|
Bibliomanische FAB / [E-H]
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
Z
[^]
Was hast du vor dir, wenn du ein Buch aufschlägst? Kleine,
Als ich jung war, waren Bücher in Indien eine Rarität,
und in der kleinen katholischen Universität, die ich
besuchte, war jedes neue Buch kostbar. Manchmal mußten
die Seiten von Hand aufgeschnitten werden, eine
Tätigkeit, die ich mit Ehrfurcht vornahm; und der
Geruch von frischer Druckfarbe war Parfüm für mich wie
der Duft von 'Chanel Nr.5'. Gemessen an amerikanischen
Standards war die Bibliothek der Universität nicht
klein, aber in meinen Augen war es eine Schatzkammer.
Ich kannte jeden Zentimeter Bücherregal genauso gut wie
der Bibliothekar - er hieß John - und sein einziger
Assistent Anthony. (John und Anthony waren keine
ungewöhnlichen Namen auf einer katholischen Universität
in Indien.) Ein ausgeklügeltes Katalogisierungssystem
gab es nicht; wenn neue Bücher eintrafen, stellte John
sie oft irgendwohin, wo gerade Platz war im Regal. Und
aus diesem Grund erlangte ich einen Ruf als Bücherwurm.
An dem besagten Nachmittag hatten einige Mitglieder des
Lehrkörpers nach einem bestimmten Buch gefragt, das
nicht oft verlangt wurde. Weder Anthony noch John
wußten, wie sie es finden sollten. Schließlich stürzte
Anthony in den Kurs, den ich gerade besuchte, rief mich
heraus und fragte: "Kannst du dieses Buch raussuchen,
das Soundso haben will? Ich brauche es sofort." Ich
ging in die Bibliothek, kletterte geradewegs die Leiter
hoch, nahm das Buch und reichte es ihm. Er war tief
beeindruckt. "Danke", sagte er aus vollem Herzen. "Du
hast meine Ehre gerettet." So kam ich unverdientermaßen
in den Ruf eines Gelehrten. In Wirklichkeit war ich nur
belesen - ich las ein breites Spektrum an Büchern, ging
aber immer in die die Tiefe. Ich konnte mir keinen
Grund vorstellen, anders zu lesen. Das scheint mit umso
wichtiger angesichts der Fülle von Lesestoff, die uns
in diesem wohlhabenden, belesenen Land umgibt. Sogar im
Supermarkt findet man erstaunlich viele Bücher und
zeitschriften. Wenn ich jedoch auf die Titelblätter
gucke, beneide ich meine Großmutter beinahe darum,
nicht lesen zu können. (Eknath Easwaran: Nimm dir Zeit.
Ruhe finden in einer hektischen Welt, S. 42f.)
Was hast du vor dir, wenn du ein Buch aufschlägst? Kleine,
schwarze Zeichen auf hellem Grunde. Du siehst sie an, und sie
verwandeln sich in klingende Worte, die erzählen, schildern,
belehren. In die Tiefen der Wissenschaft führen sie dich ein,
enthüllen dir die Geheimnisse der Menschenseele, erwecken dein
Mitgefühl, deine Entrüstung, deinen Haß, deine Begeisterung. Sie
vermögen dich in Märcheländer zu zaubern, Landschaften von
wunderbaer Schönheit vor dir entstehen zu lassen, dich in die
sengende Wüstenluft zu versetzen, in den starren Frost der
Eisregionen. Das Werden und Vergehen der Welten vermögen sie dich
kennen, die Unermeßlichkeit des Alls dich ahnen zu lassen. Sie
können dir Glauben und Mut und Hoffnung rauben, verstehen deine
gemeinsten Leidenschaften zu wecken, deine niedrigsten Triebe als
die vor allen berechtigten zu feiern. Sie können auch die
gegenteiligen, die höchsten und edelsten Gedanken und Gefühle in
dir zur Entfaltung bringen, dich zu großen Taten begeistern, die
feinsten, dir selbst kaum bewußten Regungen deiner Seele in
kraftvolles Schwingen versetzen. Was können sie nicht, die
kleinen schwarzen Zeichen, deren nur eine so geringe Anzahl ist,
daß jeder einzelne von ihnen alle Augenblick wieder erscheinen
muß, wenn ein ganzes gebildet werden soll, die sich selbst nie,
sondern nur ihre Stellung zu der ihrer Kameraden verändern! Und
hinter die Rätsel dieser Eigenschaft, die ihnen anhaftet, zu
kommen, uns den Weg zu ihren Geheimnissen zu eröffnen wird einem
Kinde zugemutet, und ein Kind vermag's - wenn das nicht ein
Wunder ist. (Marie von Ebner-Eschenbach: Sämtliche Werke, Bd. 4)
"Ferner, verlerne das Lesen nicht. Ich habe aus meinem
Vorrat von Schulbüchern, ehe ich ihn verschenkte, sechs
Stück für dich beiseite gebracht - du wirst sie durch die
Post erhalten -, schlichte Büchlein, von unberühmten
Männern zusammengestellt; wenn du aber alles weißt,
was in ihnen steht, und alles tust, was sie dir anraten;
dann weißt du viel und wirst gut fahren. Lies sie, lies sie
immer, und wenn du mit dem sechsten fertig bist, fange
mit dem ersten wieder an..." (Marie von Ebner-
Eschenbach: Das Gemeindekind)
... der kleinen Eusebio, ein Wunderkind, das in jener
Gegend in aller Munde war. Beinahe von der Wiege an
hatte dieser treffliche Junge eine aufrichtige Liebe für
alte Bücher und für alles, was mit Wissenschaft
zusammenhängt, offenbart. Er kroch noch auf
allen vieren herum, da bestand schon sein Vergnügen
darin, in eine Bettdecke gewickelt, in einer Ecke auf
einer Matte zu hocken und in Folianten zu blättern,
das kahle Köpfchen, gleich einem Gelehrtenhaupt,
über die Großbuchstaben des Katechismus gebeugt.
Etwas älter, geschah es, daß er oft stundenlang
unbeweglich auf einem Stuhl saß, die Beine baumeln
ließ und in der Nase bohrte. Niemals hatte ihn nach
einer Trommel oder einem Gewehr gelüstet. Man
fügte mehrere Papierbögen mit Fäden zu Heften
zusammen, in die der frühreife Gelehrte zum
Erstaunen von Mama und Tantchen tagelang allerlei
Zahlen malte, wobei er seine kleine Zunge ständig
herausstreckte. So war in der Familie seine Laufbahn
bereits vorherbestimmt: er war reich, und so sollte er
zuerst Bakkalaureus und dann Übertribunalrat
werden. (Jose Maria Eca de Queiroz: Die Maias, S. 80)
Armer Alecar! Der Naturalismus, diese gewaltigen und
lebendigen Bücher, in Tausenden von Auflagen
gedruckt, diese unbarmherzigen Analysen, die sich
der Kirche, des Königtums, der Bürokratie, der Finanz,
aller geheiligten Dinge bemächtigt hatten, um sie
erbarmungslos zu sezieren und ihre Schwächen
bloßzulegen, wie es mit Leichen in einem Seziersaal
geschieht; diese neuen Stilrichtungen, die so preziös
und so geschmeidig waren, die dem Lauf, dem Timbre
und dem ganzen Pulsieren des Lebens auf den Fersen
blieben - das alles, was er in seiner
Geistesverwirrung "neumodische Idee" nannte und
was nun unversehens die Kathedrale der Romantik in
Stücke brechen und zusammenstürzen ließ, auf deren
Altar er während so vieler Jahre die Messe
zelebrierte, hatte den armen Alencar
durcheinandergebracht und war zum literarischen
Kummer seines Alters geworden. Anfangs rebellierte
er. "Um der schändlichen Flut endlich einen Damm zu
setzen", wie er unter seinesgleichen sagte, schrieb er
zwei geharnischte Feuilletons. Niemand las sie. Die
"schändliche Flut" griff um sich, wurde höher und
breiter. Da flüchtete sich Alencar in die Moral, wie auf
einen sicheren Felsen. Der Naturalismus mit seiner
Woge der Obzonität drohe die gesellschaftliche
Sittsamkeit zu verderben? Also gut. Er, Alencar,
würde der Paladin der Moral werden, der Wächter der
guten Sitten. Dann also war der Dichter der "Stimmen
der Morgenröte", der zwanzig Jahre lang allen Damen
der Hauptstadt in Liedchen und Oden anrüchige
Anträge machte, der Autor der "Elvira", der in Roman
und Novelle die freie Liebe propagierte, wobei er die
ehelichen Pflichten als Gipfel des Ekels hinstellte,
alle Ehemänner als fette Molche schilderte und allen
Liebhabern die Schönheit, den Glanz und den Genius
des antiken Apoll verlieh, dann also war dieser Tomas
de Alencar, der - wenn man den autobiographischen
Bekenntnissen der "Blume des Martyriums" glauben
darf - selber ein schauderhaftes Leben voller
Ehebrüche, Schlüpfrigkeiten und Orgien zwischen
Samtportieren und Zypernweinen zugebracht hatte
und von nun an streng und unbestechlich, ein einziger
Turm der Züchtigkeit sein wollte, ganz plötzlich dazu
übergegangen, aufmerksam über Presse, Buch und
Bühne zu wachen. Und kaum gewahrte er in einem
Kuß, der zu laut schallte, oder im Weiß eines
Unterrocks, der zu weit sichtbar wurde, Symtome des
aufkommenden Realismus, da ließ unser Alencar
sogleich über das ganze Land einen gellenden
Alarmschrei erschallen, eilte zur Feder, und seine
Verwünschungen erinnerten (bei leicht
zufriedenzustellenden Akademikern) an das Gebrüll
des Jesaja. Eines Tages jedoch erlebte er eine jener
Offenbarungen, die die stärksten Männern zu Boden
werfen: Je mehr er ein Buch als unsittlich
anprangerte, desto besser verkaufte es sich! Die
ganze Welt kam ihm verdorben vor, und der Autor der
"Elvira" war nun tief gekränkt. (Jose Maria Eca de
Queiroz: Die Maias, S. 186f.)
Jene Unseligen, die sich ziellos zusammenrotten und
töten, indem sie Steine von Brücken werfen oder kleine
Kinder anzünden, werden nicht, was sie sind, weil sie
durch das Computer-Newspeak verdorben worden wären,
sondern weil sie ausgesperrt sind aus der Welt der
Bücher und den Orten, an welchen sie durch Erziehung
und Diskussion mit jener Wertewelt in Kontakt kommen
könnten, die aus den Büchern spricht und auf die
Bücher zurückverweist." (Umberto Eco, Die Bücher und
das Paradies)
Einen schrecklichen Text in sich zu tragen muss für
ein Buch aus Papier eine Hölle sein, stelle ich mir vor.
Wie mag das Leben eines Buches sein, das eine
unglückliche Liebesgeschichte erzählt? Ist das Buch
dann auch unglücklich? Und wenn sein Text eine
Sexgeschichte erzählt, fühlt es sich dann ständig
erregt? Ist es schön, nie aus dem Text austreten zu
können, den man gedruckt in sich trägt? Vielleicht ist
das Leben eines Papierbuches wunderschön, denn es
konzentriert sich sein Leben lang ganz auf die Welt
seines Textes und lebt, ohne zu zweifeln, ohne an all
das zu denken, was außerhalb von ihm geschehen
könnte – und vor allem ohne den Verdacht, dass es
womöglich andere Texte gibt, die dem seinen
widersprechen könnten. (Umberto Eco:
Innerer Monolog eines E-Books)
Den letzten und nicht geringsten Stoß nach der Prosa hin gab endlich auch
die Erfindung der Buchdruckerkunst, indem nun gar an die Stelle des
lebendigen Worts der Buchstabe, in die Stelle des persönlichen mimischen
Sprechers der einsame Leser trat. Das gedruckte Buch hat, wie der
Rechenknecht für das Gedächtnis, für den Geist überhaupt etwas Mumienhaftes,
Stationäres und Abgemachtes, worauf sich zu jeder Zeit bequem ausruhen läßt,
während die lebendige Tradition, solange sie wirklich lebendig, notwendig in
einer beständigen Fortbildung begriffen ist. Durch den Druck ist aber in der
Tat die ganze Literatur ein Buch geworden, in welchem jeder nach Belieben
blättern mag und daraus ein allgemeiner Dilettantismus der Produzenten wie
der Konsumenten entstanden. Ehedem dichtete der Sänger für eine gewisse
ideale Totalität seiner Nation, oder auch für einen bestimmten Kreis
spruchfähiger Freunde und Gönner, und war in beiden Fällen des Verständnisses
und geistigen Widerhalls gewiß; ganz abgesehen davon, daß bei der
Kostbarkeit und zeitraubenden Mühe einer Vervielfältigung der Gedichte
in der Regel nur das Beste sich erhalten und vererben konnte. Jetzt dagegen
bringt jeder Phantast [...] seine wohlfeile Weisheit auf den großen
Plundermarkt.
Ohne Zweifel halten zahlreiche Männer, die ihre Muße der
Literatur widmen, den Zustand der Gegenwart für so
bedeutend, daß sie nicht alles jetzt Geschehende dem
Schweigen und Vergessen überlassen möchten, als wäre es
keiner Erinnerung wert. Sie lieben das Langdauernde und
ziehen es vor, in Schriften, gleich welcher Qualität, herrliche
Taten anderer festzuhalten, anstatt nichts zu schreiben und
den Ruhm ihres eigenen Namens so der Erinnerung der
Nachwelt vorzuenthalten. (Einhard: Vita Karoli magni)
Zu einem gewissen Heiligen fliegen die Vögel: nach
Assisi. Zu einer gewissen Sagengestalt laufen die
Tiere: zu Orpheus. An die Greise auf dem
Marktplatz in Venedig schmiegen sich die Tauben.
Zu Androkles setzte sich der Löwe. An mich
schliegen sich die Büchern. Zu mir fliegen sie,
laufen sie, setzten sie sich. Seit so vielen
Jahren liebe ich sie nun schon: die großen und
kleinen, die dicken und dünnen, frisch
herausgegebene billige Bändchen mit kläglich
knisterndem Schutzumschlag oder bedachtsam in
solides Leder wie in weichen Stiefel gehüllte. Sie
brauchen nicht über die Maßen akkurat zu sein wie
Anzüge, die frisch vom Schneider kommen, noch kalt
wie gestärkte Vorhemdchen. Aber es gebührt ihnen
auch ganz und gar nicht, in fettigen Lunmpen zu
glänzen. Bücher sollen sich in die Hände nehmen
lassen wie ein sauber geschaffenes, handwerkliches
Werkzeug. So sehr liebe ich sie, daß sie
schließlich auch ihrerseits mich zu lieben
begannen. Sie springen in meinen Händen auf wie
saftige Früchte; wie Zauberblumen öffnen sie ihre
Blätter und enthüllen vor mir einen befruchtenden
Gedanken, ein eindrucksvolles Wort, ein
überzeugendes Zitat, eine Illustration. In ihrer
Auswahl bin ich launenhaft. Und sie kommen mir
dabei gern entgegen. Sie schließen mich in ihren
Zauberkreis ein. Einst hatte ich nur ein Zimmer
für die Unterbringung meiner Bücher bestimmt. Doch
Schritt für Schritt begann sich ein Raum nach dem
andern mit einem Ring von Büchern zu umgeben. Nach
der "Bibliothek" kam das Studierzimmer an die
Reihe, nach dem Studierzimmer das Schlafzimmer.
(Serge M. Eisenstein: Bücher lieben mich)
"Wenn der Abend naht, kehre ich heim und gehe in mein
Studierzimmer. Auf der Schwelle streife ich die
verschmutzten, verschwitzten Alltagskleider ab und lege
die höfische Robe an, und in diesem würdigeren Kleid
betrete ich die alten Paläste der Ahnen, wo ich, von
ihnen willkommen geheißen, von jener Speise koste, die
allein mir gehört, für die ich geboren wurde. Und hier
erkühne ich mich, zu ihnen zu sprechen und nach den
Gründen für ihre Taten zu fragen. Und in ihrer
Menschlichkeit antworten sie mir. Und für die Spanne
von vier Stunden vergesse ich die Welt, weiß von keinem
Ärger mehr, fürchte die Armut nicht mehr, bebe nicht
mehr vor dem Tod: ich gehe vollkommen in ihnen auf."
(A. Roger Ekirch: In der Stunde der Nacht. Eine
Geschichte der Dunkelheit, S. 253)
Und zwar ist die Qualität der Dienstleistungen
hierzulande meist umgekehrt proportional zur Größe und
Bedeutung der betreffenden Einrichtung. Die kleine
Filiale der Stadtbibliothek in meiner Nachbarschaft zum
Beispiel stellt, was Höflichkeit, Effizienz und
Zugänglichkeit angeht, die berühmte Bayerische
Nationalbibliothek weit in den Schatten - eine
Institution übrigens, vor deren Betreten ich den
arglosen Leser nur warnen kann. Könnte es sein, daß in
den deutschen Bibliotheken der Wirt allzulange seine
Rechnung ohne den Gast gemacht hat und daß ihnen
Millionen von enttäuschten und verärgerten "Benutzern"
deshalb die politische Unterstützung versagen, ohne die
es mit ihrer Zukunft trübe aussieht? Jedenfalls möchte
ich allen Beteiligten, vom Minister bis zum Portier, zu
einer Exkursion in die Vereinigten Staaten von Amerika
raten. Möglicherweise gingen ihnen dort die Augen auf;
sie würden sich die traurige Kunstfigur des Benutzers
aus dem Kopf schlagen und sich statt dessen auf ihren
wahren Auftraggeber besinnen: einen Menschen, der nicht
vor einem Schalter stehen, sondern einfach lesen
möchte. (Hans Magnus Enzensberger)
Man sollte bedenken, daß Epsteins Aussagen vor 10
Jahren (2001) noch nicht ganz so selbstverständlich
daherkamen, wie sie uns heute vielleicht erscheint:
"Zu den vielen Tyranneien, die das World Wide Web
stürzen wird, gehören die geforderten
Umschlaggeschwindigkeiten des Buchhandels. Auf den
unendlich ausdehnbaren Regalen des Netzes wird Platz
sein für eine tatsächlich unendliche Zahl von
Büchern, die auf Wunsch vervielfältigt oder auf
handliche Lesegeräte oder ähnliche Apparaturen
reproduziert werden können." (Jason Epstein:
Vom Geschäft mit Büchern)
Weiterhin werden diese neuen Technologien die
menschliche Fähigkeit auf die Probe stellen, aus einer
riesigen Auswahl einen echten Wert herauszufiltern;
aber mit diesem Dilemma war der Mensch schon immer
konfrontiert und hat es mit der Zeit stets gut gelöst.
Das World Wide Web steht prinzipiell jedem Möchtegern-
Schriftsteller offen, der vielleicht etwas zu sagen hat
- oder auch nicht - und weiß, wie er es sagen muß.
Mehrere literarische Websites, die bislang aufgetaucht
sind, sind in Wirklichkeit nichts anderes als
Selbstverlage, die ohne Rücksicht auf Qualität alles
veröffentlichen, solange der Autor dafür zahlt. Es ist
höchst unwahrscheinlich, daß aus diesem Mischmasch
Werke von echtem Wert an den Tag kommen. Aber bewährte
Talente werden an bestimmten Orten zusammenfinden, wie
es schon immer gewesen ist. Wie gute Buchhandlungen
werden qualitativ hochwertige Websites in der Folge
Leser anziehen. Der Filter, der einen wahren Wert
erkannt, ist eine Funktion der menschlichen Natur und
nicht bestimmmter Technologien. (Jason Epstein: Vom
Geschäft mit Büchern, S. 27)
"Ich fand einmal ein Finkennest,
und in demselben lag der Rest
von einem Kriminalroman.
Nun sieh mal an:
Der Fink konnt’ lesen!
Kein Wunder, es ist ein Buchfink gewesen."
Manchmal tritt jemand nach einer Lesung an mich heran,
holt verschämt ein zerlesenes Exemplar eines meiner
Bücher hervor und fragt mit leiser Stimme, ob ich es
wohl trotz seines Zustandes signieren würde. Und manche
trauen sich nicht mal das. Deshalb hier zur
Klarstellung: Ich signiere alle von mir geschriebenen
Bücher, egal ob sie am selben Abend frisch gekauft und
eben aus der Plastikhülle geschält wurden oder ob sie
abgegriffen, mitgenommen und viel gelesen aussehen,
Sand diverser Urlaubsstrände zwischen den Seiten
knistert und sich Flecken des Wachhaltekaffees darauf
abzeichen. Wie jeder Schriftsteller liebe auch ich es,
wenn ich sehe, daß das, was ich geschrieben habe, nicht
nur gekauft, sondern auch tatsächlich gelesen wird.
Es gibt Bücher, die liest man, und danach hat man sie
eben gelesen, weiß, was drinsteht, und das war's dann.
Es gibt Bücher, die liest man und hat, während man sie
liest, Vergnügen daran. Es gibt Bücher, die einem so
viel Vergnügen bereiten, daß man sie mehrmals liest.
Und ab und zu - viel zu selten - begegnen einem Bücher,
die einen auf so unerklärliche Weise anrühren, daß man
sie am liebsten gar nicht wieder zurück ins Regal
stellen, sondern immer bei sich tragen würde.
Jedes Buch war mit einem Augenblick in der
Vergangenheit verbunden, die Randbemerkungen und
das Unterstrichene brachten mir die Umstände ins
Gedächtnis zurück, unter denen etwas von mir
unwiederbringlich verlorengegangen war. Im
Gegensatz zu den Menschen, die lesen, um zu leben
oder zu träumen, las ich, um Bilder oder Worte für
Erinnerungen zu finden. Wie Pavese einmal gesagt
hatte, suchen wir, wenn wir lesen, keine neuen
Ideen, sondern Gedanken, die wir schon einmal
gedacht haben und die durch den gedruckten
Buchstaben bekräftigt werden. Uns beeindrucken
Worte der anderen, die in uns etwas mitschwingen
lassen, das bereits uns gehört - das wir bereits
gelebt haben -, und indem sie es mitschwingen
lassen, erlauben sie uns, neue Einblicke in unser
Inneres zu erhaschen. Doch ich wollte nicht länger an
Bücher und Literaturzitate denken, mit denen mein
Gedächtnis vollgestopft war wie ein Nähkästchen mit
alten Knöpfen. (Ramón Díaz Eterovic: Engel und
Einsame, S. 217)
Ein gutes Buch zu schreiben
gilt als eine Kunst.
Ein Buch zu binden
ist nicht minder eine.
Und bringt den, der's vermag
in hohe Gunst.
Was abgenutzt war,
er schafft es in's Reine.
Drum ist kein Dank
jemals an ihn verloren:
Er hat ein Buch
zum zweitenmal geboren.
Was haben Lieblingsautoren noch alles an sich? Sie
teilen die Welt in zwei Bezirke: in die Welt der Bücher
und in die Welt des Alltags. Mit ihnen verkriecht man
sich auf dem Heuboden oder in einer Gartenlaube und
läßt den lieben Gott einen fröhlichen Mann sein, und
dazu hört man die Mäuse piepsen und die Vögel
zwitschern. Und wenn man älter wird und eine Bibliothek
besitzt, und vielleicht eine gewichtige dazu, dann
zieht man sich mit ihnen in das Refugium zurück und
hört auf das Mahlen der Bücherwürmer und auf das
Kichern der Bücherteufel. Man weiß es schon,
Lieblingsautoren zerstreuen und sammeln zugleich, und
wenn man mit ihnen nicht mehr stillsitzen kann, dann
rennt man mit ihnen einfach davon. Irgendwo wird sich
die Neuigkeit schon unterbringen lassen, daß
Lieblingsautoren gar nicht aussterben können. Sie sind
die Erinnerungen an unsere glücklichen Tage. (Elmar
Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der
Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 14)
Lieblingsautoren ist man eben zugetan vom ersten Tage
und man ist bereit, nicht nur ihre Meisterwerke in
Empfang zu nehmen, sondern auch das weniger Geglückte,
das Randständige, ja sogar das Mißratene anzuerkennen.
Als Lieblingsautor kann man geliebt werden von
Millionen, es läßt sich gleichermaßen glücklich
"Lieblingsautor" sein, wenn man nur die Aufmerksamkeit
einer geheimen Bruderschaft empfängt. (Elmar Faber: Die
Allmacht des Geldes und die Zukunft der Phantasie.
Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 15f.)
Lieblingsautoren sind oft erfolgreich. Häufig stehen
sie wie Fixsterne am Himmel, und mit VERSALIEN werden
sie in die Bestsellerlisten eingetragen. Es gibt aber
auch Lieblingsautoren genug, deren Bücher liegen
bleiben und die deshalb in den sonnenbeschienenen
Gefilden des großen Abverkaufs nicht auftauchen. Jetzt
müßte man die Verehrer von Franz Kafka, von Kurt
Schwitters, von Majakowski, von Arno Schmidt, Hans
Henny Jahnn und vielen anderen in den Zeugenstand
rufen. Sie würden uns versichern, daß das literarische
Universum viel größer ist als die Milchstraße und daß
in den Außenbezirken des literarischen Alls mitunter
die nobleren Bewohner siedeln. (Elmar Faber: Die
Allmacht des Geldes und die Zukunft der Phantasie.
Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 15)
Diese Erfahrungen tragen dazu bei, daß man, sobald man
von einem Bestseller spricht, häufig an ein Buch denkt,
an dem irgendwie gedreht worden ist. Aber leider ist
man da sofort auf dem Holzweg. Denn dann müßten ja
diejenigen, die einmal daran "gedreht" haben, wissen,
wie Bestseller gemacht werden. Großer Irrtum, schon
beim nächsten Versuch läuft alles ganz anders, geht mit
Erfolg das schief, was vordem geklappt hat. Insofern
kann man es immer nur beschreiben, wie aus einem Buch
ein Bestseller geworden ist, vorhersehen oder einplanen
kann man ihn nicht. Ich möchte nicht wissen, wie viele
Male bei Autoren und Verlegern und bei Buchhändlern das
Fehlurteil entstanden ist: Bestsellerverdächtig! Und am
Ende kam doch nur ein Flop heraus. Soll man einen
Bestseller ernstnehmen? Das kann man machen, wie man
will. Auf alle Fälle bleibt es eine verzeihliche Sünde,
sich unterhalten lassen zu wollen. Dabei muß man in
Kauf nehmen, daß in der literarischen Küche der
Bestseller häufig Schmalhans oberster Küchenmeister
ist. Die Meisterköche der Literatur wohnen oft in einer
anderen Provinz. Über Bestseller soll man nicht
tiefgründig philosophieren, man soll sich einfach
darüber wundern. Immerhin reicht ihre Spannbreite von
Courth Mahler und der ihr blutverwandten Mamsell
Marlitt bis zu Umberto Eco. Vom kitschigen
Jungmädchentraum bis zum intellektuellen Kabinettstück.
Ist da Wundern nicht angebracht? (Elmar Faber: Die
Allmacht des Geldes und die Zukunft der Phantasie.
Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 25)
Tatsächlich wird ein Bestseller heutzutage nicht
hergestellt und gemanagt, um Literatur zu verbreiten
oder um ein wichtiges Buch vorzuzeigen, sondern um
schlicht und einfach Geld zu verdienen. Die Bestseller-
Hausse hat, wie das eigentlich beim Büchermachen üblich
sein sollte, keinen kulturmissionarischen Hintergrund.
Es wird etwas vermarktet. Vermarktet wird ein Stoff,
ein Thema, eine Person und unsere Freizeit, die wir
dafür opfern sollen. Über Sinnstiftung, die das Buch
bezwecken soll, wird nicht mehr nachgedacht. (Elmar
Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der
Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 26)
Man tut ja immer etwas, um die Welt zu ertragen. Als
Verleger ist man ein praktizierender Idealist. Man
setzt Bücher ins Leben und denkt, daß sie nützen
können. Man erfindet Buchserien und ganze Bibliotheken
und hätschelt sie wie Lieblingskinder. Man stürzt sich
in finanzielle Abenteuer, um ehrgeizige Projekte zu
realisieren. Irgendwann tut man etwas ganz Verrücktes:
Man macht Sachbücher. Es weiß zwar keiner, was das ist,
aber man macht sie. (Elmar Faber: Die Allmacht des
Geldes und die Zukunft der Phantasie. Betrachtungen zur
Bücherwelt, S. 65)
Das Buch haben die älteren Generationen von uns
wahrgenommen als geistiges Gefäß, an dessen
Vergegenständlichung sich stets viele Künste und
Gewerke beteiligt haben. Erst wenn der originelle,
ernste oder witzige Gedanke in Schrift umgesetzt, von
Typographie inszeniert, von Bild und Illustration
umrahmt, von Farbe und Fäden zusammengehalten wird,
erst wenn Papier, Leinen und Leder und andere schöne
Materialien in Kontrast oder zum Zusammenspiel
miteinander gebracht worden sind, erst dann ist das
sinnliche Produkt fertig, das uns den Glauben gibt,
etwas Beständiges, Wertvolles, über den Tag hinaus
Wirkendes in der Hand zu haben. Ich erwarte vom Buch
ein haptisches Vergnügen, eine schöne Anmutung. (Elmar
Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der
Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 75)
Apropos Systematisieren. Zum Alphabet des
Büchersammelns gehört wirklich der Versuch, Bücher
einer bestimmten Art oder eines bestimmten Gebiets zu
einem Ganzen zusammenzubringen, aus Verstreutem wieder
eine Einheit zu machen. Das System ist ein Kennzeichen
des Sammlers, es ist das Gütesiegel seiner Liebhaberei.
Um das System zu realisieren, betreibt er seine Jagd
nach den Büchern und allen dazugehörenden Utensilien,
und da ist es ziemlich gleichgültig, ob der Gegenstand
seiner Neigung ein hochbedeutender oder gegebenenfalls
ein lächerlich kleiner genannt werden kann.
Für den Sammler ist es wichtig, daß er das, was er
einmal begonnen hat, was ihm ans Herz gewachsen ist, zu
einem Thema macht. Der Büchersammler sucht in seinem
Gebiet das Wertvollste, das Seltenste, und er sucht das
Einfachste, das Gängiste, das Alltäglichste auch, wenn
es zu seinem Thema gehört. Darin manifestiert sich sein
Wunsch nach Vollständigkeit. Auf diese Weise wird der
Büchersammler, ein Nichtfachmann zunächst, oft zum
ausgewiesenen Kenner eines Spezialgebiets, und auf
diese Weise stiftet der private Sammler öffentlichen
Nutzen. (Elmar Faber: Die Allmacht des Geldes und die
Zukunft der Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S.
89f.)
Es war nämlich damals noch Mode, jedenfalls im
berühmten Hörsaal 40 der Leipziger Universität, daß vom
Katheder herunter nicht nur die großen Leistungen der
Kunst und Literatur und Philosophie interpretiert
wurden, sondern daß man auch noch etwas über die
Wirkung der Texte und Bilder erfuhr, von wem und in
welcher Form sie auf den Markt gebracht und wie sie
aufgenommen wurden. Der große literarische
Weltenbummler Hans Mayer stellte bspw. dort oben nicht
nur sein Vademecum der Weltliteratur zusammen, sondern
er ließ einen teilhaben, aus welcher Edition, aus
welcher Ausgabe er das Dichterwort geschöpft hatte, und
auch, war es von diesen Ausgaben hielt, und so kam
langsam eine ganze Legion deutscher Verlage ins Spiel,
die an der anmutigen Verbreitung der Literatur
mitgewirkt und die deutsche Bildungsgesellschaft
befördert hatten. Man erfuhr etwas von Hartknoch und
Göschen und Cotta, von Hoffmann und Campe und von
Rütten & Loening, von S. Fischer und Kurt Wolff und von
Rowohlt natürlich, und irgendwann hatte man es intus,
welchem Verleger man bei welcher Gelegenheit über den
Weg trauen konnte und welchem nicht, wessen Kommentare
die fürsorglichen und wessen die schlampigen waren, ob
sie ihre Bücher verspielt, verschnörkelt, heiter oder
ernst, kurz: ästhetisch angemessen eingerichtet hatten.
(Elmar Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft
der Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 76)
Für wichtig halte ich es, daß man seine Büchersammlung
so anordnet, daß man sich darin zurechtfindet und das
man unverstellt an sie herankommen kann. Ich halte
nichts von den imponierenden geschnitzten Möbeln, in
denen die Bücher wie in Museen verstaut werden. Die
Büchersammlung ist der vortrefflichste Hausrat, den man
haben kann, und guter Hausrat soll täglich gebraucht
werden. (Elmar Faber: Die Allmacht des Geldes und die
Zukunft der Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S.
87)
Ein "wunderliches Wechselverhältnis" zwischen Autor und
Verleger herrscht seit Gutenbergs Zeiten. Goethe hat in
'Dichtung und Wahrheit' dem einen Talent und geistigen
Rang, den anderen Begnügung und Genuß eines
ansehnlichen Vorteils bescheinigt. Aus Johann Gottfried
Herders Feder stammt die zornige Verwünschung, die
Verleger möge alle der leidige Teufel holen.
"Verbrennen sollte man Euch, wie Sardanapel, auf Euren
Papierschätzen, mit Weib und Kindern", schreibt er in
einen drohenden Brief an seinen Verleger Hartknoch in
Riga. Napoleon hat gar einen der ihren erschießen
lassen. Und auch modernen Autoren hat es nicht an
Sarkasmen gemangelt, wenn sie über ihre Verleger
meditierten. Als unumschränkte Bescheidwisser und
Engelmacher hat sie Else-Lasker-Schüler verteufelt. Der
Verleger sei phantasie- und gewissenlos, wetterte sie
in ihrem anklagenden Essay 'Ich räume auf'. "Nur die
Vielfalt der Verleger entschuldigt ihre Existenz",
schmollte Alfred Döblin. (Elmar Faber: Die Allmacht des
Geldes und die Zukunft der Phantasie. Betrachtungen zur
Bücherwelt, S. 94)
"Ein Buch, das leben will, muß ein Schutzgeist haben",
hieß es bei Friedrich von Hagedorn. "Mein lieber
Verleger, wir verhalten uns wie Leib und Seele, müssen
daher, wie diese, einander unterstützen, auf das ein
Werk zustande komme, daran der Herr Wohlgefallen habe",
schrieb der ungeliebte Schopenhauer an den Gründer des
Brockhaus-Verlages. "Wie der Prophet, Heilige und
Heiland der alten Religionen ist der Verleger ein
Mittler zwischen Himmel und Volk", notierte der
schriftstellernde Rowohlt-Protagonist Kurt Pinthus, und
er war schießlich einer, der es wissen mußte.
(Elmar Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der
Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 95)
Gutes Aussichten vermittelte auch ein heute vergessener
Autor namens Oehlenschläger seinem Verleger Johann
Friedrich Cotta im Jahre 1810. "Ich werde Sie mit
Dichtungen nach und nach versehen können, und ich
hoffe, daß Sie meine Arbeiten gern annehmen, da
Schiller tot ist, Goethe alt ist, und die meisten
anderen Genien in Deutschland matt oder verrückt sind".
(Elmar Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft
der Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 12)
Soll das Buch nun mit dem Begriff Roman, Erzählung,
Aufzeichnungen ausgewiesen oder noch unverständlicheren
akademischen Formeln vorgestellt werden. Nicht immer
hat man das Glück, daß ein Autor so gut vermitteln
kann, wie es Werner Bergengruen einmal getan hat, als
er nach langer Diskussion für seine 'Rittmeisterin' als
Kompromiß folgenden Untertitel akzeptierte: "Wenn man
so will, ein Roman". Ludwig Renn war da viel
barscher... "Zeitdarstelung" bestimmte er als den
Begriff für seine Bücher. Romane durfte man sie, auch
wenn es welche gewesen wären, nicht nennen. (Elmar
Faber: Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der
Phantasie. Betrachtungen zur Bücherwelt, S. 113)
Als der irische Romancier John McGahern ein kleiner
Junge war, schnürten seine Schwestern einen seiner
Schuhe auf und zogen ihn ihm aus, während er las. Er
rührte sich nicht. Sie setzten ihm einen Strohhut auf.
Keine Reaktion. Erst als sie den Stuhl wegzogen, auf
dem er saß, begann er, seinen eigenen Worten zufolge,
"aus dem Buch zu erwachen". "Erwachen" ist genau das
richtige Verb; es gibt diese besondere Spezies von
Kindern, die aus einem Buch erwachen wie aus dem
abgrundtiefsten Schlummer und sich mühsam durch die
Bewußtseinsschichten einer Realität entgegenarbeiten,
die ihnen weniger real erscheint als der Traumzustand,
aus dem wie gerissen wurden. Ich war ein solches Kind.
(Anne Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse einer
Bibliomanin, S. 9)
"Ex Libris" begann ich zu schreiben, als mir auffiel,
wie befremdlich es ist, daß über Bücher oft geschrieben
wird, als handele es sich um Toaster. Ist diese Marke
besser als jene Marke?`Ist dieser Toaster für 24.95
wirklich das Supersonderangebot? Kein Wort darüber, was
ich in zehn Jahren für meinen Toaster empfinden werde,
nichts über die zärtlichen Gefühle, die ich meinem
alten Toaster vielleicht noch entgegenbringe. Diese
Vorstellung von Lesern als Verbrauchern - der auch ich
mit so mancher Rezension Vorschub geleistet habe - läßt
außer acht, was mir das Wichtigste am Lesen zu sein
scheint: nicht ob man ein neues Buch erwerben will,
sondern wie man die Beziehung zu den alten Büchern
aufrechterhält, deren Textur und Farbe und Geruch uns
so vertraut geworden sind wie die Haut unserer eigenen
Kinder. (Anne Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse einer
Bibliomanin)
George gehört zur Spezies der Anhäufer, ich zu jener
der Unterteiler. Seine Bücher lebten in demokratischer
Gemeinschaft, vereint unter der allumfassenden Flagge
der Literatur. Manche waren vertikal eingeordnet,
andere horizontal, und manche waren allen Ernstes
hinter anderen Büchern versteckt. Meine Bücher waren
nach Nationalität und Sujet balkanisiert. Wie die
meisten Menschen mit ausgeprägter Toleranz für
Unordnung hat George ein tiefverwurzeltes Vertrauen in
dreidimensionale Gegenstände. Wenn er etwas benötigt,
vertraut er darauf, daß es sich einfinden wird, was es
in den meisten Fällen auch tut. Ich hingegen bin davon
überzeugt, daß Bücher, Landkarten, Scheren und
Tesafilmabrollgeräte allesamt unzuverlässige
Landstreicher sind, die sich in alle vier Winde
verstreuen, wenn sie nicht sorgsam hinter Schloß und
Riegel gehalten werden. Meine Bücher kennen daher nur
das Kasernenleben. (Anne Fadiman: Ex libris.
Bekenntnisse einer Bibliomanin)
Seit langem bin ich davon überzeugt, daß jedermann in
seiner Bibliothek ein Kuriositätenkabinett hat. In
diesem Kabinett befindet sich eine kleine und
rätselhafte Auswahl von Büchern, deren Gegenstand in
keinerlei Zusammenhang mit den übrigen Büchern des
Hauses steht und die dennoch bei näherem Hinsehen eine
ganze Menge über ihren Besitzer verraten. Mein
Kuriositätenkabinett enthält 64 Bücher über
Polarexpeditionen: Expeditionsberichte, Tagebücher,
Photosammlungen, Naturgeschichtliches und Handbücher
für Seefahrer. ("Berühren Sie nie eiskaltes Metall mit
feuchten bloßen Händen. Sollten Sie versehentlich mit
bloßer Hand eisiges Metall berühren, urinieren sie auf
die Stelle, um das Metall zu erwärmen und einige
Zentimeter Haut zu retten. Sollten Sie mit beiden
Händen festhängen, haben Sie hoffentlich einen Freund
in der Nähe." (Anne Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse
einer Bibliomanin)
Wir einigten uns darauf, die Bücher nach Themen zu
sortieren - Geschichte, Psychologie, Natur, Reisen und
so fort. Die Literatur sollte nach Ländern unterteilt
werden. (Falls George dieses Vorhaben für übertrieben
erbsenzählerisch hielt, war er zu dem Zugeständnis
bereit, daß es ein wesentlich besseres System war als
das, von dem Freunde uns erzählt hatten. Freunde dieser
Freunde hatten ihr Haus für einige Monate an einen
Innenarchitekten vermietet. Als sie zurückkehrten,
mußten sie feststellen, daß ihre gesamte Bibliothek
nach Farbe und Größe umsortiert worden war. Kurz darauf
hatte der Innenarchitekt einen tödlichen Autounfall.
Ich muß gestehen, daß an dem Abend, an dem uns dies
Geschichte erzählt wurde, jedermann am Tisch zu der
Ansicht neigte, dies sei ihm recht geschehen.) (Anne
Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse einer Bibliomanin, S. 16)
Als ich elf war und mein Bruder dreizehn, nahmen unsere
Eltern uns mit nach Europa. Im Hotel d'Angleterre in
Kopenhagen ließ Kim ein aufgeschlagenes Buch mit dem
Rücken nach oben auf dem Nachttisch liegen, wie er es
so gut wie jede Nacht seines literarischen Lebens
hindurch getan hat. Als er am Nachmittag zurückkam,
fand er das Buch zugeschlagen vor, mit einem Zettel als
Lesezeichen sowie folgender Notiz, unterschrieben von
dem Zimmermädchen, die auf dem Buch lag: Mein Herr, tun
Sie das keinem Buch an. - Mein Bruder war sprachlos.
Wie war es möglich, daß ein so leidenschaftlicher Leser
wie er, der er im Internat nach dem Löschen des Lichts
ein Buch und eine Taschenlampe unter die Bettdecke
geschmuggelt hatte, auf welches Verbrechen als Strafe
der Schlag mit einem Holzpaddeln stand - daß er als
jemand gebrandmarkt wurde, 'der Bücher schlecht
behandelte?' Ich teilte sein Gefühl der Demütigung.
Eine bibliomanischere Familie als die Fadimans konnte
mir nicht vorstellen. Doch mit Ausnahme meiner Mutter
hätten wir uns allesamt in den Augen des jungen
dänischen Zimmermädchens gröbste Büchermißhandlung
zuschulden kommen lassen. (Anne Fadiman: Ex libris.
Bekenntnisse einer Bibliomanin, S. 50)
Das Zimmermädchen glaubte an die ritterliche Liebe. Für
sie war die physische Persönlichkeit eines Buchs
unantastbar, seine Gestalt untrennbar von seinem
Inhalt; als Liebende oblag ihr platonische Verehrung,
das noble, wenn auch fruchtlose Bestreben, den Zustand
vollkommender Unberührtheit auf ewig zu erhalten, in
dem das Buch die Buchhandlung verlassen hatte. Familie
Fadiman glaubte an die körperliche Liebe. Uns waren die
'Worte' eines Buches heilig, doch Papier, Karton, Leim,
Faden und Tinte, die sie transportierten, waren ein
bloßes Gefäß, und dieses so mutwillig zu behandeln, wie
Lust und Pragmatismus geboten, war keine Versündigung.
Malträtierte Bücher zeugten nicht von Achtlosigkeit,
sondern von vertraulichem Umgang. (Anne Fadiman: Ex
libris. Bekenntnisse einer Bibliomanin, S. 51)
Man bedenke nur, was ritterlichen Liebenden entgeht,
wenn sie glauben, das einzige, was sie erlaubtermaßen
mit einem Buch tun dürften, sei, darin zu lesen! Womit
behelfen sie sich, wenn sie Keile, Türstopper, Gewichte
beim Kleben und Beschwerer für Läuferzipfel benötigen?
Als mein Freund, der Kunstgeschichtler, Teenager war,
diente ihm seine geliebte Ausgabe von D'Aulaires
griechische Sagen und Legenden' als
Perkussionsinstrument, auf dem er die Schlagzeugriffs
von Led Zeppelin übte. Eine Philosophieprofessorin an
meinem College, deren Säugling sich in das Porträt
David Humes auf einem Penguin-Taschenbuch verliebte,
ließ den Umschlag in Plastik einschweißen, damit ihre
Tochter ihre ersten Zähne an dem großen Denker erproben
konnte. Menelik II., äthiopischer Kaiser um 1900, kaute
gern Seiten aus seiner Bibel. Betrüblicherweise
verschied er nach dem Verzehr des gesamten 'Buchs der
Könige'. Meneliks Schicksal halte ich nicht für eine
Warnung, unsere Hände und Zähne von unserem Büchern
fernzuhalten; die Lektion, die es uns lehrt, ist
zweifellos die, daß auch Menelik besser seine
Buchseiten hätte einschweißen lassen. (Anne Fadiman: Ex
libris. Bekenntnisse einer Bibliomanin, S. 56/57)
Als Vierjährige baute ich für mein Leben gern Schlösser
unter Verwendung der zweiundzwanzigbändigen Trollope-
Ausgabe meines Vaters in handlichem Kleinoktavformat.
Mein Bruder und ich besaßen auch Bauklötze, doch die
Trollope-Bände waren wesentlich attraktiver:
mitternachtsblau, in der richtigen Größe für
Kinderhände und dank ihrer Flachheit weit besser als
Bauklötze für das Errichten von Toren und Ziehbrücken
geeignet. Inzwischen besitze ich sie. (Anne Fadiman: Ex
libris. Bekenntnisse einer Bibliomanin, S. 164)
Ich kann mir nicht viele bessere Wege vorstellen, einem
Kind den Zugang zu Büchern zu ebnen, als den, dem Kind
zu erlauben, die Bücher zu stapeln, umzudrehen, neu
anzuordnen und von oben bis unten mit seinen
Fingerabdrücken zu versehen. Schier unbegreiflich ist
mir, daß Diana Trilling, die als Kind nur mit
frischgewaschenen Händen einen Band Balzac oder Twain
aus dem Bücherschrank ihrer Eltern nehmen durfte,
später keine Aversion gegen Bücher entwickelt hat.
Unsere Eltern orientierten sich am Modell des
Spielplatzes, ihre Eltern an dem des Operationssaals.
(Anne Fadiman: Ex libris. Bekenntnisse einer
Bibliomanin, S. 165)
Das Aufräumen - eine Tätigkeit, die nie ein Ende finden
konnte, denn er kaufte ununterbrochen Bücher - überließ
er nie einem Sekretär. "Welcher Mensch, der seine
Bücher wirklich liebt", fragte er, "überließe, solange
noch ein Rest Leben in seinem Körper flackert, einem
anderen Menschenwesen die Aufgabe, die Bücher in ihr
Zuhause einzuführen?" (Anne Fadiman: Ex libris.
Bekenntnisse einer Bibliomanin, S. 196)
Mein Vater hat mal überm Lesen vergessen, aufs
Mittagessen aufzupassen. Als ich mit meiner Mutter nach
Hause kam, war die Küche voller Qualm und das Sauerkraut
verkohlt. Mein Vater hatte zwar blaue Wolken zwischen
seinen Augen und dem Buch gesehen, aber, so seine
Entschuldigung: "Das Buch war so spannend, ich konnte
nicht aufhören." Dieses Erlebnis hatte für mich eine extrem
prägende Wirkung. Ich wusste, dass Sauerkraut wichtig
war, aber ich wusste auch, dass Lesen wichtiger ist.
(Rheinischer Merkur, 17.11.2000)
Ihm, der da stiehlet eyn Buch aus dieser Bibliothek,
möge es werden eyn Feuerzeychen in seyner Hannd, auf
dasz sie bedecket sey mit Blattern und Blasen.
Geschlagen sey er mit schwitzender Schwaere unnd
verdorren moege seyn Gemaecht. Lasz ihn darben in
unbeschreiblichem Schmerz, vergeblich rufe er umb
Gnaden und von Elend fliesze über seyn Kelch. Kein Ende
sey seyner Qual bis zur letzten Stunde der Verwesung.
Diweylen aber moegen Buecherwuermer seyn zuckend Gedärm
benagen mit scharfen Zähnden ohn Unterlasz, eyn Zeychen
des Gewürmbes, des uns verdarb Eden und das unsterblich
herrschet über die Suendiger. Und gehet der Dieb
endtlich zu seyner letzten Statt, zu empfangen die
Straffe im Thale Scheol, so moegen ihn heymsuchen ohn
Gnad die Flammen von Gehenna und ihn verzehren auf
immer und ewiglich. (Solomon Falsch, 1760)
Gut gefüttert und ausgeruht ging ich runter in mein
Zimmer und setzte mich vor die Schreibmaschine, das
schwarze Ungeheuer, das mich mit klaffenden weißen
Zähnen anstarrte. Manchmal schrieb ich zehn Seiten. Das
war mir zuwider, denn ich wußte, sobald mir so viel
einfiel, schrieb ich Mist. Ich schrieb die meiste Zeit
Mist. Ich mußte Geduld haben. Ich wußte, daß es kommen
würde. Geduld! Das war die kleinste meiner Tugenden.
(John Fante: Warten auf Wunder, S. 34)
"Mach dir keine Sorgen", sagte sie. "Wart einfach ab,
was kommt. Irgend etwas wird geschehen. Ich weiß es aus
meinen Gebeten." Ich ging zur Bibliothek. Ich schaute
die Illustrierten an, die Bilder darin. Eines Tages
ging ich an die Bücherregale und zog ein Buch raus. Es
war "Ohio" von Winesburg. Ich saß an einem langen
Mahagonitisch und begann zu lesen. Ganz plötzlich
stülpte sich meine Welt um. Der Himmel fiel ein. Das
Buch fesselte mich. Mir kamen Tränen, mein Herz schlug
schnell. Ich las, bis mir die Augen brannten. Ich nahm
das Buch mit nach Hause. Ich las noch eines, eins von
Anderson. Ich las immer mehr, und das Herz wurde mir
schwer, und ich war einsam und verliebt in ein Buch, in
viele Bücher, bis es ganz von selbst kam: Ich saß da
mit einem Stift und einem dicken Schreibblock und
versuchte zu schreiben. Ich schrieb, bis ich das Gefühl
bekam, ich könne nicht weitermachen, weil die Worte
nicht so kamen wie bei Anderson. Sie waren nur
Blutstropfen aus meinem Herzen. (John Fante: Warten auf
Wunder, S. 60)
Seneca betont, dass zur Praxis des Selbst das Lesen
unerlässlich ist, da man nicht alles aus sich selbst zu
schöpfen vermag und auch nicht alle für das
Verhalten notwendigen Vernunftprinzipien allein
entwickeln kann. Ob als Führer oder Beispiel, die Hilfe
der anderen ist unverzichtbar. Aber man darf Lesen
und Schreiben nicht trennen. Man muss 'abwechselnd
beides tun' und 'das eine mit Hilfe des anderen
zügeln'. Während übermässiges Schreiben erschöpft
(Seneca denkt hier an die Arbeit am Stil), führt
übermässiges Lesen zur Verzettelung: 'Es zerstreut
der Bücher Menge.' Wer ein Buch nach dem anderen
liest, ohne jemals innezuhalten, ohne von Zeit zu
Zeit mit dem gesammelten Nektar zum Bienenkorb
zurückzukehren, also ohne Notizen zu machen und
durch Schreiben einen Schatz an Gelesenem
anzulegen, der läuft Gefahr, nichts zu behalten, sich
in den verschiedensten Gedanken zu verlieren und
sich selbst zu vergessen. Schreiben als Mittel, das
Gelesene zu sammeln und sich darüber selbst zu
sammeln ist eine Übung des Geistes, mit der man
sich gegen das grosse Laster der stultitia zu wappnen
vermag, das durch endlose Lektüre gefördert zu
werden droht. Stultitia ist definiert als geistige
Erregung, als instabile Aufmerksamkeit, als ständiger
Wechsel der Meinungen und des Willens und folglich
als unstetes Verhalten angesichts der Dinge, die
geschehen können. Ausserdem richtet sie das Denken
auf die Zukunft, macht den Geist begierig auf
Neuigkeiten und hindert ihn, im Besitz gesicherter
Wahrheit einen festen Punkt zu finden. (Michel
Foucault, Über sich selbst schreiben in: Schriften zu
Literatur, 355f.)
Wirf die Bücher weg, wirf sie endlich weg
es knallt so schön, wenn sie unten
auf dem Pflaster aufschlagen
schön und laut.
Ein Auto rast in einen Roman
während ich alle Briefe zerreiße
und ein Bus überrollt ein paar Gedichte.
Der Polizist trifft das Keyboard
voll zwischen die Tasten
und im Computer spricht der Kanzler
über afrikanische Präsidenten
die Schriftsteller oder Dichter waren
Menschen fraßen oder sangen
wie schwarze Engel ...
Wirf die Bücher weg, wirf sie alle weg
und mit alle meine ich alle.
Das Leben wird begehrenswert leicht
der Wind spielt auf der Straße
und Regen pladdert im weißen Schlamm
in dem das Wort Gehen erscheint
hineingestampft
von mir.
(Jahrbuch der Lyrik 1998/99: München 1998)
Er blätterte weiter und zeigte mir eine zierliche Made.
"Ist das ein Bücherwurm?" fragte ich, obwohl ich das
Tierchen sofort erkannt hatte. "In der Tat. Kann man
eigentlich gar nicht als Ungeziefer bezeichnen. Sie
sind ein wichtiger Bestandteil der BuchWelt. Sie
fressen Wörter und scheiden neue Bedeutungen aus. In
der Außenwelt habt ihr Regenwürmer, die den Boden
auflockern. Bücherwürmer machen hier so etwa das
Gleiche." Ich nickte. "Ohne die Bücherwürmer", fuhr
Perkins fort, "hätten alle Wörter nur eine Bedeutung.
Und jede Bedeutung hätte nur ein Wort. Ihr eigentlicher
Lebensbereich sind die Wörterbücher, aber ihr
segensreicher Wirken wird in der ganzen BuchWelt
verspürt." "Warum werden sie dann überhaupt als
Ungeziefer betrachtet?" "Nun, sie haben auch Nachteile.
Wenn man zu viele Bücherwürmer in seinem Roman hat,
wird die Sprache ganz schrecklich blumig." "Solche
Bücher hab' ich früher ganz gern gelesen", mußte ich
zugeben. (Jasper Fforde: Im Brunnen der Manuskripte)
"Wie geht's denn mit deinem Buch?" fragte ich und nahm
das Strickzeug wieder auf. "Der Ratgeber?" "Nein, das
Opus magnum." Landen dachte einen Augenblick nach, dann
sagte er: "Ich überlege immer, ob man die mangelnden
Fortschritte jetzt eine Schreibblockade, Zögern,
Trödelei oder Unfähigkeit nennen soll." (Jasper Fforde:
Irgendwo ganz anders, S. 18)
Leser, bevor wir miteinander einen Schritt weitergehen,
halte ichs für schicklich, dir bekanntzugeben, daß ich
diese ganze Geschichte hindurch abzuschweifen gedenke,
sooft ich eine Gelegenheit ersehe - und in dieser Sache
bin ich selber ein besserer Richter als irgend solch
ein jämmerlicher Kritiker. Und hier muß ich alle jene
Kritiker sehnlichst ersuchen, sich nicht in Affären und
Arbeiten zu mischen, die sie in keiner Weise etwas
angehen; denn bevor sie nicht die Vollmacht ans Licht
bringen, kraft derer sie zu Richtern eingesetzt sind,
werde ich nie vor ihrem Richterstuhl plädieren. (Henry
Fielding: Tom Jones, S. 12)
Nun hat in Wirklichkeit die Welt den Kritikern ein zu
liebenswürdiges Kompliment gemacht und sie für Männer
von weit größerer Gründlichkeit gehalten, als sie eigentlich
sind. Durch diese Nachgiebigkeit wurden die Kritiker in der
Kühnheit ermutigt, sich diktatorische Gewalt anzumaßen,
und das ist ihnen soweit gelungen, daß sie nun zu Herrn
geworden sind und die Dreistigkeit besitzen, jenen Autoren
Gesetze vorzuschreiben, von deren Vorgängern sie diese
Gesetze ursprünglich empfangen haben. (Henry Fielding:
Tom Jones, S. 226)
Alle Künste und Wissenschaften (selbst die Kritik) erfordern
einen kleinen Grad von Gelehrsamkeit und Wissen. Die
Poesie könnte man freilich für eine Ausnahme halten, aber
sie verlangt wenigstens Silbenmaß oder irgend etwas dem
Silbenmaß Ähnliches, während man hingegen zur Erzeugung
von Novellen und Romanen nichts weiter nötig hat, als
Papier, Feder und Tinte nebst der Handfertigkeit, sich ihrer
zu bedienen. Daß dies die Meinung der Verfasser selbst ist,
läßt sich, wie ich glaube, aus ihren Werken ersehen, und es
muß auch die Meinung ihrer Leser sein, wenn es solche
überhaupt gibt. (Henry Fielding: Tom Jones, S. 587)
In Wirklichkeit aber gibt es noch ein anderes Licht, in dem
man diese modernen Kritiker sehr gerechter und schicklicher
Weise erblicken kann, und das ist das Licht eines
gewöhnliches Verleumders. Wenn ein Mensch, der fremde
Charaktere in keiner anderen Absicht durchschnüffelt, als
um ihre Fehler zu entdecken und sie der Welt bekannt zu
machen, den Titels eines Verleumders, der den Menschen
die Ehre abschneidet, verdient, warum sollte dann nicht ein
Kritiker, der in derselben hämischen Absicht liest, ebenso
schicklich ein Verleumder, der den Büchern die Ehre
abschneidet, genannt werden? (Henry Fielding: Tom Jones,
S. 690)
"Schließlich wurde meine Freundin von mir getrennt und ich
war wieder meiner Einsamkeit überlasse, dem quälenden
Umgang mit meinem eigenen Grübeleien, und mußte
meinen einzigen Trost in den Büchern suchen. Ich las nun
fast den ganzen Tag über. Wieviele Bücher, glaubst du, habe
ich in drei Monaten gelesen" "Das kann ich nicht erraten,
wirklich nicht, Cousine," antwortete Sophie, "vielleicht ein
halbes Schock?" "Ein halbes Schock" Ein halbe Tausend,
mein Kind!" erwiderte die andere.
... so gewährt ihnen der Prolog eine weitere Viertelstunde,
um beim Diner zu sitzen, und das Einleitungskapitel
verschafft ihnen den Vorteil, mit dem Lesen erst auf der
vierten oder fünften Seite statt auf der ersten beginnen zu
dürfen, eine keineswegs triviale und unbedeutende Sache für
Personen, die Bücher in keiner anderen Absicht lesen, als um
sagen zu können, sie hätten sie gelesen, was ein weit
allgemeineres Motiv ist, als man sich gewöhnlich einbildet,
und demzufolge nicht allein Gesetz- und Kontobücher,
sondern auch die Seiten Homers und Virgils, Swifts und
Cervantes durchgeblättert werden. (Henry Fielding: Tom
Jones, S. 1042)
Schon als Kind habe ich Bücher geliebt, habe die
wenigen, die ich als Kind armer Leute besaß,
gehütet wie einen kostbaren Schatz. Als
Elfjährige hatte ich alle Kinder- und
Jugendbücher der Bibliothek des kleinen
Städtchens im Vogelsberg, wo ich aufwuchs,
gelesen und stand mit begehrlichem Blick vor den
Regalen mit den Büchern für die Großen.
Die Bibliothekarin hatte ein Einsehen und lieh mir
fortan auch diese Bücher (allerdings achtete
sie noch ein paar Jahre darauf, daß mir nichts
in die Finger geriet, was sie als "pikant" bezeichnete...)
Wie habe ich diese kleine, alte Dame mit dem
Haarknoten und der Nickelbrille geliebt, die
den Schlüssel hatte zu all diesen Wunderwelten, in
denen ich mich verlor, sobald ich ein Buch aufklappte.
Ich habe Lolita gelesen, Sie hatten mich darum
gebeten. Es ist ein gutes Buch, und deshalb sollten
Sie versuchen, es den Einwohnern von Hardborough
zu verkaufen. Die werden es nicht verstehen, aber
das ist nur gut so. Verstehen macht denkfaul.
(Penelope Fitzgerald: Die Buchhandlung, S. 103)
Ich hatte mich in der tröstlichen Überzeugung an die
Arbeit gemacht, aus Büchern spräche die göttliche
Weisheit höchstselbst, und war am Ende zu der
fadenscheinigen Ahnung gelangt, dass alle Bücher
grandiose Torheiten sind, dazu verdammt, ewig
missverstanden zu werden. Mr. Hung sagte, ein Buch
könne eine ganz neue Möglichkeit eröffnen, das
Leben zu verstehen, es könne ein nie dagewesenes
Universum sein, aber das dauere nicht lang: allzu
bald sei so ein Werk nur mehr eine Fußnote der
Weltliteratur, von Schmarotzern mit Lobhudelei
überhäuft, von den Zeitgenossen verachtet, von
niemandem gelesen. Das Ende aller Bücher ist bitter,
ihr Schicksal ist absurd. Wenn sie die Gunst der Leser
verlieren, sterben sie, und selbst wenn die Nachwelt
den Daumen nach oben hält, werden sie doch immer
missdeutet und entstellt, ihre Autoren werden zuerst
zu Göttern erklärt und später unweigerlich, wenn sie
nicht gerade Victor Hugo sind, zu Teufeln. (Richard
Flanagan: Goulds Buch der Fische, S. 42)
"Gibt es denn im Grunde Schöneres, als abends mit einem Buch am Kamin
zu sitzen, während der Wind den Regen gegen die Fensterscheibe treibt
und die Lampe brennt...? Man denkt an nichts, die Stunden gehen dahin.
Man bleibt wo man ist und durchschweift Länder, die man vor Augen zu
haben glaubt, und unser Denken, dass sich in Fanatsiegebilde verstrickt,
ergeht sich spielerisch in den Einzelheiten oder folgt den Windungen
der Abenteuer. Er verschmilzt mit den Gestalten; es kommt einem so vor,
als schlüge das eigene Herz unter ihren Kostümen. Ist es Ihnen nicht
bisweilen widerfahren, dass Sie in einem Buch einen vagen Gedanken
begegneten, den sie selber gehabt haben, irgendein verschwommenes Bild,
das aus der Ferne wieder zu Ihnen kommt, etwas, wie die uneingeschränkte
Darlegung ihres feinsten, zarten Gefühles?"
Ein junger Dichter schickte dem Meister des modernen
Romans, Gustave Flaubert, einige Proben seines
vermeintlichen Talents und bat ihn um ein rückhaltlos
offenes Urteil. Flaubert, in Fragen der Literatur von
unerbittlicher Strenge, reichte sie ihm postwendend mit
einer vernichtenden Kritik zurück. Der junge Mann war
daraufhin solchermaßen empört, daß er seinem großen
Vorbild eine Aufforderung zum Duell überbringen ließ.
Flaubert reagierte wiederum prompt und unvermittelt:
"Monsieur, ich nehme Ihre Forderung an! Als der
Geforderte obliegt mir die Wahl der Waffen. Ich wähle
die französische Grammatik. Betrachten Sie sich als
getötet!" (Karl Hugo Pruys: Die Republik der
Phrasendrescher. Wortwörtliches einer verunglückten
Sprache, S. 11)
Die Jacke ihres Kostüms hing neben ihr auf einer Stuhllehne.
Ihre Arme waren frei. Dort, wo ihre Weste auf ihrer Schulter
endete, sah ich einen schmalen, schwarzen, spitzenbesetzten
Träger. Sie war entweder vor nicht allzulanger Zeit in sonnigen
Gefilden gewesen oder stammte aus dem Süden. Jedenfalls
hatte ihr Haut eine gesunde Bräune. Vielleicht war sie ja
Italienerin oder Spanierin? Eine Bemerkung eines
Studienfreundes kam mir in den Sinn: "In der Bibliothek kann
ich keinen klaren Gedanken fassen, zu viele schöne Frauen."
(...) Sie saß dort wie schon am Tag zuvor, völlig in ihre Arbeit
versunken. Was immer sie dort las oder erfroschte, schien ihre
Aufmerksamkeit vollständig zu fesseln. Ich hatte die letzten
sechs Monate in Pariser Archiven und Bibliotheken verbracht
und viele Menschen beim Lesen beobachtet. Aber die Art und
Weise, wie diese Frau las und schrieb, hatte eine sonderbare
Intensität. (...) "Excusez-moi, Madame..." Sie hob den Kopf
und schaute mich an. "Oui." Sie erkannte mich offensichtlich
nicht gleich wieder. Ihr Blick maß mich zunächst verwundert,
so schien mir, wurde jedoch sogleich abwehrend. Bevor sie
noch etwas erwidern konnte, sagte ich schnell: "Entschuldige
Sie bitte, daß ich Sie störe. Sie haben drei Bücher entliehen,
die ich gestern bestellen wollte." Ich legte die Leihscheine vor
ihr hin. "Ich weiß, es gehört sich eigentlich nicht, aber ich bin
nur für kurze Zeit hier in Paris, und es würde mir sehr helfen,
wenn ich sie für ein oder zwei Tage benutzen dürfte,
vorausgesetzt natürlich, daß Sie nicht gerade damit arbeiten."
Sie legte den Füller hin und lehnte sich zurück. "Pardon?"
fragte sie. Ich versuchte zu lächeln, aber plötzlich wurde mir
bewußt, was ich gerade getan hatte. ich hatte eine wildfremde
Frau um einen etwas intimen Gefallen gebeten. Ich wollte ihre
Bücher. (Wolfram Fleischhauer: Die Frau mit den
Regenhänden, S. 92)
"Das ist doch alles nicht wahr, was Sie mir da erzählen? Das
hört sich ja an wie eine Gruselgeschichte aus der Feder Ihres
großen Landsmannes Dickens." "Dickens ist ein großer
Schriftsteler. Aber wissen Sie, warum er dazu auch noch
erfolgreich ist?" Antoine wußte es nicht. "Weil er von den
grauenvollen Zuständen, die er beobachtet hat, nur die Hälfte
erzählt, die erträglichere Hälfte, die er dazu noch durch eine
feine Ironie dämpft, die dem Mitleid mit seinen Figuren
gewachsen ist. Die Wirklichkeit ist unendlich schlimmer, als
daß man sie in einem Roman beschreiben könnte. Man
könnte es vielleicht, aber niemand würde das lesen. (Wolfram
Fleischhauer: Die Frau mit den Regenhänden, S. 292)
"Es stimmt einfach nicht, was er schreibt", sagte Scholl.
"Balzac klingt nicht echt. Er ist vielleicht ein Genie, wenn ihr
wollt, aber er ist ein Ungeheuer." "Aber wir sind doch alle
Ungeheuer", sagte Aubryet. "Wer hat diese Zeit dargestellt?
Wo ist unsere Gesellschaft, in welchem Buch, wenn nicht bei
Balzac?" "Alles Einbildung und Erfindung", schrie Gaboriau
dazwischen, während Millie den Schäferhund streichelte. "Ich
kenne diese Rue de Langlade, sieht überhaupt nicht so aus
wie im 'Glanz und Elend der Kurtisanen'". "Und wo finden wir,
bitteschön, die Wirklichkeit beschrieben?" fragte Marivol. "Bei
Madame Sand vielleicht?" "Du liebe Zeit", schaltete sich jetzt
Millie ein, "Madame Sand ist doch viel wahrhaftiger als Balzac."
"Tatsächlich?" "Echte, menschliche Leidenschaft."
"Leidenschaft ist doch immer menschlich." "Balzac hat einfach
einen knotigen Stil", sagte jetzt Scholl, "das ist alles so
verkrampft und gekünstelt. Chinesische Reisplatte, sagte ich.
Man weiß gar nicht, wo man zuerst reinbeißen soll." "Madame
Sand wird man noch in hundert Jahren lesen", schob Millie
dazwischen. "Leider wahr", schnaubte Rochfort, "es geht
eben immer abwärts mit der Welt." "Ein alter Hut, viele zu
kompliziert. Lest die Griechen, sage ich. Jawohl." Diese
intelligente Bemerkung kam von Scholl, der nachweislich kein
Wort Griechisch konnte. "Homer, sage ich nur, Homer."
"Homer kennt doch sowieso keine Sau", grölte jetzt Aubryet.
"Wer Homer liest, liest automatisch das, was Bitaube mit
seinem Wörterbuch daraus gemacht hat. Der schlechteste
psychologische Roman erschüttert mich mehr als die ganze
Illias." "Gotteslästerung", schrien zwei gleichzeitig. "Das ist ja
komisch", sagte jetzt Gaboriau, der Millie einen Kuß auf die
Backe gedrückte hatte. "Man darf den Kaiser beleidigen, den
Papst, den Himmel und die Kirche, aber die Illias ist heilig."
"Was hat der kleine Zeitungspisser über Dante gesagt?"
wollte Rochefort von Marivol wissen. "Homer, nicht Dante.
Irgendwas über Psychologie. Aber es stimmt sowieso nicht.
Schauen Sie, der Schäferhund kotzt gleich." (Wolfram
Fleischhauer: Die Frau mit den Regenhänden, S. 296)
Ich hatte die Bücher, aber auf die Bücher ist nicht
immer Verlass. Man braucht eine besondere Art von
Liebe und Geduld, damit sich die Bücher öffnen und
zu einem sprechen. Außerdem braucht man auch eine
eine besondere Art Offenheit, sonst sieht man nur,
was man will. Was bequem ist. Es gibt Bücher, die
eine eigene Stimme haben, und man kommt vorwärts
mit ihnen. Die meisten Bücher aber sind
Wiederholungen, im besten Fall angenehme
Wiederholungen, man macht durch sie keine Sprünge.
Sie haben keine kräftige Stimme, egal wie gut der
Vorleser ist. Ich würde höchstens eine Handvoll
Bücher mit ins Grab nehmen. (Catalin Dorian
Florescu: Der blinde Masseur)
Über dieser Kommode befand sich eine Bücheretagère
von Nußbaumholz, auf deren oberstem Bord allerlei
Meißner und chinesisches Porzellan stand, links und
rechts zwei kleine Pagoden. Sie setzte dieselben in
Bewegung und sah ihrem gravitätischen Kopfnicken
zu. Dann aber nahm sie neugierig einige Bände. "Was
mag man nur früher hier gelesen haben?" Es waren
deutsche, französische, namentlich aber englische
Bücher in buntester Reihenfolge. Werthers Leiden und
Thomas a Kempis 'Nachfolge Christi' standen friedlich
nebeneinander; dann kamen die Canterbury Tales in
einer illustrierten Prachtausgabe, zuletzt aber
Rousseau, mehrere Bände. Nichts war da, was auf
einen bestimmten Geschmack hingedeutet hätte, nur
auf jene literarisch gebildete Teilnahme, wie sie
während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
in der Mode war. (Theodor Fontane: Graf Petöfy, S.
98)
Es war noch nicht spät, und Franziska nahm auf gut
Glück ein Buch vom Bücherbord. Es war ein Band von
Rousseau, die 'Confessions', und sie sah im
Durchblättern, daß wenigstens auf den ersten fünfzig
Seiten viele dünne Bleistiftstrichelchen an den Rand
gemacht worden waren. Die Leserin indes, sehr
wahrscheinlich die Mutter des Grafen, schien sich im
Weiterlesen immer ablehnender gegen den Autor
verhalten zu haben, denn der Strichelchen, die ganz
unzweifelhaft Zustimmung ausdrücken sollten,
wurden immer weniger und der Fragezeichen immer
mehr. In der Mitte des Buches aber lag ein weißes,
goldgerändertes Blatt mit einem Spruch darauf, und
dieser Spruch selbst lautete: "Vor jedem steht ein
Bild des, was er werden soll. Solang er das nicht ist,
ist nicht sein Friede voll." Franziska stutzte. "Wie
schlicht", sagte sie, "wie nüchtern fast! Und doch
bewegt es mich. Und warum? Ist es, weil ich das 'Bild
dessen, was ich werden soll', ahnungsvoll bereits vor
mir sehe, oder ist es umgekerht, weil ich es nicht
sehe? Sonderbar." (Theodor Fontane: Graf Petöfy, S.
143f.)
"Ich habe 'Bellis perennis' auf eigne Kosten
verschickt, unter Beilegung eines Zettels; der ist denn
auch von einigen Zeitungen abgedruckt worden, aber nur
von ganz wenigen. Im übrigen schweigt die Kritik." "Oh,
Krittikk", sagte Wrschowitz. "Ich liebe Krittikk. Aber
gutte Krittikk schweigt." "Und doch", fuhr Szilagy
fort, der sich in dem etwas delphischen Ausspruch des
guten Wrschowitz nicht gleich zurechtfinden konnte,
"doch sind diese schmerzlichen Gefühle nichts gegen
das, was voraufgegangen. Ich unterhielt nämlich vor
Erscheinen des Buches selbst die Hoffnung in mir,
einige dieser kleinen Arbeiten in einem Parteiblatt
und, als dies mißlang, in einem Familienjournal
unterbringen zu können. Aber ich scheiterte..." "Ja,
natürlich scheiterten Sie", sagte Pusch, "das spricht
für Sie. Lassen Sie sich sagen und raten, denn ich weiß
in diesen Dingen einigermaßen Bescheid. War nämlich
drüben, ja ich darf beinah sagen, ich war doppelt in
Amerika. Da versteht man's. Ja, du lieber Himmel, dies
bedruckte Löschpapier! Man lebt davon, und es regiert
eigentlich die Welt. Aber, aber... Und dabei, wenn ich
recht gehört habe, sprachen Sie von Familienjournal -
zweimal furchtbar!" "Haben Sie selbst Erfahrungen
gemacht auf diesem schwierigen Gebiete?" "Nein, Herr
von Szilagy, so tief ließ mich die Gnade nicht sinken.
Aber ich treibe mein Wesen über dem Strich, und wenn
man so Wand an Wand wohnt, da weiß man doch
einigermaßen, wie's bei dem Nachbar aussieht. Ach, und
außerdem, wie so mancher hat mir sein Herz
ausgeschüttet und mir dabei seine liebe Not geklagt!
Wer's nicht leicht nimmt, der ist verloren. Roman,
Erzählung, Kriminalgeschichte. Jeder, der der großen
Masse genügen will, muß ein Loch zurückstecken. Und
wenn er das redlich getan hat, dann immer noch eins. Es
gibt eine Normalnovelle. Etwa so: tiefverschuldeter
adeliger Assessor und 'Sommerleutnant' liebt
Gouvernante von stupender Tugend, so stupende, daß
sie, wenn geprüft, selbst auf diesem schwierigsten
Gebiete bestehen würde. Plötzlich aber ist ein alter
Onkel da, der den halb entgleisten Neffen an eine
reiche Cousine standesgemäß zu verheiraten wünscht.
Höhe der Situation! Drohendster Konflikt. Aber in
diesem bedrängten Moment entsagt die Cousine nicht nur,
sondern vermacht ihrer Rivalin auch ihr Gesamtvermögen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute
noch... Ja, Herr von Szilagy, wollen Sie damit
konkurrieren?" (Theodor Fontane: Der Stechlin, S. 283)
Damals gab es beim Schreiben noch ganz andere Dinglichkeiten
und Probleme: ...saß Lewin in Briefen, die der Erledigung
harrten. (...) einige noch nicht fertig und nur erst auf
der ersten Seite beschrieben. Denn Lewin haßte das Aufstreuen,
ein Punkt, in dem er ausnahmsweise mit Kathinka übereinstimmte.
"Ein Liebesbrief mit aufgestreutem Sand", pflegte diese zu
sagen, "da wird die Liebe gleich mit verschüttet und begraben." -
Ansonsten war man aber auch für unterwegs gut gewappnet:
"...nahm ein Karlsbader Schreibnecessaire aus dem Koffer,
das, wenn man es aufklappte, ein schräges Pult bildete."
(Theodor Fontane: Vor dem Sturm)
Sie tranken Brandy und hörten Francis zu, der von
seiner Arbeit erzählte. Er genoß, sagte er, die
Vorteile der Anonymität; er war ein so wenig
verlockender Happen, daß kein großer Verleger sich
die Mühe machte, ihn zu verschlucken, und er hatte
nicht nur die Freiheit, so ungefähr das zu publizieren,
was er wollte, sondern entging dadurch, daß er sich
von der Belletristik fernhielt, den entsetztlichen
Zwängen der Mode. (Paula Fox: Was am Ende bleibt,
S. 70)
"Mein Freund, der Herr Pfarrer Safrac, ist hochgelehrt
und dabei ein Muster an Tugend." "Das sagt man.
Man sagt aber auch noch etwas andres." "Und was
sagt man denn, mein Freund?" "Die Leute reden
manches, und ich lasse sie reden." "Aber was reden
sie denn?" "Ach, es gibt viele Leute, die glauben, daß
der Herr Pfarrer weissagen kann und die Menschen
behext!" "Welch ein Unsinn!" "Ich habe das ja nicht
gesagt, mein Herr. Aber wenn der Herr Pfarrer nicht
weissagen und hexen kann, weswegen liest der da so
viel in den Büchern?" (Anatole France: Erzählungen,
S. 22)
"Ach, meine Bücher!... In einem Buch kann man niemals das sagen,
was man sagen möchte. Es ist einfach unmöglich!... Nun ja, ich
weiß schließlich ebensogut mit der Feder umzugehen wie mancher
andere. Aber all dieses Reden und Schreiben ist so armselig. Wenn
man darüber nachdenkt: diese kleinen Zeichen, aus denen man die
Silben, die Worte, die Sätze macht, sind ein rechter Jammer. Was
wird aus den Ideen, aus all den schönen Gedanken, die von diesen
erbärmlichen, trivialen und dabei doch wunderlichen Hieroglyphen
abhängig sind? Was macht der Leser aus meiner geschriebenen
Seite? Eine Folge von Scheinsinn, Widersinn und Unsinn. Lesen und
Hören ist dasselbe wie Übersetzen. Es mag ja schöne Übersetzungen
geben, aber niemals getreue. Was hilft es mir, wenn die Leute
meine Bücher bewundern, sie bewundern ja doch nur, was sie selbst
hineinlegen. Jeder Leser schiebt uns seine eigenen Gedanken
unter, unsere Bücher sind nur dazu da, um seine Phantasie zu
kitzeln. Und es ist schrecklich, für so etwas Stoff zu liefern.
Es ist ein niederträchtiges Handwerk." (Anatol France: Die rote
Lilie)
Wär' ich ein Buch zum Lesen,
welche Art von Buch wär ich?
Eins, das noch nie dagewesen,
wäre ich ein Buch für dich?
Oder legtest du nach dem ersten Satz
die Story aus der Hand?
Ein ungelesener Band,
der dir niemals am Herzen liegt,
weil sein Papier mehr als der Inhalt wiegt?
Wär' ich ein Buch im Leben,
würdest du mein Leser sein?
Gäbe es kein Buch, dann eben
wäre jede Seite dein.
Bliebest du mir treu bis zum letzten Wort,
wie immer es auch heißt?
Auch wenn du es längst weißt.
Ein Buch, das du von Neuem liest,
in dem du dich oft selbst beschrieben siehst.
Wirst du versteh'n, was ich sagen will,
und nur zwischen den Zeilen steht,
Was kein Satz verrät.
Ein Buch, das mit dir weint und lacht,
das dein Begleiter ist bei Tag und Nacht,
mit dir träumt und mit dir wacht.
Das Buch, das du manchmal haßt und liebst,
das du mit mir schriebst, es wird mit dir enden.
Jener Band, der Bände spricht,
er verläßt dich nicht,
wenn das Blatt sich wenden wird.
Wär' ich ein Buch im Leben,
würdest du mein Leser sein?
Gäbe es kein Buch, dann eben
wäre jede Seite dein.
Bliebest du mir treu bis zum letzten Wort,
wie immer es auch heißt?
Auch wenn du es längst weißt.
Ein Buch, das du von Neuem liest,
in dem du dich oft selbst beschrieben siehst,
seine Story kennst,
die du genauso haßt wie liebst,
die du mit mir schriebst,
sie wird mit dir enden.
Jener Band, der Bände spricht,
er verläßt dich nicht,
"Hier ruht der Körper des Buchdruckers
Benjamin Franklin, den Würmern zur Nahrung
wie der Deckel eines alten Buches, dessen
Inhalt herausgerissen, ohne Titel und
Vergoldung. Jedoch das Werk selbst ist nicht
verloren gegangen, sondern wird, wie er glaubte,
neu erscheinen in neuer und feinerer Ausgabe,
durchgesehen und verbessert vom Verfasser."
Diese Text schrieb Franklin im Alter von
23 Jahren für seine Grabinschrift, die
aber so nicht zur Ausführung kam.
Eine außergewöhnliche Erstausgabe eines
außergewöhnlichen australischen Autors. So
außergewöhnlich, daß ich dir auf Anhieb gar nicht mehr
sagen kann, wer es war - ich habe das Buch nämlich
sorgfältig in einem der neuen Regal verstaut, die wir jetzt
endlich alphabetisch geordnet haben, und weiß nicht mehr,
mit welchem Buchstaben sein Name angefangen hat.
(Michael Frayn: Wie macht sie's bloß? S. 103)
So viele Bücher, wie ich auslieh, konnte ich
ebensowenig lesen wie die vielen, vielen Bücher, die
ich späterhin Jahr für Jahr kaufte und zu einer
eigenen Universal-Bibliothek zusammenfügte. Bücher
um mich zu versammeln, gelesene und ungelesene,
war und ist jedoch mein höchstes Glück. Meine
unbändige Leseneugier überforderte stets meine
Lesekapazität; trotzdem erfaßte ich intuitiv, was es
mit manchen Büchern auf sich hatte, die ich nur in die
Hand nahm und in ihnen blätterte. Ich begriff schnell,
worum es ging oder zu gehen schien. Schließlich war
ich das, was man einen Autodidakten, einen Selbst-
Lehrer nennt. Niemand führte mich zu bestimmten
Büchern hin. Ich war ein Nichtschwimmer, der sich
ohne äußere Hilfe das Schwimmen beibrachte - erst in
seichteren Gewässern, dann in tiefen. Ich entdeckte
Inseln und Korallenriffe und sogar ferne Ufer, deren
Wahrnehmung ich erst zu einem Lese-Puzzle
zusammenfügen musste. So zog ich auf meiner
Puzzle-Suche Treffer und Nieten aus den
Karteikärtchen der Landesbibliothek. […]
Bücherträume - ich träumte sie damals wie andere
von Schlössern träumen oder von Weltreisen oder von
großen Karrieren. Bücher erschienen mir als eine
Bereicherung, die durch Millionen nicht aufgewogen
werden konnte. Sie waren (und sind) mein
Grundkapital der persönlichen Existenz.
(Heinz Friedrich: Erlernter Beruf: Keiner, S. 94)
Was zuweilen am meisten fesselt, sind die Bücher,
die zum Widerspruch reizen, mindestens zum
Ergänzen: - es fallen uns hundert Dinge ein, die der
Verfasser nicht einmal erwähnt, obschon sie immerzu
am Wege liegen, und vielleicht gehört es überhaupt
zum Genuß des Lesens, daß der Leser vor allem den
Reichtum seiner eignen Gedanken entdeckt.
Mindestens muß ihm das Gefühl erlaubt sein, das
alles hätte er selber sagen können. Es fehlt uns nur
die Zeit, oder wie der Bescheidene sagt: Es fehlen
uns nur die Worte. Und auch das ist noch eine holde
Täuschung. Die hundert Dinge nämlich, die dem
Verfasser nicht einfallen, warum fallen sie mir selber
erst ein, wenn ich ihn lese? Noch da, wo wir uns am
Widerspruch entzünden, sind wir offenbar die
Empfangenden. Wir blühen aus eigenen Zweigen,
aber aus der Erde eines andern." (Max Frisch:
Tagebuch 1946-1949, S. 91)
Ich stellte mir also die Aufgabe, das alte Repertoire
von kindlichen Themen und kaum erwachten Gefühlen
durchzumustern. Es war eine Art Generalbereinigung,
bei der ich mein eigener Richter war. Aus den
zahllosen literarischen Sünden einer früheren
Altersstufe stellte ich dann zwei Gedichtbände
zusammen, gab ihnen einen Titel, der ihren
vorfrühlingshaften Charakter zum Ausdruck brachte,
verfaßte ein Vorwort, das sie wenigstens vor der
Lächerlichkeit schützen sollte, und veröffentlichte sie
anonym. Die Bücher erschienen und wurden schnell
vergessen. Ich tat nichts, um sie vor der
Vergessenheit zu retten, denn ich war überzeugt, daß
nur diejenigen Dinge dauern, die es verdienen, und
daß kein Sonnenstrahl im ganzen Weltall
verlorengehen kann. (Eugène Fromentin: Dominique,
S. 244)
Eines Tages nahm ich eine Prüfung vor, die mir den
überzeugendsten Beweis für die Richtigkeit meiner
Auffassung gab. Ich wählte aus meiner Bibliothek
eine Anzahl Bücher, die sämtlich von Zeitgenossen
verfaßt waren, suchte mich beim Lesen ungefähr so
einzustellen, wie die Nachwelt sich bestimmt noch
vor dem Ende unseres Jahrhunderts einstellen wird,
fragte mich bei jedem Buch, welchen Anspruch auf
Dauer es machen könnte, und erwog vor allem, mit
wieviel Recht jeder Verfasser sein Werk für
nutzbringend halten könnte. Es ergab sich, daß nur
sehr wenige Bücher die Hauptbedingung für ihr
Fortleben erfüllten: nur sehr wenige waren notwendig.
Viele hatten die Zeitgenossen vorübergehend ergötzt,
aber eben kein anderes Resultat gehabt, als daß sie
gefielen und dann vergessen wurden. Einige gaben
sich fälschlich den Anschein, eine notwendige
Aufgabe zu erfüllen; und die Gegenwart, die sie aus
allzu großer Nähe sah, mochte sich von ihnen auch
täuschen lassen. Aber die Zukunft würde es
übernehmen, ihre Bedeutung richtig abzugrenzen.
Nur eine zum Erschrecken kleine Anzahl von Büchern
besaß jene seltene Eigenschaft, an der man
unbedingt und unzweifelhaft jede wahre Schöpfung
göttlichen und menschlichen Ursprungs erkennt: sie
ließen sich zwar nachahmen, aber nicht ersetzen; und
nur von ihnen konnte man also sagen, daß sie der
Welt gefehlt haben würden, wenn sie nicht vorhanden
gewesen wären. (Eugène Fromentin: Dominique, S.
248f.)
Was für das Gespräch gilt; trifft gleichermaßen für das
Lesen zu, das eine Zwiesprache zwischen Autor und Leser
ist oder sein sollte. Natürlich ist es beim Lesen
(ebenso wie beim Gespräch) wichtig, "was" ich lese
(oder mit wem ich rede). Einen kunstlosen, billig
gemachten Roman zu lesen ist eine Form des Tagträumens.
Es gestattet keine produktive Reaktion, der Text wird
geschluckt wie eine belanglose Fernsehsendung oder die
Kartoffelchips, die man gedankenlos beim Zuschauen ißt.
Einen Roman von Balzac zum Beispiel kann man dagegen
produktiv und mit innerer Anteilnahme, das heißt in der
Weise des Seins lesen. Doch auch solche Bücher werden
wahrscheinlich meist in einer Konsumhaltung - in der
Weise des Habens - gelesen. Da seine Neugier erregt
ist, will der Leser die Handlung wissen, er will
erfahren, ob der Held stirbt oder am Leben bleibt, ob
sich das Mädchen verführen läßt oder nicht. Der Roman
ist in diesem Fall eine Art Vorspiel, das ihn erregt,
der glückliche oder unglückliche Ausgang ist der
Höhepunkt. Wenn er das Ende weiß, hat er die ganze
Geschichte, fast so wirklich, als habe er in seinen
eigenen Erinnerungen gewühlt. Aber er hat keine
Erkenntnisse gewonnen. Er hat seine Einsicht in das
Wesen des Menschen nicht vertieft, indem er die
Romanfigur erfaßte, noch hat er etwas über sich selbst
gelernt. Auch für philosophische oder historische Werke
gilt die gleiche Unterscheidung. Die Art - oder Unart
-, wie man ein philosophisches oder historisches Buch
liest, ist ein Resultat der Erziehung. Die Schule ist
bemüht, jedem Schüler eine bestimmte Menge an
"Kulturbesitz" zu vermitteln, und am Ende seiner
Schulzeit wird ihm bescheinigt, daß er zumindest ein
Minimum davon . Es wird ihm deshalb
beigebracht, ein Buch so zu lesen, daß er die
Hauptgedanken des Verfassers wiedergeben kann. Auf
diese Weise "kennt" er Plato, Aristoteles, Descartes,
Spinoza, Leibnitz und Kant bis hin zu Heidegger und
Sartre. Die verschiedenen Bildungsstufen von der
Oberschule bis zur Hochschule unterscheiden sich
vornehmlich hinsichtlich der Menge des vermittelten
Bildungsgutes, das etwa im Verhältnis zur Menge des
materiellen Besitzes steht, über den der Schüler im
späteren Leben wahrscheinlich verfügen wird. Als
hervorragend gilt jener Schüler, der am genauesten
wiederholen kann, was jeder einzelne Philosoph gesagt
hat. Er gleicht einem beschlagenen Museumsführer. Was
er nicht lernt, ist das, was über diesen Wissensbesitz
hinausgeht. Er lernt nicht, die Philosophen in Frage zu
stellen, mit ihnen zu reden, gewahr zu werden, daß sie
sich selbst widersprechen, daß sie bestimmte Probleme
ausklammern und manche Themen meiden. Er lernt nicht
unterscheiden, weil sie zu seiner Zeit als "vernünftig"
galten, und dem Neuen, das er beitrug. Er spürt nicht,
wann der Autor nur seinen Verstand sprechen läßt und
wann Herz und Kopf beteiligt sind, er merkt nicht, ob
der Autor authentisch oder ein Schaumschläger ist - und
vieles andere. Der Leser in der Weise des Seins kann
dagegen zu der Überzeugung gelangen, daß selbst ein
hochgelobtes Buch mehr oder weniger wertlos ist.
Vielleicht versteht er auch ein Buch manchmal besser
als der Autor selbst, dem alles, was er schrieb,
wichtig erscheint. (Erich Fromm: Haben oder Sein, S.
43f.)
Ich bitte Sie, Herr Vorsitzender, es nicht als
pathetisch zu nehmen, wenn ich sage, daß literarische
Talente auch im Sozialismus nicht so sehr üppig gesät
sind, und daß jeder Mensch sein Leben nur einmal lebt.
Für einen Schriftsteller heißt das: in diesem seinem
Leben jenes Werk schaffen, daß nur er zu schaffen
vermag. Man wird ihn einmal nur danach, nur nach
diesem seinem Werke beurteilen, selbstverständlich mit
all seinen möglichen - und im künstlerischen Schaffen
auch ganz unvermeidlichen - Irrtürmer und Irrwegen, und
man wird die Gesellschaft, darin er gelebt, nicht
zuletzt nach dem Maße beurteilen, in dem sie ihren
Begabungen und Talenten (und vielleicht Genies) ein
Wirken ermöglichte, oder erschwerte, oder nicht
ermöglichte. (Franz Fühmann an Erich Honecker,
17.5.1979)
Es ist aber schon immer so gewesen, dass
Neuerscheinungen aus dem einzigen Grund, weil
sie eben neu sind, auch die Neugier des Publikums
stärker reizen als ein schon längst erschienenes
Buch oder gar ein Klassiker. Die Verlagswerbung
will uns ja in jeder Saison glauben machen, daß
pünktlich zu Messezeiten lauter Meisterwerke
erscheinen, die in der nächsten Saison dann wieder
gnädig vergessen sind. Jede Neuerscheinung ist
gegenüber einem älteren Buch im Vorteil: Ihr gilt
nämlich die Aufmerksamkeit der Medien. "Jedes
Buch", meinte der Geisteswissenschaftler George
Steiner, "tritt zu einem Hasardspiel gegen das
Vergessen an, schließt eine Wette gegen das
Verstummen ab, die es nur gewissen kann, wenn
es wieder geöffnet wird."
[Nach oben]
|
|