Jetziges Bücherwesen

von Karl August Döring (1783-1844)


Was doch drängst du mich, Freund, mit meinen Gedichten zur Presse,
Vielzugütig vom Werke des Freunds urtheilend; wofern ich
Hart und grausam dich nicht, ja, Feind dich richtiger nenne?
Soll auf den wogenden Meere der Bücherwelt ich den Klippen
Und Untiefen und Stürmen auch Preis mich geben, Geliebter,
Von Haifischen umlauert den hungrigen Kritikern, die ich
Nimmer mit Gold satt mach’, und die als Freund’ ich nicht kenne,
Noch als Gevatter begrüß’, also nur fördernd ihr Urtheil?
Soll ich beekeln mich lassen vom übersättigten Leser?
Sind nicht Bücher genug? Schreibseliger Finger die Fülle?
Wachsen nicht Bücher und Büchlein wie Pilz’ aus dem sumpfigen Erdreich?
Laufen nicht fünf- sechs Tausend des Jahres vom Stapel, sich Käufer
Wenn auch nicht Leser, zu suchen, mit Macht und Gewalt sie erpressend?

Soll ich bei all der Fülle den Überfluß noch vermehren,
Holz in den Wald noch tragen, und Wasser ins Meer? Ich vermag ja
Selbst vor der Bücherfluth nicht mehr mich zu retten, die täglich
Her auf mich wogt, Sturmfluthen vergleichbar, welche vor Kurzem
Oft die Länder und Städt’ heimsuchten, die Fluren versandend.
Was ist ein Buch? Ein Tropfen im Ozean, plötzlich verschwunden!
Kannst du doch rings dein Gemach verzieren für wenige Thaler,
Daß vom Fuße die Bücher bis hoch an die Decke dir starren!
Salomo, lebtest du jetzt! Des Büchermachens, so riefst du,
Ist kein Ende! Du hast von unsern Tagen geweissagt!
Seit drei Tausend der Jahre nunmehr vorübergerollt sind;
Hat dein Wort sich erfüllt und erfüllt am vollkommensten jetzt sich.

Möchte ein zweiter Omar nur bald Alexandriens Bäder
Wiederum heitzen nach Lust mit so hoch sich türmendem Brennstoff!
Aber sie werden gespart zum Brand am Ende der Tage,
Leichtentzündlicher Zunder, noch höher die Glut zu entflammen!-
Vier Zeitalter hat sonst man gezählt; ich zähle dir fünf auf!-
Längst ist das goldne vorbei, wo noch kein Gold man begehrte,
Ruhige Tage verlebend, voll Seligkeit, frei von Bedürfniß,
Frei vor Allem vom Schreiben und Druck und Lesen der Bücher!
Als das silberne kam, auch da nicht lechzte man gierig
Nach dem Silber, um Geld noch immer nicht wirkend und schreibend.
Aber das eherne sah das Menschengeschlecht schon verderbter,
Und das eiserne vollends bedrängte die Menschen mit Lasten,
Doch nicht mit Bücherdruck, dem drückendsten, schwersten von Allem,
Weil man noch ernst und wichtig, was jetzt so leicht ist, genommen!

Nur ein fünftes, Geliebter, es ist das schlimmste, das schwächste,
Das papierene nenn’ ich’s, wofern du den richtigen Namen:
Das Zeitalter der Lumpen nicht vorziehst! Bücher auf Bücher
Schwellen empor, aufeinander gepflanzt, wie dem Grunde des Meeres
Breite Korallenbänk’ aufschwellend entwachsen zum Tageslicht,
Gleichend dem ewig und endlos sich wiedergebärenden Chaos!
Lumpen und Gänsekiel und Druckerschwärze - die sollten
Bringen das Heil? Nicht kräftige Red’ und männliche Thatkraft?
Wo Freibeuter in Füll’ und Ehrenräuber und Diebe
Führen, wie Dolche die Feder, vollkommen erfüllend das Sprüchwort:
Will man stehlen, erwürge man erst! Da sollt’ ich sie wagen,
Diese gefährliche Reis’ auf den Ozean, wo mir der Schreiber,
Wo der Setzer, Corrector, und dann Buchhändler und Censor,
Kritiker auch, und Publikum gar mit Aerger, Verdruß und
Schande bereiten, mit Kält’ und mit Undank lohnend; wofern nicht
Wildes Partheiengeschrei sie von allen Seiten erheben!
Will ich doch nicht einmal mich nie, auch der besten Parthei nicht, verpfänden!

Darum räthst du nicht freundlich! Verlocke mich nie in die Knechtschaft!
Wer dem Publicum fröhnt, ist ein Sclav, der Unseligste Aller!
Preß’ und Druck, erschrickst du nicht schon bei solcherlei Namen?
Druck für mein Geisteserzeugniß, und Presse wol selbst für den Geist noch!
Sollt’ ausstoßen ich so die zartesten Kinder des Geistes,
Unbarmherzig, damit sie, erstarrt, ertödtet, erdrückt schier
In herzloser erstorbener Welt mir selber ersterben?
Leichengeruch umduftet ein Buch! Die Todten, wer mag sie
Wieder heraufbeschwören? Es giebt der Geisterbeschwörer
Wenige nur! Die meisten der Leser ersticken den Geist noch,
Statt aus dem Grabe des Buchs lebendig hervor íhn zu zaubern!
Siehe nur an die lesende Welt! Allesend verschlingt sie
Bücher auf Bücher, noch mehr den verdorbenen Magen verderbend.
Nicht gewahr ich erquickende Frucht: Kraft, männlich zu wirken.
Jeglicher schreibt und jeglicher liest! Wie von selber entströmt’s oft,
Unwillkührlich dem Munde: Laß, Freund, dieß drucken! Laß drucken!
Aber ich ruf’ entgegen: ihr Freund’, O laßt doch das Drucken,
Zeitgenossen, o laßt, Schreibselige, laßt nicht mehr drucken!
Du, vor Allen, Geliebter, o gönne mir Ruhe und Freiheit!
Dränge mich nicht zum Drucken; es fehlt mir im Leben an Druck nicht!


Karl August Döring: Christlicher Hausgarten, Elberfeld 1831, S. 86 f.


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