nichtstun
"Henry (...) wollte wissen, ob eure Kinder gut erzogen
sind. Ich hab ihm gesagt, daß sie bis jetzt noch nichts
kaputt gemacht haben. 'Wielange sind sie denn schon
da?' wollt er wissen. Als ich sagte, ihr wärt vor zwei
Stunden gekommen, sagte er: 'Herrgott, Nancy, wie
aussagekräftig ist das? Ich rufe dich morgen noch mal
an - dann kannst du mir vollständig Bericht erstatten.'
Es hat ja auch nicht jeder die bedeutendste Sammlung
Meissener Figuren der Welt." "Er auch nicht mehr, wenn
Thomas erst mal dagewesen ist." (Edward St. Aubyn:
Muttermilch, S. 252)
Er entzog sich jeder Anstrengung, verdarb das Nichtstun
Wenn es eines gab, das er der Welt mitzuteilen hatte,
dann dies: Man sollte nie, niemals Kinder bekommen,
ohne sich zuvor eine verläßliche Geliebte zugelegt zu
haben. Und man sollte sich nicht von trügerischen
Horizonten täuschen lassen: "Wenn ich nicht mehr
stille; wenn er die Nacht in seinem eigenen Bett
durchschläft; wenn er studiert." Wie ein Gespann von
durchgehenden Pferden schleiften diese leeren
Versprechen einen Mann über Geröll und Riesenkakteen,
während er darum betete, daß die verhedderten Zügel
rissen. Es war vorbei, die Ehe hielt keinen Trost
bereit, nur Pflichten und Verbindlichkeiten. (Edward
St. Aubyn: Muttermilch, S. 165)
Er entzog sich jeder Anstrengung, verdarb das Nichtstun
Jemand, der so organisiert war wie er, mit einem
äußerst chaotischen Fundament, einem sehr stark
entwickelten Intellekt und praktisch nichts dazwischen,
mußte unter allen Umständen eine solide mittlere
Schicht entwickeln. Ohne verfügte er nur über ein
wachsames Tagesbewußtsein, das wie ein Adler über einer
Landschaft schwebte, und ein Nachtbewußtsein, das einer
Qualle glich, die hilflos auf dem Deck eines Schiffes
lag. (Edward St. Aubyn: Muttermilch, S. 255)
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