Bibliophilie und Sammlertum


von Ludwig Bielschowsky

Das Buch ist der älteste und bedeutendste Träger und Vermittler geistiger Äußerungen. Wegen seines ideellen Wertes ist ihm von jeher eine besondere Schätzung zuteil geworden. Während Bibliophilie die innere Einstellung zum Buch bezeichnet, sind Büchermachen und Büchersammeln die praktischen Tätigkeiten, die sich aus dieser Einstellung ergeben, Die einen veranlaßt die Bücherliebe sich schöpferisch, berufsmäßig dem Buche zu widmen: als Verleger, Buchgestalter, Buchbinder, Buchhändler, Bibliothekar - womit keineswegs gesagt sein soll, daß alle, die diesen Berufen nachgehen, zu den Bibliophilen zu rechnen sind. Die meisten Bücherfreunde sind Sammler, und es gibt wenige, die es nicht sind - man kann sie als verhinderte Sammler ansehen. Selten werden sie aus finanziellen Gründen am Sammeln verhindert sein, denn die Bibliophilie ist mehr eine Sache der Einsatzbereitschaft als großer Mittel, und es gibt Sammelgebiete, denen man sich auch mit bescheidenem finanziellen Aufwand widmen kann. Der wahre Bibliophile wird immer Wege finden, um die zum Sammeln nötigen Mittel aufzubringen. Eine Entartungserscheinung der Bibliophilie ist die Bibliomanie, der Bücherwahn. Wer in unvernünftiger, süchtiger Weise Jagd auf Bücher macht, ist ein Bibliomane. Es hat Menschen gegeben, die der Bücher wegen stahlen, unterschlugen, fälschten und gar mordeten. Gesammelt wird vielerlei, und die Mannigfaltigkeit der Druckerzeugnisse hat dazu geführt, daß Papierprodukte einen besonderen Anreiz zum Sammeln geben - angefangen beim Straßenbahnfahrschein, der Ansichtskarte bis zum Kunstblatt und dem Buch.

Die Liebe zum Buch und der Wunsch, schöne Bücher zu besitzen, ist die erste Voraussetzung für den Sammler. Zum Begriff des Büchersammelns gehört das Bestreben, Bücher eines bestimmten, abgegrenzten Gebietes, die man für wert achtet, erhalten zu werden, zu einem geschlossenen Ganzen systematisch zusammenzustellen - aus dem vielerlei Verstreuten eine Einheit zu bilden. Man erkennt den Bibliophilen an der Art und Weise, wie er sich dem Buche - ganz gleich wo er es vorfindet - gegenüber verhält. Er wird nicht imstande sein, am Schaufenster eines Buchladens oder an einem wohlgefüllten Bücherschrank vorüberzugehen, ohne den Inhalt zu betrachten. Die Ausübung der Bibliophilie ist - entgegen manchen verbreiteten Vorurteilen - an keinerlei Geschlecht oder Alter gebunden. Zwar bilden unter den bekannten großen Sammlern die Frauen eine kleine Minderheit. Doch haben bereits im Mittelalter vereinzelt Frauen außerordentliche Sammelerfolge erzielt. In unserem Zeitalter waren es neben vielen anderen vor allem Ida Schoeller, Maria Gräfin Lanckoronska und Bettina Hürlimann, deren Bibliotheken, den verschiedensten Gebieten gewidmet, es an Bedeutung mit denen ihrer männlichen Sammlerkollegen durchaus aufnehmen konnten und die sich der Bibliophilie mit der gleichen Zielstrebigkeit und Sachkunde hingaben, wie diese. Auch die wiederholt aufgeworfene bange Frage, ab Bibliophilie und Büchersammeln denn noch zeitgemäß seien, wird durch die Praxis bejahend beantwortet. Solange noch jedes Jahr Hunderte von Büchern entstehen, die infolge ihrer Gestaltung den Erfordernissen und dem Geschmack des Sammlers entsprechen und solange diese Bücher Käufer finden, braucht man sich um die Aussichten der Bibliophilie nicht zu fürchten.


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