Buchhandhabungvon Flann O'Brien Neulich habe ich dem Haus eines frischverheirateten Bekannten einen Besuch abgestattet, und dieser Besuch gab mir zu denken. Mein Bekannter ist sehr vermögend und sehr vulgär. Als er sich darangemacht hatte, Bettstellen, Tische, Stühle und was nicht alles zu kaufen, kam ihm die Idee, auch noch eine Bibliothek anzuschaffen. Ob er lesen kann, weiß ich nicht, aber irgendeine primitive Beobachtungsgabe sagte ihm, daß die meisten Menschen von Rang und Ansehen jede Menge Bücher im Haus haben. Also kaufte er mehrere Bücherschränke und bezahlte einen schurkigen Mittelsmann dafür, sie mit neuen Büchern aller Art vollzustopfen, darunter einige sehr kostspielige Bände, welche die französische Landschaftsmalerei zum Thema hatten. Ich bemerkte bei meinem Besuch, daß keins dieser Bücher geöffnet oder angefaßt worden war, und erwähnte diese Tatsache- "Wenn ich mich erst mal ein bißchen eingelebt habe", sagte der Narr, "komme ich wieder dazu, etwas Lektüre nachzuholen." Und das gab mir zu denken. Warum sollte so ein wohlhabender Mensch sich die Mühe machen und so tun, als läse er überhaupt? Warum sollte da nicht ein professioneller Buchhandhaber auf den Plan treten und seine Bibliothek für Soundsoviel pro Regal angemessen zerzausen? So ein Mensch könnte, die nötige Qualifikation vorausgesetzt, ein Vermögen verdienen. 4 Eselsohren 1 PennyLassen Sie mich erklären, was ich meine. Die Ware in einer Buchhandlung sieht völlig ungelesen aus. Anderseits sieht das Latein-Wörterbuch eines Schuljungen so gelesen aus, daß es fast in Fetzen fällt. Man weiß, daß das Wörterbuch vielleicht eine millionmal aufgeschlagen und überflogen wurde, und wenn man nicht wüßte, daß es so etwas wie Ohrfeigen gibt, würde man folgern, daß der Junge völlig versessen auf Latein ist und es nicht erträgt, von seinem Wörterbuch getrennt zu sein. Ähnlich ist es bei unserem Schwachkopf, welcher möchte, daß seine Bekannten aus einem flüchtigen Blick in sein Haus schließen, er könne nur ein Intellektueller sein. Er kauft sich ein riesiges Buch über Russisches Ballett, möglichst noch in der Sprache jenes fernen, aber schönen Landes abgefaßt. Unser Problem ist es nun, daß Buch in angemessen kurzer Zeit so zu verändern, daß jeder, der es betrachtet, nur folgern kann, daß sein Besitzer damit gelebt, gespeist und geschlafen hat. Nun können Sie, wenn Sie wollen, das Gespräch auf den Entwurf einer Maschine bringen, die, von einem kleinen, aber leistungsfähigen Benzinmotor angetrieben, jedes Buch in fünf Minuten "liest", so daß das Äquivalent einer "Lese"-Zeit von fünf oder zehn Jahren durch einfachen Knopfdruck erzielt wird. Diese jedoch ist die billigste, seelenlose Lösung, wie sie in unsere schnellebige zeit paßt. Keine Maschine kann die gleiche Arbeit verrichten wie die sanften Finger eines Menschen. Der geübte und erfahrene Buchhandhaber ist die einzig wahre Antwort auf diese zeitgenössische soziale Frage. Was tut er? Wie arbeitet er? Was würde er berechnen? Wie viele Arten der Handhabung würde es geben? Diese Frage und noch viele andere werde ich übermorgen beantworten. Aus der Welt der BücherJa, die Frage der Buchhandhabung. Vorgestern sprach ich über den Bedarf, den wir an einem professsionellen Buchhandhaber haben, einem Menschen, der die Bücher analphabetischer, aber wohlhabender Emporkömmlinge so zaust, daß die Bücher aussehen, als seien sie von ihren Besitzern mindestens zweimal gelesen worden. Wie viele Arten des Zausens würde es geben? Ohne länger darüber nachzudenken, würde ich sagen: vier. Angenommen, man bittet einen erfahrenen Handhaber, die Handhabung eines Buchregals von vier Fuß Länge zu veranschlagen. Dann wprde sich sein Kostenvoranschlag in vier Abteilungen gliedern: Erstklassige Handhabung. Jeder Band wird vollendet gehandhabt, vier Blatt pro Stück mit Eselsohren versehen, in nicht weniger als 25 Bänden wird eine geeignete Passage mit Rotstift unterstrichen, und als vergessenes Lesezeichen bekommen alle Bände je eine Flugschrift über Victor Hugo in französischer Sprache. Das kommt dann 2 Pfund 17 Shilling Sixpence. Fünf Prozent Rabatt für Literaturstudenten, Staatsbeamte und Sozialarbeiterinnen. Das Passende für jeden GeldbeutelDas großartige an diesen abgestuften Tarifwen ist, daß niemand unwissend oder ungebildet erscheinen muß, nur weil er oder sie arm ist. Denn nicht jeder vulgäre Mensch, merken wir uns, ist wohlhabend, obwohl ich da einige... Wie auch immer. Wenden wir uns nun den aufwendigen graden der Handhabung zu. Der folgende ist seinen Aufpreis voll wert. Handhabung De Luxe. jeder Band wird übel zugerichtet, die Buchrücken der kleineren Bände werden in einer Weise beschädigt, die den Eindruck entstehen läßt, sie seien in Brust- oder Hosentaschen herumgetragen worden, eine Passage in jedem Band wird mit Rotstift unterstrichen plus Ausrufungs- oder Fragezeichen am Seitenrand, ein alte Programm vom Gate Theatre wird jedem Band als vergessenes Lesezeichen beigelegt (drei Prozent Ermäßigung, wenn alte Programme des Abbey Theatre aktzeptiert werden), nicht weniger als dreißig Bände werden mit alten Kaffee-, Tee-, Porter- oder Whiskeyflecken behandelt und nicht weniger als fünf Bände mit dem gefälschten Namenszug des Autors versehen. Fünf Prozent Rabatt für Bankfilialleiter, Landräte und Geschäftsführer von Betrieben mit nicht weniger als 35 Beschäftigten. Eselsohren werden auf Anweisung extra angefertigt; 2 Pence das halbe Dutzend pro Band. Wahlweise Preisliste für alte Pariser Theaterprogramme anfordern. Dieser Service ist nur für begrenzte Zeit im Angebot. Netto 7 Pfund 18 Shilling 3 Pence. Bestellen Sie Ihr Exemplar schon jetztDie viertes Stufe ist due Superbe Handhabung, obwohl sie eigentlich nie so genannt wird; Le Traitment Superbe ist die weit üblichere Bezeichnung. Sie ist so superb, daß ich heute keinen Platz für sie habe. Sie wird nächsten Montag an dieser Stelle erscheinen, und um diesen Anlaß zu ehren, wird die Irsih Times an jenem Tag auf handgeschöpften antiken durchwirkten hadernhaltigen halbgerupften extrafeinen niederländischen Papier bedruckt erscheinen, jedes Exemplar von mir persönlich signiert und mit einem exquisiten Bild des Old House in Collge Green in Drei-Farben-Steindruck-Technik als Beilage. Das mindeste, was Sie tun können, ist, Ihr Exemplar im voraus zu bestellen. und noch eine Bemerkung. Es genügt nicht, daß Sie Ihr Exemplar bestellen. Bestellen Sie es im voraus. Man wird sich erinnern (wie, in drei Teufels Namen, hätte man es vergessen können?), daß ich letzten Freitag das Thema der Buchhandhabung behandelte, meinen neuen Service, der unwissenden Menschen, die gern in Verdacht geraten wollen, Leser zu sein, in die Lage versetzt, ihre Bücher in einer Weise handhaben und zerzausen zu lassen, daß der Eindruck entsteht, ihr Eigentümer sei ihnen zärtlich ergeben. Ich beschrieb drei Stufen der Handhabung und versprach zu erklären,
was Sie in der vierten Abteilung erwartet: die Superbe Handhabung,
bzw. Le Traitment Superbe, wie wir Burschen sie
nennen, die wir unsere Flitterwochen in paris verbracht haben.
Sie ist die teuerste von allen, sowieso, aber weit billiger als
Schmutz, wenn Sie das hohe Maß an Prestige bedenken, das sie
Ihnen in den Augen Ihrer lachhaften Freunde einbringen wird. Hier
sind die Details: AußerdemDas ist natürlich noch nicht alöles. Höreen Sie sich dies an: Nicht weniger als sechs Bände werden mit gefälschten Zuneigungs- und Dankbarkeitsbezeugungen vom Autor des betreffenden Werkes versehen, z.B.: "Für meinen alten Freund und Zunftkollegen A.B. in liebevoller Erinnerung von George Moore", "In dankbarer Anerkennung der großen Freundlichkeit, die du, lieber A.B., mit hast angedeihen lassen, sende ich Dir dieses Exemplar von Der güldene Krug. Dein alter Freund James Stephens." "Tja, A.B., wir sind beide nicht mehr die Jüngsten. Angeblich habe ich mich inzwischen zu einem ganz passablen Schriftsteller gemausert, aber ich bin immer noch nicht alt genug, die unendliche Geduld zu vergessen, die Du bewiesen hast, als Du meine jungen Füße auf dem Pfad der Literatur geleitetest. Nimm dieses Buch, und ma es noch so dürftig sein, entgegen, und glaube mir bitte, daß ich immer bleiben werde, was ich war und bin: Dein Freund und Bewunderer G. Bernhard Shaw." "Von Ihrem ergebenen Freund und Jünger K. Marx." "Lieber A.B.: Deine unschätzbar wertvollen Vorschläge und Dein Beistand - die Freundlichkeit gar nicht zu erwähnen, die DU an den Tag legtest, als Du das gesamte 3. Kapitel umgeschrieben hast - all das berechtigts dich wie keinen anderen zu diesem ersten Exemplar von 'Tess". Dein alter Freund T. Hardy." "Da ich mir das große Vergnügen, Sie persönlich zu besuchen, im Augenblick versagen muß, lieber A.B. sende ich Ihnen dieses Exemplar von 'The Nigger'. Mir fehlt Ihre Gesellschaft mehr, als ich sagen kann... (Unterschrift unleserlich). Man wird die Matschbirne, der dieses Buch gehört, bitten, folgenden Spruch unter die Zuneigung zu schreiben (und ihm nötigenfalls zeigen, wie man das macht): "Der arme alte Conrad war gar nicht mal der Übelste. All dies hat länger gedauert, als ich dachte. Und es wird noch viel mehr geboten für die lumpigen 32 Pfund 7 Shilling Sixpence, die Sie die Superbe Handhabung kosten wird. In ein bis zwei Tagen hoffe ich, die alten Briefe erläutern zu können, die als vergessene Lesezeichen beigepackt werden, jeder einzelne ein exquisites Stück Fälscherkunst. Bestellen Sie Ihr Exemplar schon jetzt. BuchbehandlungIch versprach, etwas mehr über den vierten oder Superben - Grad der Buchhandhabung zu sagen. Mein Kostenvoranschlag beinhaltet auch, daß nicht weniger als zehn Bänden gewisse alte Briefe beiliegen, offenbar vor Zeiten als Lesezeichen verwendet und lange vergessen. Jeder Brief wird die gefälschte Unterschrift irgendeines bekannten Windbeutels tragen, der mit Ballet, Verseaufsagen, Volkstanz, Holzschneiderei oder einer ähnlichen Betätigung befaßt ist, die so frei von festen Regeln ist, daß sie die Schwachköpfe in ganzen Schwärmen anzieht. Jeder Brief wird eine makellose Fälschung sein und A.B., dem Besitzer des Buches, für sein "sehr freundliches Interesse an unserer Arbeit" danken, wird Bezug nehmen auf seine "unschätzbaren Ratschläge und Belehrungen", sein "beispielsloses Wissen" um die Spielregeln des Hupfdohlenwesens, die "kundige und geduldige Art, mit der er das corps am Montagabend führte", wird ihm für seine großzügige - zu großzügige - Subskription in Höhe von zweihundert Guineen danken, "die ich mehr zu würdigen wußte, als ich sagen kann". Als aktueller Anreiz wird ein zusätzlicher Brief beigelegt - kostenlos. Er wird unterzeichnet sein (oder doch zumindest diesen Eindruck erwecken) von dem einen oder anderen jungen Ausländer der lärmenderen Sorte, welche unser schönes Land mit ihrer Anwesenheit beehren. Das wird den halbherzigen Ehrgeiz der meisten respektablebn Plebejer befriedigen und sie dazu bringen, ihre Filiale an jender etwas verstopften Verkehrsader, die man die Straße ins Verderben, nicht zu schließen.
Den Herren, die sich mit mir im Dubliner Kulturbund
zusammengeschlossen haben, ist klargeworden, daß jetzt nicht die
Saison dafür ist, von einfachen Menschen durch das Medium des
kunstinfiszierten Bettelbriefs Bargeld zu ernten, und wie weiden
nun auf unverbrauchten Matten. Unsere neueste Schiebung ist der
Myles-na-gCopaleen-Buchklub. Treten Sie ihm bei, und ersparen Sie
sich die nervenzermürbende Plackerei, die damit verbunden ist,
wemm man sich seine Bücher selbst aussucht. Wir nehmen Ihnen die
Auswahl ab, und wenn Sie das Buch bekommen, ist es vor-gelesen,
d.h. bereits durch die Hände unserer erfahrenen Handhaber
gegangen, und das ohne Aufpreis. Sie erparen sich die Mühe, es zu
besudeln und zu zerknittern, damit Ihre Freund glauben, Sie
könnten lesen. In unregelmäßigen Abständen gibt es für
Mitglieder, die gern ein Gespräch wie das folgende führen, auch
ein Buch, das auf dem Index steht-: Aus: Flann O'Brien: Trost und Rat. München: Diana, 2000. S. 25-36 [Fundstücke] [LB-Startseite] [E-Mail] |