Die Treppe ins Paradies

Satirische Erzählung von Michail Bulgakow


"Die Treppe, die zur Bibliothek des Weißrussischen Bahnhofs in Moskau führt, ist komplett vereist, Es herrscht völlige Dunkelheit, die Arbeiter stürzen sich zu Tode" [Arbeiterkorrespondenz].

Der Arbeiter Kossin fiel gekonnt. Mit Getöse rutschte er vom ersten Stock ins Erdgeschoß hinunter, dort drehte er sich auf dem Treppenabsatz mit dem Kopf nach unten und landete auf der Straße. Ihm folgte seine Pelzmütze, der Pelzmütze - "Krieg und Frieden", ein Werk von L. Tolstoj. Das Buch hatte den Rücken zu einem Buckel aufgestellt, sein Umschlag sträubte sich nach allen Seiten, und es machte neben Kossin halt.
"Und, wie war's?" fragten ihn unten die anderen, die warteten, bis sie an der Reihe waren.
"Ich hab mir die Hose zerrissen", antwortete Kossin dumpf. "Eine gute Hose, meine Frau hat sie auf dem Sucharjowka-Markt ergattert." Er befühlte einen wunderschönen sternförmigen Riß an der Hüfte. Dann hob er das Buch von Tolstoj auf, zog sich seine Pelzmütze über den Kopf und machte sich, leicht hinkend, auf den Heimweg. Als zweiter wagte es Baltschugow.

"Mit dir werde ich schon fertig, mit dir nehme ich's schon auf", murmelte er und drückte Gogols Gesammelte Werke in einem Band an die Brust. "Schließlich bin ich im Jahre fünfzehn auf die Karpaten geklettert und habe mich mit keinem Wörtchen darüber beklagt. Zweimal verwundet... Auf dem Rücken den Rucksack, in der Hand die Flinte, an den Füßen die Stiefel, und hier habe ich nur den Gogol - und mit Gogol soll ich's nicht schaffen? ... Ich will das 'Alphabet des Kommunismus' ausleihen ... verflucht! ... ich (er verschwand in völliger Dunkelheit) ... der Teufel soll euch holen mit eurer Bibliothek! ..."
Er machte den Versuch, sich an einem unsichtbaren Geländern festzuhalten, doch dieses entglitt ihm augenblicklich. Dann glitt ihm auch noch Gogol aus der Hand, und gleich darauf lag er auf der Straße.
"Autsch!" winselte Baltschugow, als er spürte, wie eine dunkle Kraft ihn von den vereisten Stufen losriß und in den Abgrund zog.
"Hil...", stöhnte Baltschugow und fiel mit dem Kopf nach unten. "...fe!" beendete er das Wort, als er schon im Schnee saß.

"Nimm doch Schnee..." rieten ihm die Wartenden, als sie sahen, daß Baltschugow schönes rotes Blut spuckte.
"Nicht mit Ssnee", lispelte Baltschugow (seine Wange schwoll zusehends an), "sondern mit einem Pfahl sollte man dem Bibliothekar und der Klubleitung eins über den Kopf ... mit der Ssnauze ... diese Treppe ..." Er wühlte mit den Händen im Schnee und sammelte die auseinandergeflogenen Blätter von 'Taras Bulba' zusammen. Dann stand er auf, spuckte rotes Blut in den Schnee und ging nach Hause.
"Ein Buch wollte ich mir ausleihen", brummelte er und hielt sich die Wange, "ein ssönes Buch hab ich da bekommen. Mein Zahn wackelt..." Die Dunkelheit verschluckte ihn.
"Solln wir nicht nach oben kriechen, Mitja?" fragte einer der Wartenden schüchtern. "Ich würde so gern die Zeitung lesen."
"Zum Teufel damit", antwortete Mitja. "Das ist lebensgefährlich, ich hab doch vor kurzem geheiratet. Ich habe eine Frau, die dann als Witwe zurückbleibt. Gehn wir nach Hause." Und das Dunkel verschluckte auch sie.


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